Arthritis und Rheuma 2022; 42(01): 47
DOI: 10.1055/a-1672-1384
Kinderrheumatologie kompakt

Unterschiede zwischen dem Zytokinsturm bei SARS-CoV-2-Infektion und einem Makrophagenaktivierungssyndrom oder der sekundären hämophagozytären Lymphohistiozytose

Almut Meyer-Bahlburg
1   Greifswald
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    Eine Gruppe der Universitätsklinik Münster unter Beteiligung mehrerer Mitglieder unserer Gesellschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie analysiert im Detail das Zytokinmuster beim Zytokinsturm-Syndrom im Rahmen von COVID-19. Insbesondere geht es dabei um die Identifizierung charakteristischer Unterschiede zwischen dem Zytokinsturm bei SARS-CoV-2-Infektion einerseits und einem Makrophagenaktivierungssyndrom (MAS) oder der sekundären hämophagozytischen Lymphohistiozytose (HLH).


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    Kessel C, Vollenberg R, Masjosthusmann K et al. Discrimination of COVID-19 from inflammation-induced cytokine storm syndromes using disease-related blood biomarkers. Arthritis Rheumatol 2021; 73(10): 1791–1799. doi: 10.1002/art.41763. Epub 2021 Sep 3. PMID: 33880885

    Die Infektion mit dem neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 führt bei einer Untergruppe von Patienten zu einer schweren Erkrankung mit hoher Sterblichkeit. Es wird angenommen, dass ein solch kritischer Verlauf von COVID-19 mit der Entwicklung eines Zytokinsturms einhergeht, wie er beim Makrophagenaktivierungssyndrom (MAS) und der sekundären hämophagozytischen Lymphohistiozytose (HLH) auftritt. Spezifische Daten, die einen eindeutigen Zusammenhang zwischen einem Zytokinsturm und einer schweren COVID-19-Erkrankung belegen, liegen jedoch bisher nicht vor. Daher ist es das Ziel der Studie, direkt im Hinblick auf das Zytokinmuster zu untersuchen, ob die starke Immunaktivierung bei SARS-CoV-2-Infektion tatsächlich die Bedingungen dieser klassischen Zytokinsturm-Syndrome nachahmt.

    Eingeschlossen wurden 30 Patienten mit moderatem bis kritischem COVID-19, 22 Patienten mit sekundärer HLH, 28 mit MAS und 9 gesunde Individuen. Das Durchschnittsalter lag bei 57 Jahren (COVID-19), 48 Jahren (HLH, MAS) und 28 Jahren (Gesunde). Interessanterweise waren nur 2/30 Patienten der COVID-19-Gruppe weiblich, in den übrigen Gruppen war das Geschlechterverhältnis in etwa ausgeglichen. Von den 30 COVID-19-Patienten wurden insgesamt 83 Längsschnittproben untersucht, von allen anderen nur eine einzelne Probe. Die Zytokinbestimmungen wurden an Serumproben mittels Bead-Array-Assays und Enzymimmunoassays durchgeführt. Neben einer Unterscheidung der 3 Krankheitsentitäten wurde bei COVID-19-Patienten auf Korrelationen zwischen Zytokinwert und dem Krankheitsverlauf hin untersucht.

    Patienten mit sekundärem HLH/MAS konnten anhand von 6 der zahlreichen untersuchten Serummarker von Patienten mit kritischem COVID-19 unterschieden werden: Die IL-18, INFγ und sFasL-Level waren bei Patienten mit sekundärem HLH/MAS verglichen mit Patienten mit kritischem COVID-19 deutlich erhöht. IL-1Rα und IL-8 waren dagegen signifikant erhöht in Patienten mit kritischem COVID-19 verglichen mit sekundärem HLH einerseits (IL-1Rα) und MAS andererseits (IL-8). Darüber hinaus waren die Serumspiegel von löslichem ICAM-1 bei Patienten mit kritischem COVID-19 im Vergleich zu Patienten mit sekundärer HLH und Patienten mit MAS signifikant erhöht.

    Als nächstes wurden die verschiedenen Marker in Proben von einem frühen Zeitpunkt sowie im Verlauf einer COVID-19-Erkrankung untereinander und mit Proben von sekundärer HLH/MAS verglichen. Anhand einer ROC-Kurven-Analyse (ROC: receiver operating characteristic; Grenzwertoptimierungskurve) konnte gezeigt werden, dass die Marker IL-18, IFNγ, sFasL und ICAM-1 eine sehr aussagekräftige und gute Differenzierung zwischen kritischem COVID-19 und sekundärer HLH/MAS ermöglichen. Von allen getesteten Markern waren die Serumspiegel von INFγ am besten geeignet, sekundäre HLH von kritischer COVID-19-Erkrankung zu unterscheiden.

    In multiplen Korrelationsanalysen bestand bei sekundärem HLH/MAS eine positive Korrelation von IL-18 und IFNγ mit fast allen quantitativen Serummarkern, was bei kritischem COVID-19 nicht beobachtet werden konnte.

    Zusammenfassend findet sich bei Patienten mit sekundärem HLH/MAS eine ausgeprägte Aktivierung der IL-18-INFγ-Achse, wohingegen erhöhte Serumspiegel von IL-1-Ra, ICAM-1 und IL-8 sowie stark reduzierte Spiegel von sFas-L charakteristisch für eine schwere SARS-CoV-2-Infektion sind. Diese Beobachtungen scheinen die Immundysregulation bei kritischem COVID-19 von den bekannten Merkmalen anderer Zytokinsturm-Syndrome zu unterscheiden. Damit wurden Serum-Biomarker-Profile identifiziert, die zwischen einer kritischen COVID-19-Erkrankung und einem sekundären HLH/MAS in Bezug auf die schwere systemische Hyperinflammation differenzieren können. Diese Ergebnisse könnten bei der Untersuchung der Wirksamkeit von Arzneimitteln zur Behandlung von COVID-19, die auf Schlüsselmoleküle und -wege abzielen, die speziell mit systemischen Zytokinstürmen einhergehen, hilfreich sein.

    Auch wenn die vorliegende Studie an Proben erwachsener Patienten durchgeführt wurde, so mag sie Rückschlüsse auf pädiatrische Patienten mit Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome (PIMS) geben und ist daher lesenswert.

    Prof. Dr. Almut Meyer-Bahlburg, Greifswald


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    Publication History

    Article published online:
    25 February 2022

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