Rofo 2022; 194(02): 125-126
DOI: 10.1055/a-1710-0974
RöFo 100 Jahre Organ der DRG

„Vielfalt leben – Zukunft gestalten“ im virtuellen und analogen Raum: Interview mit Dr. Kerstin Westphalen, Kongresspräsidentin, über den 103. Deutschen Röntgenkongress

 

    Seit 1922 ist die RöFo das offizielle Organ der Deutschen Röntgengesellschaft (DRG). Das folgende Interview ist ein Ausschnitt aus der ersten Folge des 100-Jahre-RöFo-DRG-Podcasts. Die RöFo bietet die mehrteilige Reihe anlässlich von 100 Jahre Partnerschaft mit der DRG an.


    #

    Eigentlich war der Röntgenkongress im digitalen Format zunächst als Übergangslösung gedacht. Die große Nachfrage an diesem virtuellen Veranstaltungsangebot, die weit über den klassischen Präsenzkongress hinausreichte, führte jedoch zu dem Entschluss, den Deutschen Röntgenkongress auch künftig um einen digitalen Programmteil zu erweitern. Dr. Kerstin Westphalen, Kongresspräsidentin des 103. Deutschen Röntgenkongresses 2022, erzählt im Gespräch für den 100-Jahre-RöFo-DRG-Podcast begeistert: „Der Kongress war dermaßen erfolgreich in den vergangenen zwei Jahren – so viele Zuhörerinnen und Zuhörer hatten wir nie zuvor.“ Vom 27. März bis zum 26. Juni 2022 hält die Deutsche Röntgengesellschaft daher ein umfangreiches virtuelles Fortbildungsangebot bereit. Beim Präsenzkongress, der vom 25. Mai bis zum 27. Mai 2022 in Wiesbaden stattfindet, stehen Begegnung, persönlicher Austausch und Dialog im Mittelpunkt. Inhaltlich wird der 103. Deutsche Röntgenkongress insbesondere die Themen Diversität und Nachhaltigkeit in den Blick nehmen. Darüber und über weitere spannende Aspekte berichtet die Kongresspräsidentin im 100-Jahre-RöFo-DRG-Podcast. Lesen Sie hier einen Ausschnitt des Gesprächs mit Frau Dr. Kerstin Westphalen:

    Frau Dr. Westphalen, das Motto des diesjährigen Deutschen Röntgenkongresses lautet „Vielfalt leben – Zukunft gestalten“. Was verbirgt sich dahinter?

    Aus diesem Kongressmotto leiten sich zwei Hauptthemen ab – Diversität und Nachhaltigkeit. Wie Sie wissen, wird das Thema Nachhaltigkeit – insbesondere der Klimawandel – die größte Herausforderung für unsere Gesellschaft in den nächsten Jahren oder Jahrzehnten sein. Wir als Radiologinnen und Radiologen wollen uns dem stellen und haben deshalb auch in der DRG bereits eine Kommission hierfür eingerichtet. Noch mehr freut es mich, dass wir dieses Thema auf dem 103. Deutschen Röntgenkongress in den Mittelpunkt rücken werden und endlich anfangen, gemeinsam über notwendige Veränderungen nachzudenken und Lösungsstrategien zu entwickeln. Wir Radiologinnen und Radiologen sind ja schon immer zukunftsorientiert gewesen und überlegen ständig, wie wir uns verbessern, wie wir Probleme lösen können. Wenn wir über Nachhaltigkeit sprechen, müssen wir gleichermaßen ihre ökologische, ökonomische und auch ihre soziale Dimension im Blick haben. Im Fokus stehen deshalb auf dem Kongress folgende Fragen: Wie nachhaltig sind wir in der Ausbildung? Wie nachhaltig sind wir in der Gestaltung unserer Arbeitszeit- und Arbeitsplatzmodelle? Wo können wir Ressourcen sparen? Wie können wir mit der Industrie in einen Austausch treten, um gemeinsam ökologisch nachhaltiger zu werden? Ich habe nicht den Anspruch, dass wir dafür sofort Lösungen finden, aber ich freue mich darauf, dass wir anfangen, darüber zu reden und miteinander zu diskutieren – und damit vielleicht auch eine Bewegung anstoßen.

    Zoom Image

    Das Thema Diversität liegt Ihnen ebenfalls besonders am Herzen – was verstehen Sie darunter? Warum ist es Ihrer Meinung nach wichtig, dass dieses Thema einen Schwerpunkt auf dem diesjährigen Röntgenkongress bildet?

    Unter Diversität beziehungsweise Diversity versteht man in erster Linie die positive Betrachtung des Phänomens personeller Vielfalt. Die DRG hat sich auch diesem Thema bereits angenommen und mit Diversity@DRG eine Initiative gestartet, um Ideen und Modelle zu erarbeiten, wie die Radiologie größere Vielfalt abbilden und bestehende und anzuwerbende Potenziale besser nutzen kann. Diversität bietet aber auch darüber hinaus spannende Anknüpfungspunkte für die Radiologie – hinsichtlich ihrer bildgebenden Methoden und Verfahren, möglicher und realer interdisziplinärer Strukturen, neuer Arbeitsmodelle oder auch mit Blick auf die Vielfalt an Patientengruppen. Diversität soll sich auch unmittelbar in der Organisation und Durchführung des Kongresses abbilden – zum Beispiel über einen deutlich höheren Anteil an Referentinnen oder grundsätzlich über das neue Kongresskonzept, das gerade mit seinem digitalen Programmteil auch explizit Eltern adressiert.

    Zoom Image
    Dr. Kerstin Westphalen, Kongresspräsidentin des 103. Deutschen Röntgenkongresses

    Ihnen liegt unter anderem die Sichtbarkeit der Frauen in der Radiologie besonders am Herzen. Sie haben sich als Kongresspräsidentin das Ziel gesetzt, den Anteil weiblicher Vortragender im Fortbildungsprogramm auf mindestens 35 % zu erhöhen. Warum ist Ihnen das so wichtig und wie wollen Sie das erreichen?

    In der DRG haben wir einen Frauenanteil von rund 36 %, was ziemlich genau dem Anteil entspricht, den berufstätige Radiologinnen in Deutschland einnehmen. Interessant ist aber, dass beispielsweise im stationären Bereich nur fünf Prozent der Radiologinnen eine leitende Funktion ausüben, während es bei den männlichen Kollegen immerhin mehr als 14 % sind. Hier gibt es also ein Missverhältnis, das sich ebenfalls in die DRG hinein verlängert. Kurzum: Es fehlen Frauen in verantwortlichen Positionen – auch innerhalb der Röntgengesellschaft. Dieses Missverhältnis zeigt sich auch an anderer Stelle: Wenn man den Anteil der weiblichen Referentinnen auf den letzten Kongressen sieht, dann muss man feststellen, dass dieser deutlich unter dem Frauenanteil in der DRG liegt. Warum ist das so? Haben Frauen einfach keine Zugangsmöglichkeiten oder aber einen zu hohen Anspruch an sich selbst? Für mich entstand daraus der Anspruch zu sagen: „Nein, wir wollen auch nach außen zeigen, dass wir Frauen sehr wohl Teil dieser Fachgesellschaft sind und dass wir die gleichen Möglichkeiten und Chancen haben!“ Deswegen haben wir gesagt, wir passen die Quote der Vortragenden an die DRG-Mitgliederstruktur an und ich kann schon vorwegnehmen: Wir sind auf einem guten Weg!

    Welchen Rat geben Sie jungen Radiolog*innen heutzutage mit auf den Weg?

    Bei vielen meiner jungen Kollegen – und vor allem bei den Kolleginnen – stelle ich häufig fest, dass sie einen sehr hohen Anspruch an sich selbst haben und meinen, alles perfekt machen zu müssen. Das funktioniert aber nicht! Man muss sich auch selbst eingestehen können, dass man eben nicht perfekt ist. Das bedeutet aber nicht, dass das Endergebnis schlecht ist – manchmal ist es sogar besser. Da spielt eine gute „Fehlerkultur“ mit hinein – ein wichtiges Thema, das wir auch auf dem Röntgenkongress behandeln werden. Wie gehen wir mit Fehlern um? Wie nachhaltig ist das? Ich versuche meinen jungen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einen guten Umgang mit Fehlern zu vermitteln. Dabei ist zunächst eine Erkenntnis wichtig: Ich mache Fehler, das liegt in der in der Natur der Dinge. Aber ich muss lernen, wie ich mit den Fehlern umgehe. Wichtig ist dabei aus meiner Sicht, dass man offen damit umgeht darüber spricht und andere Lösungswege in den Blick nimmt. An Fehlern darf man auch emotional nicht scheitern. Das ist genau das, was ich oft bei jungen Kolleginnen und Kollegen sehe. Weil sie diese Vorstellung haben, perfekt sein zu müssen, scheitern viele von ihnen dann daran, wenn sie Fehler machen und stellen sich selbst komplett in Frage. Das ist aber der falsche Weg! Der richtige Weg ist aus meiner Sicht, dass man sich um die Situation kümmert: Man muss offen kommunizieren, richtig dokumentieren und dann muss man verarbeiten – und sich fragen: Wie kann ich das in Zukunft besser machen?

    Nicht nur der Umgang mit Fehlern ist in Ihrem Berufsleben als Chefärztin in der Radiologie sicher sehr herausfordernd – auch Situationen, in denen Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen komplett umplanen müssen, sind es. Dies war ja zum Beispiel 2020 durch das Auftreten der Coronapandemie der Fall. Der Deutsche Röntgenkongress konnte nicht als Präsenzkongress stattfinden. Vielleicht können Sie uns davon kurz berichten.

    Wir waren ja vor zwei Jahren gezwungen, von heute auf morgen den Schalter umzulegen. Dabei haben wir sehr davon profitiert, dass die Deutsche Röntgengesellschaft bereits vor vielen Jahren mit der Akademie Online ein digitales Fortbildungsformat etabliert hatte. Insofern war ein entsprechendes Know-how in der Fachgesellschaft bereits vorhanden, auf das wir zurückgreifen konnten. Auch die Entscheidungsstärke des DRG-Vorstands sowie die Offenheit und Bereitschaft, sich auf Neues einzulassen, haben zu einer erfolgreichen digitalen Transformation des Deutschen Röntgenkongresses wesentlich beigetragen. Dieser Erfolg in den vergangenen zwei Jahren hat uns dazu bewogen zu sagen: Das darf nicht wieder komplett verschwinden! Nichtsdestotrotz ist natürlich ein Präsenzkongress ein Präsenzkongress. Auch der ist wichtig! Schließlich lebt ein Kongress auch davon, sich zu treffen, sich in die Augen zu schauen, zu diskutieren und einfach Zeit miteinander zu verbringen. Da sind wir auch alle ganz hungrig drauf und freuen uns sehr, im Jahr 2022 beide Elemente zu haben – ein digitales Programm über zwölf Wochen und einen dreitägigen Präsenzkongress in Wiesbaden.

    Erfahren Sie mehr im ersten Teil des 100-Jahre-RöFo-DRG-Podcasts. Diesen finden Sie auf www.thieme.de/roefo-podcast . Oder scannen Sie einfach den QR-Code ein.

    Zoom Image

    Das Gespräch führte Friederike Gehlenborg, Thieme Communications.


    #

    Publication History

    Article published online:
    26 January 2022

    © 2022. Thieme. All rights reserved.

    Georg Thieme Verlag KG
    Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany


    Zoom Image
    Zoom Image
    Dr. Kerstin Westphalen, Kongresspräsidentin des 103. Deutschen Röntgenkongresses
    Zoom Image