Psychiatr Prax 2022; 49(01): 58
DOI: 10.1055/a-1710-7818
Mitteilungen BDK

Bericht aus dem AK Geistige Behinderung

Thomas F. Dielentheis
Allgemeine Psychiatrie 1, LVR-Klinik Langenfeld
› Author Affiliations
 

    Der Arbeitskreis Geistige Behinderung setzt sich aus Mitarbeitenden in Spezialbereichen für Patienten mit geistigen Behinderungen[*] zusammen, die der Tradition des Arbeitskreises gemäß unterschiedliche Professionen angehören. Er befasst sich mit fachlichen und politischen Fragen der psychiatrischen Versorgung von Menschen mit geistiger Behinderung in Deutschland. Er hält enge Kontakte zu Institutionen und Gremien, die mit der Versorgung psychisch kranker Menschen mit geistiger Behinderung beschäftigt sind, wie z. B. der Deutschen Gesellschaft für seelische Gesundheit bei Menschen mit geistiger Behinderung (DGSGB) oder dem Referat „Psychische Störung bei Menschen mit geistiger Behinderung“ der DGPPN.

    Auch der AK Geistige Behinderung der Bundesdirektorenkonferenz war im 2. Jahr der Pandemie erheblich beeinflusst und musste seine Aktivitäten einschränken, was sich zum Beispiel in lediglich zwei halbtägigen Videokonferenzen im Jahre 2021 statt der üblichen zweimal jährlich stattfindenden 1,5-tägigen Präsenztreffen äußerte.

    Für das Frühjahr 2022 ist ein Präsenztreffen im Pfalzklinikum Klingenmünster geplant, das hoffentlich auch in Präsenz und nicht digital stattfinden wird.

    Inhaltlich befasste sich der Arbeitskreis in den letzten Sitzungen insbesondere mit aktuellen Themen:

    Corona und die Folgen

    Naturgemäß war die Pandemie und ihre für Menschen mit geistiger Behinderung insbesondere in den ersten Wellen erheblichen Folgen ein Fokus des AK. Die Schließung von Werkstätten und anderen Einrichtungen führten zu einer starken Belastung der Heimeinrichtungen, was sich sekundär in der stationären und ambulanten Versorgung sehr deutlich bemerkbar machte. In den ersten Wellen wurden von den Einrichtungen seitens der Gesundheitsbehörden teilweise drastische Maßnahmen wie zwangsweise Isolierungen verlangt. Auch konnte an vielen Stellen die ambulante Arbeit nicht in gewohnter Weise fortgeführt werden.

    PPP-RL, MDK und Kostenträger

    Trotz vielfacher Aktivitäten, auch seitens einzelner Arbeitskreismitglieder, ist die Versorgung psychisch kranker Menschen mit geistiger Behinderung immer noch deutlich unterfinanziert. Dies spiegelt sich einerseits in nicht ausreichenden Vergütungen durch die Kostenträger wider, andererseits in einer erheblich höheren Prüfungsquote durch den MDK (etwa 3–4-fach höhere Quote als in anderen psychiatrischen Bereichen) sowie einer hieraus folgenden höheren Ablehnungsquote. Seitens der Kostenträger werden zudem zunehmend höhere Anforderungen an die Eingruppierung in adäquate Vergütungsstufen gestellt, wie zum Beispiel eine umfangreiche Leistungsdiagnostik bzw. die Nichtanerkennung etablierter Routineinstrumente wie das Disability Assessment Schedule (DAS). Durch Interventionen beim G-BA konnte erreicht werden, dass nun auch Pädagogen und Heilerziehungspflegende (weiter) beschäftigt werden können und abrechenbar sind.

    Umgang mit Langliegern bzw. Heimplatz gekündigten Patienten

    In fast allen Regionen ist zu beobachten, dass zunehmend Menschen mit geistiger Behinderung, die in Einrichtungen auffällig werden, in psychiatrische Kliniken verbracht werden mit der Forderung, sie dort zu belassen bzw. der Verweigerung der Rückübernahme in die Einrichtung. Die Unterbringung in Wohneinrichtungen ist schwierig und gestaltet sich je nach Region sehr unterschiedlich. Als Ursachen werden insbesondere der Fachkräftemangel, auch in Wohneinrichtungen, sowie aber auch eine mangelnde Kostenträgerfinanzierung gesehen. Die diesbezügliche Zuordnung von Verantwortlichkeiten ist häufig nicht klar geregelt und wird zuungunsten der Kliniken ausgelegt. Auch im Gesetz zum Entlassungsmanagement ist die dauerhafte (Wohn-)Unterbringung von Patienten nicht als medizinischer Auftrag vorgesehen. Die stationären Einrichtungen sind zunehmend gezwungen über ein stark strukturiertes Vorgehen im Vorfeld einer Aufnahme zu eruieren, ob hinter einem vermeintlich medizinischen/psychiatrischen Problem nicht tatsächlich ein Versorgungsproblem zu sehen ist.


    #

    * aktuell wird weiter der Terminus Geistige Behinderung verwendet. Die Diskussion um die Begrifflichkeiten in den verschiedenen Professionen besteht seit sehr langer Zeit. Mit Veröffentlichung des ICD-11 in Deutschland könnte ggf. die dann dort gewählte Terminologie übernommen werden.



    Korrespondenzadresse

    Dr. med. Dr. rer. nat. Thomas F. Dielentheis
    Allgemeine Psychiatrie 1, LVR-Klinik Langenfeld
    Kölner Straße 82
    40764 Langenfeld
    Deutschland   

    Publication History

    Article published online:
    03 January 2022

    © 2022. Thieme. All rights reserved.

    Georg Thieme Verlag KG
    Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany