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DOI: 10.1055/a-1716-2274
Keine Evidenz für die biomechanischen und pathophysiologischen Erklärungsmodelle muskuloskelettaler Erkrankungen nach Liebscher & Bracht
No Evidence for the Biomechanical and Pathophysiological Explanatory Models of Musculoskeletal Diseases According to Liebscher & BrachtViele Menschen suchen Linderung ihrer Beschwerden bei muskuloskeletalen Erkrankungen wie Arthrose oder chronischen Schmerzen bei alternativen Anbietern. Die Liebscher & Bracht Ausbildungen GmbH bietet in Kursen, Online-Videos und Büchern sowie mit Geräten, spezieller Ernährungsberatung und Therapien bei eigenen Vertragspartnern Methoden an, welche die Kunden „innerhalb kürzester Zeit“ von den Beschwerden befreien sollen. Dabei werden weder evidenzbasierte, wissenschaftlich bestätigte Erklärungen von Erkrankungsursachen noch bewiesene Zusammenhänge von Maßnahmen und Erkrankungsverlauf verwendet und den Kunden damit kein wissenschaftlich begründbarer Zusammenhang von Korrelation und Kausalität in Bezug auf vorhandenen Symptome und die eigene angebotene Therapie vermittelt.
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Schlüsselwörter
Liebscher & Bracht - Evidence based medicine - explanation theories - Liebscher & Bracht - evidenzbasierte Medizin - ErklärungsmodelleEinleitung
Das Ziel evidenzbasierter Medizin ist die gewissenhafte, exakte und umsichtige Verwendung von neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen bei Entscheidungen über die Versorgung von Patient*innen unter Berücksichtigung individueller klinischer Erfahrung und dem Patient*innenwunsch [1]. Um dieses Ziel zu erreichen, wurden von Dawes et al. 5 dafür notwendige Schritte beschrieben und angewandt [2].
Die auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basierende konservative Behandlung muskuloskelettaler Erkrankungen und die Schmerztherapie stellen eine akzeptierte und fachgerechte Therapie dar [3] [4] [5] [6]. Ein Schlüsselfaktor zur erfolgreichen Behandlung ist die korrekte Diagnosestellung und die Korrelation zwischen klinischem Zustand und Gründen für die physischen Einschränkungen und Schmerzerfahrung. Es gibt Evidenz für die erfolgreiche konservative Behandlung degenerativer Erkrankungen: Ein Cochrane Database Systematic Review konnte dies u. a. bei Hüft- oder Kniegelenkarthrose und Rückenschmerzen, die durch Physiotherapeut*innen und spezialisierte Ärzt*innen behandelt wurden, zeigen [7]. Dagegen kann eine chirurgische Therapie für Patient*innen nach erfolgloser konservativer Therapie oder schwerer degenerativer Gelenkveränderung indiziert sein.
Das Ehepaar Dr. Petra Bracht, eine Allgemeinmedizinerin mit Schwerpunkt alternative Ernährungsmedizin, und Roland Liebscher-Bracht, ein ehemaliger Kampfsportler und Maschinenbau-Student ohne therapeutische Ausbildung, nennt sich selbst „Schmerzspezialisten“ und gründete vor 30 Jahren die Liebscher & Bracht Ausbildungen GmbH (LnB) [8]. LnB bietet Mobilisierungs- und Dehnungsmethoden sowie Triggerpunkt-, Faszienrollen- und Wärmetherapie an und verspricht, Schmerzen effektiver als jede konventionelle schulmedizinische Therapie behandeln und heilen zu können. Kund*innen können nach einer Behandlung mit LnB-Methoden laut der Initiatoren bis an ihr Lebensende schmerzfrei und ohne Verschleiß bleiben. Für die Verbreitung der LnB-Behandlungsmethoden wird zum einen auf eigene Literatur mit Titeln wie „Deutschland hat Rücken“, „Die Arthrose-Lüge“, „Faszien-Rollmassage“ gesetzt [9] [10]. Zum anderen verzeichnet LnB eine große Reichweite im Internet. Am populärsten ist der YouTube-Kanal, welcher aktuell ca. 1,31 Millionen Abonnenten erreicht. Die dort eingestellten Videos wurden von mehreren Millionen Menschen gesehen, das Video „So darfst du nicht schlafen“ verzeichnet mit ca. 10 Millionen die meisten Klicks. Zusätzlich sind LnB auf sozialen Netzwerken wie Facebook und Instagram zu finden. Auch hier werden die Updates von LnB von mehreren hundertausend Nutzern verfolgt. Neben den digitalen und papierbasierten Medien bietet LnB Kurse für Ärzt*innen, Physiotherapeut*innen und Heilpraktiker*innen an. Mehr als 5000 Menschen haben die Kursformate in Deutschland, Österreich und der Schweiz bisher absolviert [8] [9] [10]. Im Gegensatz zur starken Präsenz in den Medien findet sich in wissenschaftlichen Datenbanken keine einzige Studie zu den Methoden, Erklärungsmodellen oder Behandlungsergebnissen von LnB. Sowohl in der Literatur als auch auf den digitalen Plattformen bieten LnB meist einfache Erklärungen und schnelle Lösungen für komplexe Gesundheitsprobleme, z. B. Bandscheibenvorfälle, an. Um Behandlungserfolge zu demonstrieren wird häufig mit Kund*innenbeispielen gearbeitet. Zudem werden Empfehlungen für die Anwendung von Faszienrollen und Tools zur Osteopressur aus dem eigenen Webshop gegeben, ohne dabei eine Differenzierung verschiedener möglicher Erkrankungsursachen und individueller Krankheitsverläufe vorzunehmen.
Der nun vorliegende Artikel beschreibt erstmals die wichtigsten von LnB in Büchern und Videos veröffentlichten Erklärungsmodelle und unterzieht diese einer evidenzbasierten Evaluation mittels narrativen Reviews durch eine Suche in PubMed nach den jeweiligen Schlagwörtern zum Thema. Die „best match“ und „most recent“-Artikel wurden dann nach „Randomized Controlled Trial“, „Meta-Analysis“, „Systematic Review“ gescreent und bis zu 10 ausgewählt. Die von LnB in Büchern oder auf der Homepage zitierten Artikel wurden aufgearbeitet und die Ergebnisse zusammengefasst. Brachte diese Suchmethodik zu einzelnen Themen kein Ergebnis, wurde dies ebenfalls dargestellt.
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Ergebnisse
Im Folgenden werden Aussagen von LnB hinsichtlich der Pathogenese und Behandlung muskuloskelettaler Beschwerden im Einzelnen aufgelistet und im Kontext aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse beleuchtet.
Behauptung: Arthrose verursacht keinen Schmerz, es gibt keine bewiesene genetische Komponente in ihrer Entstehung [8] [9]
Die Ätiologie der primären Arthrose ist gut untersucht. Unabhängig von bildgebenden Befunden sind die klinischen Erscheinungsbilder und das Schmerzempfinden sehr unterschiedlich. Obwohl viele Mechanismen noch nicht vollständig verstanden werden, zeigt sich eine eindeutige Korrelation der Arthrose mit zunehmendem Lebensalter, steigendem Körpergewicht und genetischen Faktoren [11] [12] [13] [14] [15] [16] [17] [18]. Williams et al. stellten im Jahr 2007 das aktuelle Fachwissen bezüglich der Entstehung von Arthrose in Abhängigkeit genetischer Faktoren in einem Review dar [19]. Mehrere aktuell publizierten Studien konnten dies nun neuerlich nachweisen [11] [14] [15]. Auch der Zusammenhang mit erhöhtem Körpergewicht und der Entwicklung schmerzhafter Arthrose wurde in mehreren epidemiologischen Untersuchungen aufgezeigt [20] [21].
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Behauptung: Bandscheiben können platzen und verursachen Schmerzen, wenn der Muskel- und Faszientonus zu hoch ist [8] [9] [10]
Im Rahmen der vorliegenden Recherche konnte keine wissenschaftliche Arbeit, die geplatzte Bandscheiben bei sportlicher Aktivität oder einer Trainingsmethode beschreibt, identifiziert werden. Ebenso liegt keine einzige Studie vor, die erhöhten Muskel- oder Faszientonus als Ursache für Bandscheibenschäden nachweisen kann.
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Behauptung: Längeres Stehen, Sitzen und bestimmte Schlafpositionen verursachen eine Verkürzung der Muskulatur, einen erhöhten Druck in Gelenken und dadurch entstehen Schmerzen [8] [9] [10]
Rückenschmerz ist eine multifaktorielle Erkrankung. Körperliche Inaktivität, Sitzen oder bestimmte Schlafpositionen werden landläufig meist für akute, aber auch chronische Rückenschmerzen verantwortlich gemacht, jedoch sind diese nicht wissenschaftlich begründbar auf einen einzigen bestimmten Faktor zurückzuführen [22] [23] [24] [25] [26] [27]. Roffey et al. konnten in einem systematischen Review im Jahr 2010 keine einzige Studie identifizieren, die eine Korrelation zwischen bestimmten Sitz- und Schlafpositionen und einer Verkürzung der Muskulatur oder Rückenschmerz zeigen würde [27]. Tinitali et al. konnten in einem aktuellen systematischen Review keinen Zusammenhang von Rückenschmerz und Sitzen beim Autofahren finden [26]. Schlafpositionen werden zwischen 2,1- und 4,7-mal pro Stunde verändert, weshalb der Zusammenhang von Schmerzen mit einer bestimmten Position nicht gegeben ist [28]. Das aktive Vermeiden bzw. das zwanghafte Einhalten bestimmter Schlafpositionen kann vielmehr die Schlafqualität negativ beeinflussen, was wiederum potenziell zu vermehrten Schmerzen führen kann, da es einen Zusammenhang zwischen Schlafqualität und empfundener Schmerzintensität gibt [29] [30].
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Behauptung: Die Ursachen für Gelenkschmerzen sind Bewegungseinschränkungen des Gelenks sowie eine erhöhte Muskel- und Faszienspannung [8] [9] [10]
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit konnte keine Studie, die diese Behauptung stützen würde, identifiziert werden. Verschiedene Studien zeigen, dass Deformität und Knorpelschaden Gelenkschmerz verursachen können und die Bewegungseinschränkung ein Symptom dessen darstellt. Bandgeführte Gelenke können trotz bildmorphologischer Abnützung und Deformität gut beweglich bleiben. Muskelspannung kann jedoch ein wichtiger funktioneller Befund als Ausdruck von Stress oder Bewegungsmangel sein [31]. Zudem konnte bislang nicht gezeigt werden, dass eine besonders große Gelenkbeweglichkeit vor Arthrose schützen würde. Obwohl die Reduktion von Muskelspannung auch zur Schmerzreduktion führen kann, gibt es keine Evidenz für dadurch ausgelöste Regenerationsprozesse im Gelenk [31] [32] [33].
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Behauptung: Ernährung und Arthrose: Spezielle Diäten schützen vor Arthrose und können diese heilen, Fettleibigkeit ist dabei kein Faktor [8] [9]
Es gibt keine klare Evidenz dafür, dass Veränderungen im Ernährungsverhalten Arthrose heilen oder verlangsamen können. Dagegen ist Fettleibigkeit ein bewiesener Faktor in der Entstehung der Arthrose. Spezielle Diäten können Arthrose nicht behandeln, aber durch Gewichtreduktion und Stoffwechselbeschleunigung sowie der damit einhergehenden Verminderung der Gelenklast den Schmerz reduzieren [20] [21] [34] [35] [36] [37]. Mediterrane Ernährung kann positive Effekte auf die Gesundheit und das Gewicht haben, wobei eine Korrelation zur Arthrose bislang nicht bestätigt wurde. Der Knochen- und Knorpelstoffwechsel wird dadurch beeinflusst und kann ein positiver Faktor in der Verzögerung des Krankheitsverlaufes sein [34] [35] [36] [37].
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Behauptung: Training mit Gewichten ist für die Behandlung von Rückenschmerzen kontraproduktiv und verschlimmert diese [8] [9] [10]
Mehrere Studien zeigen eindeutig die Effektivität in Bezug auf Muskelaufbau und die Schmerzreduktion durch Trainingstherapie bei Patient*innen mit Rückenschmerzen [38] [39] [40] [41] [42]. In einer randomisierten Studie zeigten Steele et al. im Jahr 2013 keinen Unterschied zwischen Training mit voller oder limitierter Beweglichkeit bei der Durchführung der Übungen im Hinblick auf den wahrgenommenen Schmerz und die Kraft [39]. Nicht alle Patient*innen profitieren von diesem Training, eine Verschlechterung der Schmerzsituation konnte aber in keiner Studie nachgewiesen werden.
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Behauptung: Knorpel regeneriert sich bei Verbesserung der Gelenkbeweglichkeit [8] [9]
Externe Fixateure können an Gelenken angebracht werden, um Schmerzen bei Arthrose zu behandeln. Dieses Verfahren wurde bereits an Knie- und Sprunggelenken mit operationsbezogenen Komplikationen wie Pin-Infektionen angewandt. Zu einer Heilung der Arthrose oder Regeneration von hyalinem Knorpel kam es jedoch nicht [43] [44] [45] [46]. Roseti et al. veröffentlichten im Jahr 2019 in einem Review alle aktuellen Behandlungsoptionen zur Knorpelregeneration wie Zell- und Gentherapie sowie „tissue engineering“ [12]. Die Autoren konnten zeigen, dass sich in der internationalen Fachliteratur kein Hinweis auf Knorpelregeneration durch Beweglichkeitsverbesserung findet. Eine von LnB zitierte Studie aus 2011 von Intema et al. behandelte 20 Patient*innen unter 60 Jahren mit Kniearthrose mit einem gelenküberbrückenden 5-mm-Distraktionsfixateur für 2 Monate [47]. In danach durchgeführten MRT-Untersuchungen zeigte sich eine durchschnittliche Knorpeldickenzunahme von +0,6 mm und eine Gelenkspaltzunahme um +0,9 mm, eine Schmerzreduktion und ein statistisch nicht signifikanter Trend zu einer erhöhten Kollagen-Typ-II-Synthese und vermindertem Abbau. Zusätzlich konnten strukturelle Gewebeveränderungen identifiziert werden. Ein Nachweis für die Regeneration von hyalinem oder Faserknorpel gelang jedoch nicht. In einer Follow-up-Studie derselben Studienpopulation nach 5 Jahren konnte im MRT keine signifikante Zunahme der Knorpeldicke, aber eine klinische Befindlichkeitsverbesserung gefunden werden [48] [49] [50]. Evidenz für Knorpelregeneration bei Arthrose des Gelenks ist bislang nicht beschrieben.
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Zusammenfassung und Diskussion
Die Analyse der aktuellen Fachliteratur zeigt keine Evidenz für die Erklärungsmodelle muskuloskelettaler Erkrankungen nach Liebscher & Bracht.
Der konservative Therapieansatz multifaktoriell begründeter, degenerativer orthopädischer Erkrankungen mit Physiotherapie, körperlicher Aktivität und gesunder Ernährung ist sehr hilfreich, um Beschwerden zu lindern und die Erkrankung gut zu behandeln. Dies konnte in vielen Studien gezeigt werden.
Vereinfachte Darstellungen und Aussagen wie „wer heilt, hat recht“ sind nicht korrekt [51]: Wo es keine nachgewiesene Effektivität einer Therapie oder sogar keine Therapie gibt, kann es auch keinen Zusammenhang dieser Therapie mit Heilung geben. Vielmehr müsste es „wer Beschwerden lindert, hilft“ heißen: Dann würde die „Heilung“, also die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes, zwar nicht behauptet, der Betroffene erfährt aber dennoch eine Verbesserung seines Zustandes – der Helfer hat damit aber auch noch nicht zwingend „recht“. Wird aber die Heilung suggeriert, obwohl lediglich Symptome gelindert wurden, widerspricht dies der medizinischen Ethik. Einzelberichte von erfolgreichen Behandlungen von Kund*innen, Patient*innen oder Therapeut*innen sind nicht geeignet, eine Therapieform als wirksam zu beschreiben. Dafür muss die Therapie wissenschaftlich evaluiert werden [52].
Es sollte berücksichtigt werden, dass Heilung trotz und auch neben einer Intervention möglich ist. Erholung und Therapie können nebeneinander und ohne gegenseitige Interaktion auftreten, da jede Erkrankung auch einen natürlichen Verlauf nehmen kann. Einige Kontextfaktoren können die Therapieergebnisse beeinflussen, die in den Erklärungsmodellen von LnB jedoch nicht berücksichtigt werden:
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Der natürliche Erkrankungsverlauf: Muskuloskelettale Erkrankungen zeigen eine große Variabilität in der Ausprägung von Schmerzen und Bewegungseinschränkungen. Akute Rückenschmerzen können mit oder ohne Intervention nach 6 Wochen dasselbe Schmerzlevel erreichen [53]. Dieser natürliche Prozess kann weder ignoriert noch einer bestimmten Behandlungsmethode zugeschrieben werden, auch weil es nach einem starken Schmerz statistisch eine Regression zur Mitte und damit eine Rückkehr zum Ursprungsniveau ohne jede Intervention gibt [52].
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Der Placeboeffekt: Dieser Effekt ist gut untersucht und sehr wirkungsvoll. In Abwesenheit einer echten Therapie können Symptome vermindert werden, eine Heilung ist dadurch aber nicht möglich [54] [55] [56] [57].
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Der Hawthorne- und Rosenthal-Effekt: Bei doppelt verblindeten und randomisierten Studien kennen die Patient*innen die zugeloste Studiengruppe nicht. Würden sie diese kennen, wären die Ergebnisse damit beeinflusst [58]. Nur eine doppelt verblindete und randomisierte Studie kann die Objektivität der Therapeut*innen sicherstellen, da diese ebenfalls die Studiengruppe der Patient*innen nicht kennen. Wäre die Studiengruppe den Therapeut*innen bekannt und würden die Behandelnden beispielsweise eine Therapie als überlegen ansehen, kann dies die Studienergebnisse beeinflussen [59].
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Parallelbehandungen: Patient*innen, die mit der Behandlung oder Empfehlungen der Therapeut*innen nicht zufrieden sind, suchen sich oft alternative Möglichkeiten, um die Ergebnisse zu verbessern. Um einer bestimmten Therapie den Erfolg der Behandlung zusprechen zu können, müssen sämtliche Parallelbehandlungen außerhalb des Studienprotokolls ausgeschlossen werden. Falls dies nicht geschieht, führt dies zu einer Verzerrung der Ergebnisse [60].
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Soziale Faktoren: Manche Behandlungsansätze haben einen signifikanten sozialen Einfluss: Empfehlungen aus dem sozialen Umfeld, Werbung, Image, positive oder negative Erfahrungsberichte von Freunden oder Verwandten, die eigenen Lebensumstände mit psychischen und sozialen Einflüssen, können den klaren Blick auf die eigene Situation verzerren und die Wahrnehmung von Schmerz beeinflussen [60] [61]. Sind Ergebnisse nicht unabhängig darstellbar, können sie nicht als Entscheidungsgrundlage verwendet werden.
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Vereinfachung: Die Verwendung unbewiesener, aber populärer Phrasen oder Zahlen ohne Literaturzitat, der Vergleich des menschlichen Körpers mit einer Maschine mit fiktiven „wenn-dann-sonst“-Behauptungen und die Verwendung von reißerischen anstatt korrekter medizinischer Begrifflichkeiten kreieren falsche Zusammenhänge und Erklärungsmodelle. Anstatt medizinische Zusammenhänge aufzuzeigen, kann dieses Verhalten einen klaren Blick auf die Tatsachen verhindern. Irrationale Ängste und nicht existierende Zusammenhänge können Patient*innen davon abhalten, Entscheidungen aufgrund des aktuellen Standes der Wissenschaft zu fällen. Dies kann in der Folge fatal für die Gesundheit der Patient*innen sein, weshalb Aufklärung über medizinische Diagnose- und Therapieformen gesetzlich auch nur Ärzten vorbehalten bleibt [62].
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Angst vor Schmerz, Vermeidungsverhalten: Schmerz ist nicht mit unmittelbarem Schaden des Gewebes vergesellschaftet. Schmerz als eine rote Warnleuchte im Körper anzusehen, mit der unbedingten Notwendigkeit, eine „Werkstatt“ aufzusuchen, kann bei Patient*innen mit chronischen Schmerzen Angst und Vermeidungsverhalten oder gar die völlige Einstellung jeder Aktivität auslösen, um dem Körper vermeintlich nicht weiter zu schaden. Dieses „kaputte Maschine“-Denken führt zu Reduktion von Kraft, Mobilität und Durchhaltevermögen – ein Teufelskreis, der sich signifikant negativ auf den Heilungsprozess auswirkt. Aus diesem Grund müssen Therapeut*innen zwar in der Sprache der Patient*innen, aber mit auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basiertem Wissen und in neutraler Ausdrucksweise kommunizieren, ohne irrationale Ängste zu schüren [63] [64] [65] [66] [67] [68].
LnB schafft es, die eigenen Kund*innen gut zu motivieren, die angebotenen Übungen durchzuführen und auf die eigene Ernährung zu achten. Allein dies kann bereits positive Effekte auf Schmerzen und andere Symptome begründen. Ehrlichkeit und korrekte Beratung sind in der Medizin unerlässlich, weshalb den zugelassenen Therapeut*innen oder Ärzt*innen eine besonders große Verantwortung zukommt. Werden komplexe biochemische, biomechanische, physiologische und genetische Faktoren, die nach aktuellem medizinisch-wissenschaftlich konsentiertem Kenntnisstand für degenerative Gelenkerkrankungen verantwortlich sind, unzureichend und unverständlich erklärt, stellt dies betroffene Patient*innen mitunter vor falsche Entscheidungsgrundlagen in Bezug auf die Wirksamkeit verschiedener Therapieoptionen. Obwohl viele Zusammenhänge hinsichtlich Entstehung und Verlauf muskuloskelettaler Erkrankungen jahrzehntelang gut untersucht und verstanden werden, können von nicht medizinisch Tätigen in Kursen und Büchern alternative Fakten als Erklärungsmodell für die Ursache von Arthrose, Rückenschmerzen, Bandscheibenleiden, Muskelverspannungen und die Wirkung von Trainingstherapie angeboten werden. Die allgemein akzeptierten chirurgischen Therapieindikationen zur Behandlung von Arthrose oder Bandscheibenvorfällen werden dabei oft angezweifelt.
Das Ignorieren von den in diesem Artikel genannten Faktoren und die Verstärkung von individuellen Ängsten können zu falschen Schlussfolgerungen für Patient*innen und Therapeut*innen führen. Werden diese Faktoren außer Acht gelassen, kann ein Therapieerfolg nicht zuverlässig festgestellt werden. Therapeut*innen und Ärzt*innen haben eine sehr spezielle Rolle und Verantwortung im Verhältnis zu Patient*innen, da diese die einzige verlässliche Informationsquelle auf wissenschaftlich-medizinischer Basis darstellen. Gelingt es nicht, das Vertrauen der Patient*innen zu gewinnen, werden Entscheidungen auf Basis von falschen Fakten aus inhaltlich ungeprüften Internetvideos, populären Büchern und Individualberichten gefällt, welche die Therapie und den Verlauf der Krankheit selbst auch negativ beeinflussen, was zur Chronifizierung und Verschlimmerung von körperlichen Beschwerden führen kann.
Unerfüllbare Versprechen oder die Interpretation natürlicher Prozesse als positive therapeutische Effekte sind in der professionellen medizinischen Behandlung nicht vorgesehen, weshalb aktuelle wissenschaftliche Evidenz die Basis der Therapieempfehlung sein sollen.
Im Impressum der Liebbscher & Bracht Ausbildungen GmbH findet sich folgender rechtlicher Hinweis [8]:
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Das Informationsangebot von Liebscher & Bracht dient ausschließlich Ihrer Information und ersetzt in keinem Fall eine persönliche Beratung, Untersuchung oder Diagnose durch einen approbierten Arzt.
Die von uns zur Verfügung gestellten Inhalte können und dürfen nicht zur Erstellung eigenständiger Diagnosen verwendet werden. Die Inhalte dienen ausschließlich der Hilfe zur Selbsthilfe bei Wohlbefindlichkeitsstörungen. Eine Behandlung von Krankheiten im medizinischen Sinne findet nicht statt.
Wir weisen außerdem ausdrücklich darauf hin, dass wir mit unseren Inhalten keine Erfolgszusagen machen. Wenn unsere Inhalte fälschlicherweise den Eindruck erwecken sollten, dass ein Erfolg zu erwarten ist, weisen wir Sie ausdrücklich darauf hin, dass dies nicht der Fall ist.
Damit relativieren LnB jede in eigenen Videos und Büchern selbst getätigte Aussage.
Zurück bleibt der Hilfesuchende, der keine Behandlung und Beratung in medizinischem Sinne erfährt, obwohl diese nach Lesen der Bücher und Sehen der Videos berechtigt erwartet werden können.
Die Erklärungsmodelle für muskuloskelettale Erkrankungen, wie sie von der Liebscher & Bracht Ausbildungen GmbH verwendet werden, sind nicht evidenzbasiert, da diese zum Teil unrichtige und irreführende Darstellungen komplexer physiologischer Vorgänge, muskuloskelettaler Erkrankungen und medizinischer Zusammenhänge beinhalten.
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Autorinnen/Autoren
Arnold J. Suda, Salzburg, Mannheim; Dale Kientopf, Kaltenkirchen, Freiburg; Andreas Leithner, Graz, Wien; Jesko Streeck, Bobenheim-Roxheim; Thomas Colshorn, Bremen; Ronald Dorotka, Wien; Markus Schneider, Bamberg Ravensburg Frankfurt am Main; Isabel Höppchen, Wien, Salzburg
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Interessenkonflikt
Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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Literatur
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Received: 31 August 2021
Accepted: 07 December 2021
Article published online:
10 February 2022
© 2022. The Author(s). This is an open access article published by Thieme under the terms of the Creative Commons Attribution-NonDerivative-NonCommercial-License, permitting copying and reproduction so long as the original work is given appropriate credit. Contents may not be used for commercial purposes, or adapted, remixed, transformed or built upon. (https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/).
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