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DOI: 10.1055/a-1718-8208
Was hinter der Maske steckt – Kommunikation mit Mundschutz verbessern
- Akustisches Verstehen eingeschränkt
- Gestörte nonverbale Kommunikation
- Eine Studie bestätigt Erfahrungen aus der Praxis
- Was können wir nun tun?
- Literaturverzeichnis
Auch in den kommenden Monaten wird der Mund-Nasen-Schutz unser ständiger Begleiter bleiben. Dass er sich auf unsere Kommunikation auswirkt, hat jede bzw. jeder schon bemerkt. Zeit, noch mal innezuhalten, und zu überlegen, wie sich die Kommunikation mit Patient*innen unterstützen lässt.
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Patient*innen, Therapierende, Pflegende und Ärzt*innen sitzen bei diesem Thema in einem Boot: Sie sehen nur noch Ausschnitte aus den Gesichtern ihres Gegenübers. Denn alle, die in stationären wie in ambulanten Gesundheitseinrichtungen mit Menschen in Kontakt kommen, tragen seit vielen Monaten einen Mund-Nasen-Schutz. Und das wird wohl auch noch einige Zeit so bleiben.
Wie hat das unsere Kommunikation verändert? Und wie können wir unsere Kommunikation an die bestehenden Gegebenheiten anpassen? Welche Möglichkeiten gibt es, in dieser Situation die Kommunikation mit unseren Patient*innen aufrechtzuerhalten?
Akustisches Verstehen eingeschränkt
Ganz klar: Mit Maske ist das Verstehen schlechter. Denn die verbale Kommunikation ist gestört. Die gesprochenen Worte werden nicht mehr so gut verstanden. Irritationen auf beiden Seiten sind die Folge. Was tut man also ganz praktisch, wenn da jetzt etwas vor dem Mund ist, das nicht so einfach weggenommen werden kann wie eine Hand? Richtig, es wird lauter gesprochen. Das ist erst einmal eine gute Idee, birgt jedoch eine weitere Irritation in sich. Denn eine lautere Stimme wirkt oft aggressiver, als es von den Sprechenden eigentlich gemeint ist. Patient*innen berichten, dass „der Ton frostiger werde“. Auf Nachfrage korrigieren sie dann, dass „der Ton frostiger klingt“.
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Gestörte nonverbale Kommunikation
Es sind aber nicht nur die gesprochenen Worte, die schlechter verstanden werden. Viel einschneidender ist, dass sich die Mimik nicht mehr so gut (ab-)lesen lässt. „Das Gesicht ist eines unserer ausdrucksvollsten Kommunikationsmittel. Jeder kann spontan Gefühle erkennen, die dem anderen buchstäblich ins Gesicht geschrieben sind“ [1].
Acht praktische Tipps für und aus dem Alltag
Um Ihre Kommunikation zu verbessern und Missverständnissen vorzubeugen:
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Wenn es nötig ist, weisen Sie Ihre Patient*innen darauf hin, dass Sie aufgrund der Maske lauter sprechen. Zwinkern Sie ihnen zu und erklären Sie, dass dies nichts mit Ihrer momentanen Verfassung zu tun hat.
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Achten Sie vermehrt auf den Tonfall. Wenn Sie etwas ironisch meinen, leiten Sie dies auch mit einem Augenzwinkern ein.
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Können Sie Ihre Mimik durch Worte ersetzen? Wenn Sie lächeln, sagen Sie zum Beispiel: „Das gefällt mir.“
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Achten Sie auf den nicht verdeckten Bereich, also den Augenbereich und die Stirnpartie. Zornesfalte und Augenrollen bleiben weiterhin sichtbar. Auch Ihre Augenbrauen behalten ihre Aussagekraft. Setzen Sie die Mimik der sichtbaren Gesichtsbereiche bewusst ein.
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Schauen Sie sich den gesamten Menschen an. Körpersprache ist mehr als nur Mimik. Wendet er sich von Ihnen ab oder Ihnen zu? Haltung und Gestik spielen eine ebenso wichtige Rolle.
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Sie sind unsicher? Fragen Sie genau nach. So können bei fehlender Mimik Missverständnisse vermieden werden.
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Seien Sie sich Ihrer Körpersprache bewusst. Das Verhalten der Patient*innen ist eine Reaktion auf Ihre (Körper-)sprache. Verwenden Sie Gestik und Haltung, um Ihre Worte zu unterstreichen. Wirken Sie dabei aber bitte nicht unnatürlich. Ein wenig Übung ist dafür schon nötig.
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Tragen Sie ein Foto, auf dem Sie lächeln, an Ihrem Kittel oder T-Shirt.
Ist das Gesicht jedoch durch einen Mund-Nasen-Schutz verdeckt, entfällt hier ein wichtiges Kommunikationsmittel. Denn die Mimik ist ein bedeutsamer Teil der Körpersprache. Sie hilft uns, unser Gegenüber zu verstehen. Erst durch die Mimik und den Tonfall erfahren wir, ob ein Satz ironisch oder ernst gemeint ist. Diese Entschlüsselung gelingt nur, indem man die mimische Körpersprache beobachtet und auf den Tonfall achtet. Und genau diese Art der Kommunikation ist derzeit gestört, denn das Gesicht ist zum Großteil mit einem Mund-Nasen-Schutz bedeckt.
Die nonverbale Rückkoppelung auf das Gesagte geht zum Großteil verloren. Missverständnisse sind vorprogrammiert, und der Stresspegel kann deutlich ansteigen. Auch das kleine, aufmunternde Lächeln, das man seinen Patient*innen schenkt und das im Arbeitsalltag so wichtig ist, geht mit dem Tragen der Maske oft verloren. Ein höfliches Lächeln nehmen Menschen als Kooperationsbereitschaft wahr. Es erleichtert Kontakt und stärkt die Beziehung.
Gesichtsmasken beeinträchtigen das Emotionenlesen erheblich.
Wir sind soziale Wesen. Und so wünschen wir uns, wahrgenommen zu werden, dass Anliegen erkannt und dass Einwände verstanden werden. Dies geschieht zu einem Großteil über die Körpersprache und im Besonderen über die Mimik.
Auch die Adhärenz, also die aktive Mitwirkung an therapeutischen Maßnahmen, lässt sich an der Mimik und Körperhaltung der Patient*innen erkennen. Ganz ohne Worte. Vielmehr noch: Man verlässt sich auf die Mimik mehr als auf das gesprochene Wort.
Dazu ein Beispiel: Anschließend an eine Therapiesitzung bespricht man mit seinen Patient*innen Übungen für zu Hause und weist sie darauf hin, dass mehr Bewegung guttut. Die Patient*innen werden einem in den meisten Fällen verbal zustimmen. Ziehen sie jedoch einen Mundwinkel zur Seite (ein deutlicher Hinweis auf Verachtung), wird man ihren Worten keinen Glauben schenken, sondern ihrer Mimik. Vermutlich würde man nachfragen, um das Missverständnis aufzuklären. Mit Mund-Nasen-Schutz wird diese wichtige Information jedoch nicht gesehen.
Ein weiterer Punkt ist das Erkennen von Emotionen. Emotionen werden zuerst über die Mimik wahrgenommen. Über die Mimik wird direkt erkannt, ob eine Person traurig ist oder sich vor etwas ekelt. Bei Ekel wird beispielsweise die Nase gerümpft, das (er-)kennt man. Dieses Naserümpfen ist sichtbar, und der Gesprächspartner kann aufgrund dieser Information seine Reaktion direkt anpassen. Ist ein Teil des Gesichts jedoch mit einem Mund-Nasen-Schutz bedeckt, fallen viele dieser Informationen, die sonst ohne das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes gesehen werden, weg.
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Eine Studie bestätigt Erfahrungen aus der Praxis
Der Bamberger Psychologe Prof. Dr. Claus Christian Carbon hat dazu eine experimentelle Studie durchgeführt [2]. Er testete systematisch, wie Gesichtsmasken das Lesen von Emotionen beeinflussen. An seiner Studie beteiligten sich 41 männliche und weibliche Teilnehmende. Sie sollten die emotionalen Ausdrücke von zwölf verschiedenen Gesichtern bewerten. Jedes Gesicht wurde zufällig mit sechs verschiedenen Ausdrücken dargestellt: wütend, angewidert, ängstlich, glücklich, neutral und traurig. Die Gesichter waren entweder vollständig sichtbar oder teilweise von einer Gesichtsmaske bedeckt.
Waren die Gesichter mit einer Maske bedeckt, war das „Emotionenlesen“ stark beeinträchtigt. Das bedeutet, dass die Teilnehmenden die Emotionen weniger genau erkannten und auch ihrer eigenen Einschätzung weniger vertrauten. Zudem kam es zu Fehleinschätzungen in nicht unerheblichem Maß. So schätzten die Teilnehmenden zum Beispiel einen deutlich angewiderten Gesichtsausdruck beim Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes als wütend und Emotionen wie Trauer, Wut und Glück gar als neutral ein [2].
Viele Patient*innen beschreiben, dass in Visiten Menschen um sie herum sind, die sie nicht erkennen, und dass sie das einfache Schauen von anderen oft als Starren bewerten. Viele Patient*innen beschreiben es als verunsichernd, wenn sie die Mimik der Pflegenden oder Ärzt*innen nicht mehr sehen und damit einschätzen können.
Und wenn die Patient*innen und Gesundheitsfachkräfte auch noch Brillenträger sind…dann ergeht es ihnen so, dass – egal, wie gut sie die Maske tragen – die Brille immer wieder beschlägt. In solchen Situationen ist dann fast das gesamte Gesicht nicht mehr zu erkennen.
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Was können wir nun tun?
So weit, so schlecht. Denn auch in den folgenden Monaten wird uns das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes begleiten. Diese Situation wird sich erst einmal nicht ändern. Der Schutz von Patient*innen und Personal hat Vorrang. Wie kann man nun die Kommunikation den Gegebenheiten anpassen?
Arbeiten Sie mit Ihrem Mindset, also mit Ihren Denkweisen. Dies ist aus folgendem Grund wichtig: „Gedanken und Körpersprache bilden eine Einheit und lassen sich nicht trennen“[3]. Vereinfacht ausgedrückt bedeutet dies, dass Gedanken und Gefühle sich in der Körpersprache widerspiegeln. Und ebenso kann man sich mit der Körpersprache in eine bestimmte Stimmung bringen. Dieses Wissen ist Grundlage für die acht praktischen Tipps (BESSER KOMMUNIZIEREN), die ich aus meiner persöhnlichen Erfahrung zusammengestellt habe. Seien Sie kreativ, erweitern Sie diese Liste um Ihre Erfahrungen. So können Sie eine neue Art der Kommunikation mit Ihren Patient*innen erleben.
Gernot Wienand
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Literaturverzeichnis
- 1 Matsching M. Körpersprache, Gestik, Mimik, Haltung: Sicher Auftreten, Menschen gewinnen. München: Gräfe und Unzer Verlag; 2017
- 2 Carbon CC.. Masken erschweren es, Mimik zu lesen. Universi-tät Bamberg, 28.05.2020. Im Internet: bit.ly/2PthkRi; Stand: 25.03.2021
- 3 Matsching M. Körpersprache, verräterische Gesten und wirkungsvolle Signale. München: Gräfe und Unzer Verlag; 2008
Publication History
Article published online:
05 January 2022
© 2022. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany
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Literaturverzeichnis
- 1 Matsching M. Körpersprache, Gestik, Mimik, Haltung: Sicher Auftreten, Menschen gewinnen. München: Gräfe und Unzer Verlag; 2017
- 2 Carbon CC.. Masken erschweren es, Mimik zu lesen. Universi-tät Bamberg, 28.05.2020. Im Internet: bit.ly/2PthkRi; Stand: 25.03.2021
- 3 Matsching M. Körpersprache, verräterische Gesten und wirkungsvolle Signale. München: Gräfe und Unzer Verlag; 2008