ergopraxis 2022; 15(03): 14-18
DOI: 10.1055/a-1722-6840
Wissenschaft

Internationale Studienergebnisse

Wohlbefinden durch Betätigung – Occupational Well-Being im Alter

Altenheimbewohner*innen und betagte Menschen, die im eigenen Haushalt leben, erfahren durch körperliche Aktivitäten, Kontakt mit anderen, Selbstfürsorge und geistige Aktivierung Betätigungswohlbefinden. Umweltfaktoren und personbezogene Faktoren tragen maßgeblich zum Gelingen der Betätigungen bei. Zu diesen Ergebnissen kommt Ergotherapeutin Simone Gritsch in ihrer Masterthesis an der SRH Fernhochschule, Riedlingen.

Sie führte zwölf leitfadengestützte Interviews mit sechs Frauen und sechs Männern im Alter von 78 bis 89 Jahren durch. Sechs von ihnen lebten im Altenheim und sechs im eigenen Haushalt. Die Leitfragen der Studie lauteten:

Occupational Well-Being
entsteht, wenn Menschen Betätigungen wählen und ausüben können, die ihren Betätigungsbedürfnissen entsprechen. ergoscience 2021; 16: 106–115

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Betätigungswohlbefinden erfahren alte Menschen insbesondere im Kontakt zu anderen. © farbkombinat/stock.adobe.com – posed by models © farbkombinat/stock.adobe.com – posed by models
  • Welche Betätigungen sind alten Menschen wichtig?

  • Welche Betätigungen vermitteln ihnen ein Gefühl von Wohlbefinden?

  • Welche Faktoren verhindern Betätigung?

  • Welche Faktoren fördern Betätigung?

Die Analyse der Interviews zeigt, dass das Occupational Well-Being von Altenheim-bewohner*innen durch selbstfürsorgende Betätigungen wie Ausruhen oder sich um ein gepflegtes Äußeres kümmern sowie geistige Aktivierung durch zum Beispiel Rätseln positiv beeinflusst wird. Des Weiteren sind ihnen körperliche Aktivitäten und der Kontakt mit anderen wichtig. Ausschlaggebend für das Gelingen von Betätigungen sind in diesem Setting die Umweltfaktoren wie engagiertes Pflegepersonal oder zielgruppengerechte Freizeitangebote. Für die im eigenen Haushalt lebenden Teil-nehmer*innen sind ebenfalls die Selbstfürsorge, zu der beispielsweise die Zubereitung eines „guten Müslis“ oder ein Mittagsschläfchen gehören, und die geistige Aktivierung beim Zeitunglesen wichtige Betätigungen. Wohlbefinden erleben sie durch Genuss und Freude, zum Beispiel beim Versorgen der Haustiere oder durch den Kontakt mit anderen, etwa beim Stammtisch. Förderlich für ihre Betätigungen sind soziale Faktoren, zum Beispiel die Arbeitsteilung unter Eheleuten oder Ausflüge mit Freunden. Personbezogene Faktoren wie Vergesslichkeit, Unsicherheit oder depressive Verstimmungen wirken sich hinderlich aus.

Die Forscherin empfiehlt, den Betätigungsbedürfnissen alter Menschen Beachtung zu schenken und den Fokus auf institutioneller Ebene neben den Mahl- und Ruhezeiten auch auf Aktivierung und Partizipation zu legen. Dies könnte in Altenheimen durch das Einbeziehen der Bewohner*innen in die täglichen Abläufe gelingen. Ergotherapeut*innen verfügen über die notwendige Expertise, um das Occupational Well-Being von alten Menschen zu fördern. Durch Beratungsgespräche, Coachings oder Therapieeinheiten können sie Senior*innen, die im eigenen Haushalt leben, dazu befähigen, Betätigungen wieder aufzunehmen oder Strategien zu erarbeiten, die ihren Alltag erleichtern.

ms

ergoscience 2021; 16: 106–115



Publication History

Article published online:
23 February 2022

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