Schlüsselwörter BRCA (breast cancer associated gene) - Brust - Mamma - Genetik - Her-2/neu (humaner epidermaler Wachstumsfaktor-Rezeptor) - Hormonrezeptor - Mammakarzinom
Einleitung
Die schrittweise Verbesserung der adjuvanten Therapie hat zu einer erheblichen Verbesserung der Heilungschancen bei Patientinnen mit frühem Mammakarzinom geführt. In den letzten Jahren kamen
die dosisdichte Chemotherapie, Pertuzumab und T-DM1 beim HER2-positiven Karzinom, GnRH-Agonisten bei prämenopausal hormonrezeptorpositiver Erkrankung sowie Carboplatin zur Optimierung der
Chemotherapie bei triple-negativem Karzinom als wichtige Maßnahmen hinzu. Im Fokus stehen neue zielgerichtete Medikamente zur weiteren Optimierung der adjuvanten Therapie sowie eine
Deeskalation der therapeutischen Maßnahmen durch bessere Identifizierung der Risikopatientinnen, Reduktion der Medikamente und verbesserte supportive Therapie. Dies waren auch wichtige Themen
der jüngsten Kongresse wie ASCO 2021 und ESMO 2021, die in dieser Übersichtsarbeit zusammengefasst dargestellt werden sollen.
Zehn Risikogene sollte man kennen
Zehn Risikogene sollte man kennen
Die Genotypisierung von BRCA1 und BRCA2 ist seit den 1990er-Jahren Teil der Beratung von gesunden Frauen, die eine Beratung für erblichen Brust- und Eierstockkrebs suchen. Nach
den groß angelegten Studien, die Anfang 2021 veröffentlicht worden sind, verdichten sich die Anhaltspunkte, welche Gene bei einer Paneltestung genotypisiert werden sollten. In einem Kommentar
wurden 10 Risikogene herausgearbeitet [1 ]. BRCA1, BRCA2, PALB2, ATM und CHEK2 sind klar definierte und validierte Brustkrebsrisikogene [2 ], [3 ]. Die Datenlage für TP53 weist ebenfalls eindeutig darauf hin, dass es sich um ein Brustkrebsrisikogen handelt [1 ], jedoch waren die groß angelegten Untersuchungen wegen der geringen Prävalenz nicht in der Lage, ein entsprechendes Risiko zu berechnen [2 ], [3 ]. Drei weitere Gene (BARD1, RAD51C und RAD51D) erhöhen hauptsächlich das Risiko für ein hormonrezeptornegatives Mammakarzinom [2 ], [3 ]. Auch wenn sie deswegen das Lebenszeitrisiko nicht deutlich erhöhen, ist eine Erkrankung mit einem hormonrezeptornegativen
Mammakarzinom von großer Relevanz. Die Identifikation von Mutationsträgern ist nicht alleinig zur Prävention von Mammakarzinomerkrankungen von Bedeutung, sondern auch um Frauen zu
identifizieren, die ein deutlich erhöhtes Ovarialkarzinomrisiko haben. In Bezug auf die genannten Risikogene gibt es mit BRCA1, BRCA2, PALB2, RAD51C und RAD51D eine große
Überlappung [4 ]. Zusätzlich sollte eine Genotypisierung von BRIP1 erfolgen, welches zwar nicht klar mit Brustkrebsrisiko assoziiert werden konnte [5 ], jedoch der Identifikation von Frauen mit einem hohen Ovarialkarzinomrisiko dienlich ist [4 ]. Somit könnten diese 10 Gene als ein
Gen-Panel betrachtet werden, welches im Fokus der Testung und Beratung stehen sollte.
ATM
BARD1
BRCA1
BRCA2
BRIP1
CHEK2
PALB2
RAD51C
RAD51D
TP53
Die Funktion dieser Gene ist in [Tab. 1 ] zusammengefasst. Mit dem wachsenden Wissen, welche Gene validierte Risikofaktoren für das Entstehen von Brustkrebs
sind, wird auch potenziell versucht, dieses Wissen für die Behandlung von Brustkrebspatientinnen zu verwenden. Bereits aus vergangenen Studien sind die Effekte von BRCA1/2 -Mutationen in
der neoadjuvanten und adjuvanten Situation beschrieben. Während Chemotherapien in der neoadjuvanten Situation eine höhere Wirksamkeit zu haben scheinen [6 ],
[7 ], [8 ], ist der Effekt auf die Prognose uneinheitlich beschrieben [9 ]. Ähnliche Studien gibt es
auch für andere Gene wie PALB2 oder CHEK2 , die den Effekt auf die Prognose von Brustkrebspatientinnen beschreiben, jedoch keine Effekte, die klinische Implikationen zur Folge
hätten [10 ], [11 ], [12 ]. Gegebenenfalls sind Mutationen in PALB2 jedoch ein Indikator für
ein Therapieansprechen auf Olaparib, da die meisten TNBC-Patientinnen mit einer PALB2-Mutation in einer kleinen Studie auf eine Therapie mit Olaparib angesprochen hatten [13 ].
Tab. 1 Funktionelle Einordnung der validierten Brustkrebsrisikogene.
Genname
beteiligt an homologer Rekombination
beteiligt an anderen DNA-Reparatur-Mechanismen
validiertes Brustkrebsrisikogen
ATM
X
X
BARD1
X
X
BRCA1
X
X
BRCA2
X
X
BRIP1
X
CHEK2
X
X
PALB2
X
X
RAD51C
X
X
RAD51D
X
X
TP53
X
X
Daten aus der metastasierten Situation fehlten jedoch bislang. In einer kürzlich publizierten Registerstudie (PRAEGNANT) konnte die Mutationsfrequenz von BRCA1/2 -Mutationen mit 5% bei
Patientinnen mit metastasiertem Mammakarzinom angegeben werden [14 ]. Ungefähr weitere 5% der Patientinnen trugen eine Mutation in einem der anderen bekannten
Brustkrebsrisikogene [14 ].
In Bezug auf das progressionsfreie Überleben oder das Gesamtüberleben gab es in dieser Studie keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen Patientinnen mit oder ohne Keimbahnmutation
in einem der Brustkrebsrisikogene [14 ].
Nicht endokrin basierte Therapie zur Behandlung früher Krankheitsstadien
Nicht endokrin basierte Therapie zur Behandlung früher Krankheitsstadien
Mit der Olympia-Studie und den Überlebensdaten der KEYNOTE-522-Studie sind kürzlich 2 bedeutende Studien veröffentlicht worden [15 ], [16 ]. Beide zeigen klinisch relevante Fortschritte für die Behandlung von Patientinnen mit triple-negativem Mammakarzinom (TNBC) und die Olympia-Studie zusätzlich für Patientinnen mit
HER2-negativem, hormonrezeptorpositivem Mammakarzinom.
Eventfreies Überleben statistisch signifikant besser mit Pembrolizumab bei TNBC-Patientinnen
Die KEYNOTE-522-Studie wurde bereits in Bezug auf eines ihrer Studienziele veröffentlicht. In der KEYNOTE-522-Studie wurden Patientinnen mit triple-negativem Mammakarzinom im Stadium 2 und
3 neoadjuvant mit einer Standardchemotherapie inklusive Carboplatin behandelt und mit Patientinnen verglichen, die zusätzlich Pembrolizumab erhielten. Die Pembrolizumab-Therapie wurde im
Pembrolizumab-plus-Chemotherapie-Arm nach der Operation für ein halbes Jahr fortgesetzt [17 ]. Bei der abschließenden Analyse aller 1174 Patientinnen, die an
den Überlebensanalysen teilnahmen, lag die pCR-Rate im Chemotherapie-Arm bei 55,6% und im Pembrolizumab-plus-Chemotherpapie-Arm bei 63,0%. Somit ergab sich eine Zunahme von 7,5% zugunsten
des Pembrolizumab-plus-Chemotherapie-Arms [18 ]. Mit der 4. Interimsanalyse wurden belastbare Daten zur Wahrscheinlichkiet des ereignisfreien Überlebens
vorgestellt. Mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 39,1 Monaten konnte gezeigt werden, dass das Risiko für einen Rückfall oder Tod durch die Hinzunahme von Pembrolizumab um 37% gesenkt
werden konnte (Hazard Ratio: 0,63; 95%-KI: 0,48 – 0,82) [15 ]. Dieser Effekt ist statistisch signifikant (p = 0,00 031). Die Wahrscheinlichkeit des
ereignisfreien Überlebens beträgt nach 36 Monaten 76,8% im Chemotherapie-Arm und 84,5% im Pembrolizumab-plus-Chemotherapie-Arm. Interessanterweise war der relative Benefit sowohl bei
Patientinnen mit einer pCR als auch bei Patientinnen ohne eine pCR vorhanden und ähnlich ([Abb. 1 ]). Auch wenn das Gesamtüberleben wohl aufgrund der noch
kurzen Nachbeobachtungszeit formell nicht statistisch signifikant unterschiedlich war, betrug der Unterschied nach 3 Jahren numerisch 2,8% (89,7% im Pembrolizumab-Arm und 86,9% im
Chemotherapie-Arm). Die Hazard Ratio (HR) lag bei 0,72 (95%-KI: 0,51 – 1,02) [15 ]. Weitere Analysen mit längerer Nachbeobachtungszeit werden erwartet.
Abb. 1 Ereignisfreies Überleben in der KEYNOTE-522-Studie nach Randomisationsarm und pCR-Gruppe (Daten aus [15 ]).
Neoadjuvante Daten mit Durvalumab unterstützen die Integration von PD-1/PD-L1-Inhibitoren in die Behandlung früher Krankheitsstadien
Zwar ist die Phase-II-GeparNuevo-Studie mit einer Fallzahl von 174 deutlich kleiner als die KEYNOTE-522-Studie, trotzdem unterstützen die kürzlich vorgestellten Ergebnisse den Stellenwert
von immunonkologischen Therapien bei Patientinnen mit TNBC im Stadium 2 und 3 [19 ]. Das invasive rückfallfreie Überleben (iDFS), das fernmetastasenfreie
Überleben (dDFS) und das Gesamtüberleben waren sekundäre Studienziele. Die Hazard Ratios waren 0,48 (95%-KI: 0,24 – 0,97; p = 0,0398) für das iDFS, 0,31 (95%-KI: 0,13 – 0,74, p = 0,0078) für
das dDFS und 0,24 (95%-KI: 0,08 – 0,72; p = 0,0108) für das Gesamtüberleben. Es gab keine Hinweise, dass dieser Effekt auf die Gruppe der Patientinnen mit oder ohne pCR beschränkt war bzw.
dass der Effekt des Checkpoint-Inhibitors sich allein schon im Erreichen einer pCR abbildet, auch wenn die Studie für solche Aussagen nicht ausgelegt war.
Olaparib in der adjuvanten Situation
Nachdem die PARP-Inhibitoren Olaparib und Talazoparib in der metastasierten Situation für HER2-negative Patientinnen mit einer Keimbahnmutation in BRCA1 oder BRCA2 bereits
zugelassen sind, ist in der Olympia-Studie für Patientinnen mit einem hohen Rückfallrisiko in frühen Krankheitsstadien getestet worden, ob eine 12-monatige adjuvante Therapie mit Olaparib
das iDFS verbessern kann. Mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 2,5 Jahren und 1836 randomisierten Patientinnen konnte gezeigt werden, dass das iDFS mit einer HR von 0,58 (95%-KI:
0,41 – 0,82) verbessert werden konnte. Die Wahrscheinlichkeiten der Rückfallfreiheit (iDFS) nach 36 Monaten waren 77,1% für den Placeboarm und 85,9% für den Olaparib-Arm [16 ]. Auch wenn der Vergleich in Bezug auf das Gesamtüberleben keinen statistisch signifikanten Unterschied zeigte, konnte die Rate an Todesfällen um 32% (HR:
0,68; 95%-KI: 0,44 – 1,05; p = 0,02) gesenkt werden [16 ]. 18% der eingeschlossenen Patientinnen hatten ein hormonrezeptorpositives Mammakarzinom. Wenngleich
der Therapieeffekt in dieser Gruppe numerisch kleiner war (HR: 0,70; 95%-KI: 0,49 – 1,21) als in der TNBC-Kohorte (HR: 0,52; 95%-KI: 0,39 – 0,69), konnte in Bezug auf die Subgruppen keine
Heterogenität nachgewiesen werden. Dies ist gegebenenfalls auf die geringe Fallzahl zurückzuführen.
Sowohl die Olympia-Studie als auch die KEYNOTE-522-Studie sind wegweisend, weil sie die Therapielandschaft der Behandlung von Patientinnen mit triple-negativem Mammakarzinom und
HER2-negativem, hormonrezeptorpositivem Mammakarzinom verändern.
Talazoparib in der neoadjuvanten Situation
Nachdem in einer kleinen, neoadjuvanten Studie (n = 13) bei Patientinnen mit einer BRCA1/2 -Mutation unter einer Talazoparib-Monotherapie eine mediane Reduktion des Tumorvolumens um
88% erreicht werden konnte [20 ], stellte sich die Frage, wie sich diese Therapie bei einer größeren Patientinnengruppe verhalten würde. Diese Fragestellung
wurde in der NeoTALA-Studie überprüft [21 ]. In dieser Studie wurden 48 auswertbare HER2-negative Patientinnen mit einer Keimbahn-BCRA1/2 -Mutation 24
Wochen lang mit 0,75 mg Talazoparib pro Tag als Monotherapie neoadjuvant behandelt. In dieser Population erreichten 45,8% eine pCR. Insbesondere vor dem Hintergrund der deutlich besseren
Verträglichkeit verglichen mit einer Chemotherapie [22 ], ist diese Information hilfreich, um entsprechende Therapiekonzepte weiterzuentwickeln.
Rolle von Carboplatin in der Behandlung von TNBC-Patientinnen
Aus den beiden Studien GeparSixto und CALBG 40603 war bereits bekannt, dass durch die Hinzunahme von Carboplatin zu einer anthrazyklin- und taxanhaltigen neoadjuvanten Chemotherapie die
pCR-Raten von 37 – 46% auf 53 – 60% gesteigert werden konnten [23 ], [24 ]. In der GeparSixto-Studie zeigte sich in der
TNBC-Population eine Verbesserung des rückfallfreien Überlebens durch die Hinzunahme von Carboplatin zu einer anthrazyklin- und taxanhaltigen intensiven neoadjuvanten Chemotherapie mit einer
HR von 0,54 (95%-KI: 0,34 – 0,93). Das Gesamtüberleben wurde mit einer HR von 0,60 (95%-KI: 0,32 – 1,12) verbessert [25 ]. In der CALGB-40603-Studie zeigte
sich kein Unterschied im Überleben beim Vergleich platinfreier Chemotherapie mit platinhaltiger neoadjuvanter Chemotherapie [26 ]. In diesem Kontext sind nun
die Überlebensdaten der BrighTNess-Studie veröffentlicht worden [27 ]. In der BrighTNess-Studie erfolgte die Randomisation der Patientinnen in 3
Behandlungsarme. Es wurden Patientinnen mit frühem TNBC unabhängig vom BRCA1/2 -Mutationsstatus eingebracht. Die Patientinnen erhielten zunächst entweder eine Paclitaxel-Monotherapie,
eine Therapie mit Paclitaxel und Carboplatin oder eine Therapie mit Paclitaxel, Carboplatin und Veliparib. Im Anschluss folgte für alle eine Therapie mit 4 Zyklen Doxorubicin und
Cyclophosphamid. Das ereignisfreie 4-Jahres-Überleben war mit 78,2% im Paclitaxel-Carboplatin-Veliparib-Arm vergleichbar mit dem Überleben im Paclitaxel-Carboplatin-Arm mit 79,3%. Der
Paclitaxel-mono-Arm lag mit 68,5% deutlich darunter [27 ]. Insgesamt bestätigt die BrighTNess-Studie daher die Effektivität einer platinhaltigen Chemotherapie
in der neoadjuvanten Behandlung von Patientinnen mit triple-negativem Mammakarzinom. Die Interpretation der Daten wird allerdings durch die Tatsache erschwert, dass die gewonnene
Risikoreduktion bezogen auf das erste Ereignis vor allem lokoregionäre Rezidive betraf, weniger die Fernmetastasen.
Therapie für Patientinnen mit HER2-positivem Tumor in frühen Krankheitsstadien
Therapie für Patientinnen mit HER2-positivem Tumor in frühen Krankheitsstadien
Deeskalation der Anti-HER2-Therapie
Die Dauer einer adjuvanten Anti-HER2-Therapie mit Trastuzumab wird seit Längerem diskutiert. Etabliert hat sich eine Therapie mit Trastuzumab in der (neo-)adjuvanten Situation über ein Jahr
[28 ], [29 ], [30 ]. Die Frage, ob eine 2-jährige Therapie besser sei, konnte klar verneint
werden [31 ]. Es sind jedoch einige weitere Studien durchgeführt worden, die eine 1-jährige Therapie mit Trastuzumab mit einer kürzeren Therapiedauer
verglichen haben [32 ], [33 ], [34 ], [35 ], [36 ], [37 ]. Die Studien PERSEPHONE, HORG und PHARE verglichen 1 Jahr Trastuzumab mit einer Therapiedauer von 6 Monaten. Die SOLD
und Short-HER-Studie verkürzten die adjuvante Therapie sogar noch weiter und verglichen einen Zeitraum von einem Jahr Trastuzumab mit einer Therapie von 9 Wochen.
Nun ist eine Metaanalyse dieser Daten (12 Monate vs. kürzere Therapie) in einem Nichtunterlegenheits-Design vorgestellt worden. In diese Analysen wurden mehr als 11 300 Patientinnen
eingeschlossen [38 ] und 3 Vergleiche durchgeführt: alle Studien, die 6 Monate mit 12 Monaten verglichen hatten, und Studien, die 9 Wochen mit 12 Monaten
verglichen hatten. Die Grenze für eine Nichtunterlegenheit wurde hierbei bei einer Hazard Ratio von 1,19 bis 1,25 gesehen in Abhängigkeit davon, welche der 3 Analysen durchgeführt wurde.
Dies entsprach einem absoluten Unterschied von 2% beim invasiven rückfallfreien Überleben.
In dieser Metaanalyse konnte die Nichtunterlegenheit von 6 Monaten vs. 12 Monaten bestätigt werden. Die Nichtunterlegenheit von 9 Wochen vs. 12 Monaten konnte jedoch nicht bestätigt werden
[38 ]. Die sehr umfangreiche Datenlage zu 12 Monaten Trastuzumab bei Patientinnen mit frühen Krankheitsstadien lässt jedoch abschließend daran zweifeln, dass
eine adjuvante Trastuzumab-Therapie von 6 Monaten ein neuer Therapiestandard bei HER2-positiven Patientinnen werden könnte. Die Autoren regten an, dass in der individuellen Therapiesituation
– wenn notwendig – zusammen mit den Patientinnen entschieden werden könnte, ob eine Therapie nach einer Dauer von 6 Monaten fortgeführt werden muss, da diese nur einen marginalen
zusätzlichen Benefit durch die Verlängerung auf 12 Monate von 0,7% hatten. Allerdings ist auch zu berücksichtigen, dass die Therapiekonstellation der Studien der Metaanalyse heutzutage
selten ist. Viele Patientinnen erhalten die duale Therapie (Trastuzumab und Pertuzumab) in der Neoadjuvanz und ggf. T-DM1 in der postneoadjuvanten Therapie bei fehlender Komplrettremission.
Bei Patientinnen mit Trastuzumab mono erfolgt oftmals eine Deeskalation der Chemotherapie mit 12 Zyklen Paclitaxel entsprechend der APT-Studie. Ob in der Situation der Deeskalation der
Chemotherapie auch eine weitere Deeskalation durch Verkürzung der Trastuzumablänge durchgeführt werden kann, ist aktuell unklar.
Deeskalation der Chemotherapie
Eine weitere Studie, die sich mit der Deeskalation der Anti-HER2-Therapie beschäftigt, ist die ADAPT-HER2+HR−-Studie [39 ]. Im Rahmen dieser Studie wurde eine
chemotherapiefreie, neoadjuvante Therapie mit Trastuzumab und Pertuzumab (T+P) mit einer Therapie mit Paclitaxel, Trastuzumab und Pertuzumab (T + P + Pac) verglichen. Dementsprechend
verfolgte man in beiden Armen eine gegenüber der Standardtherapie deeskalierende Strategie. Im T + P-Arm wurde eine pCR-Rate (ypT0/is ypN0) von 34,4% erreicht, verglichen mit einer pCR-Rate
von 90,5% im T + P + Pac-Arm [39 ]. Trotz der deutlich geringen pCR-Rate im T + P-Arm ist es von großem Interesse, bei welchen Patientinnen ohne Hinzunahme
einer Chemotherapie eine pCR erreicht werden konnte. Aus diesem Grund sind trotz der relativ geringen Fallzahl von insgesamt 134 Patientinnen translationale Analysen durchgeführt worden.
Dadurch konnten Patientinnen mit stark HER2-exprimierenden Tumoren, mit Non-basal-like Tumoren, mit frühem Therapieansprechen und Patientinnen mit spezifischen Genexpressionsprofilen als
aussichtsreich für ein chemotherapiefreies Therapieregime identifiziert werden [39 ]. Trotzdem reichen diese Studienergebnisse und andere Deeskalationsstudien
nicht aus, um den derzeitigen Standard zu ersetzen.
Endokrin basierte Therapien bei frühen Krankheitsstadien
Endokrin basierte Therapien bei frühen Krankheitsstadien
CDK4/6-Inhibitoren in der adjuvanten Therapie
Nachdem in der monarchE-Studie mit einem relativ kurzen medianen Nachbeobachtungszeitraum von 15,5 Monaten positive Daten in Bezug auf das invasive rückfallfreie Überleben (HR: 0,72;
95%-KI: 0,56 – 0,92; zugunsten der Abemaciclib-Kombinationstherapie) veröffentlicht worden waren [40 ], wurde die Therapie zwar als eine mögliche Option für
Patientinnen mit einem HER2-negativen, hormonrezeptorpositiven Mammakarzinom erachtet, jedoch schien die Beobachtungszeit zu kurz, um fundierte Aussagen zum nachhaltigen Stellenwert der
Therapie zu machen. In San Antonio wurden 2020 Daten mit einem längeren Follow-up von im Median 19,1 Monaten veröffentlicht (HR: 0,713; 95%-KI: 0,583 – 0,871). Nun wurde eine weitere Analyse
mit einem medianen Follow-up (FU) von 27,1 Monaten vorgestellt [41 ]. Die HR lag bei dieser Analyse bei 0,70 (95%-KI: 0,59 – 0,82). Die rückfallfreie
Überlebensrate nach 3 Jahren betrug im endokrinen Standardtherapiearm 83,4% und im Kombinationsarm mit Abemaciclib 88,8%. Dies entspricht einem Unterschied von absolut 5,4% ([Abb. 2 ]). Insgesamt bleibt festzuhalten, dass sich die relative Verbesserung der Prognose von Analyse zu Analyse nicht viel verändert, was für die Stabilität
dieser Ergebnisse spricht. Zum Zeitpunkt der 27-Monats-Nachbeobachtungsanalyse waren bereits 90% der Patientinnen nicht mehr unter Therapie, sodass der Erhalt des Unterschiedes zwischen den
beiden Randomisationsarmen wahrscheinlicher wird. Mit Kenntnis dieser aktuellen Daten hat die amerikanische Zulassungsbehörde am 13. Oktober 2021 in den USA die Zulassung für Abemaciclib für
Patientinnen mit HER2-negativem, hormonrezeptorpositivem Mammakarzinom und positiven Lymphknoten und einem Ki-67 ≥ 20% genehmigt (bestimmt mittels durch die FDA zugelassenen Tests „MIB-1
pharmDx [Dako Omnis]“). Es bleibt abzuwarten, welche Kriterien von der europäischen Zulassungsbehörde gewählt werden, da diese Definition nicht die komplette Studienpopulation der
monarchE-Studie abdeckt. Auch wenn Ki-67 ein hervorragender prognostischer Parameter ist und auch das Ansprechen auf eine Chemotherapie vorhersagen kann, ist dieser Marker bislang nicht in
der Routine in allen Behandlungszentren etabliert [42 ], [43 ], [44 ], [45 ].
Abb. 2 Invasives rückfallfreies Überleben bei einer medianen Nachbeobachtungszeit von 27 Monaten (Daten aus [41 ]).
Nach den negativen Ergebnissen der PenelopeB- und PALLAS-Studien mit Palbociclib ist die monarchE-Studie mit Abemaciclib die erste adjuvante Studie, die den adjuvanten Nutzen einer
CDK4/6-Inhibitor-basierten Therapie gezeigt hat. Die NATALEE-Studie (TRIO033) ist eine weitere Studie, die 5000 Patientinnen rekrutiert hat und die Frage beantworten wird, ob die Hinzunahme
des 3. CDK4/6-Inhibitors Ribociclib in der adjuvanten Situation einen positiven Einfluss auf das rückfallfreie Überleben haben wird.
Selektive Östrogenrezeptor-Degradierer (SERD) in frühen Krankheitsstadien
Die ersten klinische Erfahrungen mit SERDs wurden in Studien für fortgeschrittene Krankheitsstadien gesammelt [46 ] – [51 ].
Deswegen verweisen wir für eine generelle Einführung in das Thema „orale SERDs“ auf Lüftner D, Schütz F, Stickeler E et al. Update Breast Cancer 2021 Part 5 – Advanced Breast Cancer.
Geburtshilfe Frauenheilkd 2022; 82: 215–225. doi:10.1055/a-1724-9569 .
Aktuell wurden Daten einer Interimsanalyse der neoadjuvanten coopERA-Studie vorgestellt. Die coopERA-Studie verglich die 14-tägige neoadjuvante Induktionstherapie mit dem peroral
einzunehmenden SERD Giredestrant mit Anastrozol in Bezug auf die Reduktion der Proliferation, gemessen anhand des Ki-67-Wertes. Nach diesen ersten 14 Tagen wurde die jeweilige antihormonelle
Therapie zusammen mit Palbociclib für eine Dauer von 16 Wochen fortgesetzt. In der Kohorte unter Therapie mit Giredestrant konnte der Proliferationsfaktor Ki-67 um 80% reduziert werden, im
Vergleich zu 67% in der Kohorte mit Anastrozol. Mit einem p-Wert von 0,0222 erreichte die Studie nicht den für eine formelle statistische Signifikanz benötigten p-Wert von 0,01029.
Nichtsdestotrotz sind diese Ergebnisse vielversprechend und unterstützen die Rationale, diese Substanz in weiteren Therapiesituationen zu untersuchen. Die lidERA-Studie, in welcher die
adjuvante Therapie mit Giredestrant über 5 Jahre mit einer leitliniengerechten adjuvanten endokrinen Therapie nach Wahl des Arztes für 5 Jahre verglichen wird [52 ], wird momentan international initiiert. In Kürze wird die AMEERA-6-Studie mit dem oralen SERD Amcenestrant, welches in adjuvanten Indikationen in einer Studienpopulation
getestet wird, die vorzeitig eine adjuvante endokrine Therapie beendet hat und daher ein hohes Rückfallrisiko hat, beginnen [53 ].
Im Bereich der oralen SERDs gibt es einige Neuentwicklungen, wie z. B. die Nutzung der PROTAC-(Proteolysis-Targeting-Chimera-)Technologie [54 ]. Diese
hetero-bifunktionalen Moleküle binden auf der einen Seite einen Liganden für ein Protein von Interesse (in diesem Fall den Östrogenrezeptor) und auf der anderen Seite den
E3-Ubiquitin-Ligase-Komplex. Dies triggert den Östrogenrezeptor-Abbau. Mit dieser Substanz ist nun auch eine neoadjuvante Studie geplant [55 ].
Ausblick
Die Herausforderungen liegen in der Therapieoptimierung bei Risikodiagnosen wie dem triple-negativen Mammakarzinom, welches trotz aller Maßnahmen früh Rezidive entwickelt, oder den luminalen
Karzinomen, bei denen wir auch spät noch Rückfälle beobachten. Entwicklungen, wie die der Immuncheckpoint-Inhibitoren und der PARP-Inhibitoren, eröffnen neue und effektive Wege der Therapie
bei biologisch definierten Subgruppen. Bei luminalen Karzinomen verspricht die Weiterentwicklung der endokrin basierten Therapie mit oralen, den Östrogenrezeptor degradierenden Substanzen
(orale SERDs) und CDK4/6-Inhibitoren höhere Heilungschancen. Auf der anderen Seite wissen wir, dass die Prognoseverbesserung beim frühen Mammakarzinom auf Kosten einer massiven Überbehandlung
zustande gekommen ist. Es gilt also auch zu deeskalieren, wo es möglich ist. Ansätze dazu sind die Entwicklung weniger neurotoxischer Taxane, der Verzicht auf Anthrazykline in vielen
Indikationen, die alleinige Antikörpertherapie mit Verzicht auf Chemotherapie bei manchen der HER2-positiven Karzinome, die Reduktion der Toxizität durch Einsatz von
Antikörper-Substanz-Konjugaten beim HER2-positiven Karzinom und beim triple-negativen Karzinom und auch die Identifikation der Patientinnen mit luminalen Karzinome (ER-pos./HER2-neg.), die mit
einer alleinigen adjuvanten endokrinen Therapie ausreichend behandelt sind.
Das Mammakarzinom bleibt auch in der frühen Erkrankungssituation eine Herausforderung. Die Heterogenität der Erkrankung erfordert individuelle Therapieakonzepte mit Eskalation, wenn nötig,
und Deeskalation, wo möglich.