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DOI: 10.1055/a-1731-9321
Cochlea-Implantation: Konzept, Therapieergebnisse und Lebensqualität
Article in several languages: deutsch | English- Zusammenfassung
- 1. Cochlea-Implantation heute
- 2.CI-Technologie
- 3. Präoperative Diagnostik und Indikationen
- 4. CI-Implantation
- 5. Postoperative Anpassung und Hör-Sprach-Training
- 6. Ergebnisse
- 7. Lebensqualität
- 8. Zukünftige Entwicklungen – Bionic Hearing
- Literaturverzeichnis
Zusammenfassung
Cochlea-Implantate stellen heute eine unverzichtbare Methode zur auditiven Rehabilitation hochgradig hörgeschädigter Patienten dar. Durch die rasante Entwicklung der Implantat-technologie haben sich die Hörergebnisse erheblich verbessert, ca 80% der Patienten können telefonieren und Kinder erreichen eine nahezu normale Hör- und Sprachentwicklung. Das hat zu einer Indikationsausweitung hin zu Patienten mit Hochtontaubheit und einseitiger Taubheit geführt. Zur Zeit sind aber nur etwa 60 000 der ca 1 Million CI-Kandidaten implantiert. Zukünftig werden multimodale universelle Hörimplantate für die kombinierte elektro-mechanische Stimulation zur Verfügung stehen, die fortlaufend eine Anpassung der Stimulationsstrategie an den jeweiligen Funktionszustand von Haarzellen und Hörnerven auch bei progredienter Schwerhörigkeit ermöglichen. Brain-Computer-Interfaces erlauben die automatisierte Anpassung an die Hörsituation und eine Optimierung der Signalverarbeitung zur Erzielung eines bestmöglichen Hörvermögens. Binaurale Hörsysteme erlauben eine Verbesserung von Richtungshören und Hören im Störgeräusch. Advanced Implants besitzen additiv gefertigte individualisierte Elektroden, die sich nach atraumatischer robotisch assistierter Insertion aktiv der Anatomie der Cochlea anpassen. Sie sind in Abhängigkeit von der Pathophysiologie mit integrierten biologischen Komponenten ausgestattet, unterstützen die Erhaltung des Restgehörs und ermöglichen die Regeneration neuraler Elemente zur Verbesserung der Elektroden-Nerven-Schnittstelle. Dadurch lassen sich die heutigen grundsätzlichen Grenzen der CI-Technologie überwinden und in Richtung des physiologischen Gehörs verschieben. Das Bionische Ohr ist somit in Reichweite. Durch konsequente Weiterentwicklung mit Vereinfachung der Versorgung, hörerhaltender Implantation unter Lokal-Anästhesie und Anwendung robotischer Systeme werden zukünftig mehr Patienten von dem neuen physiologischen Hören profitieren.
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Schlüsselwörter
Cochlea-Implantation heute - Technologie - Indikationen und Diagnostik - Chirurgie - Anpassung und Training - Nachsorge - Ergebnisse - Hörergebnisse - Sprachentwicklung - Erziehung - Bildung und Beruf - Weitere Ergebnisse - Komplikationen und Implantatausfälle - Lebensqualität - Zukünftige Entwicklungen1. Cochlea-Implantation heute
Cochlea-implantate (CI) sind heute die Therapie der Wahl zur Hörrehabilitation bei hochgradiger und an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit sowie Taubheit sensorischer oder perisynaptischer Ursache sowohl bei Kindern als auch Erwachsenen [1] [2]. Sie ersetzen die Funktion der ausgefallenen inneren Haarzellen durch direkte elektrische Stimulation des Hörnerven über intracochleär positionierte mehrkanalige Reizelektroden ([Abb. 1]). Durch die schnelle technologische Entwicklung vor allem auf der Seite der Mikroprozessoren seit 1980 haben sich die Hörergebnisse signifikant verbessert, so daß es zu einer konsekutiven Erweiterung der Indikationen kam und das CI mit mehr als einer Million Implantierter Patienten zu Recht als Erfolgsgeschichte der Neuroprothetik gelten darf ([Abb. 2]). Waren anfangs in den 1980er Jahren nur Patienten mit bilateraler Taubheit Kandidaten für ein Cochlea-Implantat, werden heute zunehmend Patienten mit Restgehör und residualem Sprachverstehen implantiert ([Abb. 3]).
Ein CI ist immer dann indiziert, wenn ein besseres Sprachverstehen als mit alternativen Methoden z. B. Hörgeräten, knochenverankerten Hörsystemen, akustischen Implantaten oder hörverbessernden Operationen zu erwarten ist ([Abb. 4]). Dies setzt eine adäquate und altersgerechte mehrdimensionale Diagnostik ebenso voraus wie eine daraus abgeleitete zuverlässige Prädiktion des zu erwartenden Hörerfolges. Dabei sind zahlreiche Faktoren mit in die Entscheidung einzubeziehen, um sicherzustellen, daß der Patient mit dem CI besser hört als präoperativ, das neue Hören subjektiv als besser einstuft und die Lebensqualität sich verbessert.
Die enorme Bandbreite der Ursachen und Pathophysiologie der Schwerhörigkeit erfordert ein angepaßtes Therapiekonzept für jeden einzelnen Patienten. Heute stehen für alle Grade und Typen von Schwerhörigkeit Hörimplantate zur bestmöglichen Hörrehabilitation des einzelnen Patienten zur Verfügung ([Abb. 5]). Die individualisierte Cochlea-Implantation ist ein herausragendes Beispiel für Präzisionsmedizin, um das technisch mögliche Optimum für den hochgradig schwerhörigen Patienten zu realisieren. Wesentliche Elemente dabei sind die anatomischen Dimensionen der Cochlea, das Restgehör und die Funktion des Hörnerven sowie die Verarbeitung im Bereich der Hörbahn. Diesen Faktoren muß Rechnung getragen werden durch die Auswahl des Stimulationsverfahrens (elektrische Stimulation ES versus elektro-akustische Stimulation EAS), des geeigneten Elektrodenträgers, einer atraumatischen OP-Technik, der darauf abgestimmten Sprachverarbeitungsstrategie sowie eines Hörtrainings, das zusätzlich kognitive Faktoren und Zusatzbehinderungen berücksichtigt. Rehabilitation und lebenslange Nachsorge sind weitere Teile eines integrierten Versorgungsmodells der Cochlea-Implantation.
Objektive Meßverfahren stellen heute einen unverzichtbaren Baustein in allen Prozeßphasen der CI-Versorgung dar. Dies bezieht sich sowohl auf die präoperative Diagnostik zur Erfassung von Schweregrad und Typ der Schwerhörigkeit, die intraoperative Kontrolle des Restgehörs und der Funktion von Hörnerv und Hörbahn, die postoperative Anpassung als auch die Nachsorge mit Funktionskontrolle des Implantates und Erfassung von medizinischen Komplikationen.
Moderne CI-Systeme ermöglichen die breite Nutzung von Audiotechnologie über spezielle Übertragungsprotokolle wie Bluetooth. Diese sogenannte Connectivity ermöglicht u. a. die vereinfachte Nutzung des Mobiltelefons. Neben der Telekommunikation können darüber auch telemedizinische Applikationen wie die Implantatkontrolle, die Fernanpassung oder die Übertragung technischer und audiologischer Daten realisiert werden. Für den Patienten bedeutet diese Remote Care eine wesentliche Vereinfachung der wohnortnahen postoperativen Rehabilitation und Nachsorge mit uneingeschränktem direktem Zugang zur Expertise der implantierenden Klinik. Durch Einbeziehen regionaler Kooperationspartner lassen sich so auch Versorgungsnetzwerke realisieren.
Die Implantate erlauben dem Patienten im begrenzten Rahmen auch eine Selbstkontrolle mit Anpassung und Messung des Hörvermögens, speziell des Sprachverstehens (Patient Empowerment). Dadurch lassen sich Feinanpassungen für bestimmte Hörsituationen vornehmen, die zu einer weiteren Optimierung des Hörerfolges beitragen können.
Die Fernübertragung dieser Daten sowie der Funktionsparameter des Implantats erlaubt ein fortlaufendes Monitoring, was zur automatisierten Erkennung von technischen Defekten und medizinischen Komplikationen genutzt werden kann.
Durch das Zusammenführen der Daten zahlreicher Patienten lassen sich Datenbanken wie z. B. CI-Register aufbauen. Durch Anwendung von Algorithmen der künstlichen Intelligenz können so Vergleiche verschiedener Implantattypen, die Erkennung von technischen Defekten und Fehlermustern und gestrichen, stattdessen sowie medizinischen Komplikationen vereinfacht werden. Der Big Data-Ansatz erlaubt auch die Berechnung von Prädiktionsmodellen zur Vorhersage des individuellen Hörerfolges.
Interdisziplinäre Teams und Expertennetzwerke bilden dafür die Grundlage. Telemedizin, Remote Care und Self Care sind weitere Elemente einer weit fortgeschrittenen Technologie, die beispielgebend für eine effektive Rehabilitation chronischer Krankheiten ist.
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2.CI-Technologie
2.1 Das CI-System
CI-Systeme heute sind teilimplantierbar und bestehen aus einem extern getragenen Sprachprozessor und dem eigentlichen Implantat, auch als Receiver-Stimulator bezeichnet ([Abb. 6]) [3]. Die Energieübertragung zum Betrieb des Implantates erfolgt induktiv, die Signalübertragung durch eine bidirektionale Hochfrequenz-Übertragungsstrecke. Voll implantierbare System sind in der weiteren Entwicklung, nachdem mit der ersten Gerätegeneration grundlegende Erfahrungen über Vor- und Nachteile bei wenigen Pilotpatienten gesammelt werden konnten. Den Vorteilen der Unsichtbarkeit (invisible hearing) und situationsunabhängigen Anwendbarkeit stehen akustische Nachteile durch die retroaurikuläre Position des subkutanen Mikrophons, die begrenzte Lebensdauer der wieder aufladbaren Batterie von wahrscheinlich maximal 10 Jahren mit konsekutiv erforderlicher Reimplantation sowie das auf Softwaretausch begrenzte technologische Upgrade entgegen.
2.1.1 Implantat (Receiver-Stimulator)
Die Implantate sind aktive Systeme zur kontrollierten Elektrostimulation des Hörnerven. Sie enthalten Hochleistungsmikroprozessoren, die mehrere zehntausend Pulse pro Sekunde erzeugen können. Diese werden gemäß Sprachverarbeitungsalgorithmus auf die einzelnen Kontakte des Elektrodenträgers nach Maßgabe des übertragenen Eingangssignales verteilt. Die Energieversorgung erfolgt von außen induktiv. Die Übertragungsstrecke erfolgt transkutan über 2 parallele Spulensysteme im Implantat und Sprachprozessor, die durch integrierte Magneten zentriert in Position gehalten werden.
Die Implantate verfügen über eine Backward-Telemetrie, über die sowohl Funktionsdaten des Implantates als auch elektrophysiologische Parameter erfaßt, verstärkt und nach außen gesendet werden können. Diese Objective Measures stellen ein wichtiges diagnostisches Instrument dar, das sowohl intra- als auch zu jedem beliebigen Zeitpunkt postoperativ eingesetzt werden kann. Sie erlauben im einzelnen:
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Messung der Elektroden-Impedanzen zur Charakterisierung der Funktion des einzelnen Elektrodenkontaktes, der Elektroden-Nerven-Schnittstelle und deren zeitliche Veränderung. Durch Verwendung verschiedener elektrischer Stimulationsfrequenzen lassen sich Aussagen über die Position des Elektrodenträgers in der Cochlea und mögliche Fehllagen wie z. B. Umknicken der Elektrodenspitze, sog. Tip Foldover ([Abb. 42]) machen
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Messung evozierter Potentiale des Innenohres und des Hörnerven
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Cochleäre Mikrophonpotentiale (CMs) aus den äußeren und inneren Haarzellen zur Erfassung und Überwachung des Restgehörs im Rahmen der hörerhaltenden Cochlea-Implantation (sog. Cochlear Monitoring) intra- und postoperativ ([Abb. 28] [29]) Dabei erfolgt die akustische Reizung mit Sinustönen verschiedener Frequenz über einen im äußeren Gehörgang platzierten Schallgeber. Die evozierten Haarzellantworten werden über meistens apikale Elektrodenkontakte des Elektrodenträgers abgeleitet. Die Amplitude wächst mit zunehmender Insertionstiefe, Verminderungen zeigen eine mögliche mechanische Interaktion mit intracochleären Strukturen, wahrscheinlich der Basilarmembran an. Ist die Reduktion bei Lagekorrektur der Elektrode reversibel, ist von einer geringen Beeinflussung des Restgehörs auszugehen, ansonsten muß von einer substantiellen Schädigung ausgegangen werden [4] [5].
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Electrical Compound Action Potentials (ECAP) des peripheren Hörnerven bei akustischer oder häufiger elektrischer Stimulation. Letztere stellen das am häufigsten benutzte Verfahren zur Erfassung der durch den elektrischen Reiz ausgelösten neuralen Antworten des Hörnerven dar, je nach Hersteller sog. Neural Response Telemetry (NRT) oder Imaging (NRI) oder Auditory Response Telemetry (ART). Dabei werden die Antworten mit den der Reizelektrode benachbarten Kontakten abgeleitet. Sie erlauben in begrenztem Rahmen eine Anpassung des CI an die individuellen Eigenschaften des Hörnerven (NRT based fitting bei Kindern), die Erfassung (von Veränderungen) der elektrischen Stimulierbarkeit des Hörnerven sowie die Messung der elektrischen Feldausbreitung (Electrical Field Imaging EFI) bei Stimulation einzelner Elektrodenkontakte zur Bestimmung der Kanal-Interaktion in der Cochlea [6]. Zusätzlich sind Aussagen zum Funktionsstatus des Hörnerven möglich [7]
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Summating Potential (SP) aus den Inneren Haarzellen zur Erfassung des Restgehörs im Rahmen der hörerhaltenden Cochlea-Implantation und zur Bestimmung der Elektrodenposition in der Cochlea (selten eingesetzt) [8]
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Elektrisch ausgelöster Stapediusreflex (ESRT)
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Es handelt sich um ein indirektes Maß der korrekten Stimulation des Hörnverven im überschwelligen Bereich mit guter Korrelation zu dem sogenannten C-Level, dem Comfortable Loudness Level. Lässt sich der Stapediusreflex auslösen, kann von einer intracochleären Lage der Elektrode ausgegangen werden. Der Schwellenwert kann ebenso wie das Compound Action Potential des Hörnerven für die Anpassung des Sprachprozessors unterstützend Verwendung finden.
Objective Measures spielen auch im Rahmen der telemedizinischen CI-Versorgung eine zunehmende Rolle, zB zur Überwachung der Implantat-Funktion einschließlich der Fehlerdetektion sowie in der Früherkennung medizinischer Komplikationen zB. entzündlicher Prozesse in der Cochlea, erkennbar an erhöhten Impedanzwerten.
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2.1.2 Elektroden
Elektroden werden heute fast ausnahmslos als intracochleäre Elektrodenträger für die Scala tympani konzipiert ([Abb. 7]). Extracochleäre Elektroden dienen als Referenzelektroden und sind entweder als Gehäuseelektroden, als Teil des Elektrodenträgers oder als separate Elektrodenträger ausgelegt. Die elektrischen Pulse werden über elektrische Kontakte des intracochleären Elektrodenarrays an das umgebende Gewebe abgegeben. Die Zahl beträgt je nach Hersteller zwischen 12 und 22 aktiven Kontakten. Je nach Design des Elektrodenträgers besteht ein unterschiedlich großer Abstand zu den neuronalen Elementen des Hörnerven. Gerade Elektroden sind in verschiedenen Längen von 16 bis 31 mm verfügbar und liegen der Außenwand der Cochlea an, während vorgeformte Elektrodenträger eine perimodioläre Lage einnehmen. Auf Grund der großen Variabilität der Cochlea-Anatomie, besonders der Länge, ergeben sich patientenindividuelle Unterschiede in der sog. Cochlear Coverage, also dem durch die Elektrode abgedeckten Teil der Gesamtlänge des Innenohres ([Abb. 18]), sowie des Insertionswinkels. Dies ist bei der Auswahl des Elektrodenträgers im Hinblick auf eine individualisierte CI-Versorgung zu beachten.
Ziel ist eine möglichst selektive Stimulation des Hörnerven über eine hohe Zahl von Elektrodenkontakten mit ausreichender Kanaltrennung. Auf Grund der elektrischen Feldausbreitung in der Cochlea kommt es zu einer Überlappung der elektrischen Felder im Bereich des Hörnerven, so daß eine wesentliche Erhöhung der Anzahl elektrischer Kontakte bei der jetzigen Form der Elektroden-Nerven-Schnittstelle nicht sinnvoll ist . Dadurch ist ein tonales Gehör mit Präsentation einzelner Frequenzen nicht möglich, statt einzelner Frequenzen werden Frequenzbereiche den einzelnen Elektrodenkontakten zugeordnet. Diese Aufteilung nach Critical Bands ist jedoch für das Sprachverstehen ausreichend, wohingegen sich für das Musikhören klare Grenzen ergeben. Eine wesentliche Verbesserung der Kanaltrennung versprechen intraneurale Elektroden des Auditory Nerve Implants ANI (9) ([Abb. 61]).
Unklar ist weiterhin, welche Teile des Innenohres und Hörnerven durch die elektrische Reizung angeregt werden. Bei vollständiger Ertaubung mit eingetretener Degeneration der Dendriten kommen nur die Spiralganglienzellen im Rosenthal-Kanal und die Axone im Modiolus in Frage, während in Bereichen mit Restgehör, also vorwiegend apikal auch Dendriten und Haarzellen (elektrophones Hören) angeregt werden können.
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2.1.3 Sprachprozessor und Sprachverarbeitung
Der extern getragene Sprachprozessor ([Abb. 8]) ist entweder als Ear Level-Prozessor oder als Button-Prozessor ausgelegt. Er besitzt ein Mikrofonsystem zur Schallaufnahme, mehrere Komponenten der Schall-Vorverarbeitung, einen Prozessor zur Umsetzung des Schallsignals in einen elektrischen Stimulationscode, eine Sendevorrichtung zur transkutanen Übertragung des codierten Signals auf das Implantat, eine Antenne zur HF-Übertragung, eine Energieversorgung in Form von Einmalbatterien oder Akkus sowie ein System zur induktiven Energieübertragung auf das Implantat. Der eingebaute Magnet hält die Übertragungsspule zentrisch über dem Magneten des Implantates für eine optimale Ausrichtung der Sende- und Empfängerspule. Weitere Komponenten umfassen eine Backward-Telemetrie zur Aufnahme aus dem Implantat zurückgesendete Informationen zum Funktionszustand des Implantates sowie der Objective Measures (s. unter 2.1.1). Zusätzlich verfügen die Sprachprozessoren über Einrichtungen zur Connectivity wie Bluetooth Empfänger und Sender für das Streaming sowie drahtlose Verbindungen zu Hörsystemen des Gegenohres.
Die Kodierung des akustischen Eingangssignals in elektrische Erregungsmuster des Hörnerven erfordert auch eine Anpassung des Dynamikbereiches durch Kompression des akustischen Eingangssignals von z. B. 60 dB auf den in der Regel viel kleineren elektrischen Dynamikbereich des individuellen Patienten von üblicherweise weniger als 15 dB. Dies erfolgt durch Bestimmung der Stimulationslevel für angenehme Lautstärke (C-Level) sowie die Hörschwelle (T-Level) für jeden einzelnen Elektrodenkontakt. Zusätzlich ist eine Anpassung der Lautheits-Wachstumsfunktion, sogenannte Lautheitsskalierung, für die einzelnen Kanäle möglich.
Das akustische Eingangssignal wird für eine optimale Sprachverarbeitung vorbereitet, indem die für das Sprachverstehen wesentlichen Anteile hervorgehoben werden bei gleichzeitiger Reduktion verzichtbarer Signalanteile und Störgeräuschunterdrückung. Zum Einsatz kommen u. a. Multi-Mikrofonsysteme als Beamformer sowie verschiedene Verfahren der Störschallunterdrückung, um ein besseres Signal- zu Rauschverhältnis zu erzielen. Das solchermaßen vorbereitete Eingangssignal wird anschließend über eine Filterbank in unterschiedliche Frequenzbereiche aufgetrennt und den einzelnen Elektrodenkontakten auf der Reizelektrode in tonotoper Ordnung zugeordnet ([Abb. 9]). Dadurch wird eine optimale Nutzung der im Vergleich zum natürlichen Hören deutlich eingeschränkten Informations-Übertragungskapazität der aktuellen Elektroden-Nerven-Schnittstelle angestrebt.
Aktuelle Sprachverarbeitungsalgorithmen verwenden dazu die n-of-m-Strategie mit Auswahl der Frequenzbereiche mit der höchsten Amplitude für einen Stimulationszyklus.
Andere Verfahren basieren auf psychoakustischen Maskierungsverfahren, bei denen eine Kompression der zu übertragenden Information durch Weglassen der in Folge der Maskierung nicht wahrnehmbaren Signalanteile erzielt wird (MP3-Verfahren für Cochlea-Implantate)(10).
Die meisten Algorithmen verwenden eine sequentielle Stimulation, so dass nacheinander die ausgewählten Elektrodenkontakte mit den vorbereiteten Stimuli beschickt werden und durch deren sequentielle Abfolge der Stimuli eine zeitlich überlappende Stimulation derselben Nervenpopulation mit unkontrollierbaren Lautheitseffekten vermieden wird.
Simultane Stimulationsverfahren können dann eingesetzt werden, wenn durch eine modiolusnahe Elektrodenlage eine ausreichende Kanaltrennung für benachbarte Elektrodenkontakte im Hinblick auf die elektrische Feldausbreitung erzielt werden kann. Sie weisen den grundsätzlichen Vorteil einer vergrößerten Informationsübertragung gegenüber sequentiellen Stimulationsverfahren auf, allerdings zum Preis eines deutlich erhöhten Energieverbrauches.
Durch hohe Reizfolgeraten können die Vorteile simultaner Stimulation zum Teil auch durch sequentielle Stimulation erreicht werden. Auf Grund der Refraktärzeit werden durch den nachfolgenden Stimulus andere neurale Elemente erregt, so daß eine zeitlich genauere Abbildung des akustischen Eingangssignals möglich wird. Übersicht über technische Entwicklungen bei Büchner und Gärtner [3].
Bei der Hybrid-Konfiguration für die elektroakustische Stimulation verfügt der Sprachprozessor über eine zusätzliche akustische Komponente in Form eines konventionellen Hörgerätes für den tief- und mittelfrequenten Hörbereich.
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2.1.4 Hybridsysteme für die elektroakustische Stimulation
Bei Patienten mit ausreichendem Restgehör im Tieftonbereich kann dieses entweder durch natürliche akustische Stimulation oder durch eine zusätzliche akustische Komponente des Sprachprozessors genutzt werden. Als Grenzwert für eine ausreichende akustischen Verstärkung darf eine postoperative Hörschwelle bei 500 Hz von 65 dB oder besser gelten. Bei 250 Hz beträgt dieser Wert 50 dB. In der Regel werden dabei Stimulationsstrategien verwendet, die eine nicht-überlappende Frequenzaufteilung zwischen akustischem und elektrischem Stimulationsbereich verwenden. Dabei liegt der akustisch präsentierte Anteil des Schallsignals unterhalb der Grenzfrequenz, die die Hörschwelle bei etwa 70 dB schneidet, wobei im entsprechenden Grenzbereich eine gewisse Überlappung des elektrischen und akustischen Frequenzbereiches durch die begrenzte Flankensteilheit der Bandpassfilter intrinsisch gegeben ist ([Abb. 3] [21]).
Aufgrund der Laufzeit des akustischen Signales wird der elektrische Stimulus zeitverzögert angeboten (Laufzeitkorrektur), um eine zeitlich abgestimmte Präsentation des gesamten Eingangssignales zu erzielen.
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2.1.5 Diagnostische Komponenten
Die Cochlea-Implantat-Systeme verfügen über eingebaute Diagnostikelemente zur technischen Überprüfung des CI-Systems, zur Charakterisierung und Monitoring der Elektroden-Nerven-Schnittstelle mit Hilfe der Elektrodenimpedanzen und der Nervenreizantwort sowie der Haarzellantworten bei elektrischer respektive akustischer Stimulation. So lassen sich objektiv Restgehör und Antwortprofil des Hörnerven wiederholt bestimmen und im Zeitverlauf vergleichen. Veränderungen der Meßparameter geben so frühzeitig Hinweise auf technische oder medizinische Komplikationen. Entzündungen im Bereich des Innenohres (Labyrinthitis) sind durch Erhöhung der Elektrodenimpedanzen, Elektrodenmigrationen durch Verschiebungen des NRT-Profils gekennzeichnet [11]. Intraoperativ können so auch Elektrodenfehllagen, z. B. durch die Impedanzspektroskopie erkannt und entsprechend korrigiert werden.
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2.1.6 Telemedizinische Komponenten ([Abb. 10])
Die Verbindung des Cochlea-Implantat-Systems mit dem Smartphone über z. B. Bluetooth ermöglicht nicht nur die Steuerung und Programmierung des Implantates, sondern auch die Übertragung von Daten, die vom Implantat selbst erhoben werden (bidirektionale Kommunikation). So können die biologischen Parameter sowie die Funktionsdaten des Implantates und des Sprachprozessors drahtlos an das Mobiltelefon übertragen und von dort an ein Implantat-Zentrum übermittelt werden. Umgekehrt lassen sich über diese Verbindung auch Ferneinstellungen des Implantates sowie Fernüberprüfungen der Funktionalität vornehmen. Diese sogenannten Remote Care-Optionen spielen bei der wohnortnahen Nachsorge der Patienten eine zunehmende Rolle.
Durch automatisierte Algorithmen können die Implantate sich fortlaufend selbst überprüfen und objektive Messungen der Biopotentiale durchführen. Bei kritischen Abweichungen können technische oder medizinische Probleme sehr früh erkannt werden und entsprechende Interventionen erfolgen (s. 2.1.5)
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2.1.7 Self Fitting ([Abb. 10])
Sprachprozessoren können über die Kontrollgeräte wie Smartphones vom Patienten selbst in der Einstellung in vorab definierten Grenzen verändert und den jeweiligen Hörsituationen angepasst werden. Damit ergeben sich Möglichkeiten des Patient-Empowerment, die auch zu einer Verbesserung der Einstellungen für spezielle Hörsituationen Verwendung finden können.
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2.1.8 Data Logging
Die Nutzungsdaten des Implantatsystems werden automatisch registriert und geben Auskunft über die Nutzungsintensität und die Nutzungsgewohnheiten des CI-Patienten. So können wertvolle Daten für die postoperative Anpassung und Rehabilitation gewonnen werden, etwa Veränderungen in den Hörgewohnheiten wie zunehmende Vermeidung geräuschbelasteter Umgebungen o.ä..
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2.2 Bilaterale Stimulation
Bei gleichzeitiger Cochlea-Implantat-Versorgung ist eine Abstimmung der beiden Implantat-Systeme sinnvoll. Dies bezieht sich sowohl auf die jeweilige Frequenzzuordnung und damit Tonhöhenwahrnehmung als auch die empfundene Lautheit, die zwischen den beiden Ohren ausbalanciert sein sollte. Dadurch lassen sich die Vorteile der beidseitigen CI-Versorgung, nämlich die Verbesserung des Richtungshörens und des Sprachverstehens im Störgeräusch im Wesentlichen erreichen. Bisher werden interaurale Laufzeitunterschiede (ITD Interaural Time Differences), Phasendifferenzen oder spektrale Unterschiede von den CI-Systemen in der Sprachverarbeitungsstrategie noch nicht berücksichtigt.
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2.3 Bimodale Versorgung
Bei Patienten mit asymmetrischem Hörvermögen ist u. U. eine bimodale Versorgung mit Cochlea-Implantat auf einer Seite und Hörgerät auf der anderen Seite erforderlich. Auch hier ist die Abstimmung zwischen den beiden Hörsystemen sinnvoll, um Richtungshören und Sprachverstehen im Störgeräusch zu erleichtern. Bei beiden Versorgungsformen, der bilateralen CI-Versorgung und der bimodalen Versorgung spielen Einstellmöglichkeiten durch den Patienten mittels Smartphone APPs eine zunehmende Rolle im Nachsorgeprozess (sog. Patient Empowerment).
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2.4 Wertung der Technologieentwicklung für Lebensqualität der implantierten Patienten
Insgesamt hat die technische Entwicklung zu einer deutlichen Verbesserung der Hörergebnisse geführt. Gleichzeitig hat sich die Handhabbarkeit deutlich vereinfacht. Die Connectivity ermöglicht die Nutzung zahlreicher audio-technologischer Geräte ebenso wie die Direktnutzung des Internets. Verbesserte diagnostische Möglichkeiten vereinfachen die Fehlersuche sowie die Früherkennung medizinischer Komplikationen.
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3. Präoperative Diagnostik und Indikationen
Die CI-Versorgung gliedert sich in verschiedene Phasen, wie sie in verschiedenen Dokumenten zur Qualitatssicherung beschrieben sind (AWMF-Leitlinie CI (2); Weißbuch CI-Versorgung der DGHNO, QUINCI Qualitätssicherung in der CI-Versorgung der Krankenkassen):
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CI-Voruntersuchung zur Indikatonsstellung
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CI-Operation
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CI-(Früh- und) Erstanpassung
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CI-Folgeanpassung und Rehabilitation
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CI-Nachsorge
Diese Phasen werden im folgenden genauer beschrieben.
3.1 Präoperative Diagnostik ([Abb. 11])
Die präoperative Diagnostik dient der Erfassung und Typisierung der zugrundeliegenden Schwerhörigkeit sowie der Prädiktion des weiteren Verlaufes der Schwerhörigkeit und des zu erwartenden Hörerfolges mit einem Cochlea-Implantat. Sie zielt auch auf die Ermittlung der Ursache des eingetretenen Hörverlustes sowie der zugrundeliegenden Pathophysiologie, da beide ebenfalls Einfluss auf die Therapieentscheidung sowie die Prognose des Hörerfolges haben können.
Die Diagnostik dient der Bestimmung des vorhandenen Hörverlustes hinsichtlich Grad und Typ der Schwerhörigkeit. Grundvoraussetzung für das Cochlea-Implantat sind 1. eine vorhandene Cochlea, 2. ein funktionstüchtiger Hörnerv und 3. eine funktionstüchtige Hörbahn.
Folgende Untersuchungsmethoden kommen entweder obligat oder fakultativ in Abhängigkeit vom Einzelfall zum Einsatz ([Tab. 1]):
1. HNO-ärztliche Untersuchung einschließlich Otoskopie |
2. Tonaudiometrie zur Bestimmung der Hörschwelle und der Unbehaglichkeitsschwelle sowie des Dynamikbereiches |
3. Sprachaudiometrie in Ruhe und im Störgeräusch ohne und mit angepaßter Hörhilfe
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4. Objektive Audiometrie
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5. Bildgebung von Felsenbein, Hörnerv und Hörbahn
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6. Genomik zur Erfassung genetisch assoziierter Ursachen der Schwerhörigkeit |
7. Proteomik und Metabolomik der Perilymphe zur Differenzierung der Schwerhörigkeitsursachen |
8. Zusätzlich bei Kindern:
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9. Gleichgewichtsdiagnostik zur Erfassung von Störungen der Gleichgewichtsfunktionen
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Weitere Verfahren zur Bestimmung des Restgehörs respektive seiner Reserven für eine akustische Verstärkung beziehen sich auf das maximal erzielte Einsilberverstehen bei verschiedenen Präsentationsleveln. Da hierfür keine allgemein akzeptierten validierten Grenzwerte vorhanden sind, dienen diese Messungen im Wesentlichen dazu, die noch vorhandene cochleäre Reserve des Patienten hinsichtlich einer Verbesserung durch akustische und auch elektroakustische Stimulation zu ermitteln.
In ähnlicher Weise kann das bestmögliche Sprachverstehen mit Hilfe des sogenannten Master Hearing Aids [12] bestimmt werden (s.3.3.1) . Es stellt einen wichtigen prädiktiven Parameter für die Vorhersage des Hörerfolges mit Cochlea-Implantaten dar ([Abb. 12]). Dabei findet sich eine positive Korrelation zwischen dem präoperativ ermittelten bestmöglichen Sprachverständnis mit dem Master Hearing Aid und dem postoperativ erzielten Einsilberverstehen mit Cochlea-Implantat.
Die kognitive Leistungsfähigkeit sollte vor allem bei älteren Patienten untersucht werden, da sie wesentlich die Rehabilitationsfähigkeit beeinflußt [13]
Bei Kindern spielt die objektive Audiometrie insbesondere im Neugeborenen-Kleinkindesalter eine wesentliche Rolle. Die Kombination verschiedener Methoden bestehend aus Ableitung der transitorisch evozierten otoakustischen Emissionen, der Elektrocochleographie mit Ableitung des Compound Action Potentials und der cochleären Mikrofonpotentiale sowie der Hirnstammaudiometrie unter Verwendung frequenzspezifischer Reize ermöglicht eine hinreichende Bestimmung der Hörschwelle im Hoch-, Mittel- und Tieftonbereich als auch die Typisierung des Hörverlustes mit der Unterscheidung zwischen einer konduktiven, einer cochleären und einer neuralen Schwerhörigkeit [14]. Von besonderer Bedeutung ist die Erfassung perisynaptischer Schwerhörigkeitsformen mit gestörter Reizübertragung zwischen den Haarzellen des Innenohres und den Spiralganglienzellen des Hörnerven. Diese sind zu unterscheiden von den Formen der echten Neuropathie, bei der eine Schädigung neuraler Elemente, z. B. der Spiralganglienzellen oder der Axone des Hörnerven, vorliegt [15].
Die funktionelle Diagnostik wird ergänzt durch die Bildgebung und die Labordiagnostik.
Hochauflösende Computertomographie CT resp. Digitale Volumen-Tomographie DVT [16]und die Magnetresonanztomographie des Felsenbeines sowie des Schädels liefern die für die Implantation wichtigen Informationen über Größe und Form der Cochlea, Mißbildungen und Obliterationen, den inneren Gehörgang sowie den Größenverhältnissen im Mastoid, über die Existenz und Dicke des Hörnervens sowie den Zustand der Hörbahn mit Hilfe des Diffusion Tensor Imaging DTI. Sie werden ergänzt durch die funktionelle Bildgebung mittels funktioneller Kernspintomographie fMRT [17], der Nah-Infrarot-Spektroskopie NIRS [18] und der Positronen-Emissions-Tomographie PET.
Die Labordiagnostik umfaßt die Genomik zur Erfassung einer genetisch bedingter Schwerhörigkeit in verschiedenen Varianten [19] [20] sowie die Proteomik der Perilymphe zur Identifikation von krankheitsspezifischen Biomarkern [21]
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3.2 Indikationen
Cochlea-Implantate sind grundsätzlich dann indiziert, wenn andere Therapieverfahren zur Wiederherstellung des für die lautsprachliche Kommunikation erforderlichen Hörvermögens nicht ausreichend oder nicht einsetzbar sind [22] ([Abb. 4]). Die Indikationsstellung setzt also die Bestimmung des aktuellen Hörvermögens sowie seine Verbesserung durch geeignete Methoden, z. B Hörgeräteanpassung voraus. Außerdem ist zu überprüfen, ob durch hörverbessernde Operationen oder akustische Implantate das Hörvermögen ausreichend verbessert werden könnte. Die Indikationsstellung ist dabei auch von dem erreichten technologischen Stand der Hörimplantate und der damit grundsätzlich erzielbaren Ergebnisse abhängig ([Abb. 5]). Es bleibt anzumerken, dass die mit der künstlichen elektrischen Stimulation erzielbaren Hörergebnisse nicht das Niveau des natürlichen Hörvermögens erreichen, so dass grundsätzliche Grenzen des elektrischen Hörens zu beachten sind, die im Einzelfall auch deutlich unterschritten sein können. So ist die große individuelle Variabilität der Hörergebnisse zu berücksichtigen ([Abb. 12]), in der sich verschiedene Einflussfaktoren auf das erzielte Hörergebnis wie Zustand des Hörnerven, kognitive Fähigkeiten des Patienten, Taubheitsdauer und Zeitpunkt der Ertaubung sowie anatomische Faktoren wie Missbildung der Cochlea niederschlagen. Nach der aktuell gültigen Version der Leitlinie Cochlea Implantate der AWMF ergeben sich folgende Indikationen und Kontraindikationen ([Tab. 2]):
1. Hochgradige bzw. an Taubheit grenzende Innenohrschwerhörigkeit |
Postlinguale bilaterale Taubheit: |
Einsilberverstehen unter best-aided conditions bei 65 dB SPL ≤ 60% |
oder<50% ohne Hörhilfe bei 80 dB |
Prälinguale Taubheit bei Kindern bis zum 6. Lebensjahr: |
Objektiv ermittelte Hörschwelle>70 dB |
Ausbleibende oder unzureichende Sprachentwicklung |
Perilinguale Taubheit (Eintritt des hochgradigen Hörverlustes nach der Geburt, aber vor dem endgültigen Spracherwerb mit ca 10 Jahren) |
Hörschwellen>70 dB |
Verlangsamte, stagnierende oder regrediente Sprachentwicklung |
2. Einseitige Taubheit oder asymmetrischer Hörverlust (Single Sided Deafness SSD) |
3. Hochtontaubheit mit einem Hörverlust von>80 dB oberhalb von 1 KHz und Hörschwelle besser als 50 dB bei 500 Hz und darunter |
4. Auditorische Synaptopathie und Neuropathie: |
Fehlende Hirnstammantworten bei ggf. vorhandenen otoakustischen Emissionen und Cochlear Microphonics in der Elektrocochleographie und morphologisch nachgewiesenem Hörnerven in der Bildgebung. |
Folgende Kontraindikationen bestehen:
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3.3 Prädiktion des Behandlungserfolges und individualisierte Cochlea-Implantation
Die Cochlea-Implantat-Versorgung ist in Abhängigkeit vom diagnostischen Ausgangsbefund individualisiert und zielt darauf ab, die bestmögliche Hörrehabilitation bei dem einzelnen Patienten zu erzielen. Dabei spielen vor allem das Ausmaß des noch vorhandenen Restgehörs, der funktionelle Zustand des Hörnerven, die Anatomie der Cochlea, Ätiologie und Pathophysiologie des Hörverlustes ebenso eine Rolle wie zukünftige Therapien und die Präferenz des Patienten ([Abb. 13])
3.3.1 Präoperatives Sprachverstehen unter best-aided Conditions mit Master Hearing Aid
Die Bestimmung des präoperativ vorhandenen Restgehörs bezieht sich nicht auf das Tonaudiogramm alleine, sondern auf das damit erzielbare Sprachverstehen. Es findet sich eine hohe Korrelation mit dem postoperativen Sprachverstehen mit CI ([Abb. 12]). Am aussagefähigsten hat sich dabei die Überprüfung des präoperativen Sprachverstehens mit einem sogenannten Master Hearing Aids erwiesen, bei dem das vorhandene Restgehör mit Hilfe eines PC-basierten Hörgerätes mit optimierter Schalldarbietung getestet wird [12]. Die so ermittelten Werte geben die maximal erreichbare Sprachverständlichkeit wieder, die unter realen Bedingungen konventioneller Hörgeräte nicht erreicht werden kann. Damit werden zugleich die sogenannte cochleäre Reserve sowie der Zustand des Hörnerven getestet, gleichzeitig sagt dieser Wert auch etwas über die kognitiven Fähigkeiten des Patienten aus, Hörreste optimal für Sprachverstehen zu nutzen. Getestet wird das Sprachverstehen mit Hilfe des Oldenburger Satztestes (OLSA) oder sogenanntem Matrixtest mit Sprach-simulierendem Rauschen. Hier ergibt sich ein prädiktiver Wert von R²=0,389.
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3.3.2 Wortschatztest
Der sogenannte Wortschatztest nach Schmitt und Metzler 1992 ermöglicht es, die Fähigkeit des Patienten zu testen, aus einer Serie von fünf Wörtern jeweils das sinngebende Wort zu identifizieren. Dieser Wortschatztest hat einen prädiktiven Wert von R²=0,158.
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3.3.3 Nutzbares Restgehör für die elektro-akustische Stimulation
Grundsätzlich gilt es zu entscheiden, ob eine alleinige elektrische Stimulation (ES) für den Patienten bessere Hörergebnisse liefern wird oder eine elektroakustische Stimulation (EAS oder ENS) in Frage kommt (s. 3.4). Patienten mit EAS und ENS erreichen eine signifikant bessere Sprachverständlichkeit besonders im Störgeräusch als Patienten mit alleiniger Elektrostimulation [23]. Dabei sollte das postoperative Sprachverstehen mit EAS besser sein als das mit ES (Median HSM Satztest 10 dB S/N=65%) ([Abb. 14]).
Voraussetzung ist ein ausreichend erhaltenes postoperatives Restgehör bei 500 und 250 Hz. Dieses sollte postoperativ bei 65 dB bzw 50 dB oder besser liegen. Die Abschätzung des implantationsbedingten Hörverlustes gelingt anhand vorhandener statistische Daten implantierter Patienten. Dies bedeutet, dass in der Regel der präoperative Hörverlust im Tieftonbereich bei 500 Hz nicht mehr als 55 dB und bei 250 Hz nicht mehr als 40 dB betragen sollte. Zusätzlich sollte der Patient ausreichende Hörerfahrung mit Hörgeräten haben und motiviert sein, ein Hybridsystem mit akustischer Komponente im Gehörgang zu tragen. Liegt bei dem Patienten eine chronische Gehörgangsentzündung vor, ist ggf. von dieser Versorgungsform Abstand zu nehmen.
Bei einer Hörschwelle im Tieftonbereich von 20 dB und besser kann die effektive Nutzung des Restgehörs ohne Hörgerätekomponente erfolgen (sog ENS Electro-Natural Stimulation) ([Abb. 15]).
Auch in der Versorgung von Kleinkindern sollte das Restgehör speziell im Tieftonbereich getestet werden, um es für EAS oder ENS nutzen zu können. Etwa 20% der Kinder kommen dafür in Frage.
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3.4 Auswahl des Elektrodensystems
Für eine optimale Stimulation des Hörnerven ist die Auswahl des für den einzelnen Patienten geeignetsten Elektrodensystems von Bedeutung. Sie richtet sich bei ES und EAS nach unterschiedlichen Gesichtspunkten ([Abb. 16]).
3.4.1 Elektrische Stimulation ES
Bei Patienten mit vorgesehener ES ist die sogenannte Cochlear Coverage CC von Bedeutung. Darunter versteht man den Anteil der Gesamtlänge der Cochlea, der durch eine Elektrode abgedeckt wird. Anhand präoperativer Bildgebung kann mit geeigneten Verfahren die Gesamtlänge der Cochlea vermessen werden. Verschiedene Verfahren mit Verwendung z. B. des A- und B-Durchmessers der basalen Windung erlauben eine ungefähre Abschätzung, genauere Verfahren verwenden die sogenannte Multiplanare Regression, bei der die Cochlea wie ein Gartenschlauch abgewickelt und die Gesamtlänge, z. B. der Außenwand bestimmt wird ([Abb. 17]). Aus dem gesamten vorhandenen Elektrodenportfolio kann die nach der Länge geeignetste Elektrode ausgewählt werden. Entscheidend ist dabei, dass eine möglichst große Zahl der Spiralganglienzellen SGC sowie der noch vorhandenen Dendriten durch die elektrische Stimulation erreicht wird. Aufgrund der Struktur der Cochlea befinden sich die SGC im Wesentlichen in dem sogenannten Rosenthal-Kanal in der basalen und der zweiten Windung, während sich die Dendriten in den dem Restgehör zugehörigen Teilen der Basilarmembran befinden. Im apikalen Teil der Cochlea verlaufen sie senkrecht zu den zugehörigen SGC, so daß die elektrische Stimulation dort keinen zusätzlichen Nutzen bewirkt. Andererseits wird eine zu kurze Elektrode nicht alle vorhanden SGC und Dendriten stimulieren.
Unter Verwendung von geraden sogenannten Lateral Wall-Elektroden unterschiedlicher Länge konnte dabei festgestellt werden, dass die Cochlear Coverage CC in erheblichem Maße von der Gesamtlänge der Cochlea abhängt ([Abb. 18]). Die Cochlea-Länge an der Außenwand variiert erheblich zwischen 31 und 46 mm ([Abb. 16]). Berücksichtigt man diesen Faktor und wertet die erzielten postoperativen Hörergebnisse aus, zeigt sich, dass für eine CC zwischen 0,75 und 0,80 die besten Sprachverständlichkeitswerte erzielt werden ([Abb. 19]) [25]. Bei geringerer CC fällt das Ergebnis deutlich schlechter aus, bei höherer CC ebenfalls. Ziel ist es daher, die Elektrodenlänge so zu wählen, daß eine Cochlear Coverage von ca. 0,80 erzielt wird. Hierfür stehen Elektroden unterschiedlicher Längen zur Verfügung ([Abb. 20]).
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3.4.2 Elektroakustische Stimulation EAS
Ziel der elektroakustischen Stimulation ist es, das vorhandene Restgehör möglichst optimal mit dem elektrischen Hören, das durch die eingeführte Elektrode, insbesondere im Hoch- und Mitteltonbereich wiederhergestellt wird, zu kombinieren. Voraussetzung dafür ist die Erhaltung des Restgehörs im Rahmen der Cochlea-Implantat-Operation [26]. Die sogenannten Hybridsysteme liefern dafür die technische Voraussetzung, indem der Sprachprozessor zusätzlich eine akustische Komponente (Hörgerät) für den Tieftonbereich aufweist ([Abb. 21]).
Grundsätzlich gelingt es, diese Hörerhaltung bei sehr vorsichtiger Elektrodeninsertion unter Verwendung atraumatischer Operationstechniken und zusätzlicher Innenohrprotektion mittels systemischer oder lokaler Kortisongabe zu erreichen. Dafür wurden spezielle kurze Elektrodensysteme entwickelt, deren maximale Insertionstiefe auf 16 mm beschränkt ist. Diese decken in der Cochlea ca. 270° ab mit einer durchschnittlichen CC von 0,44. Damit lassen sich die hohen Frequenzanteile des Hörbereiches funktionell in Abhängigkeit von der Gesamtlänge der Cochlea wiederherstellen. Die Ergebnisse prospektiver Studien zeigten eine hohe Raten für die Hörerhaltung [27] [28] Es lassen sich dabei drei Klassen von Hörerhaltung im Tieftonbereich anhand der postoperativen Hörschwellenveränderung von 125 bis 1000 Hz unterscheiden:
-
Guter Hörerhalt:<15 dB
-
Moderater Hörerhalt: 15 bis 30 dB
-
Vollständiger funktioneller Hörverlust:>30 dB
Unter Verwendung dieser Einteilung ergeben sich dabei folgende Hörerhaltungswerte für kurze Elektroden:
-
Gute Hörerhaltung ca. 55%
-
Moderate Hörerhaltung ca. 38%
-
Ertaubung 7%
Bei Verwendung längerer Elektroden steigt das Ertaubungsrisiko deutlich an, ebenso bei der Verwendung präformierter Elektroden ([Tab. 3])[29] [30].
Ø PTA loss (125..1 kHz) |
Hearing loss pre – post surgery (125 Hz- 1 kHz) n/percent of patients |
|||
---|---|---|---|---|
≤15 dB |
≤30 dB |
Total hearing loss (>30 dB or exceeds audiometer limit) |
||
Hybrid-L (n=97) |
10.0 dB |
53 (54,6%) |
90 (92,8%) |
7 (7,2%) |
CI 422 (n=100) |
14.2 dB |
36 (36%) |
83 (83%) |
17 (17%) |
FLEX20 (n=46) |
17.5 dB |
21 (45.6%) |
12 (75.7%) |
8 (24.3%) |
FLEX24 (n=34) |
20.0 dB |
10 (29.4%) |
18 (79.3%) |
6 (20.7%) |
FLEX28 (n=40) |
24.0 dB |
6 (15.0%) |
20 (65%) |
14 (35%) |
532 (n=25) |
24.5 dB |
8 (32%) |
9 (68%) |
8 (32%) |
Dies kann u. a. durch die Anatomie der Cochlea erklärt werden. Von basal nach apikal nimmt die Höhe der Scala tympani, insbesondere im lateralen Bereich der Cochlea ab einer Insertionstiefe von ca. 18 mm kontinuierlich ab, so dass jenseits dieser Insertionstiefe die Wahrscheinlichkeit eines mechanischen Kontaktes des Elektrodenträgers mit der Basilarmembran steigt und es bei sehr flacher Scala tympani zu einem Mismatch zwischen dem Elektrodendurchmesser und der Höhe der Scala tympani kommt. Die Lage dieser sogenannte High-Risk-Zone hängt u. a. auch von der Gesamtlänge der Cochlea sowie der Höhe der Cochlea ab und kann mit heute klinisch einsetzbaren Imaging-Methoden nur bedingt bestimmt werden ([Abb. 22] [31]). Dies bedeutet, dass ab einer Insertionstiefe von mehr als 18 mm grundsätzlich mit einer Erhöhung des Risikos zu rechnen ist und bei Verwendung noch längerer Elektroden eine substantielle Schädigung cochleärer Strukturen mit hoher Wahrscheinlichkeit auftreten kann. Für einen guten Hörerhalt sollten daher atraumatische Elektroden mit variabler Insertionstiefe Verwendung finden [32].
Kommt es jedoch im Rahmen der Cochlea-Implantation selbst oder im weiteren Zeitverlauf zu einer Abnahme des Restgehörs bis hin zum kompletten Verlustes, dann weisen die Patienten aufgrund der nur geringen Cochlear Coverage deutlich schlechtere Hörergebnisse auf als Patienten mit einer längeren Elektrode und größerer Cochlear Coverage. Hier besteht also ein Entscheidungsdilemma zwischen einerseits guter Hörerhaltung und andererseits ausreichender Cochlear Coverage ([Abb. 23]). Kommt es also bei einem Patienten zu einem postoperativen Hörverlust unter Verwendung einer kurzen Elektrode, müßte eine Reimplantation mit einer ausreichend langen Elektrode durchgeführt werden, um das bestmögliche Hören mit ES zu erzielen.
Aus diesem Grund wurde das Konzept der sogenannten partiellen Insertion entwickelt. Dabei wird eine entsprechend der Gesamtlänge der Cochlea ausgewählte lange Elektrode nur partiell inseriert, um so eine möglichst hohe Chance für die Hörerhaltung zum Zeitpunkt der Implantation zu haben. Dabei verbleiben gezielt Elektroden außerhalb der Cochlea. Sollte es zu einer weiteren Zunahme des Hörverlustes kommen, kann die Elektrode in einem kleinen Eingriff anschließend tiefer in die Cochlea inseriert werden (sogenanntes Afterloading). Dies Verfahren konnte in einzelnen Fällen erfolgreich praktiziert werden. Das Vorschieben der Elektrode war in diesen Fällen ausnahmslos möglich. Durch die geeignete Vorauswahl der Elektrode wird dann bei kompletter Insertion der Elektrode eine ausreichende Cochlear Coverage erzielt und somit das bestmögliche Hören mit elektrischer Stimulation alleine erreicht [33].
In Voruntersuchungen konnte festgestellt werden, dass die geringere Zahl intracochleärer Elektroden für den abzudeckenden hochfrequenten Hörbereich ausreichend ist und sich dadurch für die Nutzung des Implantates gegenüber der Komplettinsertion einer langen Elektrode keine Nachteile ergeben.
Die Ergebnisse bei partieller Insertion und EAS zeigen sehr gute überdurchschnittliche Hörergebnisse, insbesondere für das Sprachverstehen im Störgeräusch. Dies belegt eindrucksvoll den Wert des akustischen Restgehörs für das Sprachverstehen, insbesondere unter akustisch ungünstigen Bedingungen ([Abb. 49]).
Die erforderliche Insertionstiefe zur Repräsentation der Frequenzen im Mittel- und Hochtonbereich mit einem Hörverlust größer 70 dB durch ES bei der partiellen Insertion kann anhand der folgenden drei Parameter bestimmt werden:
-
Nutzbares Restgehör
-
Gesamtlänge der Cochlea
-
Vorhergesagte postoperative Hörschwellen im Tieftonbereich.
Dabei wird eine Frequenzzuordnung auf der Basilarmembran entsprechend der sogenannten Greenwood-Funktion vorgenommen. Diese gibt an, an welchem Ort der Basilarmembran eine bestimmte Frequenz abgebildet wird unter Berücksichtigung der individuellen Anatomie der Cochlea. ([Abb. 24]). Die Elektrode wird hierbei virtuell in die Cochlea inseriert, die Spitze der Elektrode liegt am Ort der Transitionsfrequenz für den Bereich zwischen elektrischem und akustischem Hören. Die eingezeichneten Hörschwellen zeigen die tatsächlich erzielte postoperative Hörschwelle, die mit dem vorhergesagten Wert übereinstimmt ([Abb. 25]).
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4. CI-Implantation
4.1 Standard-OP-Technik
Für die Cochlea-Implantation hat sich im Lauf der Jahrzehnte eine Standard-OP-Technik etabliert. Diese umfasst die folgenden Elemente [34] ([Tab. 3]).
Diese standardisierte OP-Technik kann bei allen Implantaten und bei allen Patienten unterschiedlichster Altersstufen sowie allen anatomischen Situationen mit geringer Komplikationsrate angewendet werden. Sie läßt sich für verschiedene spezielle Situationen modifizieren. Eine einheitliche OP-Technik ist auch Voraussetzung für eine konsequente Qualitätssicherung. Auftretende Komplikationen können rasch erkannt, auf ihren Ursprung zurückgeführt und durch geeignete Maßnahmen korrigiert werden. Die einzelnen Schritte lassen sich anhand der vorliegenden Erfahrung und im Hinblick auf eine Minimierung der Komplikationsrate wie folgt begründen und beschreiben. Alternative Verfahren wie der suprameatale oder transmeatale Zugang konnten sich nicht durchsetzen [35] ([Tab. 4])
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1. Retroaurikuläre Schnittführung und Weichteilpräparation
Sie wird in der Länge der Ohrmuschel ausgeführt und dient der übersichtlichen Darstellung des mastoidalen Periostes und der Temporalisfaszie. Nach Darstellen des äußeren Gehörgangs erfolgt die Bildung des Periostlappens, der am äußeren Gehörgang gestielt ist und zur sicheren Abdeckung von Mastoid und Implantat dient. Ziel ist eine zweischichtige Weichteilbedeckung, um bei Wundheilungsstörungen eine Infektion des Implantates zu verhindern. Die Inzision kreuzt nicht das Implantat.
Es wird anschließend eine Weichteilttasche nach okzipital unter weiterer Abhebung des Periostes und des M. temporalis gebildet. Dadurch ist eine sichere Weichteil-Abdeckung des Implantates mit guter Durchblutung besonders über dem Antennenteil gewährleistet.
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2. Mastoidektomie ([Abb. 26])
Das Mastoid wird bei gesunder Schleimhaut teilausgebohrt. Bei chronischen Entzündungen muß die gesamte erkrankte Schleimhaut entfernt werden. Wichtig ist die Darstellung anatomischer Leitstrukturen. Dazu gehören die hintere Gehörgangswand, das Antrum mit dem Amboss zur sicheren Darstellung der Fosssa incudis, der mastoidale Facialiskanal und der Kanal der Chorda tympani zur präzisen Bestimmung des Bereiches für die posteriore Tympanotomie, der Sinus-sigmoideus-Verlauf, der Labyrinthblock mit den drei Bogengängen, die Corticalis zur mittleren und hinteren Schädelgrube sowie der Sinus-Dura-Winkel. Dabei bleibt ein Corticalis-Überhang oben, hinten und unten zur sicheren Positionierung des Elektrodenträger im Mastoid mit Vermeidung eines direkten Kontaktes mit den bedeckenden Weichteilen stehen.
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3. Anlage des Knochenbettes ([Abb. 26])
Das ausreichend tiefe und ebene Bett dient der sicheren Fixation des Implantates zur Vermeidung von Migration und Protrusion mit konsekutiven Problemen der bedeckenden Haut. Dieses sollte 1 cm hinter und oberhalb des Sinus-Dura-Winkels angelegt werden. Damit ist ein ausreichend weiter Abstand zur Ohrmuschel gewährleistet, um ausreichend Platz für Übertragungsspule und Brillenbügel zu gewährleisten. Bei Implantaten mit integrierten Magneten ist das Implantatbett entsprechend weiter nach posterior zu legen.
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4. Verbindung zum Mastoid ([Abb. 26])
Von dem Knochenbett aus wird dann ein Verbindungskanal oder ein Verbindungstunnel in Projektion auf den Sinus-Dura-Winkel in Richtung Mastoid gelegt. Hier ist der Knochen am dicksten. Dies trifft auch für Säuglinge und Kleinkinder zu. Dieser Verbindungsweg ist entscheidend für die Einlage des Elektrodenträgers und dessen Protektion. Der Tunnel bietet hier noch zusätzliche Fixationsmöglichkeiten zum Vermeiden des Wanderns des Implantates.
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5. Posteriore Tympanotomie ([Abb. 26])
Entscheidend ist die übersichtliche Darstellung des mastoidalen Facialiskanals von der Höhe der Fossa incudis bis nach kaudal des Abgangs der Chorda tympani. Gleicherweise ist der Kanal der Chorda tympani darzustellen. In diesem Dreieck der genannten drei Strukturen kann dann sicher die posteriore Tympanotomie unter Erhalt der Brücke als kraniale Begrenzung angelegt werden. Dabei wird der Bereich des Mittelohres mit Amboss-Steigbügelgelenk, Stapediussehne, Promontorium mit Rundfensternische dargestellt. Am unteren Ende des Chorda-Fazialis-Winkels sollte Knochen zur Anlage des Knochenschlitzes für eine sichere Fixation des Elektrodenträgers belassen werden. Der Knochenschlitz verhindert die Migration insbesondere gerader Elektroden aus der Cochlea. Alternativ können Metallclips zum Einsatz kommen.
Das Facialismonitoring ist für diesen Schritt der Operation zu empfehlen.
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6. Darstellen der Rundfenstermembran ([Abb. 26])
Dazu ist es erforderlich, den sehr unterschiedlich ausgeprägten Knochenüberhang für eine übersichtlichen Darstellung der gesamten Rundfenstermembran abzutragen. Ein Kontakt des Bohrers mit der Membran ist zu vermeiden. Die Erweiterung des runden Fensters nach vorne unten im Sinne einer Cochleostomie ist dann indiziert, wenn das runde Fensters zu eng für eine sichere reibungsarme Insertion dicker Elektrodensysteme ist oder eine Obliteration vorliegt. So können neu gebildetes Gewebe und Knochen, der sich durch seine weiße Farbe vom Labyrinthknochen unterscheidet, aus der Scala tympani unter Erhalt der cochleären Strukturen der basalen Windung entfernt werden
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7. Einsetzen des Implantates ([Abb. 26])
Das Implantat wird sicher in das vorgefertigte Knochenbett eingebracht, die Elektrode in Richtung Mastoid durchgeführt und der Antennenteil nach okzipital oben orientiert, so daß er auf ebenem Knochen zu liegen kommt, um Kippbewegungen zu vermeiden.
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8. Inzision der Rundfenstermembran
Es erfolgt zunächst die vorsichtige halbmondförmige Eröffnung des Innenohres durch eine ausreichend große Inzision der Rundfenstermembran, so dass der Elektrodenträger widerstandsfrei eingeführt werden kann und Perilymphe austreten kann, um intracochleäre Drucksteigerungen zu vermeiden.
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9. Elektrodeninsertion ([Abb. 26] [27])
Die Insertion der Elektrode erfolgt langsam mit Hilfe spezieller Insertions-Zängelchen oder Pinzetten. Dabei ist eine Insertionszeit von ca. 1–3 Minuten anzustreben, ggf. auch mit zwischenzeitigen Pausen, um das cochleäre Monitoring durchzuführen. Die Insertion kann mit robotischen Assistenzsystemen unterstützt werden, z. B. Iota-Motion [36], Robotol [37] oder OtoJig [38].
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10. Elektrodenfixation ([▶Abb. 27])
Am Ende des Insertionsvorgangs kann die Elektrode im vorgefertigten Knochenschlitz sicher fixiert werden, um so eine postoperative Elektrodenmigration zu vermeiden. Es können auch Clips oder Tubes verwendet werden. Anschließend erfolgt die s-förmige Einlage des Elektrodenkabels im Mastoid, so dass Kontakte mit der darüberliegenden Haut vermieden werden. Dazu eignet sich vor allem der Kortikalisüberhang des Mastoids. Ein Verschluss des Innenohres erfolgt mit frisch entnommenem Venenblut, Muskulatur oder Bindegewebe.
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11. Intraoperative Elektrophysiologie
Die intraoperative Funktionskontrolle des Implantates erfolgt, um aufgetretene Schäden am Implantat während der Insertion zu erkennen. Die Messung der Nervenreizantworten dient der indirekten Lagekontrolle des Implantates und der Bestimmung der für die postoperative Anpassung des Sprachprozessors wichtigen Stimulationsparameter, insbesondere bei Kleinkindern. Im Wesentlichen werden dazu der elektrisch ausgelöste Stapediusreflex mit direkter Beobachtung und Bestimmung der Reflexschwelle sowie die elektrisch ausgelösten Compound Action Potentiale des Hörnerven (sogenannte NRT-, NRI-oder ART-Messung) verwendet. Sie geben auch Auskunft über die korrekte Lage der Elektrode, insbesondere bei Verwendung der Multifrequenz-Impedanzmessung.
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12. Wundverschluß
Der Verschluß sollte in mehreren Gewebsschichten erfolgen, um eine Fortleitung von Infektionen bei Wundheilungsstörungen auf das Implantat zu verhindern. Periost und Muskulatur bilden die innerste Schicht und dienen der Abdeckung von Implantat und Mastoid. Subkutangewebe und Haut bilden 2 weitere separate Verschlußschichten.
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13. Intraoperative Bildgebung zur Lagekontrolle der Elektrode ([Abb. 27])
Die intraoperative Bildgebung ist essentiell, um Fehllagen der Elektrode zu erkennen und ggf. sofort intraoperativ zu korrigieren. Dies ist insbesondere bei Fällen mit erschwerter Elektrodeninsertion wie Missbildungen, Obliteration oder Reimplantation von Bedeutung.
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4.2 Hörerhaltende Cochlea-Implantat-Chirurgie
Die Erhaltung des Restgehörs kann grundsätzlich durch eine atraumatische OP-Technik erzielt werden. Zusätzlich kann das sogenannte cochleäre Monitoring eingesetzt werden ( s. auch 2.1.1.). Die durch akustische Reizung evozierten Antworten der Haarzellen des Innenohres in Form der cochleären Mikrofonpotentiale erlauben eine quasi Online-Funktionskontrolle [39] [40] ([Abb. 28] [29]). Kommt es zu Amplitudenabnahmen bei Vorschieben der Elektrode, insbesondere im Bereich der sogenannten Risk-Zone jenseits der 18 mm-Insertionstiefe, ist von einer Beeinflussung der cochleären Mechanik durch die eingeführte Elektrode auszugehen. Bei weiterem Vorschieben der Elektrode ist darüber hinaus mit strukturellen Schäden der Basilarmembran oder anderer cochleärer Strukturen zu rechnen, was gleichbedeutend ist mit einem erheblichen Hörverlust bis hin zur Ertaubung. Wird bei einsetzender Amplitudenabnahme die Insertion gestoppt, die Elektrode etwas zurückgezogen oder die Insertionsrichtung geändert, kann dies zu einer Erholung der Antwort-Amplitude führen. Auf diese Weise kann die für eine Hörerhaltung maximal mögliche Insertionstiefe bei gleichzeitiger Erhaltung des Restgehörs ermittelt werden [5] [41] [42]. Dabei ergibt sich eine gute Korrelation zwischen den intraoperativ beobachteten Veränderungen und dem postoperativen Hörvermögen ([Abb. 30]). Neben den Amplitudenveränderungen werden weitere Parameter wie Phasenwechsel oder Mehrtonmessungen verwendet, um tatsächliche schädigungsrelevante Veränderungen von Amplitudenabnahmen durch Passieren der Recording-Elektrode am Generator der frequenzspezifischen Antwort auf der Basilarmembran zu unterscheiden [42]. Zusätzlich kann die Insertion noch unter gleichzeitiger Röntgendurchleuchtung, sogenannter Fluoroskopie, vorgenommen werden. Der Chirurg erhält damit Informationen über die Position und das Verhalten der Elektrode während des Insertionsvorgangs und kann so sehr frühzeitig z. B. einen sogenannten Tip fold-over ([Abb. 42]) erkennen und korrigieren. Dies ist vor allem bei Verwendung vorgeformter Elektroden von Bedeutung.
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4.3 Cochlea-Implantation in lokaler Anästhesie
Die Cochlea-Implantation kann in lokaler Betäubung, ggf. mit Unterstützung der Anästhesie im sogenannten Analgosedierungsverfahren durchgeführt werden. Sie folgt dabei den bewährten Prinzipien der Ohrchirurgie in lokaler Betäubung [43]. Für den Patienten ergeben sich folgende Vorteile:
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Fehlende Risiken der Vollnarkose
-
Schnelle Erholung des Patienten
-
Intraoperative Kontrolle des Restgehörs durch unmittelbare Befragung des Patienten bei gleichzeitiger Präsentation akustischer Reize z. B. eines tieffrequenten Dauertons zur Testung des residualen Tieftongehörs
-
Unmittelbare Angabe von Schwindel als Zeichen eines Insertionstraumas mit Möglichkeit zur Modifikation der Elektrodeninsertion
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Direkte Kontrolle der Hörrehabilitation durch Direktaktivierung des Implantates intraoperativ mit Bestimmung der verschiedenen Tonhöhen mit T- und C-Level für die Frühanpassung des Sprachprozessors.
Der Operation in Lokalanästhesie kommt im Rahmen der angestrebten Vereinfachung der Cochlea-Implantat-Operation und der Steigerung der Zahl cochlea-implantierter Patienten besonders bei älteren und alten Patienten große Bedeutung zu [44].
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4.4 Computer- und Roboterassistierte Chirurgie CAS – RAS
Die Grenzen der konventionellen Cochlea-Implantat-Chirurgie ergeben sich aus der Tatsache, daß der Chirurg über keine unmittelbare visuelle Kontrolle des Insertionsvorgangs jenseits des Runden Fensters respektive der Cochleostomie verfügt. So kann die Insertionsrichtung der Elektrode nicht kontrolliert auf die Verlaufsrichtung z. B. der Scala tympani am Anfangsteil der basalen Windung ausgerichtet werden. Auch die Rotation der Elektrode lässt sich innerhalb der Cochlea nicht kontrollieren. Weitere Limitationen der manuell ausgeführten Elektrodeninsertion ergeben sich aus der minimal möglichen Insertionsgeschwindigkeit sowie des gleichmäßigen Vorführens der Elektrode [45]. Experimentelle Untersuchungen zeigen, daß die auftretenden Insertionskräfte durch Verlangsamung der Insertionsgeschwindigkeit unterhalb dieser Grenze signifikant geringer sind, was mit einer Reduktion des Schädigungsrisikos cochleärer Strukturen einhergeht ([Abb. 31]) [46]. Anzustreben sind deswegen langsame und gleichmäßige Insertionsvorgänge, wie sie händisch nicht mehr auszuführen sind.
Um hier zu einer höheren Präzision der Chirurgie zu kommen, wurden computer- und roboterassistierte Chirurgieverfahren entwickelt bzw. sind zurzeit in Entwicklung [47] [48] [38]. Der grundsätzliche Vorgang ist dabei folgender ([Abb. 32]):
Aus einem präoperativ angefertigten CT- oder DVT-Bilddatensatz werden die wesentlichen anatomischen Strukturen des Felsenbeines segmentiert. Unter Berücksichtigung des ggf. zu erhaltenden Restgehörs wird die Insertionstiefe der Elektrode bestimmt. Aus dem Bilddatensatz lässt sich ein Modell der Cochlea erstellen und die Cochlea-Implantation virtuell ausführen. Dabei können die anatomisch möglichen Trajektorien zur optimalen Elektrodeninsertion in die Cochlea definiert werden. Sie können mit Hilfe eines Navigationssystems auf den Operations-Situs übertragen und für die Insertion benutzt werden ([Abb. 33]).
Allerdings haben die nur navigationsbasierten Verfahren grundsätzliche Probleme mit der erzielbaren Genauigkeit der Planung, falls keine knochenverankerten Marker verwendet werden. Weiterhin bereitet die Anwendung der Trajektorie bei der Elektrodeninsertion Probleme, da die Insertionsinstrumente nicht ausreichend genau referenziert und manuell geführt werden können.
Aus diesem Grund wurden zusätzliche robotische Systeme für die präzise Umsetzung der geplanten Trajektorie in einen minimal-invasiven Bohrkanal und die optimierte Elektrodeninsertion entwickelt. So kann von der Oberfläche des Mastoids der vorberechnete Bohrkanal bis in die Cochlea hinein mit Hilfe geeigneter Bohrsysteme unter gleichzeitiger Temperaturkontrolle und Facialismonitoring angelegt werden. Die dabei erforderliche Genauigkeit mit einem Gesamtfehler von<0,3 mm lässt sich durch Anwendung hochauflösender CT-Verfahren, knochenverankerter Markersysteme für navigationsbasierte Verfahren und Nutzung starrer Fixationssysteme (Mayfield-Klemme) zur Verbindung des Patientensitus mit dem Robotersystem erzielen. Zum Einsatz kommen auch Bohrschablonen, sog. Jigs, die individuell gefertigt werden. Der Bohrer sowie das Insertionstool können so exakt in der vorberechneten Trajektorie geführt werden. Sie werden mit Hilfe eines am Patientenkopf starr fixierten Ministereotaxie-Rahmens in die vorberechnete Position gebracht ([Abb. 34]).
Nach Ausführen der Bohrung und entsprechender Eröffnung der Cochlea kann dann die Elektrode mit Hilfe eines Insertionsroboters (Robotol) in beliebig langsamer Geschwindigkeit in die Cochlea durch den Bohrkanal hindurch inseriert werden ([Abb. 35] [37]). Integrierte Kraftsensoren ermöglichen eine haptische Kontrolle. Ein vereinfachtes System zur sehr langsamen Elektrodeninsertion wurde von Rau angegeben ([49]; s [Abb. 31])
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4.5 Chirurgie – Besondere Fälle
4.5.1 Chronische Otitis media
Die verschiedenen Formen der chronischen Otitis media erfordern ein an den Krankheitsprozeß angepaßtes Vorgehen. Dabei sind folgende Formen zu unterscheiden:
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Seröse oder muköse Otitis media, sogenanntes Sero- bzw. Mukotympanum
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Otitis media chronica mesotympanalis
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Otitis media chronica epitympanalis
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Zustand nach Ohrradikaloperation
Bei der serösen und mukösen Otitis media handelt es sich in der Regel um bakteriell kontaminierte Flüssigkeitsansammlungen im Mittelohr, die im Rahmen der CI-Voruntersuchung auch aus audiologischen Gründen beseitigt werden sollten [50].
Bei negativem Keimnachweis kann bei rezidivierendem Paukenerguß dennoch eine CI-Operation durchgeführt werden, um eine ergebnisrelevante Therapieverzögerung bei Kindern zu vermeiden.
Bei Otitis media chronica mesotympanalis sollte zunächst vor der Implantation eine sanierende Ohroperation nach den Prinzipien der Tympanoplastik durchgeführt werden. Nach Ausheilen der chronischen Entzündung kann eine Cochlea-Implantation wie üblich vorgenommen werden. Entscheidend ist eine gute Mittelohrbelüftung zur Vermeidung von Trommelfellretraktionen und konsekutiver Cholesteatomentwicklung. Hier sind ggf Knorpelunterfütterungen zur Vermeidung von Retraktionstaschen sinnvoll, die bei Kontakt zum Elektrodenträger im Mastoid und Mittelohr zur Cholesteatombildung führen können.
Bei Otitis media chronica epitympanalis ist zunächst die Cholesteatomsanierung durchzuführen. In Abhängigkeit von der Ausprägung des Befundes kann entweder simultan oder im Intervall die Cochlea-Implantation vorgenommen werden.
Liegt eine Radikalhöhle vor oder sind aufgrund der Enge der anatomischen Verhältnisse Implantationen mit Erhalt der hinteren Gehörgangswand nicht möglich, sollte zunächst die sogenannte subtotale Petrosektomie mit Gehörgangsverschluss und Bauchfettobliteration der Höhle durchgeführt werden. In der Regel kommt es dadurch zu einer Eradikation des Entzündungsprozesses mit entzündungsfreien lokalen Verhältnissen, so dass das Risiko des Implantatverlust durch Infektion oder entzündliche Reaktionen bei der nach 6 Monaten durchgeführten Implantation deutlich reduziert werden kann. Ein einzeitiges Vorgehen wird nicht empfohlen [51] [52].
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4.5.2 Malformationen
Mißbildungen der Cochlea stellen besondere Herausforderungen an die präoperative Diagnostik, das chirurgische Konzept, das intraoperative Management und die postoperative Anpassung dar. Sie lassen sich in Anlehnung an Sennaroglu [53] [54] in folgende Typen mit zunehmendem Grad der Mißbildung, d. h. Abweichung von der normalen Anatomie einteilen ([Tab. 5]):
Mißbildungen mit vorwiegend cochleärer Beteiligung
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Mißbildungen mit vorwiegend vestibulärer Beteiligung
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Mißbildungen des Hörnerven
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Wichtig für Indikationsstellung und Chirurgie ist die genaue präoperative Analyse anhand genauest möglicher Bildgebung in Form eines hochauflösenden Felsenbein-CTs oder DVTs sowie hochauflösender MRT-Untersuchungen von Felsenbein und Hörnerv unter Verwendung von Oberflächenspulen. Die Operationen sollten nur von erfahrenen Chirurgen ausgeführt werden, die Verwendung des Facialismonitoring ist essentiell.
Die chirurgische Technik richtet sich nach der vorliegenden Missbildung und muss die Lage der Hörnervenfasern ebenso berücksichtigen wie den Zugangsweg und die Zugangsmöglichkeiten zur Cochlea. Das Management von Gusher und Liquorhoe muß beherrscht werden [55]. Zu den Missbildungen im Einzelnen:
1. Incomplete Partition Typ II ([Abb. 36])
Die Elektrodenauswahl richtet sich nach den Kriterien für eine normal lange Cochlea in Abhängigkeit vom Restgehör für ES oder EAS. In der Regel tritt kein Gusher (schwallartiger Austritt von Perilymphe durch abnorme Verbindung zum Liquorraum) auf.
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2. Incomplete Partition Typ III
Hier ist die Verwendung eines vorgeformten Elektrodenträger zur Vermeidung der Dislokation in den inneren Gehörgang zu empfehlen, ebenso die Anwendung intraoperativer Röntgendurchleuchtung zur sicheren intracochleären Positionierung der Elektrode. Sie kann durch das runde Fenster oder bei seinem Fehlen durch eine dem Durchmesser der Elektrode angepaßte Cochleostomie eingeführt werden. In der Regel tritt ein Gusher auf, der durch Einbringen von Muskel- oder Bindegewebsstückchen in die Cochleostomie gestoppt werden kann. Nur selten ist die Anlage einer Liquordrainage erforderlich.
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3. Incomplete Partition Typ I ([Abb. 36])
Da die Lage der Hörnervenfasern nicht bekannt bzw. ein Modiolus nicht vorhanden ist, sollten Elektroden mit Ring-Kontakten eingesetzt werden, z. B. Nucleus Straight Elektrode, da diese an der Außenwand der Cochlea zu liegen kommen und somit die dort ggf. lokalisierten Hörnervenfasern ebenso wie mittig gelegene Fasern stimulieren können. Kontrolle der Lage ebenfalls mit intraoperativer Röntgendurchleuchtung, um Fehllagen z. B. im inneren Gehörgang zu erkennen und eine Repositionierung vornehmen zu können ([Abb. 36]). In der Regel ist die Anlage einer dem Durchmesser der Elektrode angepaßte Cochleostomie erforderlich. Behandlung des Gusher wie oben angeführt.
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4. Common Cavity ([Abb. 37])
Es existiert nur eine gemeinsame Anlage für Cochlea und Vestibularorgan. Da kein Modiolus existiert, sollte eine gerade Elektrode mit Ringelektroden eingesetzt werden. Hier ist die Öffnung der Cochlea möglichst klein zu halten, um den in der Regel auftretenden Gusher sicher zu beherrschen durch Verschluss der gebohrten Öffnung mit Bindegewebsstückchen um die Elektrode herum. Die Elektrodeninsertion sollte unter Fluoroskopie-Kontrolle erfolgen. Ergibt sich eine Fehllage der Elektrode im inneren Gehörgang, ist u. U. eine spezielle Loop-Technik zu verwenden, bei der ein Schlitz in die Cochlea gebohrt und die Elektrode dann als Loop unter Festhalten der Elektrodenspitze, die extracochleär verbleibt, eingelegt wird ([Abb. 36]).
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5. Cochleäre Aplasie mit vorhandener vestibulärer Anlage ([Abb. 37])
Vorgehen wie bei Common Cavity.
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6. Komplettes Fehlen des Innenohres
Kontraindikation für eine Cochlea-Implantation, ggf. kommt ein auditorisches Hirnstammimplantat in Frage.
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7. Vestibuläre Mißbildungen
Hier finden sich unterschiedliche Formen mit Beteiligung der Bogengänge oder des Vestibulum. Das Ausmaß des Hörverlustes ist sehr unterschiedlich. Die Cochlea-Implantation folgt daher den Regeln bei normaler Anatomie der Cochlea.
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8. Cochlear Aperture-Stenose ([Abb. 36])
Die Öffnung des knöchernen Durchtritts aus dem Modiolus in den inneren Gehörgang ist eingeengt. Dies ist gleichbedeutend mit einem dünnen oder fehlendem Hörnerven. In der Regel erfordert dies die intraoperative erweiterte Messung der Hörnervenantworten, z. B. durch Verwendung einer Probeelektrode (ANTS-Elektrode) mit Ableitung der ECAPs und EABR vor einer Cochlea-Implantation.
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9. Enger innerer Gehörgang ([Abb. 37])
Vorgehen wie bei der Cochlear Aperture-Stenosis
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10. Fehlender innerer Gehörgang
Hier liegt eine Kontraindikation für eine Cochlea-Implantation vor, ggf. Versorgung mit einem Hirnstammimplantat.
Intraoperativ müssen alle verfügbaren Methoden zum Nachweis von Hörnervenantworten (ESRT, ECAPs, EABR s. o.) ggf. auch unter Verwendung sogenannter Probeelektroden eingesetzt werden. Sie sind für die postoperative Anpassung besonders bei Kindern unverzichtbar. Lassen sich keine Antworten ableiten, muß im Einzelfall entschieden werden, ob dennoch eine Implantation zur Probe durchgeführt wird. Bleiben postoperativ Hörreaktionen und eine Hör-Sprachentwicklung aus, bietet sich als Alternative einzig das Auditorische Hirnstammimplantat ABI an [56].
Ergebnisse der Cochlea-Implantation bei Mißbildungen
Die erzielten Ergebnisse sind in der Regel abhängig vom Typ der Mißbildung. Bei verkürzter Cochlea können normale Ergebnisse erzielt werden. Manchmal ist die verkürzte Cochlea auch mit einem Large-Vestibular-Aqueduct-Syndrom LVAS (Abb) verbunden, bei dem sich u. U. eine progrediente Schwerhörigkeit mit hörsturzartiger Verschlechterung besonders nach Kopftraumen findet, sodaß günstige Voraussetzungen für den Hörerfolg aufgrund der bereits vorhandenen Hörerfahrung vorliegen (perilinguale Ertaubung).
Bei schweren Formen der Missbildung, z. B. Common Cavity sind in der Regel die Ergebnisse schlechter als der Durchschnitt der Kinder mit normaler Anatomie [57].
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4.5.3 Obliteration/Ossifikation ([Abb. 38])
Obliterationen und Ossifikationen können auftreten bei einer Vielzahl von Grunderkrankungen, z. B. posttraumatisch, postmeningitisch, Otosklerose, chronisch entzündlichen Erkrankungen mit Innenohrbeteiligung wie Morbus Wegener (Granulomatose mit Polyangiitis) oder Cogan-Syndrom. Initial handelt es sich um eine Bildung von Entzündungs- und Granulationsgewebe, gefolgt von bindegewebiger Umwandlung, gefolgt von Ossifikation. Für das chirurgische Vorgehen ist deswegen die präoperative Bildgebung mit hochauflösendem CT oder DVT sowie Kernspintomographie mit Kontrastmittel entscheidend, um Ausmaß, Grad und Stadium der Obliteration anzuzeigen. So findet sich ein ausgeprägtes Kontrastmittel-Enhancement bei frischen Entzündungsprozessen, das bei eingetretener Ossifikation abgeklungen ist. Die Knochenumbauprozesse der Schneckenkapsel bei Otosklerose sind pathognomonisch [58].
Die Obliteration startet meistens im Bereich des Runden Fensters und breitet sich nach apikal aus, allerdings sind bei postmeningitischer Ertaubung auch verschiedene andere Obliterationsorte zu beobachten.
Bei partieller Obliteration ([Abb. 38]) besteht das Ziel darin, den Teil der Cochlea mit Obliteration freizuräumen, z. B. durch Entfernen des einliegenden Gewebes, bis man das offene Lumen der Scala tympani oder der Scala vestibuli der apikal von der Obliteration gelegenen Cochlea-Anteile erreicht. Zur Vorbereitung der Insertion sollte zusätzlich eine steifere Probeelektrode eingeführt werden, eine sogenannte Stiff-Probe, mit der es möglich ist, auch kleinere Hindernisse innerhalb der Cochlea zu überwinden und so den Weg für eine danach einzuführende Elektrode aufzudehnen. Liegt eine über den geraden Teil der basalen Windung reichende Obliteration vor, ist ggf. die Anlage einer zweiten Cochleostomie im Bereich der zweiten Windung erforderlich. Sie wird anterior des Steigbügels, inferior des Processus lenticularis und des M. tensor tympani angelegt Dort erreicht man dann in der Regel das Lumen der zweiten Windung und kann auch retrograd den weiteren Verlauf der ersten Windung erreichen [59]. So kann die Verbindung zum Bohrkanal in der basalen Windung hergestellt und die Elektrode ggf. dann über eine längere Strecke eingeführt werden. Gelingt diese Verbindung der beiden Bohrkanäle in der basalen Windung nicht, kommt der Einsatz eines Split-Arrays in Betracht mit einer Elektrode in der basalen und einer zweiten Elektrode in der zweiten Windung ([Abb. 38]).
Insgesamt sind die Hörergebnisse deutlich schlechter als bei regulär eingeführter Elektrode, da der Hörnerv nur partiell stimuliert wird, die elektrische Feldausbreitung durch die Ossifikation und deren operative Entfernung verändert ist und zusätzlich ein Schädigung bzw Verlust der Spiralganglienzellen durch die Grundkrankheit vorliegt. Bei partieller Obliteration und komplett inserierter Elektrode ergeben sich keine signifikanten Performance-Unterschiede.
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4.5.4 Cochlea-Implantat und Facialisstimulation
Bei bestimmten Erkrankungen ergibt sich ggf. ein erhöhtes Risiko der Facialisreizung nach Cochlea-Implantation. Die Inzidenz wird zwischen 1 und 14% angegeben [60]. Dazu zählen z. B. die fortgeschrittene Otosklerose, Felsenbeinfrakturen, Mißbildungen oder Knochenumbauprozesse anderer Art. Bei sehr schwer ausgeprägter Facialisreizung ist ggf. die Nutzung des Implantates in Frage gestellt. In der Regel kann durch Abschaltung einzelner Elektroden, durch Reduktion der Stimulationslevel oder durch Änderung des Reiz-Paradigmas z. B. eine tripolare Stimulation das Problem beherrscht werden. Sollte dies nicht gelingen oder führen diese Maßnahmen zu einem deutlichen Performance-Verlust, ist die Reimplantation mit ggf. einem anderen Cochlea-Implantat-System zu überlegen. Bei lateralen Elektroden kann ein Wechsel auf eine vorgeformte Elektrode erfolgreich sein [61]. In letzter Zeit konnte gezeigt werden, dass die Reimplantation mit einem Oticon Neuro-Implantat die Fazialisstimulation auch in schweren Fällen beseitigen konnte und zu einer deutlich verbesserten Hörleistung führt. Dieses Implantat verfügt über einen grundsätzlich anderen Stimulationsmodus mit sogenannter pseudo-monopolarer Stimulation und einer kombinierten Common-Ground-Elektrode. Beides führt zu einer deutlichen Reduktion der Feldausbreitung innerhalb der Cochlea und insbesondere zu einer kleineren Amplitude der für die Facialisreizung verantwortlichen kathodischen Phase des biphasischen elektrischen Reizes (73).
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4.5.5 CI bei Vestibularis und Cochlearisschwannom (Akustikusneurinom) ([Abb. 39])
Ist der Hörnerv funktionell erhalten und die Cochlea implatationsfähig, kann ein CI grundsätzlich für die Hörrehabilitation eingesetzt werden.
Folgende Konstellationen sind zu unterscheiden:
-
Intracochleäres Schwannom mit progredienter hochgradiger Schwerhörigkeit
-
Extracochleäres Schwannom ohne Behandlung
-
Extracochleäres Schwannom nach Radiotherapie
-
Z.n. operativer Entfernung eines Vestibularisschwannoms mit konsekutiver Ertaubung
-
Bilaterale Schwannome bei Neurofibromatose Typ 2 (NF 2)
Im ersten Fall führt das Schwannom zur Ertaubung ohne Beeinträchtigung der Funktion des N. cochlearis. Der Tumor kann in geeigneter Weise durch das runde Fenster oder durch eine Cochleostomie entfernt und die CI-Elektrode eingesetzt werden [63].
Beim unbehandelten extracochleären Vestibularisschwannom kommt es zu einem Hörverlust durch Beeinträchtigung der cochleären Durchblutung und zu einer Schädigung der Nervenfasern, die bei weiterer Größenzunahme des Tumors zunimmt. In Abhängigkeit dieser beiden Mechanismen kann die Funktion des Hörnerven mehr oder minder ggf. auch progredient eingeschränkt sein. Dadurch variieren die Ergebnisse sowohl inter- als auch intraindividuell im Zeitverlauf. Ein anfänglich gutes Hörergebnis kann sich im weiteren Verlauf deutlich verschlechtern. Voraussetzung für eine CI-Versorgung ist ein positiver Promontoriumtest, ggf. ergänzt durch eine intracochleäre Probestimulation.
Dasselbe trifft für die Situation nach Radiotherapie zu.
Liegt ein Zustand nach mikochirurgischer Tumorentfernung mit anatomisch erhaltenem Hörnerven vor, muß zunächst dessen funktionelle Integrität durch Promontoriumtest und intracochleäre Probeelektroden nachgewiesen werden. Ist diese gegeben, kann eine CI-Versorgung vorgenommen werden mit auch dauerhaft stabilem Hörerfolg ([Tab. 6]). Dabei zeigt sich, daß die Ergebnisse nach Mikrochirurgie besser sind als nach Radiotherapie. Sie sind am schlechtesten bei Patienten mit Neurofibromatose Typ 2, wohl auf Grund des aggressiven infiltrativen Tumorwachstums in den Hörnerven. In diesen Fällen ist eine auditive Rehabilitation nur mit zentral-auditorischen Implantaten (Auditorisches Hrnstamm-Implantat ABI, Auditorisches Mittelhirnimplantat AMI) möglich [56].
n |
Einsilber% |
HSM in Ruhe% |
HSM S/N 10 dB% |
|
---|---|---|---|---|
Wait and Scan |
44 |
55 (0–65) |
59 (0–75) |
25 (0–45) |
Radiotherapie |
19 |
33 (0–55) |
30 (0–55) |
12 (0–35) |
Mikrochirurgie |
53 |
67 (0–85) |
74 (5–85) |
27 (0–55) |
NF 2 |
11 |
21 (0–55) |
27 (0–35) |
5 (0–10) |
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4.6 Cochlea-Implantation bei Kindern
Bei Kindern gelten besondere Qualitäts-Anforderungen in der Chirurgie [65] [66]. Allgemein zu beachten sind die Unreife der Organe wie Lunge und Herz-Kreislaufsystem, die Hypothermieanfälligkeit sowie häufig vorliegende Zusatzbehinderungen. Im Vordergrund steht daher die Sicherheit des Kindes, um schwerwiegende Komplikationen zu vermeiden. Der Wahleingriff sollte daher unter Mitwirkung erfahrener Kinderanästhesisten geplant und durchgeführt werden. In der Regel kann der Eingriff ab dem 7. Lebensmonat ohne erhöhtes Narkose- und OP-Risiko durchgeführt werden. Liegt eine postmeningitische Ertaubung vor, so kann bei Zeichen einer beginnenden Obliteration die Operation auch zu einem früheren Zeitpunkt unter Beachtung des Allgemeinzustandes durchgeführt werden. Inraoperativ ist auf eine sorgfältige Blutstillung zu achten, um den Blutverlust bei der geringen Gesamtblutmenge von Kleinkindern zu minimieren. Gegebenenfalls muß bei kreislaufwirksamem Blutverlust eine sequentielle Implantation statt einer geplanten simultanen bilateralen Operation durchgeführt werden.
HNO-chirurgisch relevante Faktoren für die CI-Operation sind das Kopfwachstum, die akute und chronische Otitis media mit ihren verschiedenen Formen, die dünne Schädelkalotte sowie die dünnere Weichteilbedeckung. Ziel ist eine langzeitstabile Implantatlage mit geringst möglicher Komplikationsrate. Im Rahmen der alterstypisch gehäuften Mittelohrerkrankungen einschließlich der Otitis media kommt der Abdichtung des Innenohres zur Vermeidung einer Labyrinthitis sowie dem vollständigen Ausbohren des Mastoids zur Vermeidung einer potentiellen Mastoiditis besondere Bedeutung zu. Aufgrund der kleineren Verhältnisse kann es schwierig sein, das Elektrodenträgerkabel im ausgebohrten Mastoid zu positionieren. Hier sollte auf eine spannungsfreie Lage geachtet werden, um eine postoperativ durch Schädelwachstum auftretende Elektrodendislokation zu vermeiden. Wichtig ist auch die sichere Fixation des Implantates in einem sorgfältig angelegten Knochenbett sowie der Schutz der Elektrode durch einen Verbindungstunnel oder -kanal zum Mastoid. Die Elektrodenfixation nahe der Cochlea ist ebenfalls entscheidend zur Vermeidung von Elektrodenmigration.
Die Komplikationsrate wird mit ca 10% angegeben, bei 5% schwere Komplikationen, die meisten treten als Spätkomplikationen auf [66] [67].
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4.7 Reimplantation
Reimplantationen werden mit der zunehmenden Zahl implantierter Patienten auch in ihrer Häufigkeit zunehmen. Sie werden aus folgenden Gründen ausgeführt:
-
Technischer Defekt des Implantates
-
Medizinische Komplikationen
-
Upgrade bei Bad-Performern sowie nicht mehr lieferbaren Ersatzteilen externer Implantatkomponenten (Out of Service)
Reimplantationen folgen denselben chirurgischen Prinzipien wie bei der Erstimplantation, gehen aber mit einem erhöhten Komplikationsrisiko einher. Dabei ist in Abhängigkeit von der Ursache darauf zu achten, dass nach Möglichkeit dieselben Elektroden und Implantate in der neuesten Version Verwendung finden, da sich in der Regel um die Elektrode ein Bindegewebsschlauch gebildet hat. Bei Reimplantation mit einem anderen Elektrodenträger kann dies zu Insertionsschwierigkeiten führen. Die Verwendung geeigneter Hilfsmittel wie Stiff-Probe oder Entfernung neu gebildeten Bindegewebes ist dann hilfreich. Außerdem sollte die Insertion unter Durchleuchtungskontrolle stattfinden. Nach Herauslösen des Implantates aus dem umgebenden Weichgewebe wird der Elektrodenträger im Mastoid bis zur posterioren Tympanotomie verfolgt. Dort erfolgt die Identifikation von N. facialis, Chorda tympani, Promontorium mit Eintritt der Elektrode in die Cochlea. Das Implantat wird hier von der Elektrode getrennt. Nach Anpassung des Knochenbettes und des Verbindungspfades zum Mastoid wird das neue Implantat eingesetzt. Die Reimplantation erfordert besondere Erfahrung des Operateurs, der Elektrodenwechsel sollte erst nach Durchführung der vorbereitenden Schritte wie zB. Anpassung des Implantatbettes und Präparation des Elektrodeneintrittsortes in die Cochlea erfolgen, um hier einen Kollaps des intracochleären von Bindegewebe umgebenen Elektrodenkanals mit konsekutiven Problemen bei der Elektrodeninsertion zu vermeiden.
Schwierigkeiten beim Elektrodenwechsel können sich vor allem bei eingetretener Obliteration oder Ossifikation um die Elektrode ergeben ([Abb. 40]). Dann ist es erforderlich, das neugebildete Gewebe um den Elektrodenträger für dessen Extraktion zu entfernen. Gelingt dies nicht im entsprechenden Maß, kann es zum Abriß der Elektrode mit dann intracochleär verbleibenden Teilen kommen. Nachfolgend kann die neue Elektrode nur partiell inseriert werden ([Abb. 40]), was zu einer verschlechterten Performance führt.
Sollten Elektrodensysteme nicht mehr verfügbar sein, ist auf ein ähnliches System umzustellen. Bei Patienten mit sehr tiefer Elektrodeninsertion sollte versucht werden, durch Verwendung einer langen Elektrode diese Situation wiederherzustellen, um auch apikale Anteile der Cochlea mit zu stimulieren. Anderenfalls kann es zu einer Verschlechterung der Hörperformance kommen, insbesondere bei früh implantierten prälingual ertaubten Patienten.
Revisionsraten werden in der Literatur mit 7–8% angegeben [68] [69]. Im Mittel werden vergleichbare Hörergebnisse bei Verwendung derselben Elektrode und desselben Implantates erzielt, sofern die Elektrodenlage identisch ist [70]. Dies ist nicht immer zu erzielen. So finden sich zT. erhebliche Differenzen in der Insertionstiefe prä- versus post reimplantationem. Diese und andere Faktoren können zu erheblichen Differenzen im Sprachverstehen führen ([Abb. 41]). Bei einem technologischen Upgrade, d. h. einem technologisch weiterentwickelten Cochlea-Implantat-System, können unter dieser Voraussetzung bessere Hörergebnisse erzielt werden [68]. Bei prälingualer Taubheit können sich auch schlechtere Hörergebnisse finden, insbesondere dann, wenn hinsichtlich Elektrodenlage, Elektrodentyp und Art der Sprachverarbeitungsstrategie erhebliche Unterschiede vorliegen [71]. Kommt es bei der Reimplantation zu einer anderen Elektrodenlage z. B. mit geringerer Cochlear Coverage respektive Insertionswinkel, kann dies zu einer Verschlechterung der Performance führen. Offensichtlich ist das Hörsystem bei prälingualer Taubheit durch ein bestimmtes elektrisches Stimulationsmuster spezifisch geprägt.
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4.8 Komplikationen
Bei Komplikationen ist zwischen technischen und medizinischen Komplikationen zu unterscheiden.
4.8.1 Implantatausfälle (technische Komplikationen)=Device Failure
Implantatausfälle treten zwischen 2% und 4% der Fälle auf. Sie sind bei Kindern häufiger als bei Erwachsenen, was auf eine höhere Inzidenz äußerer Gewalteinwirkungen als Ursache schließen lässt. Durch stetige Verbesserung der Implantatsicherheit konnte deren Rate deutlich gesenkt werden. Ihre Häufigkeit hängt vom technologischen Reifegrad des Implantates sowie seiner ordnungsgemäßen Anwendung ab. Die Ergebnisse der gesetzlich vorgeschriebenen postoperativen Fehleranalysen und die Erfahrungen der Anwender können für eine kontinuierliche Verbesserung der Implantatsicherheit und damit zur Reduktion der Fehlerrate eingesetzt werden. Voraussetzung dafür ist ein konsequentes Datenmanagement zur möglichst vollständigen Erfassung aller auftretenden potentiellen Device Failures in Form z. B. von Implantat-Registern. Diese können sowohl von den einzelnen Herstellern als auch herstellerunabhängig z. B. als bundesweites CI-Register, wie es zurzeit von der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie aufgebaut wird, geführt werden. Diese Register erfordern die Mitarbeit möglichst aller Cochlea-implantierenden Kliniken, um so einen möglichst vollständigen Datensatz zu erhalten.
Gleichzeitig müssen einheitliche Kriterien für Definition, Typisierung und Reporting vereinbart und eingehalten werden [72]. Hier haben sich verschiedene internationale Standards für eine Vielzahl von aktiven Implantat-Systemen etabliert, die im Grundsatz auch auf Cochlea-Implantat-System anwendbar sind. Wichtig ist dabei die Langzeiterfassung aller jemals in den Verkehr gebrachten Implantat-Typen und Implantat-Generationen, um kumulative Fehlerraten zu bestimmen. Diese Cumulative Failure Rate (CFR) besagt, wie viele Implantate eines bestimmten Typs zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr funktionstüchtig sind. Umgekehrt gibt die Cumulative Survival Rate (CSR) an, wie viele Implantate noch einwandfrei zu einem bestimmten Zeitpunkt nach deren Implantation funktionieren.
Neben kompletten können auch partielle technische Ausfälle auftreten wie z. B. Ausfall eines der Elektrodenkontakte [73]. Entscheidend für den Patienten ist dabei die durch den Fehler bedingte Auswirkung auf die Hörleistung, entweder als kompletter oder Teilausfall. Dieses Decrement of Performance sollte die gemeinsame Definitionsbasis für das Fehler-Reporting sein. Meistens geht das Decrement of Performance auch mit einem technischen Out of Specification einher, d. h. das Implantat erfüllt nicht mehr alle vorgegebenen technischen Funktionen. Nicht jeder technischer Fehler muß sich auf die Hörperformance auswirken, z. B. der Ausfall einzelner Elektrodenkontakte bei ansonsten voll funktionstüchtigem Implantat.
Die technische Spezifikation (Funktionstüchtigkeit) kann durch geeignete Funktionstests des Implantates, sogenannte Integrity-Tests herstellerseitig am Patienten überprüft werden. Einschränkend bleibt festzuhalten, daß damit nicht sämtliche Funktionalitäten des Implantates geprüft werden können, so dass durchaus eine vom Patienten berichtete und im Hörtest nachweisbare Verminderung der Hörleistung vorliegen kann, ohne dass ein entsprechender Device Failure nachgewiesen werden kann (sogenannte Soft-Failure). Ist bisher ein Fehler-Typ noch nie aufgetreten und in der entsprechenden Test-Konfiguration damit auch nicht vorgesehen, so kann eine entsprechende technische Überprüfung diesen Fehler ggf. nicht erfaßt werden. Bei entsprechender Datenbankabfrage wird sich ebenfalls kein Fehler finden lassen, obwohl in der Realität bereits mehrere Patienten davon betroffen sein können [73].
Auf der Basis der eingetretenen Fehler haben die Hersteller zahlreiche sogenannte Corrective Actions durchgeführt und ihr Implantat-Design kontinuierlich verbessert, um die CFR zu reduzieren. Dies ist anhand der publizierten Reports über die Implantate verschiedener Generationen auch nachvollziehbar. Ein prominentes Beispiel solcher Corrective Actions stellt die Umstellung von Keramik- auf Titangehäuse dar, die sich im Nutzungsalltag als deutlich robuster und weniger fehleranfällig, insbesondere im Hinblick auf Stoßfestigkeit und Undichtigkeiten erwiesen haben.
Eine Reimplantation ist immer dann indiziert, wenn durch den Device Failure die Hörleistung signifikant beeinträchtigt wird. Dies trifft auch für intermittierend berichtete Failure zu, die ggf. schwer zu erfassen sind, da sie evtl. zum Testzeitpunkt nicht vorhanden sind. Typische Ursache für intermittierende Fehler sind z. B. Brüche des Antennenkabels oder des Elektrodenauslasses aus dem Implantatgehäuse.
Am häufigsten liegen bei den technischen Ausfällen Gehäuseschäden durch externen Impact, z. B. Schläge oder Unfälle, Undichtigkeiten im Bereich des Elektrodendurchtritts (Feed-throughs), Ausfall von Elektronikkomponenten oder Kabelbrüche im Elektrodenträger vor [74].
Wichtig ist die intraoperative Funktionskontrolle des Implantates, um bereits bestehende oder im Rahmen der Implantation auftretende Implantatdefekte zu erkennen und unmittelbar intraoperativ eine Reimplantation vorzunehmen.
Zur Früherfassung von Device Failures kommt dem Data Logging, der Selbstüberprüfung des Implantates und der telemedizinischen Übermittlung der so erhobenen Daten besondere Bedeutung zu (s. Abschn. 2.1.6–8).
Eine Reimplantation ist dann indiziert, wenn dadurch die Hörleistung signifikant beeinträchtigt wird. Intermittierende Fehler sind technisch schwierig zu erfassen, ebenso Soft Failure, bei denen der Patient glaubhaft eine Hörverschlechterung aufweist, durch die verfügbaren technischen Möglichkeiten jedoch ein Defekt nicht verifizierbar ist.
Bei festgestelltem Implantatausfall sollte die Reimplantation möglichst rasch durchgeführt werden, um somit die bis dahin erreichte Hörleistung nicht zu gefährden. Dies trifft insbesondere für Kinder zu, bei denen die weitere Hör-Sprach-Entwicklung von einem einwandfrei funktionierenden Implantat in besonderem Maße abhängig ist. Das gilt insbesondere für Kinder mit nur einseitiger Versorgung [75] [76].
4.8.2 Medizinische Komplikationen ([Abb. 42])
Sie können durch adäquate Operationstechnik in der Regel vermieden werden. Eine niedrige Komplikationsrate ist Ausdruck eines hohen Qualitätsstandards der Cochlea-Implantation und eines ausreichenden Trainings durch eine adäquate Mindestzahl ausgeführter Operationen pro Jahr und Operateur [67] [77] [78] [79]
Hier gilt ähnliches wie bei den technischen Komplikationen. Auch hier konnte durch das systematische Sammeln und Auswerten klinischer Daten eine signifikante Reduktion der Komplikationsrate erzielt werden [67]. Wesentlich dazu beigetragen haben eine verbesserte Operationstechnik und das postoperativen Follow Up der Patienten an großen Zentren. So werden heute trans- oder suprameatale Zugänge zum Innenohr auf Grund ihrer höheren Extrusionsrate der Eletrode nur noch selten verwandt, ebenso gehören große Schnittführungen mit weiter Exposition des Knochens der Vergangenheit an.
Zu unterscheiden sind intraoperative von postoperativen Komplikationen.
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Intraoperative Komplikationen
Intraoperative Komplikationen können in Form von Verletzungen z. B. des N. facialis, des Trommelfells, des äußeren Gehörgangs, der Chorda tympani, des Sinus sigmoideus, der Dura oder des Innenohrs mit Eröffnen des Modiolus, Gusher und Elektrodenfehllagen ([Abb. 42]) sowie Schädigungen des Labyrinths mit postoperativem Schwindel sowie Tinnitus auftreten. Verletzungen der Arteria carotis interna sind ebenfalls beschrieben. Durch genaue Analyse der präoperativen Bildgebung sowie Anwendung intraoperativer Hilfsverfahren wie Monitoring oder Navigation lassen sich auch bei schwieriger anatomischer Konstellation viele dieser Komplikationen vermeiden. Eine wichtige Voraussetzung sind ausreichendes Training und Erfahrung des implantierenden Chirurgen. Im Sinn der Sicherung der Prozeßqualität stellt sich dabei die Frage nach der erforderlichen Mindestzahl von Implantationen pro Jahr, die von einem Chirurgen ausgeführt werden sollte. Dies trifft vor allem für die CI-Operation im Kindesalter zu, da hier durch die lebensaltersbezogenen Risikofaktoren verursachte Komplikationen durch eine adäquate chirurgische Technik zu minimieren und durch geeignete konservative und chirurgische Maßnahmen zu behandeln sind (s. Abschnitt CI-OP im Kindesalter). Treten intraoperativ Komplikationen auf, erfordern diese in der Regel Sofortmaßnahmen zu ihrer Beherrschung. Dazu zählen die Blutstillung, die Duraplastik, Stopp eines Gusher, die Rekonstruktion des Nervus facialis, der hinteren Gehörgangswand und des Trommelfells sowie die Korrektur einer Elektrodenfehllage. Die Rate intraoperativer Komplikationen wird mit 1–5 Prozent angegeben [67] [77] [78] [79].
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Postoperative Komplikationen
Hier ist zwischen schweren und leichten Komplikationen zu unterscheiden. Leichte Komplikationen wie Otitis media ggf. mit Mastoidbeteiligung können in der Regel durch konservative Maßnahmen mit Antibiotikagabe beherrscht werden. Zusätzlich können vorübergehende Hörminderungen mit Erhöhung der Elektrodenimpedanzen auftreten, die gut auf zusätzliche Kortisongabe ansprechen.
Schwere Komplikationen betreffen die bedeckenden Weichteile, den N. facialis, die Elektrodenmigration sowie Infektionen.
Weiterhin sind Hautkomplikationen über dem Implantat z. B. durch zu starken Magnetdruck besonders bei herausstehendem Implantat zu nennen, so dass es ggf. zum Freiliegen und Extrusion des Implantates kommt ([Abb. 43]). Bei unzureichender Fixation des Implantates kann es zur Migration nach kaudal und vorne bis zur Extrusion kommen. Bei unzureichender Weichteilbedeckung des Elektrodenträgers z. B. in einer Radikalhöhle oder bei Defekt der hinteren Gehörgangswand kann es zum Freiligen kommen ([Abb. 42]). Es hat sich hier bewährt, grundsätzlich bei diesen Fällen zunächst eine subtotale Petrosektomie mit Obliteration auszuführen und im zweiten Schritt mit zeitlichem Abstand die eigentliche Cochlea-Implantation [51] [52]
Bei einer postoperativen Facialisparese muß zwischen einer direkten Verletzung des Nerven zB durch Bohrer und einer sekundären Parese durch ein Ödem oder Reaktivierung einer latenten Virusinfektion unterschieden werden. Ein postoperativ angefertigtes hochauflösendes CT oder DVT zeigt eine potentielle Verletzung des knöchernen Nervenkanals sowie die Lage des Elektrodenträgers zum ggf freiliegenden Nerven an. Liegt eine sekundäre Parese vor, kann unter hochdosierter Kortisongabe zugewartet werden, ob sich eine rasche Erholung der Nervenfunktion einstellt, ansonsten ist auch hier wie bei der primären Parese eine operative Revision mit Inspektion, Dekompression und eventuell Rekonstruktion auszuführen [80].
Bei Kontakt des Elektrodenträgerkabels zu den bedeckenden Weichteilen kann es durch Weiterleitung mechanischer Bewegungen in das Innenohr zu Schwindel, Tinnitus sowie Schädigung des Restgehörs kommen.
Postoperativ auftretender Schwindel erfordert eine genaue Vestibularisdiagnostik. Hier ist Schwindel mit und ohne Betrieb des Implantates zu unterscheiden [81]. Potentielle Mechanismen betreffen eine Schädigung von Utriculus und Sacculus während der Operation, der Verschluß des Aquaeductus cochleae durch die Elektrode sowie (neugebildetes) Gewebe, auch Bogengangsarrosionen können auftreten. Tritt Schwindel nur bei Betrieb des Implantates auf, ist eine Umprogrammierung erforderlich. Persistiert der Schwindel trotz konservativer Therapie, ist ggf eine operative Revision oder Reimplantation erforderlich.
Postoperativ auftretender Tinnitus kann in der Regel durch Gabe von Cortison behandelt werden, ebenso der Schwindel. Längerfristiger Tinnitus kann ggf. zusätzliche Maßnahmen wie z. B. Verhaltenstherapie oder kognitive Therapie erfordern.
Treten Komplikationen auf, ist unverzüglich die entsprechende Behandlung zu deren Beherrschung durchzuführen. In geeigneter Weise sollte bei Migration und Extrusion das Implantat im Knochen verankert, z. B. durch Anlage eines Knochenbettes an geeigneter Stelle, Fixation des Implantates durch kreuzende Fäden und mit einer ausreichenden Weichteilbedeckung, z. B. durch Bilden eines Muskelrotationslappens aus dem M. temporalis geschützt werden. Bei Elektrodenmigration kann die Elektrode in der Regel vollständig reinseriert werden ([Abb. 42]). Auf eine cochleanahe Fixation mit geeigneten Methoden ist zu achten. In der Regel können diese Maßnahmen ohne Implantatverlust ausgeführt werden.
Infektionen, die auf das Implantat übergreifen, können auch in das Innenohr mit konsekutiver Labyrinthitis und Post-Implantations-Meningitis vordringen [82]. Auf Grund des ausgebildeten Biofilms ist in der Regel die Explantation erforderlich [83]. In Fällen ohne Innenohrbeteiligung (keine cochleovestibulären Symptome, s. o.) sollte die Reizelektrode in der Cochlea belassen werden, sofern die Infektion nicht in die Schnecke fortgeleitet wurde. Dies erleichtert die Reimplantation im Intervall erheblich.
Auf eine ausreichende Infektionsprophylaxe ist zu achten. Grundsätzlich gilt eine erhöhte Anfälligkeit gegenüber Meningitis [84], deswegen sollten alle Patienten präoperativ sich einer Impfung gegen Haemophilus influenzae und insbesondere Streptococcus pneumoniae unterziehen.
Die Rate postoperativer Komplikationen wird zwischen 2 und 10% angegeben [67]
Die Rate entzündlicher Komplikationen bei Kindern ist mit 6,9% deutlich höher als bei Erwachsenen, ebenso die Rate der Elektrodenmigration. Diese tritt vor allem bei atraumatischen Lateral Wall-Elektroden ([Abb. 40]) auf. Sie macht sich durch einen Hörverlust sowie fehlende NRT-Antworten auf den aus der Cochlea migrierten Elektrodenkontakten bemerkbar. In der Regel ist eine operative Revision mit Reinsertion der Elektrode und adäquater Fixation [42] erforderlich.
Komplikationen erfordern ein adäquates Management, das von dem Cochlea-Implantat-Operateur beherrscht werden muss. Durch permanente Verbesserung der chirurgischen Technik lässt sich eine deutliche Verminderung der Komplikationsrate erzielen.
Einen Überblick gibt [Tab. 7].
Langzeit-Komplikationen/n=1150: |
|
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4 |
|
12 |
|
4 |
|
3 |
|
1 |
|
5 |
|
6 |
|
35 |
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5. Postoperative Anpassung und Hör-Sprach-Training
5.1 Prinzipien und Inhalte
Die postoperative Anpassung des Implantat-Systems an die individuellen Reizbedingungen des Hörnerven kann als Früh- oder als Erstanpassung ausgeführt werden. Bei der Frühanpassung erfolgt die Aktivierung unmittelbar nach der Operation, bei der regulären Erstanpassung nach Abschluss der Einheilungsphase ca. fünf bis sechs Wochen postoperativ. Bei der Frühanpassung erhält der Patient die Chance, sich bis zur Erstanpassung bereits an das Hören mit Cochlea-Implantat schrittweise zu gewöhnen. Nachteilig wirkt sich die ggf. noch nicht ausreichende Feineinstellung aus, so dass evtl. das erzielte Hörergebnis für den Patienten zunächst noch enttäuschend ist.
Bei der Anpassung werden zunächst für jeden Elektrodenkontakt der sogenannte T- und C-Wert ermittelt. Darunter versteht man die minimale Stromstärke, bei der der Patient gerade einen Höreindruck hat (T-Wert), sowie die Stromstärke, bei der der Patient eine angenehme Lautheit des eingespielten Tones angibt. Die Differenz zwischen T- und C-Level gibt den sogenannten Dynamikbereich an, in dem das akustische Signal angepasst werden muss. Wichtig ist eine möglichst gleichmäßige Lautheitsempfindung über alle Elektrodenkontakte des Elektrodenträgers [85].
Der gesamte Frequenzgehalt des übertragenen Schallsignals wird auf einzelne Frequenzbänder aufgeteilt, diese dann den einzelnen Elektrodenkontakten respektive Kanälen des Implantates zugeteilt. Die Zuordnung geschieht dabei ggf. nicht anatomiegerecht, jedoch in tonotoper Ordnung, so dass hohe Frequenzanteile nahe am Runden Fenster, tiefe Frequenzanteile näher zur Cochleaspitze hin abgebildet werden ([Abb. 9]).
Nach Ersteinstellung können gezielt Hörübungen zur Diskriminierung einfacher Geräusche, rhythmisch-prosodischer Elemente und auch Wörtern, gefolgt von Vokal- und Konsonantunterscheidungsübungen ausgeführt werden. In der Regel können die Patienten bereits im Rahmen der ersten Anpassung einzelne Elemente von Sprache erkennen, so dass rasch der Schweregrad der Trainingsaufgaben gesteigert werden kann. In einem iterativen Verfahren kann das Fitting optimiert und so die Hörperformance im Zusammenspiel mit der zunehmenden Hörerfahrung gesteigert werden.
Durch Verwendung verschiedener Übungsverfahren können dann auch einzelne Vokale und Konsonanten, Zahlwörter, anschließend Einsilber und Sätze verstanden werden. Weitere Elemente umfassen dann auch die Benutzung des Telefons und anderer Kommunikationsmittel, das Sprachverstehen im Störgeräusch sowie das Richtungshören.
Aufgrund der hohen Leistungsfähigkeit heutiger Cochlea-Implantat-Systeme sowie der deutlich verbesserten Ausgangsbedingungen heutiger Cochlea-Implantat-Kandidaten mit meistens noch vorhandenem Restgehört, kurzer Ertaubungsdauer und ausreichender Hörerfahrung mit Hörgeräten werden rasch wesentliche Erfolge erzielt, so dass Patienten in der Regel nach einigen Tagen bereits über ein beginnendes offenes Sprachverstehen verfügen.
Durch konsequente Nutzung des Implantates sowie die bewusste Heranführung an verschiedene Alltagssituationen kann das Hörspektrum erweitert werden. Gezielte Übungen ergeben sich durch die Verwendung von Hörbüchern, zum Teil auch mit direkter Einkopplung in den Sprachprozessor, was insbesondere bei Patienten mit einseitiger Taubheit zum gezielten Training des tauben Ohres nach CI-Versorgung von Bedeutung ist.
Beim EAS-System ergeben sich erhöhte Anforderungen an die Einstellung der Systeme, da hier zwei verschiedene Formen des Hörens effektiv miteinander kombiniert werden müssen. Dies betrifft sowohl den aufzuteilenden Frequenzbereich als auch die gleiche Lautheit der elektrisch und akustisch beschickten Kanäle sowie die Laufzeitkorrektur des elektrischen Reizes.
Regelmäßige Überprüfung des Implantates sowie der Nervenreizantworten des Hörnerven, weitere Verfeinerungen der Einstellung, das Hinzunehmen von zusätzlichen Hilfsmitteln wie Zusatzmikrofon oder drahtloser Übertragungsanlage erweitern zunehmend die Hörerlebniswelt des Patienten.
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5.2 Erstanpassung und Training bei Kindern
Bei kongenitaler Taubheit verfügen die Patienten noch über keine eigene Hörerfahrung. Hier kommt es auf die behutsame Heranführung des implantierten Kindes an die Hörwelt an. Durch bewusste Kombination mit Umgebungsereignissen kann so die Verbindung zum Hörraum hergestellt werden. Durch systematische Nutzung des neu eröffneten auditorischen Sinneskanals gelingt es schließlich auch, die Sprachanbahnung zu erzielen und bei konsequenter Frühförderung die rechtzeitige Lautsprachentwicklung in Gang zu setzen.
Dabei sind längere Zeiträume in Betracht zu ziehen, die der intensiven Betreuung in spezialisierten Einrichtungen sowie der stetigen Förderung durch Frühfördereinrichtungen ebenso dienen wie der kontinuierlichen täglichen Arbeit der Eltern mit dem hörgeschädigten Kind
Bei Kindern kann die Anpassung auch auf der Basis objektiver z. B. intraoperativ erhobener Parameter vorgenommen werden. Die ermittelten Schwellenwerte für den Stapediusreflex und die elektrisch evozierten Compound Action Potentials (ECAPs) geben Anhaltspunkte für die primäre Einstellung. Es lassen sich auch komplette ECAP-basierte Maps erstellen, bei denen eine Korrektur des Stimulationslevels anhand der Verhaltensbeobachtung des Kindes vorgenommen wird und allmählich eine Verbesserung der Einstellung nach Maßgabe der Reaktion der Kinder erfolgt.
Zusätzlich finden elektrisch evozierte Hirnstammpotenziale (EABR) und EEG-Signale [86] Anwendung. Zur Kontrolle der Tragegewohnheiten durch ein sogenanntes Data-Logging zeichnet das Implantat mehrere Parameter wie z. B. tägliche Tragedauer auf. Diese Informationen können zur Unterstützung der Rehabilitation eingesetzt werden [87].
Zukünftig wird die Anpassung der Systeme um automatisierte Elemente erweitert. Dabei spielen zunehmend weitere objektive Messparameter wie kortikale elektrisch evozierte Potentiale eine Rolle. Diese EEG-Anteile erlauben eine Beurteilung des bewußten Hörens, der Aufmerksamkeit und der Diskriminationsfähigkeit des elektrisch kodierten akustischen Reizes. Durch iterative Verfahren kann so die Sprachverarbeitungsstrategie für den einzelnen Patienten und unterschiedliche Hörsituationen optimiert werden [87] [88] [89]. Dies kann auch für verschiedene Hörsituation unterschiedliche Einstellungen zur Folge haben.
Die sogenannten Closed-Loop-Systeme werden in Zukunft deswegen zusätzliche EEG-Ableitelektroden haben, die im Rahmen der CI-Operationen an vorbestimmten Punkten Temporalregion epi- oder subdural platziert werden. Damit können die relevanten EEG-Komponenten, wie das N1P1-Potential, die Mismatch-Negativity-Antworten oder auch P300 quasi online abgeleitet werden [88]. Zusätzlich können bestimmte Frequenzanteile des EEG, die sogenannte Gamma-Aktivität abgeleitet werden, die eine Aussage über die sogenannte Attention, also die Aufmerksamkeit auf einen akustischen Reiz hin erlaubt. Durch gezielte Optimierung der Sprachverarbeitungsstrategie zur Steigerung dieser EEG-Komponenten lässt sich eine Optimierung der Sprachverarbeitungsalgorithmen für den einzelnen Patienten wahrscheinlich erzielen [89].
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5.3 Hör- und Sprachtherapie
Grundsätzlich wird in der CI-Versorgung zwischen Basis- und Folgetherapie sowie der lebenslangen Nachsorge unterschieden. Dabei haben die Basis- und Folgetherapie einen hohen Stellenwert und sind integraler Bestandteil der CI-Versorgung. Bereits während der Anpassung des Sprachprozessors beginnt die Basistherapie. Mit postlingual hörgeschädigten Personen ist die Durchführung eines Hörtrainings ausreichend. Das Hörtraining knüpft an die vorhandenen Hörerfahrungen und den individuellen Sprachstand an und verfolgt das Ziel, umfassende akustische Erfahrungen für den Kontakt mit der Umwelt wieder verfügbar zu machen und die binaurale Integration als kognitiven Prozess zu fördern. Für die Hörtherapie haben sich nach langjähriger Praxis verschiedene Lerninhalte herauskristallisiert, die bereits in der Basistherapie angebahnt und in der Folgetherapie ausgebaut und gefestigt werden [90]. Diese Lerninhalte können unterschiedlichen Bereichen der zentral-auditiven Wahrnehmung und Verarbeitung zugeordnet werden. Heutzutage lassen sich ergänzend Hörtrainings-Apps oder online-Materialien einsetzen, mittels derer der CI-Träger selbständig und individuell zu Hause trainieren kann [91].
Handelt es sich jedoch um pädagogische Maßnahmen an prälingual hörgeschädigten Kindern, die das Ziel verfolgen, Höreindrücke mit den technischen Hörhilfen auszunutzen, eine optimale Orientierung in der akustischen Umwelt zu ermöglichen und Grundlagen zur umfassenden Lautsprachentwicklung zu schaffen, wird von „Hörerziehung“ gesprochen [91]. In der Anfangsphase der Hörerziehung ist es wichtig, dass das Kind die gut eingestellten Hörsysteme regelmäßig, möglichst ganztägig, trägt, damit sich das Hören zunehmend als Alltagsfähigkeit entwickeln kann. Dann kann die Aufmerksamkeit auf die Wahrnehmung und Identifikation bestimmter Geräusche gelenkt werden. Das Kind lernt, dass Hören, wie Sehen, mit Information und Symbolik verbunden ist. Je höher nun die Aufmerksamkeit für auditive Signale ist, desto besser lernt das Kind auch akustische Rückmeldungen zu geben. Deshalb umfasst die Hörerziehung bei Kindern auch immer das Einbinden von Übungen zur auditiven Aufmerksamkeit und Merkfähigkeit. Diese Fähigkeiten bilden gemeinsam mit der kognitiven Intelligenz eine entscheidende Grundlage zum Lautspracherwerb. Die Förderung des hörgerichteten Lautspracherwerbs schließt sich parallel an und orientiert sich an den gängigen sprachtherapeutischen Theorien und Methoden.
Der Erfolg von Hörtraining und Hörerziehung kann mit Hilfe von gängigen sprachaudiometrischen Testmethoden geprüft werden.
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5.4 Telemedizin/Remote Care
In zunehmendem Maße kommen die technischen Fortschritte dem Patienten im Hinblick auf das Patient Empowerment zugute. Ziel ist dabei die möglichst heimatnahe und hörsituationsgerechte Betreuung des Patienten über einen lebenslangen Zeitraum hinweg. Diese Nachsorge ist dabei sowohl durch das Implantat-Zentrum zu leisten als auch durch ausgesuchte und im Netzwerk verbundene Partner, die dezentral Aufgaben der Nachsorge und der Verbesserung der Hörsituation übernehmen können. Im Wesentlichen handelt es sich dabei um Hörgeräteakustiker sowie kooperierende Hals-Nasen-Ohren-Ärzte. Durch Einbindung in das Netzwerk und ein einheitliches Datenmanagement können die erhobenen Daten bei einem Patienten lückenlos dokumentiert und zwischen den Partnern ausgetauscht werden. Daraus ergeben sich vielfältige Möglichkeiten der dezentralen Nachsorge bei gleichzeitigem Zugang zur vollen Expertise des Implantat-Zentrums, sogenannte Hub and Spoke-Konstellation. Die Versorgung mit Ersatzteilen, die Implantat-Kontrollen sowie verschiedene Formen der Feinanpassungen und des technologischen Upgrades lassen sich so auch wohnortnahe durchführen.
Durch telemedizinische Verfahren lassen sich Fernanpassungen ausführen [92]. Dabei ist der Patient mit dem interagierenden Zentrum über eine Datenfernleitung verbunden. Der Spezialist im Cochlear Implant Zentrum kann den Patienten beobachten und mit ihm direkt sprechen. Ein direkter Zugriff auf das Implantat ist über einen eingeschalteten Spezialisten vor Ort oder ein vom Patienten selbst bedientes Interface möglich. Dadurch lassen sich Feinanpassungen, insbesondere in häuslicher Umgebung, Technologiechecks und Upgrades der Software durchführen [93].
Über die telemedizinische Anbindung sind tägliche Implantatkontrollen möglich. So können frühzeitig Impedanzanstiege als Zeichen einer beginnenden Labyrinthitis erkannt werden. Remote Care ist insbesondere für die lebenslange Nachsorge von Bedeutung [94].
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5.5 Self Fitting
Im Rahmen der zunehmenden Möglichkeiten der Kontrolle des Implantates können von dem Patienten selbst verschiedene Einstellungsänderungen an dem Implantat und damit die Optimierung an die jeweilige Hörsituation vorgenommen werden. Wichtig ist eine kontrollierte Vorgehensweise, um Überstimulation und mangelnde Lautheit zu vermeiden. Die automatisierte Funktionskontrolle der Implantate sowie die implementierten Möglichkeiten zur Performance-Testung erlauben eine zunehmende Beteiligung des Patienten und damit auch eine Selbstbehandlung z. B. durch Verwendung geeigneter Training-Apps. Über Apps lässt sich jederzeit auch die Verbindung mit dem Implant-Zentrum herstellen. Die Auswertung der Meßdaten kann automatisiert erfolgen. Die Bewertung durch lernende Systeme (KI) erlaubt außerdem die fortlaufende Erfolgskontrolle und Abgleich mit dem Vorhersagewert der Performance. So lassen sich frühzeitig Abweichungen in der Performance sowie technische und medizinische Komplikationen (Anstieg der Elektrodenimpedanzen) erkennen.
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5.6 Folgeanpassungen, Rehabilitation und Nachsorge
In der Zwischenzeit haben sich verschiedene Versorgungsmodelle herausgebildet, die alle das Ziel einer möglichst lebenslangen, individuellen und lebenssituationsbezogenen Nachsorge haben. Dabei sollen die Möglichkeiten des Patienten in seinem sozialen und beruflichen Umfeld optimal genutzt und ggf. spezifische Unterstützung geleistet werden. Verschiedene Elemente sind zu adressieren:
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Regelmäßige Überprüfung der Implantat-Funktion, Upgrades von Hard- und Software, Versorgung mit Ersatzteilen und Zubehör
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Anpassung der Nachsorge an die Lebensumstände, in Form eines dezentralen Partnernetzwerkes (s. o.) oder durch das Implantat-Zentrum
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Dauerhaft Zugang zur Expertise des Implantat-Zentrums und weiterer Partner durch Remote-Care.
5.6.1 Rehabilitation
Zur Unterstützung des Hör- und Spracherwerbs, insbesondere bei Kindern, sind spezifische Rehabilitationsmaßnahmen sinnvoll. Dies trifft auch für Erwachsene zu, bei denen die erzielten Fortschritte langsam sind oder aufgrund ungünstiger prognostischer Faktoren wie Langzeitertaubung eine intensivere therapeutische Herangehensweise sinnvoll ist. Es lassen sich damit zumindest vorübergehend signifikant bessere Hörergebnisse erzielen [95].
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5.6.2 Lebenslange Nachsorge
Nach Implantation ist eine lebenslange Nachsorge in der Verantwortung des Operateurs zu organisieren und durchzuführen. Diese bezieht sich sowohl auf die technische Überprüfung als auch auf die Einstellung der Implantate. Weiterhin ist ein regelmäßiges Update der Soft- und Hardware erforderlich. Damit werden Fortschritte in der Implantattechnologie für die Patienten nutzbar gemacht. Außerdem können so medizinische Komplikationen und Funktionsausfälle erkannt und behoben werden.
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5.7 Testverfahren zur technischen Überprüfung und Erfassung der Hörergebnisse
Die oben geschilderten Aufgaben der Nachsorge und der Rehabilitation erfordern ein systematisiertes und standardisiertes Vorgehen. Dazu stehen die verschiedenen z.T. in [Tab. 1] beschriebenen Testverfahren zur Verfügung, die folgende Parameter prüfen:
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Implantatfunktion
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Elektrodenimpedanzen
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Objektive audiometrische Parameter wie ESRT, ECAP und EABR
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Psycho-akustische Verfahren zur Bestimmung von T- und C-Level, Lautheitsfunktion, Dynamikbereich und Frequenzallokation
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Sprachverstehen im Freifeld oder mittels direkter Kopplung ([Tab. 8])
Sprachverstehen im Freifeld oder mittels direkter Kopplung |
Beidohrige Versorgung: Testung der einzelnen Modalitäten sowie der Gesamtsituation |
Richtungshören |
Bei Kindern: Sprachentwicklungstests |
Hier kommen die bereits oben geschilderten Verfahren bei Erwachsenen und Kindern zum Einsatz, wie Freiburger Sprachverständlichkeitstest, HSM-Satztest in Ruhe und Störgeräusch sowie der OLSA (Matrix-Test)
Bei Kindern kommen standardisierte Fragebögen für Eltern und Pädagogen (z. B. LittleEars, FRAKIS),zur Dokumentation und einschätzung der beginnenden Hör- und Sprachentwicklung zum Einsatz. Ab einem Lebensalter von etwa 2 Jahren ist die Anwendung von altersabhängigen, normierten Testverfahren zur Einschätzung der Sprachentwicklung möglich. Diese bieten auch den Vergleich der Testergebnisse mit denen normalhörender Gleichaltriger und gleichzeitig eine Einschätzung des Therapieaufwandes.
Ab einem Lebensalter von etwa 4 Jahren sind bei Kindern audiologische Sprachverständlichkeitstests mit kindlichem Wortschatz einsetzbar, etwa ab der 1. Klasse mit Wortschatz für Erwachsene.
Es lassen sich Vergleichsbewertungen mit dem präoperativen Hörstatus sowie die Entwicklung des Sprachverstehens in Ruhe und im Störgeräusch über die Zeit mit Hilfe der CAP-Skala dokumentieren [96] ([Tab. 9]).
Die Gesamthörsituation bei bimodaler und bilateraler CI-Versorgung lässt sich durch Freifeldtestungen erfassen. Häufig sind die Patienten entweder bimodal (Cochlea-Implantat und Hörgerät) oder bilateral (2 Cochlea-Implantate) versorgt oder auf einem Ohr mit einem Hybrid System für das elektroakustische Hören sowie einem Hörgerät auf dem Gegenohr (sogenannter Combined Mode). Die verschiedenen Hörsituationen müssen getrennt erfasst und der jeweilige Anteil der verschiedenen Hörmodalitäten (akustisch, elektrisch, elektroakustisch) an der Gesamthörsituation bewertet werden.
Bei der Einstellung des Systems ist auf eine ausreichende Hörempfindlichkeit zu achten, die verstärkte Hörschwelle sollte etwa im Bereich von 20 bis 30 dB liegen über das gesamte Elektrodenspektrum bzw. bei EAS-Systemen über den gesamten Frequenzbereich.
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6. Ergebnisse
Die Ergebnisse der CI-Versorgung haben sich in den letzten Jahrzehnten wesentlich verbessert.Dies ist im Wesentlichen auf die Technologieentwicklung sowie die geänderten Indikationsstellungen hin zu Patienten mit deutlich besseren prognostischen Faktoren zurückzuführen.
6.1 Ergebnisse bei postlingual ertaubten Patienten
Die postoperativen Hörergebnisse sind in der Regel mit einem raschen Einsetzen des offenen Sprachverstehens verbunden. Die Ergebnisse verbessern sich kontinuierlich über einen Zeitraum von in der Regel sechs bis zwölf Monaten. Darüber hinaus ist ein weiterer Zuwachs, speziell beim Sprachverstehen im Störgeräusch und in besonderen Hörsituationen zu beobachten [97] [98]. Ca. 80% der Patienten erreichen ein offenes Sprachverstehen mit allerdings erheblicher inter-individueller Streuung ([Abb. 44]). Bei einem Medianwert von ca 65% Einsilberverstehen lassen sich anhand der Perzentilen bei 35 und 65 die Patienten in die drei Klassen Good Performer, Average Performer und Poor Performer einteilen ([Abb. 45]). Nur wenige Patienten mit gutem Restgehör haben schlechtere Sprachverständlichkeitswerte als präoperativ unter best aided conditions mit Hörgerät. In den meisten dieser Fälle lagen besondere Bedingungen u. a. unvollständige Elektrodeninsertion bei ES, verminderte kognitive Fähigkeiten oder Facialisstimulation vor. ([Abb. 44])
Neue Implantatgenerationen zeigen im Mittel ein besseres Sprachverstehen als ältere. Dieses ist im Wesentlichen auf Fortschritte in der Prozessortechnologie, besonders der Stimulationsrate zurückzuführen [99]. Allerdings nähern sich die Ergebnisse seit ca 10 Jahren trotz verbesserter Elektroden und innovativer Sprachverarbeitungsstrategien einem wohl grundsätzlichen Maximum, das nicht mehr wirkungsvoll überschritten werden kann ([Abb. 45]). Hier scheinen die grundsätzlichen Limitationen heutiger Cochlea-Implantat-Systeme, insbesondere im Hinblick auf das gegebene Bottleneck des Elektroden-Nerven-Interfaces zu Buche zu schlagen.
Wesentliche Einflußparameter auf das Sprachverstehen sind die Dauer und Ursache der Ertaubung, die kognitiven Fähigkeiten und das Alter sowie das Restgehör.
Weitere Einflussfaktoren im Einzelnen betreffen die Lage der Elektrode, die Cochlear Coverage, der funktionelle Zustand des Hörnerven, dessen Erfassung bisher immer noch nur in Ansätzen, z. B. durch den sogenannten Cochlear Analyzer gelingt [100].
6.1.1 Ertaubungsdauer
Grundsätzlich gilt: Je länger die Ertaubung, desto länger dauert der Aufbau der Hörleistung, insbesondere des Sprachverstehens [90]. Die Datensätze von 1002 postlingual ertaubten Patienten wurden zum Nachsorgetermin nach fünf Jahren retrospektiv analysiert. Zur genaueren Evaluation wurden die Daten definierten Taubheitsdauern zugeordnet. Alle Patienten absolvierten im Freifeld bei 65 dB SPL den Freiburger Einsilbertest, den HSM-Satztest in Ruhe und mit Geräusch (10 dB SNR).
Patienten mit einer Taubheitsdauer unter einem Jahr erreichen 60% Sprachverstehen im Einsilbertest. Patienten mit ein bis zehn Jahren Taubheitsdauer erreichen 65%, Patienten mit zehn bis 20 Jahren 63%, Patienten mit 20 bis 30 Jahren 45% und Patienten mit noch längerer Taubheitsdauer erreichen 28% im Einsilberverstehen. Die statistische Analyse zeigt eine Abnahme des Sprachverstehens in Abhängigkeit der Taubheitsdauer (Jonckheere-Terpstra test, p<0.05) ([Abb. 47]). Auch nach langer Tragedauer eines CIs hat die Taubheitsdauer noch einen entscheidenden Einfluss auf das Sprachverstehen.
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6.1.2 Einfluss kognitiver Fähigkeiten und Lebensalter
Bereits seit längerem ist der Zusammenhang zwischen Hörminderung und dem Abbau kognitiver Leistungen bekannt [101]. Dabei besteht eine negative Korrelation mit dem Grad der Hörminderung [102]. Durch die Versorgung mit einem Cochlea-Implantat wird das Hörvermögen wieder deutlich verbessert, was auch zu einer Verbesserung kognitiver Leistungen beiträgt. Dabei können verschiedene Leistungen im besonderen Maße, z. B. globale Kognition, verbessert werden [103]. Nichtunterlegenheits-Tests zu den kognitiven Leistungen der Studiengruppe nach der CI-Versorgung zeigen, dass nach zwölf Monaten CI-Tragedauer bei der globalen Kognition, dem figuralen episodischen Gedächtnis und der Aufmerksamkeitskontrolle ein vergleichbares Niveau wie bei normalhörenden Kontrollpersonen erreicht wurde. Die Verbesserung der globalen Kognition steht in signifikantem Zusammenhang mit der Spracherkennung drei Monate nach der Cochlea-Implantation.
Davon läßt sich nur schwer der Einfluß des Lebensalters auf die Hörperformance trennen. So zeigt sich in den Altersdekaden ab 60 Jahren eine Abnahme der medianen Performance ([Abb. 48]).
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6.1.3 Einfluss des Restgehörs
Hybridsysteme führen in der Regel zu deutlich besseren Sprachverständlichkeitswerten, vor allem im Störgeräusch sowie beim Richtungshören und Steigern das Musikerlebnis aufgrund des tonalen Gehörs. Dabei ist auf die Auswahl geeigneter Patienten mit ausreichendem Restgehör im Tieftonbereich zu achten, damit die Patienten postoperativ die akustische Komponente des Hörens noch nutzen können [26] [27] [28].. Die Grenzwerte liegen bei 500 Hz und 50 dB sowie 40 dB bei 250 Hz präoperativ sowie bei 65 und 50 dB postoperativ.
Die mit kurzen Elektroden erzielten elektroakustischen Hörergebnisse sind vor allem im Störgeräusch signifikant besser als die Hörergebnisse mit langen Elektroden bei alleiniger elektrischer Stimulation. Die Insertionstiefe und Elektrodenlänge zeigen gemeinsam mit der Cochlea-Abdeckung einen Einfluss auf das Sprachverstehen. Büchner et al. [23] zeigen, dass Patienten, die eine elektro-akustische Stimulation oder eine ausschließlich elektrische Stimulation mit der längsten Elektrode nutzen, signifikant besseres Sprachverstehen aufweisen als Patienten, die kürzere Elektroden ohne akustische Stimulation tragen. Dies wiederum zeigt die Bedeutung der apikalen (akustischen besser als elektrischen) Stimulationen für ein gutes Sprachverstehen.
Dies wird besonders deutlich an dem sehr guten Sprachverstehen im Störgeräusch bei Patienten mit partieller Insertion und sehr gut erhaltenem, postoperativ für EAS nutzbaren Restgehör ([Abb. 49]). Bei Patienten mit Presbyakusis und praktisch normaler Hörschwelle im tief- und mittelfrequenten Hörbereich läßt sich bei kurzer Elektrodeninsertion mit Wiederherstellung des Hochtonbereiches durch das CI ohne Hörverlust und ohne akustische Komponente ein besseres Sprachverstehen erzielen als mit einem Hörgerät ([Abb. 50]). Hier liegt ein großes Potential zukünftiger Entwicklungen für eine wesentliche Indikationserweiterung (s. Abschn 8.1)
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6.1.4 Bimodales Hören
Beim bimodalen Hören wird das Restgehör der Gegenseite für die Kombination mit dem elektrischen Hören auf dem implantierten Ohr genutzt. Dabei finden sich signifikant bessere Hörleistungen als bei Verwendung des Cochlea-Implantates oder des Hörgerätes alleine[104] [105] [106] [107]. Die zusätzliche Verwendung des Hörgerätes führt insbesondere zu einer Verbesserung des tieffrequenten Hörens. Der durch das Hörgerät verstärkte tieftonige Hörrest sorgt dabei für das bessere Sprachverstehen ([Abb. 51]). In Cochlea-Implantaten ruft ein Stimulationspuls auf der äußersten apikalen Elektrode oft nur ein Hörempfinden um 1000 Hz mit großen Variabilitäten hervor [108] [109]. Eine zusätzliche Hörgeräteversorgung kann demnach das Hörfeld in Richtung tiefer Frequenzen erweitern. Illg et al. [110] ermittelten, dass im Frequenzbereich von 125 bis 250 Hz die Hörschwelle gleich oder besser als 80 dB betragen muss, um eine Steigerung des Sprachverstehens mit dem CI durch das kontralaterale Hörgerät zu erreichen.
Eine kleine Patientengruppe zeigte trotzdem keinen Nutzen beim bimodalen Hören oder sogar ein schlechteres Sprachverstehen unter bimodalen Konditionen, obwohl diese Gruppe keinen signifikant größeren Hörverlust der Frequenzen unter 1000 Hz im Vergleich zur Gruppe mit bimodalem Nutzen zeigte. Dies lässt vermuten, dass zusätzlich auch andere Parameter, wie z. B. Hörgeräteeinstellungen, das Sprachverstehen beeinflussen und in die Versorgung bimodaler Patienten einbezogen werden müssen.
Verschlechtert sich das akustische Hören der Gegenseite unter die o. g. Werte, dann ist der Patient ein Kandidat für eine bilaterale CI-Versorgung mit Implantation der Gegenseite. Sie führt dann in der Regel zu besseren Ergebnissen beim Sprachverstehen im Störgeräusch sowie beim Richtungshören. Dies trifft auch für Kinder zu.
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6.1.5 Einfluss der Ertaubungsursache
Der Einfluß der Ertaubungsursache auf die Hörperformance läßt sich bei der großen Gruppe von CI-Patienten mit ungeklärter Ätiologie des Hörverlustes nicht sicher beantworten. Besonders deutlich wird der Einfluß in Fällen anatomischer oder funktioneller Besonderheiten wie Mißbildungen, Obliterationen oder perisynaptischer Audiopathien. Zusätzlich spielen Zusatzbehinderungen und Syndrome sowie genetische Faktoren eine Rolle [111]. Dies sei nachfolgend anhand der Mißbildungen detaillierter ausgeführt.
Die große Variabilität der verschiedenen Malformationen schlägt sich auch in der unterschiedlichen Funktionstüchtigkeit des Hörnerven nieder. Dabei ist die Frage nach Vorhandensein eines Hörnerven durch die heute klinisch verfügbaren Imaging-Verfahren nicht immer eindeutig zu klären. Deswegen sollten Kinder grundsätzlich, wenn nicht eine Aplasie der Cochlea oder des inneren Gehörgangs vorliegt, mit einem CI innerhalb des ersten Lebensjahres versorgt werden.
Bei Kindern, die in den ersten beiden Lebensjahren mit CI versorgt werden und bei denen eine Malformation der Cochlea und/oder der Verdacht auf einen dysplastischen Hörnerv besteht, ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen HNO-Arzt, Neuroradiologe, Audiologen, CI-Ingenieur und Hörpädagogen besonders wichtig, um zu entscheiden, ob Quantität und Qualität der elektrischen Stimulation des Hörsystems durch das CI für die audioverbale Entwicklung ausreichen. Die Anpassung des CI bei diesen Kindern unterscheidet sich von der bei Kindern mit regelrechter Cochlea und/oder Hörnervenanlage durch nicht messbare Neuronal- Response-Telemetrie-Antworten, erhöhten Strombedarf und das mögliche Auftreten von Nebenwirkungen wie Facialis-Stimulation. Stellt sich keine ausreichende Hör-Sprachentwicklung ein, kann von einem nicht funktionstüchtigen Hörnerven ausgegangen und der Einsatz eines Hirnstammimplantates ABI erwogen werden. Begleitende EEG- und NIRS-Messungen geben Auskunft darüber, ob eine Aktivierung des auditorischem Cortex erfolgt. Dies wird parallelisiert durch Eltern-Fragebögen zur Erfassung der Fortschritte in der audio-verbalen Entwicklung.
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6.2 Einseitige Taubheit - Single Sided Deafness SSD
Das Cochlea-Implantat bei einseitiger Ertaubung ist in der Zwischenzeit eine vielgenutzte Möglichkeit der auditiven Rehabilitation. Grundsätzlich verbessert das zweite Ohr das Richtungshören sowie das Sprachverstehen im Störgeräusch und unterdrück sehr häufig den begleitenden Tinnitus [112] [113] [114] [115] [116]. Es bleibt jedoch festzuhalten, dass die Hörleistung grundsätzlich unter der des normalhörenden Gegenohres bleibt. Bei Vorliegen einer asymmetrischen Schwerhörigkeit kann dagegen das Hörvermögen mit Cochlea-Implantat mit dem des hörgeschädigten Gegenohres ggf. vergleichbar werden oder sogar überlegen sein. Zur Sicherung der Hörergebnisse sind wiederholt isolierte Hörübungen für das implantierte Ohr z. B. in direkter Kopplung erforderlich.
Finke et al. [117] haben das Sprachverstehen über einen Zeitraum von 12 Monaten und den subjektiven Nutzen bei einseitig ertaubten CI-Trägern ermittelt und mit dem Sprachverstehen von sequentiell bilateral versorgten CI-Trägern in Zusammenhang gebracht.
Das Sprachverstehen mit CI bei den einseitig ertaubten Patienten steigert sich in jedem der drei Sprachverständlichkeitstests, besonders in den ersten 6 Monaten. Wird das Sprachverstehen dieser einseitig ertaubten und mit CI versorgten Patienten mit dem Sprachverstehen der zweiten Seite von Patienten, die sequentiell bilateral versorgt waren, verglichen, zeigen sich signifikant niedrigere Werte der einseitig ertaubten und mit CI versorgten Patienten in allen drei angewandten Sprachtests. Der Erfolg der CI-Versorgung, gemessen am Sprachverstehen, unterscheidet sich zwischen den beiden Patientengruppen deutlich, obwohl die Patienten beider Gruppen ein vergleichbares Hörtraining erhielten. Im ersten Jahr nach der Implantation findet in beiden Gruppen ein vergleichbarer Leistungszuwachs statt. Jedoch erreichen bilateral taube, sequentiell implantierte Patienten mit CI der zweiten Seite ein besseres Sprachverstehen als die einseitig tauben Patienten mit einem CI. Der im Alltag ständig vorhandene normale Höreindruck der Gegenseite scheint die Qualität des Sprachverstehens mit elektrischer Stimulation bei einseitig ertaubten Patienten zu limitieren. Spezifische Vorteile des bilateralen Hörens bleiben jedoch auf jeden Fall erhalten wie ein verbessertes Sprachverstehen im Störgeräusch und die verbesserte Lokalisation von Geräuschen ([Abb. 52]). Auch im Vergleich zu Patienten mit Knochenleitungshörgeräten, wie BAHA- (Bone Anchored Hearing Aid) oder CROS- (Contralateral Routing Of Signal) Geräten [118], ist das Rating im „Berner Benefit in Single-Sided Deafness Questionnaire“ deskriptiv höher, d. h. ein Nutzen durch das Cochlea- Implantat ist vorhanden.
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6.3 Ergebnisse bei prälingualer Taubheit/Kinder
Die Sprachentwicklung dauert entsprechend der bei Normalhörenden bekannten Zeiträume, in der Regel zwei bis sechs Jahre. Ein Vergleich mit der Entwicklung bei normalhörenden Kindern kann dann vorgenommen werden, wenn keine zusätzlichen Behinderungen oder Auffälligkeiten vorliegen. So erreichen in der Regel früh implantierte Kinder sehr gute Sprachentwicklungs-Scores, die denen normalhörender Kinder in Ruhe nahekommen [119]. Allerdings sind die Hörleistungen bei Sprachverstehen im Störgeräusch deutlich schlechter, was die grundsätzliche Aussage stützt, dass das Cochlea-Implantat ein Kind nicht normalhörend macht, sondern von der Gehörlosigkeit zur Schwerhörigkeit anhebt ([Tab. 9]). Unter dem Gesichtspunkt der Gesamtentwicklung ist festzuhalten, dass durch die Schwerhörigkeit bedingt Defizite, auch in anderen Entwicklungsfeldern, insbesondere die gesamte kognitive Entwicklung betreffend, verbleiben. Dies ist auf die enge Verflechtung des Hörsystems mit anderen Hirnarealen und deren Funktionen, dem sogenannten Connectome zurückzuführen [120].
CAP-Kategorie |
Kriterium |
---|---|
8 |
Konversation im Störgeräusch ohne Lippenlesen |
7 |
Telefonieren mit bekannten Sprechern |
6 |
Konversation ohne Lippenlesen |
5 |
Satzverstehen ohne Lippenlesen |
4 |
Diksrimination von Sprachanteilen ohne Lippenlesen |
3 |
Erkennen von Umgebungsgeräuschen |
2 |
Reaktion auf Sprache |
1 |
Wahrnehmung von Umgebungsgeräuschen |
0 |
Keine Wahrnehmung von Geräuschen oder Stimmen |
CAP-Mittelwert: 4,63 (Min – Max 0–8).
Wichtigster prognostischer Faktor ist dabei der Zeitpunkt der Implantation und der Beginn des auditiv gestützten Spracherwerbs. Dabei kommt der bilateralen Versorgung bei entsprechender Indikation besondere Bedeutung zu, um das Richtungshören und das Sprachverstehen im Störgeräusch ausbilden zu können. Auch hier liegen kritische Phasen der Hirnentwicklung vor. Bei Kindern kann es zur Entwicklung eines echten binauralen Hörsystems kommen [121].
Die Hörergebnisse und die Sprachentwicklung bei kongenitaler Taubheit hängen stark vom Lebensalter bei Implantation ab ([Abb. 53]). So bilden kongenital ertaubte Kinder, die innerhalb der ersten beiden Lebensjahre bilateral mit Cochlea-Implantaten versorgt werden, einen signifikant höheren passiven Wortschatz aus als später implantierte Kinder ([Abb. 54]). Bei erworbener Schwerhörigkeit haben das Lebensalter zum Zeitpunkt der Ertaubung und die Zeitdauer bis zur Implantation entscheidende Bedeutung.
Dies drückt sich auch in den Ergebnissen der Beschulung aus. So können früh implantierte Kinder zu ca. 70% eine Regelschule besuchen. Dieser Anteil sinkt bei später implantierten Patienten erheblich [122].
Auch in der beruflichen Ausbildung wird in der Regel durch eine frühe Implantation ein höherer Ausbildungsstand erreicht als bei Spätimplantation. Sämtliche Berufe werden mittlerweile von Cochlea-implantierten Kindern im späteren Leben ergriffen und ausgeübt. Allerdings verbleibt im Durchschnitt in der Regel eine niedrige Schulstufe und berufliche Qualifikation als bei normalhörenden Peers [123].
Gesamthaft betrachtet hebt das Cochlea-Implantat den Patienten aus dem Niveau der Gehörlosigkeit bzw. Taubheit auf das Niveau der Schwerhörigkeit. Es verbleibt die vermehrte Höranstrengung gegenüber Normalhörenden. Damit wird ein höherer Teil der kognitiven Kapazität durch das Hören gebunden, was zu einer steigenden kognitiven Last führt. Die dann noch verbleibende kognitive Kapazität für darüber hinausgehende Aufgaben, z. B. Lernfähigkeit oder Anpassung an besondere Aufgaben im Beruf, ist demzufolge gegenüber Normalhörenden eingeschränkt. Dies drückt gleichzeitig jedoch auch die Bedeutung der kognitiven Kapazität für den Hörerfolg aus. Je höher diese Kapazität ist, desto größer ist auch der Hörerfolgt, insbesondere in schwierigen Hörsituationen.
Erfreulicherweise konnte durch die bundesweite Einführung des Neugeborenen-Hörscreenings die Früherkennung hochgradig hörgeschädigter Kinder wesentlich verbessert werden [124] [125]. Allerdings steht die Weiterführung des Screenings in späteren Altersstufen als flächendeckendes Screening in Deutschland noch aus. So können leicht Kinder mit progredienter Schwerhörigkeit zu spät erkannt werden, was dann zu entsprechenden Defiziten bei perilingualer Ertaubung führen kann.
Weitere Faktoren, die die Hör- und Sprachentwicklung wesentlich beeinflussen, sind Mißbildungen, Obliterationen, Zusatzbehinderungen mit Auswirkung auf die Rehabilitationsfähigkeit, Syndrome und genetische Ursachen der Taubheit [111]. So sollte bei Kindern immer eine Diagnostik auf Vorliegen weiterer Behinderungen erfolgen. Dabei liegt ein weites Spektrum potentieller Zusatzbehinderungen vor. Entscheidend sind vor allem Behinderungen der kognitiven Leistungsfähigkeit, z. B. bei Störungen aus dem Autismus-Spektrum ASS. 80% der Patienten mit ASS akzeptieren den Sprachprozessor gut, einige benutzen auch Lautsprache, jedoch kann nur die Hälfte damit erfolgreich kommunizieren.
6.3.1 Einfluss des Inter-Implant-Intervalls bei sequentieller bilateraler Versorgung
Wird bei bilateral kongenital ertaubten Kindern in den ersten beiden Lebensjahren eine unilaterale Cochlea-Implantation durchgeführt, entwickelt sich Sprachverstehen, das in ruhiger Umgebung hohen Nutzen bringt [119]. Jedoch kann Sprache in geräuschvoller Umgebung nach einer unilateralen Cochlea-Implantation und einer durchschnittlichen Tragedauer von 12,86 ± 1,99 Jahren nur bis zu 22% im Mittel erkannt werden [126]. Ebenso prägt sich kein Richtungshören aus [127] [128] [129], da die Trennung von zwei oder mehr Geräuschquellen erst durch das binaurale Hören unterstützt wird und somit das Sprachverstehen im Störgeräusch wesentlich unterstützt [130].
Um das Sprachverstehen im Störgeräusch bei beidseitig ertaubten und unilateral mit CI versorgten Kindern zu optimieren, wurden in den letzten Jahren viele dieser Kinder nachfolgend mit einem zweiten Cochlea-Implantat versorgt. Trotz Hörtrainingsmaßnahmen zeigt sich, dass der zeitliche Abstand zwischen den Implantationen und demzufolge das erhöhte Lebensalter des Kindes die stärksten Parameter sind, um die Güte des Sprachverstehens nach Implantation eines CIs auf der zweiten Seite zu prognostizieren. Das Inter-Implantat-Intervall sollte bei einer sequentiell bilateralen CI-Versorgung von kongenital ertaubten Kindern nicht größer als 4 Jahre betragen, da das Sprachverstehen bei einem größeren zeitlichen Abstand signifikant schlechtere Ergebnisse als auf der ersten Seite zeigt [131] ([Abb. 55]).
Solange kontralateral ein Hörgerät zusätzlich zum unilateralen CI getragen wird, scheint nutzbares Restgehör zur Hörbahnreifung beizutragen. Das Satzverstehen in Ruhe und mit Geräusch lag bei den Kindern und Jugendlichen mit einer längeren Hörgerätetragedauer (3–16 Jahre) signifikant höher als bei Kindern mit einer kurzen Tragdauer der Hörgeräte [126].
Auch die bilaterale Tragedauer beider Cochlea-Implantate hat letztendlich einen Einfluss auf das Sprachverstehen. Je länger beide CIs gemeinsam getragen werden, umso mehr steigert sich das Sprachverstehen. Signifikante Verbesserungen konnten im Einsilber und HSM-Satztest in Ruhe nachgewiesen werden [126].
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7. Lebensqualität
7.1 Erfassung der Lebensqualität bei CI-Trägern
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert Gesundheit grundlegend als „einen Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur des Freiseins von Krankheit”. Folglich muss die Messung der Gesundheit und der Auswirkungen der Gesundheitsversorgung Veränderungen der Häufigkeit und des Schweregrads von Krankheiten sowie die Verbesserung der Lebensqualität (QOL) im Zusammenhang mit der Gesundheitsversorgung (z. B. der gewählten Behandlung) umfassen. Mit allgemeinen LQ-Messungen kann man die Wirksamkeit einer Behandlung und die qualitätsbereinigten Lebensjahre bei verschiedenen Krankheiten vergleichen (z. B. die Wirkung eines Herzschrittmachers im Vergleich zu einem Cochlea-Implantat), während sich krankheitsspezifische LQ-Messungen auf eine bestimmte Patientenpopulation (z. B. Cochlea-Implantat-Empfänger, vielleicht zum Vergleich von Indikationen oder Untergruppen) oder eine bestimmte Indikation (z. B. Menschen mit einseitiger Taubheit, vielleicht zum Vergleich verschiedener Behandlungsoptionen) konzentrieren.
Eine andere Perspektive für die Messung der (krankheitsspezifischen) Lebensqualität bietet die Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit, besser bekannt als ICF (nicht zu verwechseln mit dem Einwilligungsformular, das in diesem Dokument mit ICF abgekürzt wird) [132]. Die ICF ist eine Ergänzung zur ICD-11 (Internationale Klassifikation der Krankheiten). Die ICF ist ein Klassifizierungsmodell, das den Gesundheitszustand und die Funktionsfähigkeit (Körperfunktionen, Aktivitäten, Teilhabe) und die Behinderung (Beeinträchtigungen, Aktivitätseinschränkungen, Einschränkungen der Teilhabe) einer Person beschreibt.
In den letzten Jahren haben patientenberichtete Ergebnisse zur subjektiven Lebensqualität an Bedeutung und Aufmerksamkeit gewonnen [133] [134], und die Akzeptanz von patientenberichteten QOL-Ergebnissen hat in den letzten Jahrzehnten zugenommen [135] [136] [137] [138]. Verschiedene krankheitsspezifische Messgrößen sind entwickelt und verwendet worden, um die Auswirkungen eines Hörverlustes und den Nutzen von Hörgeräten oder Hörimplantaten für verschiedene Indikationen zu untersuchen [139] [140] [141] [142] [143] [144] [145]
Viele krankheitsspezifische Maßnahmen in der Behandlung von Hörverlusten konzentrieren sich jedoch stark auf die Hörfähigkeiten in alltäglichen Hörsituationen, also darauf, was eine Person hören kann oder nicht [146], die Qualität des Hörens [147] [148] oder die Klangqualität [149]. Nur wenige Fragebögen konzentrieren sich darauf, wie sich ein Hörverlust auf die Lebensqualität einer Person auswirkt [150] [151] oder wurden spezifisch für Hörgeräteträger, nicht aber für CI-Nutzer entwickelt [153] [152]. Der Fragebogen zum verkürzten Profil des Hörgeräte-Nutzens (APHAB) [151] wurde z. B. als Goldstandard für den Zugang zu Kommunikationsproblemen mit und ohne Hörgerät bezeichnet, aber auch kritisiert; das Punktesystem ist ziemlich komplex, die Items sind kompliziert formuliert, wenn der Fragebogen nicht vollständig ausgefüllt wird, wird die Punktzahl nicht nach der Anzahl der beantworteten Fragen berechnet und es wird behauptet, dass er keinen Aufschluss über die Auswirkungen des Hörverlusts auf die Lebensqualität der Betroffenen gibt [139].
Der am häufigsten verwendete Fragebogen im CI-Bereich ist der Nijmegen Cochlear Implant Questionnaire (NCIQ). Er wurde speziell für die Bewertung der Lebensqualität von CI-Nutzern entwickelt, hat aber auch einige Nachteile: viele Items konzentrieren sich eher auf die Hörfähigkeiten oder Probleme in verschiedenen Hörsituationen als auf die Lebensqualität, mit 60 Items ist er sehr lang, was die Einbeziehung in die Nachsorgepraxis erschwert, es wurde behauptet, dass einige Teilbereiche nicht zuverlässig sind [139] und nicht zuletzt wurden seine Items vor mehr als 20 Jahren formuliert, und man kann argumentieren, dass sie nicht allzu gut mit den heutigen Erwartungen und Ergebnissen bei CI-Trägern übereinstimmen. Unseres Wissens gibt es nur einen kürzlich entwickelten QOL-Fragebogen zur Bewertung von Hörverlust, der sich auf die Lebensqualität bezieht, den Évaluation du Retentissement de la Surdité chez l'Adulte, ERSA [139]. Der ERSA umfasst vier Sub-Scores: Lebensqualität, persönliches Leben, berufliches Leben und soziales Leben. Die Autoren widmeten den Fragebogen hörgeschädigten Erwachsenen und erklären, dass sie ihn entwickelt haben, um die Auswirkungen des Hörverlusts zu bewerten (unabhängig davon, ob er hochgradig oder durch ein Cochlea-Implantat oder ein herkömmliches Hörgerät rehabilitiert wurde). Er erfasst die Lebensqualität in verschiedenen vier Bereichen des täglichen Lebens.
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7.2 Lebensqualität bei erwachsenen CI-Trägern
In den letzten Jahren sind in Studien die Auswirkungen der CI-Behandlung auf das Alltagsleben und das psychische Wohlbefinden der Betroffenen untersucht worden [154] [155] [156] [157]. Die Ergebnisse zeigen, dass die Cochlea-Implantation die Lebensqualität signifikant verbessert. In Studien, in denen die gesundheitsbezogene Lebensqualität zwischen CI-Trägern unterschiedlichen Alters bewertet wird, wurden z.T. heterogene Ergebnisse beobachtet. Olze et al. [158] beschrieben, dass der Nutzen bei älteren Teilnehmern (70–84 Jahre) höher war als bei jüngeren Teilnehmern (19–67 Jahre), während Djalilian et al. [159] keine Unterschiede zwischen den Ergebnissen in der LQ in Abhängigkeit vom Alter fanden. Diese unterschiedlichen Ergebnisse in der Literatur zeigen, dass die hörbasierte Lebensqualität durch zusätzliche Faktoren wie Sprachverstehen, psychologische, kognitive und audiologische Faktoren beeinflusst wird.
Die Ergebnisse der Studien an älteren CI-Trägern [158] [161] [160] zeigen ebenfalls, dass sich der positive Effekt der Cochlea-Implantation nicht nur auf die Hörfähigkeit beschränkt, sondern auch eine Verringerung von Tinnitus, Depressionen, kognitivem Abbau, Somatisierungsstörungen und Einsamkeit bei CI-Trägern einschließt, was zu einer Steigerung der Lebensqualität führt. Alle Studien berichten eine Steigerung der Lebensqualität innerhalb der ersten sechs Monate nach der CI-Behandlung ohne weitere Änderungen zum Zwölfmonatstermin. Aktuelle Daten aus der HNO-Klinik der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) zeigen, dass bereits nach drei Monaten eine signifikant höhere Lebensqualität, gemessen mit dem NCIQ, bei älteren CI-Trägern erreicht wird und diese bis zum Beobachtungsende 12 Mo. postoperativ stabil bleibt. Dabei zeigen die Daten, dass der Nutzen bei jüngeren Patienten (Gruppe 1: 60–70 Jahre) größer als bei älteren (Gruppe 2: 71–90 Jahre) ist. Dies deutet darauf hin, dass unabhängig von der Ätiologie auch ältere Patienten über 60 Jahre von einer Cochlea-Implantation profitieren, was die Lebensqualität erhöht und eine Verschlechterung der allgemeinen Gesundheit verhindert ([Abb. 56]).
Der Effekt des CI-Einsatzes führt auch bei älteren Hörgeschädigten nicht nur zu einem besseren Sprachverstehens in Ruhe und Geräusch, sondern ermöglicht auch die Regulierung von Defiziten im psychischen und sozialen Bereich unabhängig vom Alter. Auch bei Vorhandensein körperlicher Komorbiditäten (25% in Gruppe 1 und 40% in Gruppe 2) erreichten 12 Monate postoperativ beide Gruppen das gleiche Niveau. Dies zeigt, dass auch ältere Patienten mit anderen einschränkenden Krankheiten von einem verbesserten Hörvermögen mit CI profitieren können.
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7.3 Lebensqualität bei Kindern
Messinstrumente zur Messung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität stehen auch für chronisch erkrankte Kinder zur Verfügung. Sie können meist als Selbst- und Fremdbeurteilungen eingesetzt werden [162]. Messinstrumente zur hörbezogenen Lebensqualität bei Kindern sind bisher noch nicht explizit entwickelt worden. Morettin et al. [163] kamen zu dem Schluss, dass die Messung der Lebensqualität bei Kindern verschiedene Konzepte und Methoden umfasst. In Bezug auf Kinder, die CI verwenden, zeigen die Ergebnisse, dass es schwierig ist, ein umfassendes Konzept dafür zu entwickeln, welche Bereiche der Lebensqualität für das Kind wichtig sind und wie sich diese Bereiche im Laufe der Entwicklung entwickeln können, wenn man die große Vielfalt der bewerteten Instrumente und Aspekte berücksichtigt.
Bekannte Messinstrumente im deutschsprachigen Raum sind z. B. „Disabkids“ und „Kidscreens“. Bei beiden Instrumenten handelt es sich um interkulturell entwickelte Fragebögen zur Bewertung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität von Kindern und Heranwachsenden [164]. Während der Fragebogen Disabkids für chronisch kranke Kinder und Jugendliche entwickelt wurde, kann der Fragebogen Kidscreen sowohl für kranke als auch für gesunde Kinder eingesetzt werden.
Haukedal et al. [165] haben die Lebensqualität von Kindern mit einem CI im Alter von 5;6 bis 13;1 Jahren mit dem Pediatric Quality of Life Inventory gemessen und mit normalhörenden Gleichaltrigen verglichen. Die meisten Kinder mit CI in dieser Studie berichteten über eine Lebensqualität, die derjenigen ihrer alters- und geschlechtsgleichen normalhörenden Altersgenossen nahekommt. Die Kinder berichteten jedoch über Bedenken hinsichtlich des sozialen und schulischen Funktionierens, was darauf hindeutet, dass diese Bereiche mehr Aufmerksamkeit erfordern, um Kindern mit CI eine gute LQ zu gewährleisten. Die Verbesserung der gesprochenen Sprache bei Kindern mit CI kann zu einer verbesserten LQ beitragen.
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7.4 Schulische und berufliche Perspektiven von Kindern mit CI
Während der letzten 20 Jahre wurden viele Auswertungen über den Langzeiterfolg der ersten Patienten mit Cochlea-Implantat (CI) vorgenommen und veröffentlicht. Berichte über die schulische und berufliche Entwicklung sind dagegen in der Literatur noch wenig zu finden. Um die Effektivität der CI-Versorgung auch hinsichtlich der Bildungswege und -abschlüsse über eine lange Periode zu bestimmen, wurden die Hörergebnisse von 933 CI-Trägern (Alter zum Zeitpunkt der Auswertung MW: 23,6 Jahre; Implantationsalter MW 5,4 Jahre) retrospektiv analysiert und diese zu ihrer schulischen- und beruflichen Laufbahn befragt [123]. Die auditiven Ergebnisse sind in die „Categories of Auditory Performance (CAP)“ dem Schwierigkeitsgrad nach (0–8) eingeteilt worden [167]. Von 174 Personen ist eine Rückantwort auf die Befragung erfolgt. Das entspricht einer Rücklaufquote von 18,65%. Soweit möglich wurden die Angaben in internationale Standards (ISCED: International Standard Classification of Education, ISCO: International Standard Classification of Occupation, ALLBUS: allgemeinen Bevölkerungsumfrage in Deutschland) eingeteilt und mit nationalen Bevölkerungsangaben verglichen und statistisch ausgewertet. Die Ergebnisse zeigen, dass 86% der Befragten ihr CI länger als 11 Stunden pro Tag nutzen. Nur 2% der Befragten geben an, ihr CI nicht mehr zu tragen ([Abb. 57]). Der mittlere auditive Wert (CAP) liegt bei 4,63 (0–8), d. h. dass Sprachlaute ohne Lippenablesen unterschieden werden können ([Tab. 9]). Bestimmte Parameter stellen sich als Einflussfaktoren für die auditive Entwicklung heraus, wie z. B. das Implantationsalter, das signifikant mit den CAP-Werten korreliert (r=-0,472; p=0,0).
Die Schul- und Berufsabschlüsse der CI-Träger und der normalhörenden Gleichaltrigen unterscheiden sich signifikant (p=0,001). Die Angaben der CI-Träger zeigen, dass Schulabschlüsse wie Abitur oder Fachabitur, die den Eintritt in die universitäre Bildung ermöglichen, seltener im Vergleich zu den normalhörenden Gleichaltrigen erreicht werden ([Abb. 58]). Deshalb sind auch Berufsabschlüsse, die die universitäre Bildung benötigen, bei den CI-Trägern bisher unterrepräsentiert. Die meisten CI-Träger erreichen Berufsabschlüsse im sog. skill level 2, in denen Serviceangestellte, Verkäufer, Landwirtschafts- und Fischereiangestellte, Automechaniker u.ä. sowie Angestellte im Gartenbau zusammengefasst sind ([Abb. 59]).
Einen signifikanten Einfluss auf die Schulbildung hat der mütterliche Schulabschluss. Je höher dieser ist, desto höher liegt der Schulabschluss des CI-Trägers. 94% der Patienten geben an, dass ihr CI für die Kommunikation in der Schule notwendig war. 83% nutzten den Angaben zufolge Lautsprache als wichtigste Kommunikation während ihrer Schullaufbahn. 64% der befragten Patienten besuchten während der Berufsausbildung Förderschulen. Knapp 70% derjenigen, die den Fragebogen beantwortet haben, arbeiten auch in ihrem gelernten Beruf. Insgesamt sind gut 40% berufstätig. In der normalhörenden Bevölkerungsgruppe sind dagegen etwa 85% berufstätig (Gesis 2012). Von den befragten CI-Trägern befindet sich noch ein größerer Teil in der Berufsausbildung. Gut 60 Prozent der CI-Träger, die antworteten, arbeiten in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis, gut jeder fünfte (20%) in einem befristeten. Knapp die Hälfte der CI-Träger war auch schon zwischenzeitlich arbeitslos, bei Normalhörenden sind dies knapp 30 Prozent [166].
In der befragten Gruppe antworteten 70%, dass sie die Arbeit erlernen konnten, die sie wollten und knapp zwei Drittel (62%) geben an, dass ihre Arbeit so ist, wie sie es erwartet und gewünscht haben. Neun von zehn CI-Trägern kommen gut mit ihrer Arbeit, ihren Aufgaben und ihrer dortigen Verantwortung zurecht, knapp 60% sind auch mit ihrem Gehalt zufrieden. Ein gutes bis sehr gutes Verhältnis zu ihrem Vorgesetzten und auch zu Kollegen geben vier von fünf CI-Trägern (80%) an. Die meisten CI-Träger (97%) nutzen ihr CI dauerhaft am Arbeitsplatz, aber nur bei jedem fünften (18%) wurden bestimmte Vorkehrungen am Arbeitsplatz getroffen, um besser zu hören oder zu verstehen. Das CI ist notwendig für die Kommunikation bei der Arbeit, geben 68% an, 28% sagen, dass es manchmal notwendig sei, da in Lautsprache kommuniziert wird. Die meisten CI-Träger nutzen am Arbeitsplatz keine FM-Anlage (95%).
Die Datenanalyse ergab eine positive lineare Korrelation zwischen den auditiven Ergebnissen und den Berufsabschlüssen. Deshalb besteht weiterhin die Hypothese, dass niedrige auditive Fähigkeiten schlechtere Ausbildungs- und Berufsmöglichkeiten bedingen. Eine frühe Diagnostik und Cochlea-Implantation eröffnet Gehörlosen die besten Chancen für ihre Schulbildung und ihren Berufsweg. Cochlea-Implantate verbessern nicht nur die Lebensqualität von gehörlosen Kindern, sondern sparen volkswirtschaftlich hohe Kosten. Die Arbeitssituation von CI-Trägern zeigt im Vergleich zu Normalhörenden eine höhere Arbeitslosenquote, auch Arbeitsverhältnisse sind öfter befristet. CI-Träger haben auf dem Arbeitsmarkt bisher noch nicht dieselben Chancen wie Normalhörende. Es bleibt offen, wie Arbeitsplätze für Hörgeschädigte gestaltet sein sollten. Dieses müsste in Zukunft evaluiert und bewertet werden. Zukunftsperspektivisch erwarten wir, dass sich die schulische- und berufliche Situation von CI-Trägern weiter verbessert und sich denen Normalhörender annähert, denn ein immer jüngeres Implantationsalter und technische Neuentwicklungen tragen zu besserem Sprachverstehen bei, sodass die Kinder frühzeitig optimal versorgt werden können und die Bildungschancen weiter ansteigen.
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7.5 Non-User
Angaben zu „Non-Usern“ sind schwierig zu erheben, da diese Patienten meist nicht mehr in den CI-Kliniken auftauchen. Aus der CI-Datenbank der HNO-Klinik an der MHH sind 9949 Datensätze hinsichtlich anamnestischer Daten, Einsilberverstehen und Datalogprotokollen der Audioprozessoren retrospektiv ausgewertet worden [168]. Als Non-User (Tragezeit<1 Tagesstunde) wurden n=104 (1,04%) CIs identifiziert, als Partial User (Tragezeit=1–5 Tagesstunden) n=83 CIs (0,83%). Unter den 187 Implantaten fielen Complianceprobleme mehrheitlich bei Früh- und Langzeitertaubung (32,6%) und bei asymmetrischer Hörleistung oder einseitiger Taubheit (13,4%) auf. Weitere Gründe für eine reduzierte Nutzung waren Unbehagen bei der Nutzung oder Enttäuschung über den Verlauf und die Ergebnisse der Hörrehabilitation. Im Mittel betrug die Nutzung der CIs 1,73 Tagesstunden (0–5,4; n=115). Das mittlere Einsilberverstehen der untersuchten Gruppe betrug 15,5% (0–100; n=170), das mittlere Lebensalter zum Zeitpunkt der Erhebung 34,4 Jahre (1–84; n=187). Eine reduzierte oder eine Nicht-Nutzung eines CIs kann mannigfaltige Ursachen haben. Complianceprobleme im Allgemeinen sind schwer zu prognostizieren, zu identifizieren und schließlich auch zu lösen und machen einen multiprofessionellen Ansatz umso wichtiger. Die Analyse individueller Verläufe und die Identifizierung von Risikogruppen sind zur Prävention einer Nicht-Nutzung von großer Wichtigkeit. Zu den Risikopatienten gehören Früh- und Langzeitertaubte sowie asymmetrisch Hörende. Ergebnisse von befragten Non-Usern hinsichtlich des dauerhaften Ablegens des CI zeigen ebenfalls, dass die Gründe vielfältig sind [169]. So gaben sie als Hauptgründe Limitationen in der auditiven Wahrnehmung und die Entwicklung einer Gehörlosenidentität an. Bei Kindern mit einseitiger Ertaubung und CI zeigen Non-User im Vergleich zu den Usern eine signifikant höhere Taubheitsdauer [170]. Bei Kindern mit Zusatzbehinderungen ist darauf hinzuweisen, dass die Akzeptanz eines Cochlea-Implantates sorgfältig abzuwägen ist. Etwa 27% der Kinder, die zusätzlich zur Hörstörung Autismusspektrumsstörungen aufweisen, tragen ihr CI später nicht mehr [171]. Aus der klinischen Praxis mit CI-Trägern ist uns auch bekannt, dass jugendliche Gehörlose während der Pubertät oftmals selber kein CI erhalten möchten. Ebenso spielen falsche Erwartungen und Versprechungen, sozialer Druck z. B. in der Schulklasse oder psychische Probleme eine Rolle beim Trageverhalten.
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8. Zukünftige Entwicklungen – Bionic Hearing
Die großen Fortschritte in der Cochlea-Implantat-Technologie haben zu guten Ergebnissen in der Hörrehabilitation geführt. Allerdings weisen die Ergebnisse ein große Variabilität auf. Dies ist auf mehrere Faktoren zurückzuführen. Neben den bekannten demographischen Faktoren zählen dazu begleitende Erkrankungen und Zusatzbehinderungen. Von entscheidender Bedeutung sind die Informationsübertragungskapazität an der Elektroden-Nerven-Schnittstelle, die durch den Funktionszustand des Hörnerven sowie die Zahl der effektiven Elektrodenkanäle bestimmt ist, sowie die zentral-auditorische Verarbeitung des rudimentären Eingangssignales durch die vorhandene kognitive Kapazität
Das Ziel der zukünftigen Entwicklung liegt in der Realisierung des bionischen Ohres ([Abb. 60]) mit einer weitgehenden Wiederherstellung des Gehörs durch Nachbildung des physiologischen Hörens mit Hilfe technischer Lösungen.
Wesentliche Elemente dieses bionischen Ohrs sind ein verbessertes Elektroden-Nerven-Interface zur Wiederherstellung eines nahezu normalen physiologischen Erregungsmusters des Hörnerven, die Regeneration des peripheren Hörsystems durch biologische Therapien und die adäquate Nutzung der so geschaffenen Informationsübertragungskanäle durch eine adäquate Sprachverarbeitungsstrategie.
Der Weg zum bionischen Hören wird durch zahlreiche Zwischenschritte charakterisiert sein und umfasst folgende Bereiche ([Tab. 10]):
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8.1 Verbesserung der Hörerhaltung
Grundsätzlich ist es möglich, das Restgehör im Rahmen der Cochlea-Implantation zu erhalten und durch hybride Hörsysteme zu nutzen. Allerdings ist der Prozentsatz der guten Hörerhaltung noch weit von dem bei z. B. Stapesplastik entfernt. Diese Zielvorgabe bedeutet, dass sowohl die Elektrodenträger als auch die Operationstechnik und die posttraumatische biologische Reaktion in der Cochlea zu adressieren sind. Der letzte Punkt wird bereits durch Drug-Eluting Electrodes realisiert. So befinden sich zurzeit Dexamethason-freisetzende Elektrodenträger in der klinischen Erprobung. Erste Ergebnisse deuten auf eine deutliche Verminderung der Trauma-Reaktion und bessere Hörerhaltung hin.
Die mechanischen Eigenschaften der Elektrodenträger werden so verbessert, dass sie sich der individuellen cochleären Anatomie exakt anpassen. Dazu ist die additive Fertigung von Elektrodenträgern mit Bezug auf die individuelle Cochlea-Anatomie eine der möglichen Realisierungswege.
Ein drittes Element betrifft die verbesserte chirurgische Technik durch Einsatz von robotischen Insertions-Systemen, die zielgenau Elektroden in die Cochlea unter Berücksichtigung vorberechneter Insertionswege platzieren.
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8.2 Verbesserung der Elektroden-Nerven-Schnittstelle
Durch Positionierung der Elektrodenträger am Modiolus kommt es zu einer deutlichen Verminderung benötigter Stromstärken und damit auch zu einer Reduktion der elektrischen Feldausbreitung. Dies kann durch adaptive Elektrodensysteme erzielt werden, die ihre Form nach Insertion ändern und z. B. durch Aufnahme von Perilymphe über Polymer-Bimorphe zu einer Krümmung und damit Anpassung an den Modiolus führen. In ähnlicher Weise sind Nitinol-basierte Systeme denkbar. Ein anderer Weg ist das sogenannte Auditory Nerve Implant, bei dem ein Elektroden-Igel mit sehr vielen Elektrodenkontakten (bis zu 96) direkt im Hörnerven platziert wird ([Abb. 61]). Dadurch ist eine unmittelbare Reizung benachbarter Hörnervenfasern möglich bei gleichzeitiger Reduktion der Stimulationsstromstärke und Verbesserung der Kanaltrennung.
Advanced Implants verwenden zusätzlich intracochleäre biologische Faktoren wie Wachstumsfaktoren oder Stammzellen zur Verbesserung der Schnittstelle.
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8.3 Regeneration des Hörnerven
Ein weiteres Element zur Verbesserung der Informationsübertragungskapazität stellt die Regeneration des Hörnerven dar. Durch Freisetzung von Nerven-Wachstumsfaktoren sowie die Verwendung von zellulär beschichteten Elektroden zur Autoproduktion dieser Nerven-Wachstumsfaktoren wird ein gerichtetes Aufwachsen von peripheren Dendriten aus den Spiralganglienzellen auf die funktionalisierte Elektrode kommen. Diese direkte Nerven-Verbindung verbessert die Spezifität der elektrischen Reizung und damit die Kanaltrennung erheblich, so daß Elektrodensysteme mit wesentlich höherer Kanalzahl realisierbar werden ([Abb. 62]).
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8.4 Entwicklung hybrider Stimulationssysteme
Für die elektroakustische Stimulation kommen alternativ auch elektromechanische und elektrooptische Systeme in Frage, die in das Implantat mit integriert werden. Dadurch können universelle Stimulatoren für das Innenohr realisiert werden, die in Abhängigkeit des bestehenden Hörverlustes und seiner Entwicklung eine jederzeit optimale Nutzung des peripheren Restgehörs und der Funktion des Hörnerven erlauben.
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8.5 Sprachverarbeitungsstrategien
Das verbesserte Elektroden-Nerven-Interface ermöglicht neue und bessere Möglichkeiten der Sprachverarbeitungsstrategie. Darunter versteht man den Algorithmus, mit dem das akustische Signal in eine logische Abfolge elektrischer Pulse für das Cochlear Implant System übersetzt wird. Bei einer deutlichen Verbesserung des Elektroden-Nerven-Interfaces mit einer größeren Zahl elektrisch getrennter Kanäle können andere Sprachverarbeitungsstrategien Verwendung finden, die eine Erhöhung der übertragenden Informationsmenge, eine spektrale Kontrastierung und eine Nachbildung physiologischer Erregungsmuster des Hörnerven erlauben. Durch geeignete Modellierung der individuellen Stromausbreitung in der Cochlea lassen sich darüber hinaus die besten Kombinationen der Elektrodenkontakte zur Stimulation ermitteln.
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8.6 Closed-Loop-Systeme und Brain-Computer-Interfaces
Die durch die periphere Stimulation ausgelöste zentrale Verarbeitung der Hörinformation kann in geeigneter Weise über integrierte EEG-Elektroden des CI-Systems abgeleitet werden. Diese Signale können wiederum dem Implantat zugeführt werden ([Abb. 63]). Auf diese Weise ist eine Optimierung der Sprachverarbeitungsalgorithmen für eine bestmögliche Hörleistung in Abhängigkeit der individuellen Hörsituation möglich.
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8.7 Hearing Device of the Future mit integrierter Multi-Sensorik
Die Erfassung zahlreicher zusätzlicher Parameter über das Hörimplantat eröffnet die Möglichkeit z. B. Bewegungsstörungen im Rahmen vestibulärer Läsionen aufzunehmen und zu diagnostizieren. Zusätzliche Elektroden für die mit Platzierung im vestibulären System zur Kompensation der Gleichgewichtsstörung ist damit ebenso verbunden wie die Registrierung biochemischer Veränderungen in der Perilymphe, z. B. im Rahmen von Entzündungsvorgängen oder Durchblutungsstörungen. Diese multisensorischen Systeme erlauben außerdem die Aufnahme zahlreicher Körperparameter wie Pulsrate, O2-Sättigung. Damit kommt dem Cochlea-Implantat eine übergeordnete Funktion für das Gesundheitsmonitoring zu ([Abb. 64]).
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8.8 Cochlea-Implantate als Personal Communicator
Durch Einbindung des Cochlea-Implantates in ein übergeordnetes Kommunikationssystem können die Möglichkeiten der Audiotechnologie und Telekommunikation voll für das Cochlea-Implantat genutzt werden. Die Steuerung geschieht z. B. über Bluetooth.
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8.9 Invisible Hearing – Totally Implantable CI
Durch Fortschritte der Batterie- und Mikrofontechnologie sind vollimplantierbare Hörsysteme möglich geworden. Die Energieversorgung erfolgt durch transkutan aufladbare Batterien. Der Schall wird über subkutan platzierte Mikrophone aufgenommen. Bei Bedarf kann ein externer Sprachprozessor angekoppelt werden. Zurzeit werden Akkulaufzeiten von ca. 10–15 Jahren als realistisch angesehen. Der Patient gewinnt weitere Handlungsfreiheit und verliert das Stigma der Hörbehinderung. Hardware-Upgrades sind nur im Rahmen der erforderlichen Reimplantation möglich.
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Kapitel Anpassung und Hörsprachtraining
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Kapitel Ergebnisse
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Kapitel Lebensqualität
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23 May 2022
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