Aktuelle Rheumatologie 2022; 47(02): 78-79
DOI: 10.1055/a-1732-1916
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Rheumatoide Arthritis: Glukokortikoide und Herzkreislaufrisiko

Ocon AJ. et al.
Short-term dose and durationdependent glucocorticoid risk for cardiovascular events in glucocorticoid-naive patients with rheumatoid arthritis.

Ann Rheum Dis 2021;
80: 1522-1529
 

Patientinnen und Patienten mit einer rheumatoiden Arthritis (RA) haben aufgrund der chronischen Entzündungssituation, einer beschleunigten Atheroskleroseentwicklung sowie der hohen Prävalenz kardiovaskulärer Risikofaktoren ein hohes Risiko für Herzkreislaufkomplikationen. Ein US-Forscherteam prüfte nun, inwiefern sich dieses Risiko bei Glukokortikoidgabe verändert und welchen Einfluss diesbezüglich die Behandlungsdosis und die -dauer haben.


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Hierzu werteten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Daten von 19902 Personen aus, die zwischen 2001 und 2018 in ein RA-Register (CorEvitas) aufgenommen worden waren. Bei ihrer Analyse berücksichtigten sie dabei nur steroidnaive Patientinnen und Patienten, also Personen, die weder zum Zeitpunkt der Registeraufnahme noch in der Vergangenheit Glukokortikoide angewendet hatten. Die Forschenden prüften, wie viele Personen nach der Registeraufnahme Glukokortikoide erhalten hatten und objektivierten die aktuell eingenommene und die kumulative Gesamtdosis (Prednison-Äquivalenzdosis) sowie die Behandlungsdauer. Anschließend untersuchten sie, wie viele Patientinnen und Patienten im Verlauf kardiovaskuläre Ereignisse erlitten. Hierbei berücksichtigten sie unter anderem Myokardinfarkte und Schlaganfälle, Hospitalisationen aufgrund einer Hypertonie, koronare Revaskularisierungseingriffe, ventrikuläre Arrhythmien, die instabile Angina pectoris, tiefe Venenthrombosen und Lungenembolien, periphere arterielle Thromboembolien und Ischämien sowie kardiale Todesfälle.

Ergebnisse

2500 Personen (12,6%) begannen im Verlauf der Beobachtungszeit – im Median 19 Monate nach Registereinschluss – eine Glukokortikoidtherapie. Im Studienkollektiv beobachteten die Forschenden 1106 kardiovaskuläre Ereignisse, was einer Rate von 1,66 pro 100 Personenjahre entsprach. Bei Berücksichtigung der RA-Dauer, der traditionellen kardiovaskulären Risikofaktoren, der klinischen Krankheitsaktivität, der Behandlung mit krankheitsmodifizierenden antirheumatischen Medikamenten sowie der Prednison-Äquivalenzdosis zeigte sich: Sowohl bei Tagesdosen (Prednison-Äquivalenzdosen) zwischen 5 und 9 als auch bei Dosen≥10 mg nahm das kardiovaskuläre Ereignisrisiko signifikant zu (adjustierte Hazard Ratio/aHR 1,56; 95% KI 1,18–2,05 bzw. aHR 1,91; 95% KI 1,31–2,79). Tagesdosen unter 5 mg erhöhten das Risiko dagegen nicht. Ebenfalls als signifikante Risikofaktoren bezüglich Herzkreislaufkomplikationen identifizierten die Forschenden eine während der vorangegangenen 6 Monate erreichte kumulative Glukokortikoiddosis von 751 bis 1100 mg (aHR 1,43; 95% KI 1,04–1,98) bzw. von>1110 mg (aHR 2,05; 95% KI 1,42–2,94). Niedrigere kumulative Dosen begünstigten dagegen kardiovaskuläre Ereignisse nicht. Im Hinblick auf die Glukokortikoid-Anwendungsdauer zeigte sich: Bei einer Behandlungsdauer von 81 bis 160 Tagen sowie bei einer Behandlungsdauer von mehr als 181 Tagen innerhalb der vorangegangenen 6 Monate stieg das Herzkreislaufrisiko signifikant (aHR 1,54; 95% KI 1,08–2,20 bzw. aHR 1,57; 95% KI 1,20–2,05). Bezogen auf das vorangegangene Jahr errechnete sich eine signifikante Risikozunahme für eine Anwendungsdauer zwischen 101 und 220 Tagen (aHR 1,41; 95% KI 1,03–1,93) sowie für eine Anwendungsdauer von länger als 360 Tagen (aHR 1,88; 95% KI 1,39–2,56).

Fazit

Steroidnegative Personen mit RA müssen darüber aufgeklärt werden, dass auch eine relativ niedrig dosierte und nur kurzzeitig verabreichte Glukokortikoidtherapie das Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen erhöhen kann, mahnt das Forscherteam. Lediglich bei einer täglichen Prednison-Äquivalenzdosis von weniger als 5 mg sowie bei geringen kumulativen Dosen und kurzer Anwendungsdauer scheine keine wesentliche Gefährdung zu bestehen. Dies sei bei der Therapie der Betroffenen zu berücksichtigen.

Dr. med. Judith Lorenz, Künzell


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Publication History

Article published online:
07 April 2022

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