Nervenheilkunde 2022; 41(05): 358-359
DOI: 10.1055/a-1755-7509
Gesellschaftsnachrichten
Kopfschmerz News der DMKG

Celecoxib Lösung zum Einnehmen ist wirksam bei Migräne

Ruth Ruscheweyh
 

Hintergrund

Celecoxib ist ein NSAR vom Typ der COX-2-Hemmer. Der Vorteil ist die geringere Inzidenz von gastrointestinalen Nebenwirkungen im Vergleich zu unselektiven COX-Hemmern (wie Ibuprofen oder Naproxen). Allerdings wird der Wirkstoff aus Celecoxib-Kapseln nur langsam resorbiert (maximale Plasmakonzentration Tmax nach 2,5 Stunden), was zur Behandlung von Migräneattacken ungünstig ist. Daher wurde eine Celecoxib-Lösung zum Einnehmen entwickelt, mit einer Tmax von 0,7 Stunden.


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Lipton RB, Munjal S, Brand-Schieber E, et al. Efficacy, Tolerability, and Safety of DFN-15 (Celecoxib Oral Solution, 25 mg/mL) in the Acute Treatment of Episodic Migraine: A Randomized, Double-Blind, Placebo-Controlled Study. Headache 2020; 60: 58–70

Lipton RB, Munjal S, Tepper SJ, et al. A Multicenter, Randomized, Double-Blind, Placebo-Controlled Study of the Efficacy, Tolerability, and Safety of Celecoxib Oral Solution (ELYXYB) in Acute Treatment of Episodic Migraine with or without Aura. J Pain Res 2021; 14: 2529–2542

Zusammenfassung

Die Wirkung von Celecoxib 120 mg als Lösung gegenüber Placebo zur Therapie der akuten Migräneattacke wurde in 2 multizentrischen randomisiert-kontrollierten Studien bei Patienten mit episodischer Migräne untersucht. Patienten mit zerebro- oder kardiovaskulären Erkrankungen, ungenügend behandeltem Bluthochdruck oder Kontraindikationen für NSAR wurden ausgeschlossen. Die Patienten sollten jeweils eine Migräneattacke behandeln, sobald eine mittelstarke oder starke Schmerzintensität erreicht war. Koprimäre Endpunkte waren die Schmerzfreiheit nach 2 Stunden und die Freiheit vom störendsten Begleitsymptom. Celecoxib war in beiden Studien Placebo signifikant überlegen ([ Tab. 1 ]). Es gab mehrere sekundäre Endpunkte, ebenfalls meist mit Überlegenheit von Celecoxib. Schwerwiegende Nebenwirkungen wurden nicht beobachtet. Häufigste Nebenwirkungen waren Übelkeit (Celecoxib 1,4–3,2 %, Placebo 1,8 %) und Geschmacksstörungen (Celecoxib 1,7–4,2 %, Placebo 1,1–1,8 %).

Tab. 1

Wirkung von Celecoxib 120 mg als Lösung gegenüber Placebo

Lipton et al. 2020

Lipton et al. 2021

Celecoxib 120 mg Lösung (n = 283) (%)

Placebo (n = 280) (%)

p

Celecoxib 120 mg Lösung (n = 272) (%)

Placebo (n = 268) (%)

p

Schmerzfreiheit nach 2 Stunden

35,6

21,7

< 0,001

32,2

22,8

0,017

Freiheit vom störendsten Begleitsymptom nach 2 Stunden

57,8

44,8

< 0,007

57,6

43,4

0,004

Schmerzbesserung nach 2 Stunden

74,5

60,5

< 0,001

67,9

55,3

0,004

Anhaltende Schmerzbesserung 2–24 Stunden

55,1

43,4

0,019

58,3

42,8

0,002

In der zweiten Studie (Lipton et al. 2021) wurde ein Zentrum (26 Patienten) mit einer ungewöhnlich hohen Placebo-Antwort (75 %, übrige Zentren im Mittel: 23 %) aufgrund einer präspezifizierten Ausreißeranalyse ausgeschlossen. Ohne diesen Ausschluss wäre der primäre Endpunkt nicht signifikant gewesen. In dieser Studie wurde der Unterschied zwischen Placebo und Celecoxib bezüglich der Schmerzbesserung zu verschiedenen Zeitpunkten analysiert (15 Minuten bis 24 Stunden) und wurde zum Zeitpunkt eine Stunde nach Einnahme signifikant.


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Kommentar

In den vorliegenden Studien wurde erstmals die Wirksamkeit von Celecoxib zur Behandlung der Migräne erwiesen. Auffällig ist ein recht hoher Placeboeffekt, vielleicht durch die ungewöhnliche Darreichungsform. Daher sind die Daten nicht leicht mit Daten aus anderen Studien zu vergleichen, nominell wären sie ähnlich den Triptanen einzuordnen. Es konnte eine Wirkung bereits nach einer Stunde gezeigt werden, passend zu der schnelleren Kinetik der oralen Lösung. Die Verträglichkeit war gut, allerdings treten die typischen NSAR-Nebenwirkungen auch eher selten nach einmaliger Einnahme auf.

Limitationen sind der (begründete) Ausschluss eines Zentrums in der zweiten Studie (ohne den der primäre Endpunkt nicht erreicht worden wäre) und der fehlende direkte Vergleich mit anderen Medikamenten zur Akuttherapie von Migräne, z. B. Triptanen. Zu erwähnen ist auch, dass die Studien vom Hersteller finanziert wurden, und dass alle Autoren entweder Interessenkonflikte haben oder Mitarbeiter des Herstellers sind. Celecoxib Lösung ist unter dem Namen Elyxyb seit 5/2020 in den USA zugelassen. In Deutschland stehen weiterhin nur Kapseln mit 100 oder 200 mg zur Verfügung.

Zusammenfassend könnte Celecoxib unter Beachtung der Nebenwirkungen und Kontraindikationen sicher auch bei uns das Spektrum der verfügbaren Akutmedikamente bei Migräne bereichern, sofern die Lösung zum Einnehmen verfügbar wird.

Ruth Ruscheweyh, München


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INFORMATION

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Exzellente Arbeit, die bahnbrechende Neuerungen beinhaltet oder eine ausgezeichnete Übersicht bietet

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Gute experimentelle oder klinische Studie

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Gute Studie mit allerdings etwas geringerem Innovationscharakter

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Studie von geringerem klinischen oder experimentellen Interesse und leichteren methodischen Mängeln

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Studie oder Übersicht mit deutlichen methodischen oder inhaltlichen Mängeln

Die Kopfschmerz-News werden betreut von: Priv.-Doz. Dr. Ruth Ruscheweyh, Klinik und Poliklinik für Neurologie, Klinikum der Universität München, Marchioninistr. 15, 81377 München, Tel. 089/440073907, ruth.ruscheweyh@med.uni-muenchen.de

Sie wird dabei unterstützt von Dr. Thomas Dresler, Tübingen (Bereich Psychologie und Kopfschmerz), PD Dr. Gudrun Goßrau, Dresden (Bereich Kopfschmerz bei Kindern und Jugendlichen) und Dr. Katharina Kamm, München (Bereich Clusterkopfschmerz).

Die Besprechungen und Bewertungen der Artikel stellen die Einschätzung des jeweiligen Autors dar, nicht eine offizielle Bewertung durch die Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft.


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Publication History

Article published online:
05 May 2022

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