Schlüsselwörter Juvenile Dermatomyositis - Entzündliche Myopathie - Myositisspezifische Antikörper
Key words juvenile dermatomyositis - inflammatory myopathy - myositis-specific antibodies
Definition
Die juvenile Dermatomyositis (JDM) ist eine entzündliche Myopathie und wird
zu den Kollagenosen gezählt [1 ]. Im
Vordergrund stehen entzündliche Haut- und Muskelveränderungen und
eine Vaskulopathie. Daneben kann sich die Erkrankung akut auch am Skelettsystem,
Gastrointestinaltrakt, Herz und Lunge manifestieren.
Epidemiologie
Die jährliche Inzidenz liegt bei den unter 18-jährigen zwischen
2–4 Fällen/Million und die Prävalenz bei ca.
2,5/100.000 [2 ]. Mädchen sind
2–5-mal häufiger betroffen als Jungen [3 ]
[4 ].
Die Erstmanifestation liegt zumeist zwischen dem 5. und 14. Lebensjahr.
Klinische Manifestationen
Klinische Manifestationen
Leitsymptome bei Erstmanifestation sind im Bereich der Muskulatur (a) die
symmetrische, proximal und axial betonte Muskelschwäche, (b) eventuell
Myalgien/Arthralgien, sowie seltener (c) Schluckbeschwerden. An der Haut
findet sich typischerweise (a) Erytheme der Streckseiten von Interphalangeal- und
Metacarpophalangealgelenken, manchmal auch die Ellenbogen-, Knie- und Sprunggelenke
betreffend (Gottron-Zeichen) ([Abb. 1 ]) oder
pathognomonische papulöse Veränderungen in dieser Lokalisation
(Gottron-Papeln), (b) ein Schmetterlingserythem, das im Gegensatz zum SLE auch die
Nasolabialfalten mit einbezieht, (c) eine periorbitale rötlich-violette
Hautfärbung (Heliotrop), teils verbunden mit Schwellung und Teleangiektasien
der Oberlider und (d) periunguale Erytheme sowie
Nagelfalzkapillarveränderungen ([Abb.
2 ]). Initial ist ein amyopathischer Beginn möglich, d. h.
die Hautmanifestationen können der klinischen Myositis vorausgehen, aber
auch erst nachfolgen. Die Erkrankung geht meist mit einem deutlichen
Erkrankungsgefühl, Fatigue und Belastungsintoleranz einher.
Abb. 1 Ausgeprägte Gottron-Papeln und -Zeichen und
periunguales Erythem bei einer Patientin mit hochaktiver juveniler
Dermatomyositis.
Abb. 2 10jährige Patientin mit hochaktiver juveniler
Dermatomyositis. Makroskopisch liegen bereits vor: Hyperämie des
Nagelbetts, Gottronsche Papeln, sichtbare Kapillaren. Mikroskopisch liegen
folgende Befunde vor: Reduzierte Kapillardichte (3–5/mm) mit
Ödem, mehrere Typ B Blutungen, viele Megakapillaren, Ektasien,
Elongationen sowie vereinzelte Torquierungen und Verzweigungen. Einzelne
Büschel. Sludge, bzw. Stase bei vermehrter Füllung.
Assoziation klinischer Phänotypen mit Myositis-spezifischen
Antikörpern
Zunehmend an Bedeutung gewinnt die Bestimmung von myositisspezifischen
Antikörpern (MSA). Diese liegen bei ca. 60–90% der
Patienten mit JDM vor und sind hochspezifisch [5 ]
[6 ]
[7 ]. Es existieren klare Assoziationen der
verschiedenen MSA mit klinischen Manifestationen ([Tab. 1 ]). So weisen z. B.
Patienten mit anti-TIF-1γ-Antikörpern (18–35%
der Patienten mit JDM) häufig sehr ausgeprägte kutane und
vaskulopathische Manifestationen auf, Patienten mit
anti-NXP2-Antikörpern (15–22% der Patienten)
häufig Kalzinosen und einen chronischen Verlauf, Patienten mit
Anti-Mi-2-Antikörpern (3–4% der Patienten)
häufig eine schwere Initialmanifestation, aber gleichzeitig ein sehr
gutes Therapieansprechen und Patienten mit anti-MDA5-Antikörpern (ca.
5% der Patienten, jedoch deutlich häufiger bei Patienten
asiatischer Abstammung) ein höheres Risiko für Arthritis und
interstitielle Lungenerkrankung [5 ]
[7 ]
[8 ]
[9 ].
Tab. 1 Assoziationen von myositis-spezifischen
Antikörpern und klinischen Manifestationen bei
entzündlichen Myopathien.
Zielantigen
TIF-1γ
NXP2
tRNA-Synthetasen (z. B. Jo-1, OJ, EJ, PL-7, PL-12,
KS, Zo, Ha)
MDA5
Mi-2
HMG-CoA-Reductase
SRP
Häufigkeit des Antikörpers
18–35%
15–22%
3–4%
6%
3–4%
1%
2%
Klassisches Exanthem
+++
+++
++
+++
+++
(+)
-
Vaskulopathie
+++
+++
++
++
++
(+)
++
Photosensitivitität
++
++
(+)
++
++
-
-
Mechanikerhände
(+)
(+)
+
N/A
-
-
-
Muskelschwäche
+++
+++
+++
++
+++
+++
Amyopathischer Verlauf
+
-
-
+
-
-
-
Nekrotisierende Myopathie
-
-
-
-
-
+++
+++
Arthritis
+
+
++
+++
+
-
++
Kontrakturen
++
++
+
N/A
++
N/A
++
Kalzinosen
+
+
(+)
(+)
+
-
-
Interstitielle Lungenerkrankung
(+)
(+)
++
++
-
-
-
Weitere Besonderheiten
Häufiger Antikörper bei Erwachsenen
Deutlich häufiger bei Asiaten
Sehr gutes Ansprechen auf die Therapie
Immunvermittelte nekrotisierende Myopathie
Immunvermittelte nekrotisierende Myopathie
+++, ≥75% der Patienten;
++, ≥50% und<75% der
Patienten; +, ≥25% und<50% der
Patienten; (+),<25% der Patienten; -, nicht
berichtet; N/A, Daten nicht verfügbar; Referenzen [8 ]
[9 ]
[40 ].
Immunvermittelte nekrotisierende Myopathien
Ein seltene Subgruppe der entzündlichen Myopathien
(1–2%) ist die immunvermittelte nekrotisierende Myopathie
(immune-mediated necrotizing myopathy [IMNM]), die bei Patienten mit
anti-SRP- oder anti-HMG-CoA-Reduktase-Antikörpern auftritt [10 ]. Diese Patienten haben i.d.R. keine
klassische Dermatomyositis, sondern vorrangig eine ausgeprägte
Muskelschwäche und stark erhöhte Muskelenzyme, basierend auf
ausgeprägter Muskelfasernekrose. Aufgrund der fehlenden
Hautmanifestationen ist hier die Differenzierung von Muskeldystrophien
besonders wichtig.
Unterschiede der Dermatomyositis zwischen Kindes- und
Erwachsenenalter
Die Pathogenese der JDM unterscheidet sich von der DM bei Erwachsenen
[9 ]. So besteht im Gegensatz
zum Erwachsenenalter bei Kindern und Jugendlichen keine Assoziation zu
malignen Erkrankungen. Im Kindes- und Jugendalter ist die JDM mit
Abstand die häufigste inflammatorische Myopathie,
während bei Erwachsenen häufiger eine Polymyositis
vorkommt. Während bei Erwachsenen eine
anti-HMG-CoA-Reduktase-Antikörper assoziierte IMNM meistens in
Zusammenhang mit einer Statin (HMG-CoA-Reduktase-Hemmer)-Behandlung
auftritt [11 ], entsteht diese bei
Kindern und Jugendlichen spontan.
Ätiopathogenese der Erkrankung
Ätiopathogenese der Erkrankung
Als mögliche Ursachen oder Auslöser der JDM werden insbesondere
genetische Faktoren, UV-Strahlung und Infektionen betrachtet [1 ]. Es kommt bei der JDM zu einer spezifischen
immunologischen Aktivierung, u. a. mit Typ 1-Interferon-induzierten
Genexpressionsmustern in den betroffenen Geweben und im peripheren Blut, vermehrter
Freisetzung von Autoantigenen, Aktivierung von B- und T-Zellen und plasmazytoiden
dendritischen Zellen, Immunkomplexbildung, Deposition von Membrane Attack-Komplex
und Bildung von myositisspezifischen Antikörpern. Eine besonders wichtige
Rolle kommt offensichtlich den Typ 1 Interferonen zu [12 ]. So ist das Ausmaß der systemischen
Typ 1 IFN-Aktivierung bei JDM (gemessen im peripheren Blut) vergleichbar mit jener
von Patienten mit schwerwiegenden monogenetischen Typ 1 Interferono-pathien, wie
z. B. Chronic Atypical Neutrophilic Dermatosis with Elevated Temperatures
(CANDLE)- und STING-Associated Vasculopathy of Infancy (SAVI)-Syndrom [13 ]. Zudem korreliert die systemische Typ 1
IFN-Aktivierung gut mit der JDM-Krankheitsaktivität [13 ]
[14 ].
Leider ist eine Typ 1 IFN-getriebene immunologische Aktivierung nicht mittels
konventioneller diagnostischer Verfahren zu erfassen, sodass aktuell nur
forschungsbasierte Verfahren zum Einsatz kommen, wie z. B. die Messung der
Typ 1 IFN-stimulierten Genexpression im peripheren Blut.
Diagnostik bei möglicher juveniler Dermatomyositis
Diagnostik bei möglicher juveniler Dermatomyositis
Diagnosestellung und Klassifikation
Es existieren keine diagnostischen Kriterien für die JDM im engeren
Sinne. Die Klassifikationskriterien von Bohan und Peter aus dem Jahr 1975 werden
nur noch mit Einschränkungen angewendet [15 ]
[16 ]. So werden
EMG-Untersuchungen und Muskelbiopsien nicht mehr regelhaft durchgeführt,
da die Diagnose auch mittels anderer Untersuchungen gesichert werden kann.
Insbesondere das Vorhandensein von typischen MRT-Befunden in
fettunterdrückten T2- oder short tau inversion recovery (STIR)-Sequenzen
wird von Experten als ausreichender Nachweis für das Vorliegen
entzündlicher Muskelveränderungen erachtet, sodass hierdurch die
Durchführung einer EMG oder einer Muskelbiopsie
„ersetzt“ werden kann [16 ]
[17 ]. Der MRT-Befund stellt
dann ein Bohan und Peter-äquivalentes Kriterium dar.
Lundberg et al. haben neue Klassifikationskriterien für Kinder und
Erwachsene mit entzündlichen Myopathien (inkl. JDM) entwickelt,
insbesondere um eine bessere Differenzierung von imitierenden Erkrankungen, wie
z. B. Muskeldystrophien, zu erreichen [18 ]. Mittels eines komplex ermittelten Scores und einer sich daraus
ergebenden berechneten Wahrscheinlichkeit lässt sich, analog zu den
Bohan und Peter-Kriterien, eine Erkrankung als definitive, wahrscheinliche oder
mögliche entzündliche Myopathie klassifizieren, bzw. diese
ausschließen. Ein Online-Rechner steht zur Verfügung (http://www.imm.ki.se/biostatistics/calculators/iim/ ).
Auch in diese neue Klassifikation fließen jedoch keine moderneren
Parameter, wie z. B. myositisspezifische Antikörper, Marker der
Typ 1-Interferon-Aktivierung oder MRT-Befunde ein.
Diagnostische Verfahren
Neben Anamnese und klinischer Untersuchung kommen bei der JDM verschiedene
diagnostische Verfahren zum Einsatz ([Tab.
3 ]). Sie dienen: (a) der Diagnosesicherung und der Erfassung einer
möglichen Organbeteiligung, (b) dem Ausschluss wichtiger
Differentialdiagnosen, (c) der Abschätzung der
Erkrankungsaktivität, (d) dem Erkennen erkrankungs- oder
therapiebedingter Komplikationen. Diese Verfahren sollten in Bezug zu den
klinischen Manifestationen und der konkreten Fragestellung abgewogen werden. Bei
Verdacht auf eine JDM sollten daher zunächst vorrangig Verfahren zum
Einsatz kommen, die helfen können, die Diagnose zu sichern,
während bei bereits gesicherter Diagnose auch Verfahren zum Einsatz
kommen sollten, die auch das Ausmaß der Organbeteiligung erfassen
können. Zusätzliche Verfahren, wie z. B. die Messung von
Typ 1 IFN-Scores im peripheren Blut, kommen bis dato nur auf Forschungsbasis zur
Anwendung.
Tab. 3 Mögliche diagnostische Parameter bei V.a.
oder Vorliegen einer juvenilen Dermatomyositis.
Art der Untersuchung
Parameter
Fragestellung
Notwendig
Fakultativ
JDM-„gerichtete“ Labordiagnostik
Muskelspezifische Enzyme AST, CK, LDH, Troponin
Aldolase
Ausmaß der Muskelbeteiligung
Von Willebrand Faktor-Antigen
Endothelaktivierung
Serum-Neopterin
Interferon-γ-Aktivierung
Myositis-assoziierte/-spezifische Antikörper:
anti-Pm/Scl, anti-U1-RNP, anti-Ro (SSA), anti-La
(SSB), anti-Sm, anti-TIF1γ, anti-NXP2, anti-MDA5,
anti-SRP, Mi2, anti-Synthetasen, anti-HMG-CoA-Reduktase
Spezifische Autoimmunität
Andere Labordiagnostik
Blutbild, ALT, γGT, Harnstoff, Kreatinin, TSH,
25-OH-Vitamin D3,
NT-pro BNP, Urin-Status
Organbeteiligung, Komorbiditäten
CRP, Blutsenkungsgeschwindigkeit, IgG, IgM, IgA,
Komplement C3 und C4, löslicher IL-2-Rezeptor
Immunologische Aktivierung
ANA
Autoimmunität
Bildgebung der Muskulatur
MRT (insbesondere fettunterdrückte T2 Sequenzen und
short tau inversion recovery [STIR] Sequenzen)
Nachweis entzündlicher Muskel- und
Weichteilveränderungen
Konventionelle Röntgenaufnahmen
Nachweis von Kalzinosen
Ultraschall
Nachweis von entzündlichen
Muskelveränderungen und Kalzinosen
Histopathologie
Lichtmikroskopische Diagnostik, Immunhistochemie
(u. a. MHC-Klasse I/II, C5b-9, CD3, CD31,
CD68, neonatales Myosin), Elektronenmikroskopie
Bei unklaren Fällen zur Diagnosestellung Erhebung von
prognostischen Parametern
Organdiagnostik
Kapillarmikroskopie
Nachweis und Ausmaß typischer
Nagelfalzkapillarveränderungen (Ektasien, Blutungen,
Kapillarverlust [verminderte Kapillardichte])
Bodyplethysmographie
CO-Diffusionskapazität
Vorliegen einer Ventilationsstörung und/oder
eine Diffusionseinschränkung Atemmuskelkraft
(MIP/MEP)
Röntgen-Thorax, CT Thorax
V.a. auf Vorliegen einer Lungenparenchymbeteiligung
Sonographie Abdomen
Darmwandbeteiligung, Heptosplenomegalie
Fiberoptische Endoskopische Evaluation des Schluckens
Vorliegen/Ausmaß einer bulbären
Beteiligung
Elektrophysiologie
EMG (heute meistens obsolet)
Vorliegen einer Myopathie
ALT, Alaninaminotransferase; ANA, antinukleäre
Antikörper; AST, Aspartataminotransferase; CK,
Creatinkinase; CRP, C-reaktives Protein; CT,
Computertomographie; EMG, Elektromyographie; Ig,
Immunglobulin; MIP/MEP, maximum
inspiratory/expiratory pressure; MRT,
Magnetresonanztomographie
Rolle der Muskelbiopsie
Die Durchführung einer Muskelbiopsie ist essenziell in Situationen,
in denen diagnostische Unsicherheit besteht. Zusätzlich erlaubt die
histopathologische Untersuchung die Feststellung bestimmter prognostischer
Parameter ([Tab. 2 ]).
Tab. 2 Parameter mit möglicher prognostischer
Bedeutung bei der JDM.
Methoden
Assoziationen
Quelle
Befunde
Outcome
Körperliche Untersuchung
Gottron-Papeln nach drei Monaten Behandlung (RR 1,82);
Kapillarveränderungen und Gottron-Papeln nach
sechs Monaten Behandlung (RR 2,86)
Längere Zeit bis zur klinischen Remission
Einzelcenter-Studie (n=84), Stringer E et al.
[22 ]
Initiale Muskelbiopsie
ausgedehnte aktive myopathische Veränderungen (OR
9,0); zentrale Nuklei ohne Basophilie (OR 3,9)
Chronischer Verlauf
Einzelcenter-Studie (n=29), Miles L et al. [41 ]
schwere arteriopathische Veränderungen (OR 9,0);
positive arterielle direkte Immunfluoreszenz (OR 7,7);
schwerwiegender Kapillarverlust (OR 3,7); Muskelinfarkte
(OR 4,3)
Chronischer Verlauf mit Ulzeration
Kombination von Muskelbiopsie und Myositis-spezifischen
Antikörpern
histopathologische Gesamtbewertung (hVAS) schwerwiegend
(OR 1,48); hoher Gesamt-Biopsie-Score (OR 1,1);
Anti-Mi-2-Antikörper (OR 0,14 [protektiv]);
Anti-NXP-2/-TIF-1γ-positiv oder
MSA-negativ+hVAS schwerwiegend (OR 1,61);
Anti-NXP-2/-TIF-1γ-positiv oder
MSA-negativ+hoher Gesamt-Biopsie-Score: OR
1,13
Chronischer Verlauf
Nationale Kohorte, n=101, Deakin CT et al. [42 ]
Magnetresonanztomographie zum Diagnosezeitpunkt
subkutanes Fett signalauffällig (OR 9,0)
Ausmaß der Muskel- und Faszienbeteiligung nicht
assoziiert mit chronischem Verlauf
Chronischer Verlauf
Einzelcenter-Studie (n=45), Ladd PE et al. [43 ]
hVAS, histologische visuelle Analogskala; MSA, myositis-spezifische
Antikörper; OR, odds ratio; RR, relative risk.
Differenzialdiagnostik
Beim Fehlen typischer Hautbefunde sind alternative Diagnosen insbesondere
Gliedergürteldystrophien (LGMD) oder eine andere rheumatische
Systemerkrankung, wie z. B. Mischkollagenose oder Overlap-Syndrome
gründlich abzuklären. Ein klinisch ähnliches Bild kann
sich auch bei Autoimmunerkrankungen wie der Autoimmunthyreoiditis, der
Myasthenia gravis und vor allem Mischkollagenosen oder Overlap-Syndromen finden.
Eine Polymyositis und eine paraneoplastische JDM sind im Kindesalter
Raritäten [19 ].
Differentialdiagnostisch müssen vor allem bei sehr jungen Kindern auch
Interferonopathien, wie z. B. CANDLE- oder SAVI-Syndrom in Betracht
gezogen werden. Muskeldystrophien (z. B. Duchenne-,
Gliedergürtelmuskeldystrophien LGMD2A, LGMD2B u. a.) und
medikamentenbedingte Myopathien sind immer auszuschließen. Aus
infektiologischer Sicht können unter Umständen Coxsackie B-,
Entero- und Parvo B19-Virus- oder Toxoplasma gondii-Infektionen erwogen werden
[1 ]. Je nach Klinik sind umfassende
Stoffwechseluntersuchungen und auch die Muskelbiopsie sowie das Hinzuziehen
entsprechender Experten erforderlich.
Ausprägung/Schweregrade
Die JDM zeigt sowohl bezüglich der Ausprägung der Symptome und
Krankheitszeichen bei Erstmanifestation, als auch im Verlauf der Erkrankung eine
große Variationsbreite. Die Erkrankung kann akut, mit erheblicher
Muskelschwäche und Krankheitsgefühl innerhalb weniger Tage bis
Wochen beginnen und foudroyant mit progredienter Muskelschwäche bis zur
Ateminsuffizienz verlaufen. Am anderen Ende des Krankheitsspektrums finden sich
langsam progrediente Verläufe, die eine mehrjährige Latenz bis
zur klinischen Erfassbarkeit der Myositis zeigen. Komplikationen wie lokale,
z.T. ulzerierende aber auch tiefe myofasziale Kalzifikationen ([Abb. 3 ]
[4 ]) können auch bei initial guter klinischer Entwicklung
später im Verlauf auftreten. Daher ist die individuelle
Prognoseabschätzung äußerst schwierig.
Abb. 3 Ulzerierte subkutane Kalzinose im Bereich des rechten
Ellenbogens.
Abb. 4 13-jährige Patientin mit ausgedehnten soliden
myofaszialen Kalzinosen im Bereich des linken Oberschenkels.
Eine Beurteilung des Schweregrads (leicht, mittel, schwer) kann z. B.
erfolgen mittels den von der Childhood Arthritis & Rheumatology Research
Alliance (CARRA) entwickelten Kriterien [20 ]. Von einer komplizierten oder schweren JDM ist auszugehen, wenn
folgende Befunde vorliegen:
schwere Beeinträchtigung (bettlägerig,
CMAS-Punktzahl<15 [von max. 52] oder MMT8-Punktzahl<30
[von max. 80])
interstitielle Lungenerkrankung
gastrointestinale Vaskulitis (z. B. anhand von Bildgebung oder
Blut im Stuhl)
zusätzlich andere Autoimmun-Erkrankungen
Intensivtherapiepflichtigkeit
ausgeprägte Dysphagie oder Aspiration
Beteiligung des ZNS (z. B. Krampfanfälle oder
beeinträchtigtes Bewusstsein
Hautulzeration
Kontraindikation gegen Medikamente
Myokarditis
Schwangerschaft
ausgeprägte Kalzinosen
ein Alter<1 Jahr.
Messung der Krankheitsaktivität
Es existieren mehrere klinische Instrumente, die eine Beurteilung einzelner
Charakteristika der Krankheitsaktivität erlauben, u. a. die
folgenden [21 ]:
Ärztliche Globale Einschätzung (Phy-GLOVAS; visuelle
analog Skala [VAS] von 0–10)
Elterliche oder Patienten-Einschätzung (Pat-GLOVAS; VAS von
0–10)
Childhood myositis assessment scale (CMAS), eine Testbatterie von 14
Manövern, mit denen Muskelkraft und -funktion getestet wird
Manuelle Muskeltestung (Manual muscle testing) von 8 Muskelgruppen
(MMT-8)
Myositis disease activity assessment tool (MDAAT), bestehend aus:
Disease activity score (DAS)
Cutaneous assessment tool (CAT)
Childhood Health Assessment Questionnaire (C-HAQ)
Childhood Health Questionnaire (CHQ)
Erkennen erkrankungs- oder therapiebedingter Komplikationen
Für die Dokumentation von Komplikationen empfiehlt sich die Verwendung
von validierten „Damage“-Scores an, so z. B. der
Myositis Damage Index (MDI), der Komplikationen in den verschiedenen
Organsystemen erfassen kann [21 ].
Prognose
Historisch betrachtet, durchlaufen etwa 40% der Patienten eine monophasische
Erkrankung und 60% haben einen chronischen Erkrankungsverlauf [22 ]. Etwa 60% der Patienten sprechen
gut auf eine Therapie mit hochdosierten Glukokortikoiden und MTX an, während
die übrigen 40% einen glukokortikoidrefraktären oder
–abhängigen Verlauf haben [23 ].
Komplikationen
Als spezifische Komplikationen treten im Langzeitverlauf häufig
Kalzinosen (bei ca. 40% der Patienten) ([Abb. 3 ]
[4 ]) und Kontrakturen und gelegentlich eine Lipodystrophie mit
schweren Stoffwechselveränderungen (bei ca. 8% der Patienten)
auf [24 ]
[25 ]. Diese Komplikationen können zu einer deutlichen
Beeinträchtigung der Lebensqualität führen. Ein
wesentlicher Risikofaktor für das Auftreten dieser Komplikationen ist
die Dauer aktiver JDM [25 ]. Des weiteren
besteht langfristig ein erhöhtes Risiko für
kardiovaskuläre und pulmonale Einschränkungen [26 ]
[27 ]. Da die Behandlungsmöglichkeiten für diese
Komplikationen sehr eingeschränkt sind, ist ein wichtiges Ziel die
Vermeidung dieser Komplikationen. Verschiedene Parameter können
nützlich sein für die Einschätzung der Prognose. Hierzu
zählen u. a. das Vorhandensein bestimmter MSA, Merkmale in der
Muskelbiopsie, MRT-Befunde und das Ansprechen auf die initiale Therapie ([Tab. 2 ]).
Therapie
Betreuung der Patienten
Aufgrund der Seltenheit und des erheblichen Komplikationsrisikos erfordert die
Diagnostik und Planung der Therapie erfordern besondere kinderrheumatologische
und neuropädiatrische Kenntnisse. Daher sollen die Diagnostik und
Therapieeinleitung an einem Zentrum mit entsprechender Expertise erfolgen
spezieller Erfahrung empfohlen. In Zusammenarbeit mit dem wohnortnahen
Kinderarzt kann so eine effektive und sichere Betreuung gewährleistet
werden [16 ]
[28 ]. Zudem sollte angestrebt werden,
Patienten in verfügbaren nationalen und/oder internationale
Registern zu erfassen, um so langfristig die Krankheitsverläufe zu
erfassen und die Versorgung zu optimieren.
Therapiekonzepte
Leider existieren nach wie vor nur in sehr eingeschränkter Form Daten aus
kontrollierten klinischen Studien für die JDM. Die Behandlung erfolgt
daher zum großen Teil basierend auf Expertenkonsens in Form von
Konsensustherapieplänen, die sowohl von Expertengruppen in Nordamerika,
Europa und auch in Deutschland entwickelt wurden [16 ]
[20 ]
[28 ].
Pro-KIND-Konsensustherapiestrategien
Für Deutschland erfolgte die Entwicklung der
Konsensustherapiepläne mittels des durch die Gesellschaft
für Kinder- und Jugendrheumatologie (GKJR) initiierten
Pro-KIND-Projektes [16 ]. Ziel ist die
Harmonisierung und nachfolgend Optimierung existierender
Therapieansätze. Ein wichtiges Konzept, das sich auch für
die JDM herauskristallisiert, ist die Anwendung einer
Remissions-Induktions-Therapie in Kombination mit einer zielgerichteten
Therapie („Treat-to-Target“), im Gegensatz zu einer reinen
„Step-Up“-Therapie oder einer
„Kochbuch“-Strategie.
Therapieziele
Ziele der Therapie sind kurzfristig die Kontrolle der Inflammation, die
Wiederherstellung der Muskelkraft (z. B. Gehfähigkeit),
langfristig eine klinische Remission und das Vermeiden von Spätfolgen
und Komplikationen [16 ]. Von Pro-KIND wird
insbesondere angestrebt eine mittelgradige Verbesserung innerhalb von 6 Wochen
nach Beginn/Umstellung einer Therapie, eine deutliche Verbesserung
innerhalb von 3 Monaten und eine glukokortikoidfreie inaktive Erkrankung
innerhalb von 12 Monaten.
Messung von Veränderung/Verbesserung unter
Therapie
Im Hinblick auf die Entwicklung von
„Treat-to-Target“-Strategien ist die Verfügbarkeit
von validierten Instrumenten für die Bewertung einer Therapieantwort
essenziell. In einem gemeinsamen Projekt von EULAR und ACR wurden Kriterien
zur Bewertung einer Therapieantwort bei JDM entwickelt [29 ]. Mittels dieses Scoring-Tools ist
die Bewertung der Therapieantwort im Vergleich zu einem Vorbefund
möglich (keine, geringe, moderate oder starke Verbesserung).
Pharmakotherapien
Bei den zugelassenen Medikamenten für die Indikation JDM
(Methylprednisolon, Prednisolon, Prednison, Dexamethason, Triamcinolon,
Azathioprin) handelt es sich größtenteils um historische
Zulassungen ohne regelrechte Zulassungsstudien nach heutigem
Verständnis. Randomisierte kontrollierte Studien sind aufgrund der
Seltenheit der Erkrankung sehr schwer durchzuführen. Eine randomisierte
Studie zur JDM verglich den Effekt einer alleinigen Glukokortikoidtherapie mit
Glukokortikoiden in Kombination mit Ciclosporin A (CSA) oder Methotrexat (MTX)
und wies die glukokortikoidsparende Effektivität dieser beiden
Medikamente nach; aufgrund des besseren Sicherheitsprofils wird MTX jedoch CSA
vorgezogen [30 ]. Evidenzgrad und
Stärke der Therapieempfehlung zu den gebräuchlichen Medikamenten
sind in [Tab. 4 ] dargestellt.
Tab. 4 Medikamentöse Therapie in Anwendung bei der
juvenilen Dermatomyositis.
Medikament
Gebräuchliche Anwendung
Zulassung JDM
Evidenzgrad
Stärke der Empfehlung
Referenz
Orale Glukokortikoid-Therapie
2 mg/kg/d für 4 Wochen, dann
wenn möglich Dosisreduktion über 12
Monate
Ja
1c
A
[30 ]
i. v. Methylprednisolon-Pulstherapie
Einmalig 30 mg/kg an 3 aufeinanderfolgenden
Tagen
Ja
1b
B
[30 ]
Alleinige Therapie wiederkehrend 30 mg/kg an
3 aufeinanderfolgenden Tagen
Ja
4
D
[44 ]
[45 ]
Wiederkehrende Therapie in Kombination mit oralen
Glukokortikoiden
Ja
3b
B
[46 ]
Methotrexat
15–20 mg/m²/Wo. (sc,
oral)
Nein
1c
A
[30 ]
Cyclosporin A
3–5 mg/kg/d in 2 ED
Nein
1c
B
[30 ]
Mycophenolatmofetil
1200 mg/m²/Tag in zwei
Einzeldosen
Nein
4
C
[47 ]
Azathioprin
2–3 mg/kg/d in ein bis zwei
Einzeldosen
Ja
4
C
[48 ]
Cyclophosphamid
0,5–1 g/m² alle 4 Wochen
Nein
4
C
[49 ]
Intravenöse Immunglobuline
2 g/kg alle 4 Wochen (initial alle 2
Wochen)
Nein
2b
B
[23 ]
[50 ]
Subkutane Immunglobuline
2 g/kg alle 4 Wochen auf zwei Einzeldosen
verteilt
Nein
4
C
[51 ]
Rituximab
Körperoberfläche≤1,5 m²:
575 mg/m² x 2 im Abstand von 2
Wochen
Körperoberfläche>1,5 m²:
750 mg/m² x 2 im Abstand von 2
Wochen
Nein
1b
B
[32 ]
[33 ]
Etanercept
0,4 mg/kg 2x wchtl. sc
Nein
4 Fallstudie zeigte keinen Effekt
D
[52 ]
TNF-Antikörper (Adalimumab, Infliximab)
Adalimumab 24 mg/m² s.c. alle 2 Wo
Infliximab 6 mg/kg i. v. alle 4
Wo
Nein
4
D
[53 ]
JAK-Inhibitoren (Baricitinib, Ruxolitinib, Tofacitinib)
Variable Dosierungen
Nein
4
D
[35 ]
[36 ]
Üblicherweise erfolgt eine Remissionsinduktionstherapie mit hochdosierten
Glukokortikoiden und Methotrexat, bei schwerer Erstmanifestation in Kombination
mit intravenösen Immunglobulinen (IVIG) [16 ]
[20 ]
[31 ]. Auch bei initial refraktärem
Verlauf einer mittelschweren JDM kommen IVIG in Frage. Im weiteren Verlauf
kommen im Rahmen einer „Treat-to-Target“-Strategie auch
verschiedene andere Optionen in Frage. Hierzu zählen neben synthetischen
Basistherapien, wie z. B. Azathioprin, Ciclosporin A,
Mycophenolatmofetil oder Tacrolimus auch Biologika, wie z. B. Rituximab
oder TNF-Antikörper. Für alle diese
Off-Label-Behandlungsoptionen ist die Datenlage eingeschränkt. Auch
für Rituximab existieren Daten aus einer randomisierten,
Placebo-kontrollierten Studie, in der jedoch das primäre Studienziel
für die Gesamtstudienkohorte nicht erreicht wurde [32 ]. Allerdings gibt es Anzeichen
dafür, dass besonders die pädiatrische Untergruppe der
Studienkohorte günstig auf die Therapie angesprochen hatte [33 ].
Januskinase-Inhibition
Januskinase (JAK)-Inhibitoren, wie z. B. Baricitinib, Ruxolitinib
oder Tofacitinib, stellen eine vielversprechende Therapieoption bei der JDM
dar, da diese durch eine JAK1-Inhibition direkt in Typ 1 IFN-getriebene
Signalwege eingreifen [34 ]. Fallserien
und prospektive Open-Label-Studien weisen auf eine sehr gute
Effektivität bei Pa-tienten mit schweren, refraktären
Verläufen einer JDM hin [35 ]
[36 ].
Funktionelle Therapien
Neben der entzündungs- und steroidbedingten Muskelschwäche
können erhebliche Probleme durch Gelenkkontrakturen sowie durch
gelenknahe Kalzinosen auftreten. Eine langfristige und auch intensive
Physiotherapie durch erfahrene Therapeuten soll daher erfolgen. Immobilisation
(z. B. durch Rollstuhl etc.) soll unbedingt vermieden werden. Eine
regelmäßige, intensive Physiotherapie kann zur Wiederherstellung
eines normalen Bewegungsumfangs führen. Wie bei Erwachsenen spielt
zunehmend auch bei Kindern und Jugendlichen ein frühzeitig einsetzendes
aerobes und Widerstandstraining eine Rolle in der Therapie [37 ]
[38 ]. Bei verzögertem Ansprechen auf die Behandlung oder bei
Entwicklung von Muskelatrophien kann eine Rehabilitation zur Wiederherstellung
einer weitgehenden oder vollständigen Teilhabe erforderlich werden.
Voraussetzung für den langfristigen Erfolg funktioneller Therapien ist
jedoch eine gute Kontrolle der Entzündungsaktivität.
Supportive Therapien
Den Patienten soll ein effektiver UV-Schutz empfohlen werden, um eine Aktivierung
der Inflammation durch UV-Strahlung zu vermeiden. Die Indikation zur
Supplementation mit Vitamin D ist daher großzügig zu stellen. Je
nach erkrankungs- bzw. therapiebedingtem Ausmaß der Immunsuppression
sollen entsprechende Prophylaxen, z. B. Impfungen und/oder
antibiotische Prophylaxe, erfolgen [39 ].
Zusammenfassung
Bei der JDM handelt es sich auch in der heutigen Ära um eine akut und
chronisch bedrohliche Erkrankung, die rasch erkannt und zielgerichtet behandelt
werden sollte, um Einschränkungen der Lebensqualität, der
Alltagsfunktion und Spätfolgen zu vermeiden. Der Einsatz einer intensiven
Remissionsinduktionstherapie mittels hochdosierten Glukokortikoiden, Methotrexat und
ggf. IVIG und eine nachfolgende zielgerichtete Therapie erscheint bei den meisten
Patienten gerechtfertigt. Das Verständnis der Erkrankung hat sich durch den
Nachweis einer zentralen Rolle von Typ 1-Interferonen verbessert.
Möglicherweise eröffnen sich hierdurch langfristig auch bessere
Therapieoptionen, inkl. einer Behandlung mit JAK-Inhibitoren. Essenziell für
die Verbesserung der Behandlungsoptionen ist zudem die strukturierte Erfassung der
meisten Patienten in Registern oder Studien. Es existieren zahlreiche validierte
Messinstrumente wie z. B. solche für die Muskelkraft und -funktion
(u. a. CMAS, MMT8), kutane Messinstrumente (CAT) und zusammengesetzte Scores
(DAS oder MDAAT), die verschiedene Aspekte der Krankheitsaktivität erfassen
können.