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DOI: 10.1055/a-1771-6368
Nährstoffsupplementierung vor, während und nach der Schwangerschaft: Ergebnisse der cluster-randomisierten „Gesund leben in der Schwangerschaft“-Studie
Article in several languages: English | deutsch- Zusammenfassung
- Einleitung
- Methoden
- Ergebnisse
- Diskussion
- Schlussfolgerung
- Finanzielle Unterstützung
- References/Literatur
Zusammenfassung
Einleitung Der mütterliche Ernährungsstatus vor, während und nach der Schwangerschaft spielt eine wichtige Rolle für die Gesundheit von Mutter und Kind. Neben einer ausgewogenen Mischkost sollte der Mehrbedarf an Folsäure und Jod zusätzlich durch Supplemente sichergestellt werden. Ziel dieser Arbeit war es, die Nährstoffsupplementierung rund um die Schwangerschaft zu erfassen sowie den Einfluss einer gezielten Beratung auf das Supplementierungsverhalten während und nach der Schwangerschaft zu untersuchen.
Methoden Im Rahmen der „Gesund leben in der Schwangerschaft“ (GeliS)-Studie erhielten Frauen der Interventionsgruppe (IG) 4 strukturierte Lebensstilberatungen in der Schwangerschaft und postpartal, in denen sie auch über eine angemessene Nährstoffsupplementierung informiert wurden. Die Frauen der Kontrollgruppe (KG) durchliefen die routinemäßige Schwangerenvorsorge. Die Einnahme von Nährstoffsupplementen wurde zu verschiedenen Zeitpunkten mithilfe eines Fragebogens erfasst.
Ergebnisse Insgesamt wurden 2099 Frauen in die Analyse eingeschlossen. Präkonzeptionell supplementierten 31,3% der Frauen der IG und 31,4% der Frauen der KG Folsäure. Pränatal nahm etwa die Hälfte der Frauen Folsäure (IG: 54,1%; KG: 52,0%) und Jod (IG: 50,2%; KG: 48,2%) ein. Weder vor Studieneinschluss noch während der Intervention bestanden statistisch signifikante Gruppenunterschiede im Supplementierungsverhalten. Während der Schwangerschaft supplementierten 23,0% aller Frauen Docosahexaensäure (DHA) und 21,8% Eisen. 49,4% der Frauen nahmen zusätzlich Vitamin D ein. Ein höherer Bildungsstand (p < 0,001), höheres Alter (p < 0,001), Primiparität (p < 0,001) und eine vegetarische Ernährungsweise (p = 0,037) waren mit einer höheren Nährstoffsupplementierung assoziiert.
Schlussfolgerung Die GeliS-Lebensstilberatung konnte das Supplementierungsverhalten der Frauen während und nach der Schwangerschaft nicht wesentlich verbessern. Frauen sollten im Rahmen der gynäkologischen Betreuung frühzeitig über eine adäquate Nährstoffsupplementierung aufgeklärt werden.
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Einleitung
Der Ernährungsstatus rund um die Schwangerschaft spielt eine wichtige Rolle für den Verlauf der Schwangerschaft, die Gesundheit der werdenden Mutter sowie für die Entwicklung und langfristige Gesundheit des Kindes [1], [2], [3]. Die derzeitigen Ernährungsempfehlungen für Frauen vor, während und nach der Schwangerschaft orientieren sich an den Handlungsempfehlungen des bundesweiten Netzwerks „Gesund ins Leben – Netzwerk Junge Familie“ [4], [5] sowie an den Empfehlungen für eine gesunde Ernährung bei Erwachsenen [6]. Eine abwechslungsreiche und ausgewogene Mischkost kann den teilweise erhöhten Bedarf an Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen rund um die Schwangerschaft weitgehend sicherstellen [4], [7]. Dies trifft jedoch nicht auf alle Nährstoffe uneingeschränkt zu. Insbesondere die Zufuhr von Folsäure und Jod stellt eine Ausnahme dar, weil der Mehrbedarf der beiden Mikronährstoffe durch die üblichen Ernährungsgewohnheiten in Deutschland nicht gedeckt wird [4], [8], [9]. Um eine Unterversorgung zu vermeiden, wird daher empfohlen, den erhöhten Folsäure- und Jodbedarf bereits vor bzw. zu Beginn der Schwangerschaft zusätzlich durch Supplemente sicherzustellen [4]. Der Nutzen der Supplementierung von Folsäure und Jod als Präventionsstrategie für die Gesundheit von Mutter und Kind ist hinreichend wissenschaftlich belegt [10], [11], [12]. Frauen, die eine Schwangerschaft planen, wird laut aktuellen Empfehlungen geraten, spätestens 4 Wochen vor Konzeption bis zum Ende des 1. Trimesters täglich zusätzlich 400 µg Folsäure einzunehmen. Die Dosierung sollte erhöht werden, falls eine Folsäuresupplementierung weniger als 4 Wochen vor Konzeption beginnt [4]. Eine Supplementierung von Folsäure vor der Schwangerschaft bis zum Ende des 1. Trimesters kann das Risiko für Neuralrohrdefekte signifikant senken [10], [11]. Neben der Folsäureeinnahme sollten täglich 100 – 150 µg Jod während der Schwangerschaft und 100 µg Jod nach der Schwangerschaft bis zum Ende der Stillzeit zugeführt werden, um die empfohlene Gesamtzufuhr von 230 bzw. 260 µg pro Tag zu erreichen [4], [5], [8]. Ein Defizit in der Jodversorgung ist mit einer höheren Fehl- und Totgeburtenrate assoziiert und kann sich ungünstig auf die körperliche und geistige Entwicklung des wachsenden Kindes auswirken [12], [13], [14]. Dagegen wird eine zusätzliche Einnahme von Eisen, Docosahexaensäure (DHA) und Vitamin D nur bei ärztlich diagnostizierter Unterversorgung angeraten [4]. Trotz dieser Empfehlungen existiert bei vielen Schwangeren und auch bei ihren Frauenärzten und Frauenärztinnen Verunsicherung über eine sinnvolle Supplementierung rund um die Schwangerschaft. Eine Querschnittstudie zeigte bereits vor Jahren, dass schwangere Frauen in Deutschland sinnvolle Nährstoffsupplemente zu spät oder zu selten, nicht benötigte Supplemente dagegen häufig im Übermaß bzw. in hoher Dosierung einnehmen [15]. Unklar ist bisher, ob diese Situation durch eine gezielte Beratung beeinflusst werden kann. Im Rahmen der „Gesund leben in der Schwangerschaft“ (GeliS)-Studie [16] wurde die Nährstoffsupplementierung der Teilnehmerinnen rund um die Schwangerschaft erfasst. Dabei wurde außerdem untersucht, inwiefern eine Lebensstilberatung in der Schwangerschaft, die sich an den Empfehlungen des Netzwerks „Gesund ins Leben – Netzwerk Junge Familie“ [17] orientierte und in Frauenarztpraxen durchgeführt wurde, das Supplementierungsverhalten der Frauen während der Schwangerschaft und in der postpartalen Zeit im Vergleich zu einer Kontrollgruppe verbesserte.
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Methoden
Design und Setting der GeliS-Studie
Die GeliS-Studie ist eine multizentrische, prospektive, clusterrandomisierte, kontrollierte, offene Interventionsstudie, die in 10 bayerischen Regionen der Regierungsbezirke Oberbayern, Oberpfalz, Oberfranken, Mittelfranken und Unterfranken durchgeführt wurde [16]. Pro Regierungsbezirk wurden je eine Interventions- und eine Kontrollregion ausgewählt, die hinsichtlich Geburtenzahl und demografischer Kenngrößen vergleichbar waren. In den Interventionsregionen führte speziell geschultes Praxispersonal, darunter medizinische Fachangestellte, Hebammen und Frauenärzte/Frauenärztinnen, Lebensstilberatungen zu 3 Zeitpunkten je zwischen der 12. – 16., 16. – 20. und 30. – 34. Schwangerschaftswoche (SSW) durch. Eine weitere Beratung fand nach der Geburt (6. – 8. Woche post partum) statt [16]. Das primäre Ziel der Studie war es, mit dieser Intervention den Anteil der Frauen, die nach den Kriterien des Institute of Medicine [18] in der Schwangerschaft übermäßig an Gewicht zunahmen, zu senken [19]. Das Studienprotokoll wurde von der Ethikkommission der Fakultät für Medizin der Technischen Universität München genehmigt und die Studie wurde unter ClinicalTrials.gov Protocol Registration System (NCT01958307) registriert.
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Rekrutierung der Teilnehmerinnen
Zwischen 2013 und 2015 wurden in 71 gynäkologischen Praxen 2286 schwangere Frauen für die GeliS-Studie rekrutiert. Die Teilnehmerinnen wurden vor der 12. SSW eingeschlossen, wenn sie zwischen 18 und 43 Jahre alt waren, einen Body-Mass-Index (BMI) zwischen 18,5 und 40,0 kg/m2 aufwiesen, über ausreichende deutsche Sprachkenntnisse verfügten und ihr schriftliches Einverständnis gegeben hatten. Ausgeschlossen wurden Frauen mit Mehrlings- sowie Risikoschwangerschaften oder sonstigen schweren Erkrankungen, welche die Einhaltung des Studienprotokolls beeinträchtigten. Gründe für einen Ausschluss der Studienteilnehmerinnen im Verlauf der Interventionsphase waren das Auftreten von Fehlgeburten, schwere Schwangerschaftskomplikationen oder -abbrüche sowie der Tod der Mutter [16].
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Die GeliS-Lebensstilintervention
Die Beratungsgespräche behandelten die Themen gesunde Ernährung und Supplementierung in Schwangerschaft und Stillzeit, körperliche Aktivität sowie eine angemessene Gewichtszunahme in der Schwangerschaft. In den Beratungsgesprächen wurden die Teilnehmerinnen der Interventionsgruppe (IG) über den Mehrbedarf an Vitaminen und Mineralstoffen und die Bedeutung der Mikronährstoffe Jod und Folsäure informiert. Eine Supplementierung von Eisen sollte lediglich bei nachgewiesener Unterversorgung erfolgen. Alle Inhalte der Lebensstilberatungen basierten auf den Handlungsempfehlungen des Netzwerks „Gesund ins Leben – Netzwerk Junge Familie“ [17] und wurden mithilfe von standardisierten Präsentationstafeln sowie einer Begleitmappe und Broschüren vermittelt. Die Frauen der Kontrollgruppe (KG) erhielten neben den routinemäßigen Vorsorgeuntersuchungen in der Schwangerschaft lediglich einen Flyer und Broschüren mit kurzen und allgemeinen Informationen über einen gesunden Lebensstil in der Schwangerschaft [16].
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Erhebung der Nährstoffsupplementierung und weiterer Kovariaten
Bei Studieneinschluss wurden anthropometrische, demografische und sozioökonomische Charakteristika der Studienteilnehmerinnen, wie z. B. Alter, Größe, Gewicht vor der Schwangerschaft, Bildungsstand und Parität, mithilfe eines Fragebogens erhoben. Zur Berechnung der mütterlichen Gewichtszunahme während der Schwangerschaft wurde das letzte gemessene Gewicht vor der Entbindung und das erste gemessene Gewicht bei der Rekrutierung der Teilnehmerinnen herangezogen. In der Frühschwangerschaft (< 12. SSW), in der Spätschwangerschaft (30. – 34. SSW), sowie 6 – 8 Wochen nach der Geburt wurden die Frauen anhand eines papierbasierten Fragebogensets zu ihrem Ernährungs-, Bewegungsverhalten sowie zur Einnahme von Nährstoffsupplementen befragt. Der Fragebogen beinhaltete ein Freitextfeld zur Erfassung der Produktbezeichnung(en) und des Herstellers des eingenommenen Präparates. Der Einnahmezeitraum wurde durch folgende Antwortmöglichkeiten bestimmt:
-
„nur vor der Schwangerschaft“
-
„vor der Schwangerschaft und bis zur … Schwangerschaftswoche“
-
„von der … Schwangerschaftswoche bis zur … Schwangerschaftswoche“
Nach der Geburt wurde der Einnahmezeitraum mit den Auswahlmöglichkeiten
-
„seit der Geburt und bis zur … Woche nach der Geburt“ und
-
„von der … Woche bis zur … Woche nach der Geburt“ abgefragt.
Die Häufigkeit der Supplementeinnahme wurde während und nach der Schwangerschaft mit den Antwortmöglichkeiten
-
„täglich mehrmals“,
-
„täglich einmal“,
-
„alle … Tage“ und
-
„wöchentlich“ ermittelt.
Die Angaben aus dem Freitextfeld wurden für die Analyse der Supplementeinnahme berücksichtigt, sofern es sich laut Nahrungsergänzungsmittelverordnung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz [20] sowie der Richtlinie 2002/46/EC103 des Europäischen Parlaments und des Rates [21] um Supplemente handelte. Angaben zu verschreibungspflichtigen Medikamenten, apothekenpflichtigen Produkten, homöopathischen Arzneimitteln sowie Pharmazeutika wurden ausgeschlossen. Mithilfe des angegebenen Produktnamens wurden die enthaltenen Mikronährstoffe sowie die Dosierungsanleitung des jeweiligen Präparates ermittelt. Die Mikronährstoffmenge gemäß der Dosierungsanleitung wurde mit der im Fragebogen angegebenen Einnahmehäufigkeit multipliziert, um die tägliche Einnahmemenge der Nährstoffe zu erhalten.
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Statistische Auswertung
Für die vorliegende Analyse wurden alle Teilnehmerinnen berücksichtigt, die mindestens einen der 3 Fragebögen zu den Supplementen beantwortet hatten. Teilnehmerinnen wurden für einzelne Analysen ausgeschlossen, wenn die dafür notwendigen Angaben fehlten. Auf Unterschiede zwischen der IG und der KG hinsichtlich der Einnahme von Folsäure, Jod und anderen Mikronährstoffen für die Zeit vor, während und nach der Schwangerschaft wurde mithilfe von generalisierten Schätzgleichungen getestet. Diese berücksichtigen im generalisierten linearen und logistischen Regressionsmodell die Cluster-Randomisierung der Studie [22]. Mittels logistischer Regressionsmodelle wurde für die Folsäureinnahme der Interventionseffekt innerhalb verschiedener Subgruppen untersucht. Die Einnahme ausgewählter Mikronährstoffe wurde unabhängig von der Gruppenzugehörigkeit betrachtet. Für die Berechnung der mittleren, täglich zugeführten Menge der Nährstoffe (Angabe der Mediane) wurde der Anteil an Teilnehmerinnen berücksichtigt, mit deren Angaben zu Produktnamen und Einnahmehäufigkeit die Menge des jeweiligen Mikronährstoffs ermittelt werden konnte. Folglich wurden Frauen, die hierzu keine Angaben machten, für die Berechnung der Nährstoffmenge ausgeschlossen. Im Rahmen einer Kohortenanalyse wurde mithilfe eines binär logistischen Regressionsmodells der mögliche Einfluss von demografischen sowie sozioökonomischen Faktoren auf die generelle Einnahme von Nährstoffsupplementen untersucht. Hierfür wurde die Gruppenzugehörigkeit als zusätzlicher Adjustierungsfaktor in das Modell einbezogen. Die statistische Auswertung der Daten erfolgte mit IBM SPSS Statistik für Windows (Version 26.0 IBM Corp, Armonk, NY, USA). Bei allen Regressionsmodellen wurden die BMI-Kategorie vor der Schwangerschaft sowie das Alter, die Parität und der Bildungsstand der Frauen als Adjustierungsfaktoren berücksichtigt. Das Signifikanzniveau wurde auf < 0,05 festgelegt. Da es sich um eine explorative Analyse handelt, erfolgte keine Korrektur für multiples Testen.
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Ergebnisse
Teilnehmerinnen und deren Charakteristika
Insgesamt wurden 2286 Frauen in die GeliS-Studie eingeschlossen ([Abb. 1]). Nach Überprüfung der Ein- und Ausschlusskriterien wurden 25 Frauen nachträglich ausgeschlossen, sodass 1139 der Frauen die Lebensstilberatungen und 1122 der Frauen die routinemäßige Schwangerenvorsorge erhielten. Nach Ausschluss der Frauen, die vorzeitig aus der Studie ausgeschieden waren, verblieben 2174 Frauen für die Auswertung der Supplementeinnahme. Da nicht alle Frauen zu mindestens einem der Erhebungszeitpunkte Angaben zu ihrem Supplementierungverhalten machten, standen Daten von 2099 Teilnehmerinnen (IG: n = 1060; KG: n = 1039) für die Analyse zur Verfügung. Für den Zeitpunkt der Frühschwangerschaft lagen Angaben von 2023, für den Zeitpunkt der Spätschwangerschaft von 1899 und 6 – 8 Wochen nach der Geburt von 1787 Frauen vor ([Abb. 1]).
Im Mittel waren die Frauen 30,2 Jahre alt und wiesen vor der Schwangerschaft einen durchschnittlichen BMI von 24,3 kg/m2 auf ([Tab. 1]). Ein Drittel der Frauen wurde als übergewichtig oder adipös eingestuft. Die mittlere Gewichtszunahme während der Schwangerschaft betrug 13,9 kg in der IG und 14,0 kg in der KG. 15,7% aller Frauen hatten einen Hauptschulabschluss, während 42,2% der Studienteilnehmerinnen einen Realschulabschluss und 42,1% das Abitur oder einen Hochschulabschluss angaben. Der Anteil der Frauen, die als Geburtsland Deutschland genannt hatten, betrug 88,8%. Im Vergleich zur KG waren in der IG mehr erstgebärende Frauen (IG: 62,4% vs. KG: 53,6%).
Interventionsgruppe (n = 1060) |
Kontrollgruppe (n = 1039) |
Gesamt (n = 2099) |
|
---|---|---|---|
BMI: Body-Mass-Index. a Mittelwert ± Standardabweichung. |
|||
Alter vor der Schwangerschaft (Jahre)a |
30,1 ± 4,3 |
30,3 ± 4,6 |
30,2 ± 4,5 |
Gewicht vor der Schwangerschaft (kg)a |
68,4 ± 13,1 |
67,9 ± 13,7 |
68,1 ± 13,4 |
BMI vor der Schwangerschaft (kg/m2)a |
24,4 ± 4,4 |
24,3 ± 4,6 |
24,3 ± 4,5 |
BMI-Kategorie vor der Schwangerschaft, n (%) |
|||
|
685/1060 (64,6%) |
687/1039 (66,1%) |
1372/2099 (65,4%) |
|
251/1060 (23,7%) |
225/1039 (21,7%) |
476/2099 (22,7%) |
|
124/1060 (11,7%) |
127/1039 (12,2%) |
251/2099 (12,0%) |
Gewichtszunahme in der Schwangerschaft (kg)a |
13,9 ± 5,3 |
14,0 ± 5,3 |
13,9 ± 5,3 |
Bildungsstand, n (%) |
|||
|
155/1059 (14,6%) |
173/1035 (16,7%) |
328/2094 (15,7%) |
|
455/1059 (43,0%) |
429/1035 (41,4%) |
884/2094 (42,2%) |
|
449/1059 (42,4%) |
433/1035 (41,8%) |
882/2094 (42,1%) |
Geburtsland, n (%) |
|||
|
931/1059 (87,9%) |
929/1036 (89,7%) |
1860/2095 (88,8%) |
|
128/1059 (12,1%) |
107/1036 (10,3%) |
235/2095 (11,2%) |
mit Partner zusammenlebend, n (%) |
1021/1056 (96,7%) |
988/1036 (95,4%) |
2009/2092 (96,0%) |
erstgebärend, n (%) |
661/1060 (62,4%) |
556/1038 (53,6%) |
1217/2098 (58,0%) |
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Supplementeinnahme in der Interventions- und Kontrollgruppe
Vor, während bzw. nach der Schwangerschaft nahmen 64,0% der Frauen in der IG und 63,7% der Frauen in der KG Nährstoffsupplemente ein ([Tab. 2]). Vor der Schwangerschaft lag dieser Anteil bei 34,6% in der IG und 34,5% in der KG, der sich in der Frühschwangerschaft auf 54,5% in der IG und 52,2% in der KG erhöhte. Im Verlauf der Schwangerschaft bis einschließlich 6 – 8 Wochen post partum verringerte sich der Anteil stetig. In der postpartalen Phase gab ein größerer Anteil der Frauen in der KG an, Supplemente einzunehmen (IG: 14,4%; KG: 28,0%). Der Gruppenunterschied in der postpartalen Supplementierungsrate war im unadjustierten Modell statistisch signifikant (Daten nicht gezeigt); dies bestätigte sich nach Berücksichtigung der Adjustierungsfaktoren jedoch nicht ([Tab. 2]).
Interventionsgruppe |
Kontrollgruppe |
Effektstärke (95%-KI)a |
p-Wert |
|||
---|---|---|---|---|---|---|
n |
% |
n |
% |
|||
KI: Konfidenzintervall. a Logistisches Regressionsmodell, adjustiert für BMI-Kategorie vor der Schwangerschaft, Alter, Bildungsstand, Parität. b Betrachtet wurden Teilnehmerinnen, die vor und/oder während und/oder nach der Schwangerschaft Supplemente eingenommen haben. |
||||||
Supplemente generell |
||||||
rund um die Schwangerschaftb |
678/1060 |
64,0% |
662/1039 |
63,7% |
0,97 (0,70 – 1,33) |
0,840 |
vor der Schwangerschaft |
364/1052 |
34,6% |
358/1039 |
34,5% |
0,98 (0,85 – 1,12) |
0,726 |
während der Schwangerschaft |
627/1052 |
59,6% |
600/1039 |
57,7% |
1,02 (0,84 – 1,25) |
0,835 |
|
573/1052 |
54,5% |
542/1039 |
52,2% |
1,07 (0,89 – 1,29) |
0,483 |
|
488/954 |
51,2% |
486/945 |
51,4% |
0,95 (0,70 – 1,28) |
0,720 |
|
437/954 |
45,8% |
426/945 |
45,1% |
0,97 (0,75 – 1,26) |
0,819 |
post partum |
128/891 |
14,4% |
251/896 |
28,0% |
0,28 (0,05 – 1,66) |
0,160 |
Folsäure |
||||||
vor der Schwangerschaft |
329/1052 |
31,3% |
326/1039 |
31,4% |
0,96 (0,87 – 1,06) |
0,414 |
während der Schwangerschaft |
569/1052 |
54,1% |
540/1039 |
52,0% |
1,07 (0,91 – 1,27) |
0,416 |
|
545/1052 |
51,8% |
508/1039 |
48,9% |
1,10 (0,93 – 1,31) |
0,279 |
|
427/954 |
44,8% |
428/945 |
45,3% |
0,94 (0,73 – 1,20) |
0,603 |
|
340/954 |
35,6% |
345/945 |
36,5% |
0,93 (0,73 – 1,18) |
0,560 |
post partum |
105/891 |
11,8% |
197/896 |
22,0% |
0,36 (0,07 – 1,82) |
0,213 |
Jod |
||||||
vor der Schwangerschaft |
287/1052 |
27,3% |
281/1039 |
27,0% |
1,03 (1,00 – 1,07) |
0,070 |
während der Schwangerschaft |
528/1052 |
50,2% |
501/1039 |
48,2% |
1,05 (0,86 – 1,27) |
0,660 |
|
503/1052 |
47,8% |
465/1039 |
44,8% |
1,11 (0,90 – 1,36) |
0,352 |
|
398/954 |
41,7% |
396/945 |
41,9% |
0,94 (0,72 – 1,24) |
0,682 |
|
317/954 |
33,2% |
317/945 |
33,5% |
0,95 (0,75 – 1,21) |
0,665 |
post partum |
108/891 |
12,1% |
215/896 |
24,0% |
0,29 (0,05 – 1,57) |
0,151 |
Folsäure wurde in der IG und KG von 31,3% bzw. 31,4% der Frauen präkonzeptionell supplementiert. Der Anteil stieg im 1. Trimester an (IG: 51,8%; KG: 48,9%) und nahm im weiteren Schwangerschaftsverlauf ab. Die präkonzeptionelle Jodeinnahme lag bei 27,3% in der IG und bei 27,0% in der KG, während der Schwangerschaft bei 50,2% in der IG und bei 48,2% in der KG ([Tab. 2]). Vor Studieneinschluss bestand kein statistisch signifikanter Gruppenunterschied in der Supplementeinnahme. Auch durch die Intervention wurde weder bei der generellen Supplementeinnahme noch bei der Folsäure- oder Jodeinnahme während und nach der Schwangerschaft statistische Evidenz für signifikante Gruppenunterschiede festgestellt ([Tab. 2]). Die Analyse zur Supplementierung von Eisen, DHA und Vitamin D zeigte ebenfalls keine Gruppenunterschiede (Tab. S1).
Weiterführende Analysen bestätigten einen signifikanten Einfluss der Lebensstilintervention auf die Nährstoffsupplementierung in bestimmten Subgruppen (Tab. S2). Die Folsäureeinnahme von Frauen in der IG mit dem höchsten Bildungsabschluss war im 2. (p = 0,017) und 3. (p = 0,017) Trimester signifikant geringer als in der KG. Im Vergleich zur KG supplementierte ein höherer Anteil der Frauen der IG mit einem mittleren Schulabschluss Folsäure während der Schwangerschaft (p < 0,001). Unter den Frauen mit niedrigem Bildungsabschluss wurde im 3. Trimester signifikant häufiger Folsäure (p = 0,048) in der IG im Vergleich zur KG zugeführt. Signifikante Subgruppenunterschiede ergaben sich hinsichtlich der BMI-Kategorie und des Alters, wonach ein höherer Anteil an Frauen mit Adipositas (2. Trimester: p < 0,001; 3. Trimester: p = 0,004) sowie unter den 18 – 25-Jährigen (2. Trimester: p = 0,004; 3. Trimester: p = 0,014) der IG im Vergleich zur KG während der Schwangerschaft Folsäure einnahm. Bei den Analysen zur Jodzufuhr in diesen Subgruppen zeigte sich ein ähnliches Bild (Daten nicht gezeigt).
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Weitere Nährstoffsupplementierung und Dosierung
[Tab. 3] zeigt die Einnahme weiterer Mikronährstoffe unabhängig von der Gruppenzugehörigkeit der Teilnehmerinnen. Rund um die Schwangerschaft wurden von den Frauen insgesamt 467 verschiedene Präparate von Nahrungsergänzungsmitteln eingenommen, die insgesamt 24 verschiedene Mikronährstoffe enthielten. Mehr als jede 5. Frau gab an, während der Schwangerschaft Eisen (21,8%) oder DHA (23,0%) zu substituieren. Der Anteil der Frauen, die Eisenpräparate einnahmen, erhöhte sich mit zunehmender Schwangerschaftsdauer. Der Anteil der Frauen, die DHA zuführten, war eher stabil ([Tab. 3]). Vitamin D wurde vor der Schwangerschaft von 28,6%, in der Frühschwangerschaft von 46,6% und in der Spätschwangerschaft von 33,1% der Studienteilnehmerinnen supplementiert ([Tab. 3]). Magnesium wurde im 2. und 3. Trimester von 23,7% der Schwangeren supplementiert ([Tab. 3]). Darüber hinaus gaben 50,5% der Studienteilnehmerinnen an, während der Schwangerschaft Vitamin B12 zu supplementieren ([Tab. 3]).
vor der Schwangerschaft |
während der Schwangerschaft |
post partum |
||||
---|---|---|---|---|---|---|
n |
% |
n |
% |
n |
% |
|
Angaben in %. DHA: Docosahexaensäure; T1: Trimester 1; T2: Trimester 2; T3: Trimester 3. |
||||||
Eisen |
110/2091 |
5,3% |
455/2091 |
21,8% |
84/1787 |
4,7% |
T1 |
12,0% |
|||||
T2 |
17,4% |
|||||
T3 |
19,7% |
|||||
DHA |
135/2091 |
6,5% |
481/2091 |
23,0% |
140/1787 |
7,8% |
T1 |
17,7% |
|||||
T2 |
21,5% |
|||||
T3 |
18,7% |
|||||
Vitamin D |
597/2091 |
28,6% |
1032/2091 |
49,4% |
283/1787 |
15,8% |
T1 |
46,6% |
|||||
T2 |
41,1% |
|||||
T3 |
33,1% |
|||||
Magnesium |
130/2091 |
6,2% |
529/2091 |
25,3% |
51/1787 |
2,9% |
T1 |
13,5% |
|||||
T2 |
23,7% |
|||||
T3 |
23,7% |
|||||
Vitamin B12 |
614/2091 |
29,4% |
1055/2091 |
50,5% |
285/1787 |
15,9% |
T1 |
47,5% |
|||||
T2 |
42,4% |
|||||
T3 |
33,9% |
In weiteren Analysen wurden die mittleren, täglich zugeführten Mengen ausgewählter Mikronährstoffe berechnet. Die Frauen, die Folsäure supplementierten und deren Einnahmemenge bestimmt werden konnte, nahmen sowohl vor der Schwangerschaft als auch im 1. Trimester im Median täglich 800 µg Folsäure zusätzlich ein ([Tab. 4]). Die Dosis reduzierte sich ab dem 2. Trimester bis einschließlich des postpartalen Zeitraums auf 400 µg/Tag. Die mediane Jodzufuhr lag konstant bei 150 µg täglich. Die Frauen, deren Menge an zugeführtem Eisen ermittelt werden konnte, supplementierten bis einschließlich des 2. Trimesters durchschnittlich 15 mg/Tag. Die tägliche Eisenzufuhr per Supplemente war im letzten Schwangerschaftsdrittel mit 37,0 mg/Tag am höchsten. Die Magnesiumdosis wurde vom Zeitraum vor der Schwangerschaft bis zum Ende der Schwangerschaft stetig erhöht ([Tab. 4]). Demgegenüber wurde Vitamin B12 vor der Schwangerschaft und im 1. Trimester am höchsten dosiert (9,0 µg).
vor der Schwangerschaft |
während der Schwangerschaft |
post partum |
||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Trimester 1 |
Trimester 2 |
Trimester 3 |
||||||||
na |
Median |
na |
Median |
na |
Median |
na |
Median |
na |
Median |
|
d: Tag; DHA: Docosahexaensäure. a Betrachtet wurden die Teilnehmerinnen, aus deren Angabe zu Produktname und Einnahmehäufigkeit eine Einnahmemenge des jeweiligen Mikronährstoffs berechnet werden konnte. |
||||||||||
Folsäure (µg/d) |
540/655 |
800,0 |
917/1053 |
800,0 |
785/855 |
400,0 |
634/685 |
400,0 |
275/302 |
400,0 |
Jod (µg/d) |
483/568 |
150,0 |
865/968 |
150,0 |
749/794 |
150,0 |
601/634 |
150,0 |
286/323 |
150,0 |
Eisen (mg/d) |
90/110 |
15,0 |
199/251 |
15,0 |
303/331 |
15,0 |
335/374 |
37,0 |
74/84 |
15,0 |
DHA (mg/d) |
105/135 |
100,0 |
302/370 |
200,0 |
383/408 |
200,0 |
334/355 |
200,0 |
127/140 |
200,0 |
Vitamin D (µg/d) |
509/597 |
20,0 |
865/974 |
20,0 |
728/780 |
20,0 |
586/628 |
20,0 |
263/283 |
20,0 |
Magnesium (mg/d) |
87/130 |
150,0 |
213/283 |
180,0 |
381/451 |
245,0 |
374/450 |
266,7 |
46/51 |
94,0 |
Vitamin B12 (µg/d) |
526/614 |
9,0 |
890/944 |
9,0 |
763/805 |
4,0 |
614/644 |
3,5 |
266/285 |
3,5 |
#
Einflussfaktoren auf die Einnahme von Supplementen
[Tab. 5] gibt einen Überblick über demografische und soziökonomische Faktoren, die mit der Supplementeinnahme assoziiert waren. Dabei konnte eine signifikant positive Assoziation zwischen dem Bildungsstand und der Einnahme von Supplementen (p < 0,001) beobachtet werden. Zu allen Zeitpunkten war die Supplementierungsrate bei den Frauen mit Abitur/Hochschulabschluss am höchsten (Tab. S3). Es bestand keine signifikante Assoziation zwischen der Supplementeinnahme und der BMI-Kategorie (p = 0,407), jedoch dem Alter der Frauen (p < 0,001). So wurde für Frauen ab dem Alter von 26 Jahren eine höhere Wahrscheinlichkeit für eine Supplementeinnahme im Vergleich zur Altersgruppe der 18 – 25-Jährigen identifiziert (26 – 35 Jahre: p < 0,001; 36 – 43 Jahre: p = 0,012). Der beobachtete Unterschied zwischen den Altersgruppen war im Zeitraum vor der Schwangerschaft sowie im 1. Trimester statistisch signifikant (Tab. S3). Eine signifikante Assoziation bestand zudem zwischen einer höheren Einnahmerate von Supplementen und der Tatsache, ob Frauen erstgebärend waren (p < 0,001), nicht rauchten (p < 0,001) oder sich vegetarisch ernährten (p = 0,037). Insbesondere im 2. und 3. Trimester war die Wahrscheinlichkeit einer Supplementierung von Mikronährstoffen unter den Vegetarierinnen höher als unter den Nicht-Vegetarierinnen (Tab. S4).
vor, während, nach der Schwangerschafta |
||||
---|---|---|---|---|
n |
% |
Effektstärke (95%-KI) |
p-Wert |
|
KI: Konfidenzintervall; BMI: Body-Mass-Index. a Betrachtet wurden Teilnehmerinnen, die vor und/oder während und/oder nach der Schwangerschaft Supplemente eingenommen haben. b Binär logistisches Regressionsmodell, adjustiert für Gruppenzugehörigkeit, BMI-Kategorie vor der Schwangerschaft, Alter, Parität. c Binär logistisches Regressionsmodell, adjustiert für Gruppenzugehörigkeit, Bildungsstand, Alter, Parität. d Binär logistisches Regressionsmodell, adjustiert für Gruppenzugehörigkeit, Bildungsstand, BMI-Kategorie vor der Schwangerschaft, Parität. e Binär logistisches Regressionsmodell, adjustiert für Gruppenzugehörigkeit, Bildungsstand, BMI-Kategorie vor der Schwangerschaft, Alter. f Binär logistisches Regressionsmodell, adjustiert für Gruppenzugehörigkeit, Bildungsstand, BMI-Kategorie vor der Schwangerschaft, Alter, Parität. |
||||
Bildungsstandb |
< 0,001 |
|||
|
151/328 |
46,0% |
Referenz |
|
|
524/884 |
59,3% |
1,58 (1,33 – 1,87) |
< 0,001 |
|
662/882 |
75,1% |
3,00 (2,40 – 3,73) |
< 0,001 |
BMI-Kategoriec |
0,407 |
|||
|
908/1372 |
66,2% |
Referenz |
|
|
285/476 |
59,9% |
0,87 (0,70 – 1,09) |
0,209 |
|
147/251 |
58,6% |
0,89 (0,72 – 1,08) |
0,217 |
Alterd |
< 0,001 |
|||
|
149/298 |
50,0% |
Referenz |
|
|
1023/1544 |
66,3% |
1,66 (1,31 – 2,10) |
< 0,001 |
|
165/255 |
65,1% |
1,62 (1,11 – 2,36) |
0,012 |
Paritäte |
< 0,001 |
|||
|
537/881 |
61,0% |
Referenz |
|
|
803/1217 |
66,0% |
1,26 (1,12 – 1,41) |
0,001 |
Rauchverhaltenf |
< 0,001 |
|||
|
1097/1568 |
70,0% |
Referenz |
|
|
85/213 |
39,9% |
0,40 (0,34 – 0,47) |
< 0,001 |
vegetarische Ernährungf |
0,037 |
|||
|
1217/1852 |
65,7% |
Referenz |
|
|
80/111 |
72,1% |
1,24 (1,01 – 1,52) |
0,037 |
#
#
Diskussion
In der vorliegenden Arbeit wurde das Supplementierungsverhalten einer großen Kohorte schwangerer Frauen untersucht und insbesondere überprüft, inwiefern die Lebensstilberatungen im Rahmen der GeliS-Studie das Supplementierungsverhalten von Frauen während der Schwangerschaft und der postpartalen Zeit beeinflussten. Die Ergebnisse zeigen keine wesentliche Veränderung des Supplementierungsverhaltens durch die Intervention. In beiden Gruppen wurden Folsäure und Jod nur von etwa 50% der Frauen während der Schwangerschaft supplementiert. Dagegen wurden andere Mikronährstoffe, trotz fehlender Empfehlung zur Supplementierung, häufig und teilweise in hoher Dosierung eingenommen. Die Empfehlungen des bundesweiten Netzwerks „Gesund ins Leben – Netzwerk Junge Familie“ [4] wurden demnach nur partiell eingehalten.
Nach diesen Empfehlungen ist vor allem die zeitgerechte Supplementierung von Folsäure und Jod relevant. Da sich das Neuralrohr zwischen dem 21. und 26. Tag nach der Konzeption verschließt, ist eine präkonzeptionelle Supplementierung mit 400 – 800 µg Folsäure (abhängig vom Supplementierungsbeginn) essenziell, um das Risiko für Neuralrohrdefekte und andere Fehlbildungen zu senken [4], [12], [23], [24]. In unserer Analyse zeigte sich, dass lediglich ein Drittel der Frauen präkonzeptionell Folsäure einnahm. Drei Querschnittstudien, die 2009 [15], 2015 [25] und 2018/19 [26] in Deutschland durchgeführt wurden, berichteten ähnlich niedrige Folsäuresupplementierungsraten von 33,7%, 25% bzw. 45,4%. Eine vergleichende populationsbezogene Studie mit Daten aus 19 europäischen Ländern einschließlich Deutschland hatte vor einigen Jahren ergeben, dass generelle Empfehlungen zur Folsäuresupplementierung keinen erkennbaren Nutzen zeigen und die Häufigkeit von Neuralrohrdefekten im Zeitraum von 1991 bis 2011 nicht gesunken ist [27]. Diese Erfahrungen haben dazu geführt, dass Neuseeland und Großbritannien, wie schon viele Länder zuvor, kürzlich die verpflichtende Anreicherung von Mehl mit Folsäure angeordnet haben [28]. Angesichts der Situation in Deutschland sollte hierzulande ein ähnlicher Schritt diskutiert werden.
Moderater Jodmangel ist in der deutschen Bevölkerung weitverbreitet [29], [30] und wegen des erhöhten Bedarfs in der Schwangerschaft und Stillzeit ist eine Jodsupplementierungsrate von nur etwa 50% ebenfalls unbefriedigend. In einer bundesweiten Querschnittstudie [26], die Daten zur Einnahme von Supplementen in der Schwangerschaft retrospektiv erhoben hatte, gaben ebenfalls nur 50,1% der 966 befragten Frauen an, Jod zu supplementieren. Auffällig war in unserer Analyse außerdem, dass die Jodsupplementierung im Verlauf der Schwangerschaft deutlich zurückging und 6 bis 8 Wochen nach Entbindung nur noch zwischen 12 und 24% lag, obwohl der erhöhte Jodbedarf in der Spätschwangerschaft und Stillzeit weiterbesteht und eine Supplementierung empfohlen wird [4], [5]. Nach den Ergebnissen der DEGS1-Untersuchung lag die mediane Jodzufuhr bei Frauen im gebärfähigen Alter im Zeitraum 2008 bis 2011 bei etwa 125 µg/Tag und damit deutlich unterhalb des Zufuhrreferenzwerts von 200 µg/Tag für erwachsene Frauen bzw. der Zufuhrempfehlung von 230 µg/Tag für Frauen in der Schwangerschaft [8], [30]. Da eine Unterversorgung mit Jod die kognitive und psychomotorische Entwicklung der Kinder signifikant beeinträchtigen kann, sollte die Jodzufuhr in dieser kritischen Phase gesteigert werden [31].
Nahezu jede 4. Frau supplementierte täglich 200 mg DHA. Dies entspricht der täglichen Mindestzufuhr, wie sie in den D-A-CH-Referenzwerten für die Nährstoffzufuhr für Schwangere und Stillende benannt wird [8]. Internationale Fachgesellschaften befürworten darüber hinaus eine DHA-Supplementierung für Frauen in Schwangerschaft und Stillzeit [32]. Allerdings lässt sich nach aktueller Datenlage der Nutzen einer generellen DHA-Supplementierung aller Schwangeren nicht eindeutig belegen [33], sodass in Deutschland eine DHA-Supplementierung hauptsächlich für Frauen empfohlen wird, die auf Fischkonsum, besonders fettreichen Meeresfisch, verzichten [4].
Etwa 20% der Teilnehmerinnen nahmen Eisensupplemente in sehr unterschiedlicher Dosierung ein. Zwar gibt es im deutschsprachigen Raum keine gesicherten, repräsentativen Daten zur Prävalenz der Eisenmangelanämie in der Schwangerschaft, Schätzungen gehen jedoch davon aus, dass europaweit bei 28 – 85% der schwangeren Frauen ein Eisenmangel vorliegt [34]. Die Häufigkeit einer tatsächlichen Eisenmangelanämie liegt in Europa im Durchschnitt bei etwa 9% der schwangeren Frauen [35]. In diesen Fällen ist eine Supplementierung mit 30 – 40 mg/Tag indiziert [35], [36]. Grundsätzlich wird keine generelle, sondern eine gezielte Supplementierung mit Eisenpräparaten bei ärztlich diagnostizierter Unterversorgung befürwortet [4]. Inwiefern die Supplementierung in der vorliegenden Kohorte auf ärztliches Anraten erfolgte, wurde nicht erfasst.
Die Vitamine B12 und D wurden von etwa der Hälfte der Frauen im Verlauf der Schwangerschaft eingenommen. Für die generelle Einnahme von Vitamin D während der Schwangerschaft gibt es keine ausreichende Evidenz [37], [38]. Lediglich bei zu geringer Sonnenexposition, bei Frauen mit dunklem Hauttyp oder bei einem nachgewiesenen Mangel wird eine Supplementierung empfohlen [4]. Die mediane Einnahmedosis von 20 µg/Tag in unserer Analyse entspricht den Zufuhrempfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V. für die Allgemeinbevölkerung bei fehlender körpereigenen Synthese [39]. Inwieweit dies auf die Teilnehmerinnen zutraf, konnte im Rahmen der Studie nicht eruiert werden. Der Vitamin-B12-Bedarf ist in der Schwangerschaft nur gering erhöht [8] und kann mit einer ausgewogenen Mischkost erreicht werden, sodass in der Regel keine Supplementierung angeraten wird. Für schwangere Frauen, die sich vegetarisch oder rein vegan ernähren, gilt Vitamin B12 allerdings als kritischer Nährstoff [4]. Bei weitgehendem oder vollständigem Verzicht auf tierische Lebensmittel ist die dauerhafte Supplementierung eines Vitamin-B12-Präparates sinnvoll [40]. Eine vegetarische Ernährungsweise gaben lediglich 5,3% der GeliS-Teilnehmerinnen an (Daten nicht gezeigt), sodass davon auszugehen ist, dass die Supplementierung häufig ohne medizinische Indikation erfolgte.
Viele Mikronährstoffe wurden in Form von Kombinationspräparaten eingenommen. Abgesehen von Folsäure und Jod gibt es keine wissenschaftliche Evidenz für die Einnahme weiterer Mikronährstoffe.
Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass unter Schwangeren und ihrem Umfeld die Meinung verbreitet ist, dass die übliche Ernährung keine ausreichende Mikronährstoffversorgung sicherstellt und deshalb in der Schwangerschaft eine breite Supplementierung nötig ist. Dies entspricht jedoch nicht der wissenschaftlichen Datenlage. Damit besteht offensichtlich bei Schwangeren und ihren betreuenden Frauenärzten und -ärztinnen Aufklärungsbedarf, um eine unnötige und übermäßige Supplementierung zu vermeiden. Dabei sollte nicht vernachlässigt werden, dass eine ungezielte Supplementierung mit teilweise hohen Dosen einzelner Nährstoffe auch gesundheitliche Risiken für Mutter und Kind bergen kann [41].
In der vorliegenden Analyse zeigte sich, dass ein höherer Bildungsstand und ein höheres Alter mit einer häufigeren Supplementeinnahme assoziiert war. Dieses Ergebnis stimmt mit Beobachtungen anderer Studien überein [7], [42], [43], [44]. Eine Folsäuresupplementierung war bei Frauen, die zum 1. Mal ein Kind erwarteten, höher als bei Frauen, die bereits Kinder geboren hatten (Daten nicht gezeigt). Bei Schwangeren, die sich vegetarisch oder vegan ernährten, fiel eine erhöhte Einnahme von diversen Nährstoffsupplementen einschließlich Vitamin B12 insbesondere im 2. und 3. Trimester auf (Daten nicht gezeigt). Nach aktuellem Konsens ist eine ovo-lakto-vegetarische Ernährungsweise in der Schwangerschaft nicht mit Risiken verbunden, wenn zusätzlich zu Folsäure und Jod auch Vitamin B12 supplementiert wird. Da eine vegetarische und vegane Ernährung bei jungen Frauen zunehmend häufiger praktiziert wird [45], besteht Bedarf an zielgruppenspezifischer Ernährungsberatung, um die individuellen Gegebenheiten besser zu berücksichtigen und eine adäquate Nährstoffversorgung sicherzustellen.
Die vorliegende Arbeit weist Limitationen auf. So wurden die hier präsentierten Daten bereits zwischen 2013 und 2015 erhoben. Zudem wurden die Angaben zur Einnahme von Nährstoffsupplementen retrospektiv mittels eines nicht validierten Fragebogens erhoben. Dabei können Erinnerungslücken und eine Unterschätzung der tatsächlichen Einnahme nicht ausgeschlossen werden. Die vorliegenden Ergebnisse sind nicht repräsentativ für die deutsche Allgemeinbevölkerung, da es sich um eine Kohorte aus einem Bundesland handelt, die Teilnehmerinnen häufig einen hohen Schulabschluss aufwiesen und Schwangere mit Migrationshintergrund bei Sprachbarrieren ausgeschlossen wurden. Eine Stärke der Analyse ist, dass sie einen detaillierten Einblick in das Supplementierungsverhalten einer großen Stichprobe erlaubt und die Nährstoffeinnahme zu definierten Zeitpunkten mehrmalig erfasst wurde. Damit konnte der zeitliche Verlauf vor und während der Schwangerschaft sowie nach Entbindung abgebildet werden. Insbesondere für den postpartalen Zeitraum gibt es bisher kaum Daten zur Nährstoffsupplementierung. Die Ergebnisse zeigen, dass mehr als die Hälfte der Frauen die Supplementierung nach der Entbindung einstellten, was dem weiter bestehenden erhöhten Bedarf in der Stillzeit nicht gerecht wird.
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Schlussfolgerung
Die vorliegenden Ergebnisse liefern deutliche Hinweise, dass die Supplementierung von Mikronährstoffen vor und während der Schwangerschaft sowie in der postpartalen Zeit nicht den aktuellen Empfehlungen entspricht. Die Supplementierungsraten für Folsäure und Jod waren deutlich zu niedrig und für Folsäure nicht zeitgerecht, da die Einnahme häufig zu spät erfolgte. Gleichzeitig wurden viele Mikronährstoffe eingenommen, für die kein Bedarf einer zusätzlichen Supplementierung besteht. Die Empfehlungen für eine bedarfsgerechte Supplementierung in der Interventionsgruppe erwiesen sich allerdings als nicht effektiv. Offensichtlich bedarf es intensiverer Aufklärung im Rahmen der gynäkologischen Betreuung junger Frauen, möglichst bereits bei Kinderwunsch, um das Supplementierungsverhalten signifikant zu verbessern. Hier sind Hebammen und gynäkologische Facharztpraxen besonders gefordert und bei Bedarf sollte zusätzlich eine qualifizierte Ernährungsberatung angeboten werden.
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Finanzielle Unterstützung
Die GeliS-Studie wurde durch die Else Kröner-Fresenius-Stiftung (Bad Homburg), das Else Kröner-Fresenius-Zentrum für Ernährungsmedizin der Technischen Universität München, das Kompetenzzentrum für Ernährung in Bayern, das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege (Gesundheitsinitiative „Gesund.Leben.Bayern.“), die AOK Bayern sowie das DEDIPAC Konsortium als Teil der European Joint Programming Initiative „A Healthy Diet for a Healthy Life“ finanziert. Schrittzähler wurden von der Firma Beurer GmbH (Ulm, Deutschland) kostenlos zur Verfügung gestellt.
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Danksagung
Wir danken unseren Partnern und Förderern, dem Kompetenzzentrum für Ernährung, dem Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, dem Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege, der AOK Bayern und der Else Kröner-Fresenius-Stiftung (Bad Homburg) für ihre Unterstützung. Darüber hinaus danken wir allen Kooperationspartnern und dem Kuratorium, die ausführlich an anderer Stelle genannt werden [19]. Wir bedanken uns bei unseren (ehemaligen) Kolleginnen des Instituts für Ernährungsmedizin Dr. Kathrin Rauh, Dr. Lynne Stecher, Dr. Julia Kunath, Dorothy Meyer, Lara Donik, Dr. Christina Holzapfel, Isabel Lück und Annie Naujoks, sowie Eva Rosenfeld und Luzia Kick vom Kompetenzzentrum für Ernährung für ihre Unterstützung. Außerdem danken wir allen teilnehmenden Praxen, Frauenärzten und Frauenärztinnen, medizinischem Personal, Hebammen, Teilnehmerinnen und deren Familien für ihr Engagement.
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Publication History
Received: 26 October 2021
Accepted after revision: 11 February 2022
Article published online:
16 May 2022
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