Phlebologie 2022; 51(02): 110-111
DOI: 10.1055/a-1773-6102
Gesellschaftsnachrichten
Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie

Kommentar zum Beitrag von Dr. Anya Miller (DGL) und Dres. Jutta Schimmelpfennig und Horst Gerlach (BVP)

Erika Mendoza
 

    Liebe Leser,

    bei unserer Arbeit wählen wir die Verteilung der Ressourcen, und ja, sicherlich wählen wir oft eher die lukrativen Arbeitseinsätze – legitim!! Auch wir sind Wirtschaftsunternehmen - Kliniken wie Praxen. Es ist nicht unsere Schuld, dass Beratung nicht bezahlt wird, dass man sich in der Medizin wertvolle Arbeit, Differenzialdiagnose, Aufklärung und Betreuung, nicht leisten kann. Übrigens auch nicht in der Pflege. Das beobachten wir nun seit Jahren. Aber: irgendwie spielen wir mit.

    Anya Miller hat mir aus der Seele gesprochen, und ich bin sehr dankbar dafür. Wir entwickeln uns (finanziell verständlich) immer weiter als Ärzte in eine Richtung, die nicht patientenfreundlich ist. Das startet bei den Kodierungen in Krankenhäusern, die möglichst viele Diagnosen für bessere DRGs, unnötige Antibiosen sowie Eingriffe an nur einem Bein je Termin bedingen, obwohl das nicht nur menschlich, sondern gesamtgesellschaftlich völliger Wahnsinn ist (2-mal von der Arbeit fernbleiben, 2-mal Menschen organisieren, die einen begleiten, 2-mal Transportkosten, 2-mal steril abdecken etc.). Ganz davon abgesehen, dass die Ungleichverteilung der Honorierung je Maßnahme eine Überindikation bei lukrativen Vorgängen bedingt zulasten sinnvoller, aber nicht bezahlter Prävention, Beratung, „menschlicher“ Medizin.

    Und das alles, weil tatsächlich der Faktor Mensch nicht mehr bezahlt wird? Apparate, Technik, Messbares – dafür bekommen wir Ziffern und dann ein Entgelt. Ein Entgelt, das aber oft nur dann kostendeckend ist, wenn wir viel davon machen. Weil auch die Apparatemedizin zum Beispiel im europäischen Vergleich am unteren Ende im Vergleich der Bezahlung liegt.

    Das hat auch der Beitrag vom Berufsverband (Dres. Schimmelpfennig und Gerlach) hervorragend untermauert – es sind die Geräte, die „Effizienz“, die honoriert werden. Wäre es nicht viel effizienter, wenn im Gespräch zunächst das Krankheitsbild erfasst würde? Wie Bernhard Lown („The lost art of healing“) so treffend sagt: 90% der Diagnosen sind nach einer sorgfältigen Anamnese möglich.

    Würde das Gespräch mit dem Patienten wieder bezahlt, und zwar so, dass nebenher die Praxis nicht pleitegeht (sprich, mindestens 50 Euro in 15 Minuten, damit die Mindestkosten von 150 Euro die Stunde abgedeckt werden und ein Puffer für das Honorar bleibt), dann würde bereits der Hausarzt die Chance bekommen, ohne Geld zu verlieren, Patienten zu beraten. Das wiederum würde bedingen, dass Patienten viel seltener und dafür gezielter beim Facharzt vorgestellt werden. Der Facharzt würde mehr Zeit für einen Patienten haben, weil er weniger Patienten zugewiesen bekommt (und zwar nur die, die der Hausarzt nach Anamnese und Befund für passend zu dieser Fachrichtung empfunden hat).

    Ist das wirklich alles nicht umsetzbar? Wann hören wir auf zu lamentieren und fangen an zu handeln?

    Wäre es ein Lösungsansatz, einen Überleitungsbogen zwischen Fachärzten und Hausärzten mit eindeutiger Diagnose, Erstversorgung mit Kompression und bei Bedarf Krankengymnastik (z.B. MLD) oder Handlungsempfehlung zur weiteren Versorgung zu geben, wie z.B.

    • Angabe der Art und der Häufigkeit der möglicherweise notwendigen Wechselversorgung,

    • Häufigkeit und Dauer von physikalischer Therapie mit Angabe der Dinge, die dokumentiert werden müssten (Gewicht, Umfangmaße, Konsistenz, aber auch: Möglichkeit der Dokumentation durch den Therapeuten für den Hausarzt),

    • ggf. Ernährungsberatung mit dem Ziel der Gewichtsreduktion,

    • ggf. endokrinologische Abklärung sowie

    • ggf. psychologische Betreuung zur Verringerung des Schmerzerlebens und zur Verarbeitung der nicht gewünschten Körperproportionen?

    Aufrufe wie der von Anya Miller und gesundheitspolitische Aufklärung vom Berufsverband sind auf jeden Fall ein guter Start. Danke dafür!

    Erika Mendoza


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    Publication History

    Article published online:
    13 April 2022

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