Phlebologie 2022; 51(02): 61-62
DOI: 10.1055/a-1778-1952
Literatur weltweit

Isolierte oberflächliche Venenthrombosen werden unterschätzt

Rezensent(en):
Elke Ruchalla
Bauersachs R.. et al.
Management and Outcomes of Patients with Isolated Superficial Vein Thrombosis under Real Life Conditions (INSIGHTS-SVT).

Eur J Vasc Endovasc Surg 2021;
62: 241-249
DOI: 10.1016/j.ejvs.2021.04.015. (PMID: 34210599)
 

    Thrombosen einer oberflächlichen Vene (superficial vein thrombosis; SVT) kommen häufiger vor, als man oft annimmt. Dabei haben sie durchaus Potenzial: Sie können weiter in die tiefen Bein- oder Beckenvenen vordringen und dann sogar teils tödlich Lungenembolien auslösen.


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    Da man sie aber als wenig schwerwiegend betrachtet, sind sie auch weniger intensiv untersucht, was Behandlungen und Therapieergebnisse außerhalb von klinischen Studien in der Alltagspraxis angeht. Eine deutsche Arbeitsgruppe hat daher INSIGHTS-SVT (INvestigating SIGnificant Health TrendS in the management of SVT) initiiert.

    Bauersachs et al. nahmen 1150 Patienten in ihre prospektive Beobachtungsstudie auf. Das Durchschnittsalter betrug 60 Jahre, knapp 2 Drittel waren Frauen, und gut ein Drittel zeigte eine Adipositas (BMI ≥ 30 kg/m 2 ). Bei 39,1 % der Patienten war anamnestisch eine venöse Thromboembolie bekannt. Bei 26,2 % der Patienten bestanden ≥ 3 Risikofaktoren, bei 36,8 % ≥ 2 Risikofaktoren. Am häufigsten vertreten waren hier Varizen und eine chronisch venöse Insuffizienz/Ulzera.

    Einschlusskriterium war eine akute (Beginn der Symptomatik ≤ 3 Wochen vor Aufnahme in die Studie), sonografisch gesicherte, oberflächliche Venenthrombose. Bei mehr als der Hälfte der Fälle war die V. saphena magna oder parva betroffen (54,3 %), die durchschnittliche Länge des Thrombus betrug 14,5 cm, und im Mittel war er 26,2 cm von der Crosse entfernt. Die Diagnose war in der Mehrzahl der Fälle über eine Doppler- (87,1 %) oder Kompressionssonografie (67,5 %) erfolgt, bei 30,5 % der Patienten kam die Bestimmung der D-Dimere dazu.

    Als primären Endpunkt untersuchten die Wissenschaftler ein Kompositum aus symptomatischen tiefen Venenthrombosen (TVT), Lungenembolien sowie die Ausdehnung oder ein Rezidiv der Index-SVT nach 3 Monaten. Sekundäre Endpunkte umfassten u. a. die Einzelkomponenten des primären Endpunkts. Als primäre Sicherheitsendpunkt beurteilten sie schwere oder klinisch relevante, aber nicht schwere Blutungen.

    Fast alle Patienten (93,6 %) erhielten zu Beginn eine Antikoagulation. Eine nicht pharmakologische Behandlung (Kompression, Hochlagern des Beines, Kühlung) erfolgte bei 77 %, und 1,9 % Betroffene wurden sofort operiert.

    Medikamentös wurde anfänglich am häufigsten der indirekte Faktor-Xa-Inhibitor Fondaparinux eingesetzt (65,7 %), gefolgt von Heparinen (fraktioniert: 22,8 %; unfraktioniert: 0,4 %). 4,3 % der Patienten erhielten direkte orale Antikoagulanzien. Bei immerhin 6,4 % erfolgte keinerlei Antikoagulation.

    Im Laufe der Zeit wurde die Antikoagulation immer öfter beendet, nach 3 Monaten erhielten sie nur noch 7,4 % der Patienten. Die mediane Behandlungsdauer mit Fondaparinux betrug 38 Tage, die mit unfraktionierten Heparinen 21 Tage.-Knapp die Hälfte der Teilnehmer erhielt weiterhin eine Kompressionstherapie, und bis Monat 3 waren 7,8 % der Patienten operiert worden.

    Ein Ereignis des primären Endpunkts bis Monat 3 trat auf bei insgesamt 67 Patienten (5,8 %).

    Mithilfe eines Propensity Score Matchings, in das demografische Faktoren, spezifische Anamnese, Begleiterkrankungen, Risikofaktoren und Ausdehnung des Thrombus eingingen, errechneten die Wissenschaftler ein auf etwa die Hälfte vermindertes Risiko für ein Ereignis des primären Endpunkte unter Fondaparinux vs. fraktionierte Heparine (4,4 % vs. 9,6 %; Hazard Ratio [HR] 0,51).

    Sekundäre Endpunktereignisse umfassten

    • eine Ausdehnung oder ein Rezidiv der primären SVT bei 54 Patienten (4,7%)

    • eine TVT bei 19 Patienten (1,7%) und

    • eine Lungenembolie bei 9 Patienten (0,8%)

    Schwere Blutungen fanden sich bei 0,3 % der Teilnehmer, klinisch relevante Blutungen bei 1,2 %.

    In der multivariaten Analyse errechneten sich als signifikant mit dem Risiko für rezidivierende Thromboembolien verbunden

    • anamnestisch bekannte SVT (HR 2,3)

    • Alter (HR 0,97 pro Jahr)

    • Dauer der medikamentösen Behandlung (HR 0,92 pro Woche)

    • Thrombuslänge (HR 1,03 pro cm)

    Eine komplette Erholung bis Monat 3 trat auf bei 708 Patienten (62,4 %), eine Verbesserung bei 343 Patienten (30,2 %), ein unveränderte Status bei 56 Patenten (4,9 %) und eine Verschlechterung bei 28 Patienten (2,5 %).

    Fazit

    Ihre Ergebnisse weisen auf ein hohes Risiko thromboembolischer Komplikationen bei Auftreten einer SVT unter Alltagsbedingungen hin, so die Autoren. Die hier gefundenen Risikofaktoren könnten zukünftig helfen, High-Risk-Patienten zu erkennen und besonders sorgfältig zu überwachen bzw. zu therapieren.

    Dr. Elke Ruchalla, Bad Dürrheim


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    Publikationsverlauf

    Artikel online veröffentlicht:
    13. April 2022

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