Nuklearmedizin 2022; 61(02): 84-85
DOI: 10.1055/a-1780-1595
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Strahlenschutz

 

Der Strahlenschutz und die gesetzlichen Regularien sind für die Nuklearmedizin von erheblicher Bedeutung. So haben sich Nuklearmediziner traditionell in der klinischen Tätigkeit und in der Forschung auch dieser Aufgabe und diesem Gebiet gewidmet. Die Ermittlung und Berücksichtigung der Strahlenexposition des Patienten und seiner Mitmenschen waren bei allen neu entwickelten diagnostischen und therapeutischen Anwendungen von Radionukliden ein wesentlicher Beitrag, wie auch in der Forschung.

So engagierten sich Nuklearmediziner traditionell in der Strahlenschutzkommission (SSK) des Umweltministeriums und seinen Arbeitsgruppen (AG). Hierauf wollen wir näher eingehen. Die Mitglieder der SSK und ihrer AGs werden vom Umweltministerium auf der Basis ihrer Expertise und Integrität ausgewählt und berufen. Die breite Beteiligung der relevanten Disziplinen und ihre konstitutionell garantierte politische Unabhängigkeit sichern die Objektivität der Empfehlungen. Im Folgenden wird an dem Beispiel verschiedener Empfehlungen der SSK in der Zeit der aktiven Tätigkeit der Autoren ihre Bedeutung für unser Fach vorgestellt.

Die Bedeutung der Strahlenschutzverordnung und der Richtlinie Strahlenschutz für das Fach Nuklearmedizin muss hier nicht näher erläutert werden. Von daher ist es essenziell, dass in der vorbereitenden Beratung die nuklearmedizinische Fachexpertise (Medizin, Medizinphysik, Radiopharmazie) einfließt. Das geschah bislang sehr erfolgreich.

Strahlenschutzverordnung, Richtlinie Strahlenschutz

Die Strahlenschutzverordnung in der Medizin (StrlSchV) in Kombination mit der Richtlinie Strahlenschutz wird seit Jahrzehnten regelmäßig überarbeitet und der Entwicklung angepasst. Sie ist ursprünglich dem Atomgesetz nachgeordnet und daher im Umweltministerium angesiedelt. Die Röntgenverordnung dagegen ist im Gesundheitswesen verankert und dem Gesundheitsministerium zugeordnet. Bereits vor Langem wurde erkannt, dass diese Situation nicht glücklich ist. Bereits bei der vorletzten Änderung der entsprechenden Verordnungen wurde eine Synchronisierung in der Absicht angestrebt, in einem weiteren späteren Schritt beide Verordnungen zusammenzufassen. Das wurde jetzt umgesetzt.


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Fachkunden

Nach zunehmender Bedeutung der hybriden Bildgebung wurden parallel dazu die Fachkunden „Nuklearmedizin für Radiologen“ und „Radiologie für Nuklearmediziner“ entwickelt und etabliert. Ziel ist es, die hybride Bildgebung durch einen entsprechend auf beiden Gebieten ausgebildeten Arzt abdecken zu können. Dabei wurde darauf geachtet, dass auf dem entsprechenden „zusätzlichen“ Gebiet eine ausreichende Kompetenz erworben wird, was ein entsprechendes Curriculum und eine Dauer der Weiterbildung mit sich bringt.


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Multimodale Diagnostik und Therapie

Moderne nuklearmedizinische Verfahren sind zum Teil zumindest scheinbar gebietsüberschreitend. Diesbezügliche Regelungen im Strahlenschutz waren vonnöten. So wurde in entsprechenden Empfehlungen der Strahlenschutzkommission festgestellt, dass eine PET/CT- bzw. SPECT/CT-Untersuchung, sofern das CT in „low dose“-Technik zur Schwächungskorrektur und anatomischen Orientierung eingesetzt wird, in das Gebiet der Nuklearmedizin fällt und von diesbezüglich Fachkundigen durchgeführt werden darf. Bezüglich der selektiven internen Radiotherapie (SIRT), bei der die Angiografie und die Positionierung des Katheters essenzielle Voraussetzungen sind, wurde festgestellt, dass es sich um eine nuklearmedizinische Therapie mit entsprechender Verantwortung des Nuklearmediziners handelt.


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Neue Radionuklidtherapien

Bei Einführung neuer Radionuklidtherapien wird regelhaft überprüft, ob diese gegebenenfalls ambulant durchgeführt werden können; und falls ja, mit welchen Auflagen. Für neu eingesetzte therapeutische Radiopharmazeutika werden auch für den stationären Bereich Empfehlungen für die Strahlenexpositionen und die Entsorgung erarbeitet.


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Empfehlung zum Verhalten von Patienten nach Radionukliddiagnostik bzw. -therapie

In aufwendigen Analysen und Modellberechnungen wurde die realistisch bzw. maximal zu erwartende Strahlenexposition, die verschiedene Personengruppen durch Patienten der Nuklearmedizin erfahren können, ermittelt. Dazu wurden entsprechende Empfehlungen ausgesprochen. Das erfreuliche Ergebnis für die Diagnostik ist die Feststellung, dass nach diagnostischer Nuklidapplikation unter keinen plausiblen Annahmen Menschen außerhalb des Kontrollbereichs eine Strahlenexposition oberhalb des erlaubten Grenzwertes erfahren können.


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Handlungsempfehlungen

Die Handlungsempfehlungen stellen sinnvolle röntgenologische und nuklearmedizinische Untersuchungen für häufige schwerwiegende Erkrankungen zusammen. Zielgruppe sind potenziell überweisende Ärzte, die die Indikation zu einem Eingriff erkennen und die damit verbundene Strahlenexposition beurteilen können.


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Ärztliche Stellen

Neben der Befristung der Gültigkeit von Fachkunden stellt die Einführung der Ärztlichen Stellen eine wesentliche Maßnahme zur Qualitätssteigerung und -sicherung dar. Die kollegiale Selbstkontrolle führt zur Einhaltung hoher Standards für den Patienten und sichert den Nuklearmediziner rechtlich ab.

Langfristig muss der Mitwirkung in der SSK und ihren AGs höchste Aufmerksamkeit gewidmet werden, auch wenn für die jeweiligen Akteure keine persönlichen Meriten zu erwarten sind. Dieses sind wir den Bürgern, den Patienten und dem Fach schuldig. Hier wollen wir noch einmal betonen, dass es weder Absicht sein darf noch möglich ist, Fachinteressen egoistisch zu verfolgen. Es geht darum, die fachspezifische Kompetenz einzubringen, um vernünftige und anwendbare gesetzlichen Regularien zu erzielen. Dafür ist die breite Aufstellung der SSK und ihrer Arbeitsgruppen ein Garant.

Die Bedeutung des Strahlenschutzes für unser Fach wird in der Zukunft nicht geringer werden. Bedauerlicherweise wird die Forschung auf diesem Gebiet in Deutschland vernachlässigt und zu wenig gewürdigt. Professuren für Strahlenbiologie sind langfristig rückläufig. Es erscheint ratsam, dass die forschende Nuklearmedizin das Feld nicht aus dem Auge verliert und zum Teil das strahlenbiologische Vakuum füllt.

Andreas Bockisch, Essen


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Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
06. April 2022

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