Prof. Dr. med. Jörg Barkhausen Quelle: UKSH, Campus Lübeck, Klinik für Radiologie
Dr. med. Isabel Molwitz Quelle: Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE)
Herr Professor Barkhausen, Sie sind bis 2023 Präsident der DRG. Welche zentralen Ziele
haben Sie sich in Ihrer Arbeit gesetzt?
Die Ziele, die wir verfolgen, muss man in allen Bereichen betrachten. Einerseits Krankenversorgung,
aber auch Forschung und auch Lehre. Wir sind eine wissenschaftliche Fachgesellschaft
und müssen diese 3 Bereiche definitiv abdecken. In der Krankenversorgung ist es mir
besonders wichtig, dass wir es schaffen, die aktuellen Leitlinien auch wirklich in
der klinischen Patientenversorgung zu implementieren. Hier hat es in den vergangenen
Jahren relevante Veränderungen gegeben und wir müssen jetzt als Radiolog*innen dafür
sorgen, dass diese Veränderungen auch bei den Patient*innen ankommen. Ein wichtiges
Beispiel ist die Diagnostik der koronaren Herzerkrankung. Vor 10 Jahren waren bei
dieser Erkrankung die Herzkatheteruntersuchungen das einzige diagnostische Verfahren,
das klinisch wirklich relevant war und in den Leitlinien verankert war. Das hat sich
komplett geändert und inzwischen sind die radiologischen Verfahren CT und MRT die
Methoden der ersten Wahl zumindest in den Leitlinien. In der klinischen Routine ist
das aber noch nicht angekommen. Und das ist eine der wichtigsten Aufgaben, die wir
in den nächsten Jahren schaffen müssen, die Umsetzung dieser Leitlinien in der Patientenversorgung
zu ermöglichen.
Wie ist es um die Forschung bestellt?
In der Forschung gibt es ganz, ganz große Herausforderungen und ein Dokument, das
ich außerordentlich schätze, ist das Gutachten des Sachverständigenrates zur Begutachtung
der Entwicklung im Gesundheitswesen, da es wirklich einen Paradigmenwechsel einleitet.
Das Gutachten trägt die Überschrift „Digitalisierung für Gesundheit“ und setzt den
Akzent, dass wir es schaffen müssen, die vorhandenen Daten auch zur Verbesserung des
Gesundheitssystems zu nutzen. In der Radiologie sind wir seit vielen Jahren digitalisiert.
Das heißt, wir speichern unsere Bilder und unsere Befunde als digitale Dokumente.
Aber wir sind noch lange nicht digital, weil wir es noch nicht geschafft haben, diese
Informationen, die vorliegen, auch wirklich digital auszuwerten und zu nutzen.
Und welche zentralen Ziele verfolgen Sie im Bereich der Lehre?
Beim Thema Lehre möchte ich kurz anmerken, dass wir außerordentlich von der Corona-Pandemie
profitiert haben, weil wir gezwungen worden sind, neue Wege zu gehen. Die Radiologie
war darauf relativ gut vorbereitet, da wir schon vorher in der deutschen Röntgengesellschaft
eine Lehr- und Lernplattform hatten. Mit einer wirklich großen Kraftanstrengung haben
wir es geschafft, innerhalb kürzester Zeit ein digitales Lehrangebot für die Studierenden
zu schaffen. Das war ein riesiger Erfolg und es ist ein Projekt, das wir jetzt auch
konsequent weiter fortentwickeln wollen. Und ich glaube, wir werden an dieser Stelle
nie mehr zurückkehren zu einem reinen präsenzbasierten Lehrangebot, sondern diese
digitalen Techniken werden dauerhaft integraler Bestandteil der Lehre bleiben. Und
das ist eine tolle Entwicklung, an der wir gerne auch weiterarbeiten wollen.
Herr Professor Barkhausen, Sie erwähnten, dass beim Thema akademische Lehre gerade
in Zeiten der Corona-Pandemie im Bereich der Digitalisierung viel passiert ist. Werfen
wir einen Blick in die Zukunft. Was sind da Projekte, die die DRG in den nächsten
Jahren angehen möchte?
Also wir möchten auf jeden Fall ein Konzept weiterentwickeln, was das Beste aus beiden
Welten vereint. Digitale Angebote sind bei den Studierenden sehr, sehr willkommen.
Während ich mein Wissen im Studium aus Büchern gewonnen habe, ist das, glaube ich,
in der aktuellen Generation an Studierenden nicht mehr der Weg der Wissensvermittlung,
sondern da spielen ganz klar digitale Medien die entscheidende Rolle. Und da müssen
wir Angebote schaffen. Das funktioniert auch ganz hervorragend auf verschiedenen Ebenen.
Trotzdem brauchen wir die Interaktion mit den Studierenden in Seminaren und anderen
Präsenzveranstaltungen, wobei ich inzwischen nicht mehr die klassische Vorlesung als
das zentrale Element sehe. Dort wird reine Wissensvermittlung betrieben und das kann
man inzwischen auch komplett digital abhandeln. Wir brauchen neue Formate, bei denen
wir mehr in die Interaktion mit den Studierenden kommen und wo auch der Mehrwert einer
Präsenzteilnahme den Studierenden von vornherein sehr, sehr schnell klar wird.
Bleiben wir beim medizinischen Nachwuchs: Ein wichtiger Baustein innerhalb der DRG,
liebe Frau Dr. Molwitz, ist das Forum Junge Radiologie. Wo sehen Sie als Vorsitzende
des Forums in erster Linie dessen Stärke?
Die zentralen Aufgaben und Stärken des Forums sehe ich im Netzwerk. Wir sind seit
unserer Gründung im Mai 2018 mittlerweile über 2000 Kolleg*innen im Forum Junge Radiologie.
Das beinhaltet Kolleg*innen aus allen Standorten der Unikliniken und nicht nur der
Unikliniken, sondern auch der Maximalversorger ebenso wie Kolleg*innen von kleineren
Krankenhäusern und auch Praxen. Das bedeutet, wir können uns untereinander austauschen.
Daraus resultiert dann auch die Meinungsbildung unter den Assistent*innen. Also, das
Forum ist auch eine Interessensvertretung der jungen Leute.
Ein weiterer zentraler Baustein ist das Engagement für die radiologische Weiterbildung.
So haben wir in der TaskForce Weiterbildung gemeinsam mit Expert*innen aus den Arbeitsgemeinschaften
der DRG und den Schwestergesellschaften das Weiterbildungscurriculum Radiologie entwickelt,
ein Zusammenschluss von Lernzielen, mit denen wir alle Bereiche der Radiologie abdecken
möchten, die relevant für eine hochqualitative Facharztausbildung sind. Das Ziel dieses
Curriculums ist es zum einen, die Ausbildungsqualität weiter zu standardisieren und
zum anderen die Ausbildung auch zu strukturieren. Denn dies war einer der Hauptwünsche
der Assistent*innen in einer Weiterbildungsumfrage, die wir seitens des Forums Junge
Radiologie durchgeführt haben. Das Curriculum besteht aus 21 Themenbereichen, jeweils
strukturiert nach kognitiven theoretischen und praktischen Lernzielen, und bietet
damit die Möglichkeit, sich strukturiert auf die Facharztprüfung vorzubereiten. Sie
müssen sich vorstellen, bisher war es so, dass jeder Kollege und jede Kollegin sich
vor der Prüfung darüber Gedanken gemacht hat „Was muss ich lernen?“, sich Prüfungsprotokolle
angesehen hat und sich dann einen eigenen Lernplan erstellt hat, sodass jeder und
jede erneut diesen Aufwand für die Prüfungsvorbereitung hatte. Mit dem Curriculum
bietet sich jetzt für alle ein einheitlicher Überblick über für die Facharztprüfung
relevante Inhalte.
Und dabei soll es nicht bleiben. Das Curriculum ist für uns letztlich die Grundlage
unseres größeren Projektes, nämlich der Entwicklung der digitalen Lehrplattform „Raducation“,
die der radiologischen Weiterbildung dient. In diesem Projekt, an dem wir aktuell
in der TaskForce Weiterbildung arbeiten, möchten wir für alle Lernziele des Curriculums
passende digitale Lehrinhalte zur Verfügung stellen. Denn wir sind eine Generation,
in der die meisten von uns bereits mit einem Online-Lehrprogramm, einer App, für die
Staatsexamina gelernt haben.
In der sich nun in Programmierung befindlichen digitalen Lehrplattform hinterlegen
wir für alle Lernziele bereits bestehende digitale radiologische Lehrinhalte verschiedenen
Schwierigkeitniveaus, also „Fit für den Dienst“ für die Kollegen*innen, die erstmal
nur ihren ersten Nachtdienst überstehen möchten, und „Fit für den Facharzt“ für die
Kollegen*innen, die für die Facharztprüfung lernen möchten. Es wird auch Möglichkeiten
geben sich zu markieren, welche Lernziele man bereits gelernt hat und was man noch
lernen möchte. Damit möchten wir die Prüfungsvorbereitung erleichtern, die Weiterbildung
digitalisieren und so auch die Vorreiterrolle der Radiologie in Hinsicht auf digitale
Lehre weiter ausbauen.
Werfen wir nochmal einen Blick auf das Thema Weiterbildung von Radiolog*innen im Beruf.
Lieber Herr Professor Barkhausen, welche Rolle spielt dabei die DRG-eigene Akademie
für Fort- und Weiterbildung in der Radiologie?
Die Akademie ist ein wesentlicher Baustein auch in dem Konzept, das Frau Molwitz gerade
vorgestellt hat, weil wir auch dort Inhalte generieren, die weiterbildungsrelevant
sind und das Konzept der digitalen Weiterbildungsplattform „Raducation“ mit Leben
füllen. Darüber hinaus ist die Akademie sicherlich ein tolles Beispiel, wie sich Online-Weiterbildung
entwickeln kann. Wir haben angefangen mit kleinen Gruppen. Inzwischen sind diese Seminare,
die regelmäßig angeboten werden, extrem gut besucht und viele Kolleg*innen sind regelmäßige
Abonnenten, weil sie wissen, dass ihnen in der Akademie qualitativ extrem hochwertige
Informationen in sehr komprimierter Weise angeboten werden.
Man kann sich einfach drauf verlassen, wenn man am Dienstagabend die Akademie online
einschaltet, dass man erstklassige Inhalte präsentiert bekommt – in einer Form, die
ansprechend ist und auch absolut praxisrelevant. Also ein perfektes Format, das sowohl
für die Weiterbildung als auch für die Fortbildung der Kolleg*innen in der klinischen
Patientenversorgung genutzt werden kann.
Erfahren Sie mehr im dritten Teil des Jubiläumspodcasts „100 Jahre RöFo & DRG – Der
Jubiläumspodcast
“. Diesen finden Sie auf
www.thieme.de/roefo-podcast
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Das Gespräch führte Friederike Gehlenborg, Thieme Communications.