Hintergrund und Zielsetzungen der Leitlinie
Allgemeine Aspekte der Rehabilitation in Zeiten en- oder pandemischer
SARS-CoV-2-Infektionen
Medizinische Rehabilitation umfasst stets einen ganzheitlichen Ansatz, der
über das Erkennen, Behandeln und Heilen einer Krankheit hinaus die
wechselseitigen Beziehungen zwischen den individuellen Gesundheitsproblemen
(Schädigungen, Beeinträchtigungen der Aktivitäten sowie
der Teilhabe) und ihren Kontextfaktoren berücksichtigt.
Das übergeordnete Ziel der Medizinischen Rehabilitation ist die Teilhabe
am gesellschaftlichen und beruflichen Leben. Medizinische Rehabilitation
beinhaltet daher regelhaft ein komplexes, multimodales Maßnahmenpaket
aus verschiedenen medikamentösen und nicht-medikamentösen
Maßnahmen und erfordert stets ein multiprofessionelles
Rehabilitationsteam, dem neben Ärzt*innen regelhaft weitere
Berufsgruppen angehören.
Die Medizinische Rehabilitation war und ist durch die COVID-19-Pandemie in
mannigfacher Hinsicht betroffen [1]
[2].
Dabei kann grundsätzlich zwischen „Medizinischer
Rehabilitation von Nicht-COVID-19-Rehabilitand*innen während
der Pandemie“ und „Medizinischer Rehabilitation von
Menschen mit den vielfältigen direkten und indirekten
Krankheitsfolgen bei/nach einer SARS-CoV-2-Infektion“
unterschieden werden.
Patient*innen kommen in Rehabilitationseinrichtungen jeweils etwa zur
Hälfte über eine Anschlussrehabilitation (AHB) unmittelbar nach
vorangegangenem Akutaufenthalt und als medizinische Rehabilitation im
Antragsverfahren (MRA) auf Initiative der ambulant tätigen Haus- und
Fachärzt*innen bzw. mittlerweile auch in großer Zahl im
Rahmen der Begutachtung der Pflegeversicherung und weiterhin auch über
die Berufsgenossenschaften. Zusätzlich ist die
Frührehabilitation, die dem Krankenhausbereich zugeordnet ist, und im
Anschluss an eine primäre Krankenhausbehandlung gerade bei schwereren
Krankheitsverläufen indiziert sein kann, ein weiterer wichtiger Baustein
der Versorgung mit kombiniert intensiv-/akut-medizinischen und
rehabilitationsmedizinischen Behandlungsinhalten.
Das System der (Früh-) Rehabilitation hat in mehrfacher Hinsicht eine
Sonderstellung und muss daher im Rahmen der COVID-19-Pandemie separat betrachtet
werden.
-
Infektiologisch stellen Patient*innen in einer AHB ein Bindeglied
zwischen akutstationärer und ambulanter Behandlung dar.
Patient*innen mit MRA kommen aus der Häuslichkeit und
müssen daher der Betrachtungsweise stationärer
Neuaufnahmen der Akuthäuser unterliegen.
-
Bezüglich der Behandlungsintensität ist die
rehabilitative Behandlung im Unterschied zu Akutbehandlungen
gekennzeichnet durch eine hohe Zahl an Kontakten im Einzel- und
Gruppen-Setting unter Beteiligung der ärztlichen, pflegerischen
und verschiedener therapeutischer Berufsgruppen. Enger
körperlicher Kontakt zwischen Mitarbeiter*innen und
Rehabilitand*innen ist in der Rehabilitation häufig
(Beispiel Physiotherapie); in der Rehabilitation ist dabei sowohl
für die Pflege als auch für die behandelnden
therapeutischen Disziplinen, sowie im Rahmen der notwendigen Diagnostik
ein enger körperlicher Kontakt oftmals unumgänglich.
Hier ist eine Behandlung mit Abstandsregelung nur begrenzt und teilweise
nicht möglich.
-
Das Wesen der Rehabilitation besteht darin, dass meist mehrere
Therapieziele von verschiedenen Berufsgruppen adressiert werden.
Mobilere Patient*innen werden häufig auch in
Gruppentherapien behandelt, die sich je nach Zielsymptom unterschiedlich
zusammensetzen. Dadurch ist soziale Distanzierung in der Rehabilitation
nur begrenzt umsetzbar.
-
Voraussetzung für eine Rehabilitation ist üblicherweise
eine aktive Teilnahme an Therapien. Dies setzt in der Regel kognitiv
ausreichende Funktionen voraus. Ausnahmen bilden auch hier die
neurologische und geriatrische (Früh-)Rehabilitation, die auch
Patient*innen mit qualitativen Bewusstseinsstörungen
behandelt, z. B. nach Schlaganfall. Bei diesem Patientengut kann
eine Kooperation bei Isolationsmaßnahmen nicht
durchgängig vorausgesetzt werden.
-
Organisatorisch ist zu beachten, dass Behandlungen durch verschiedene
Kostenträger des deutschen Gesundheitssystems finanziert werden.
Neben den privaten und gesetzlichen Krankenversicherungen sind dies vor
allem die Einrichtungen der Deutschen Rentenversicherung (DRV) sowie
auch die gesetzlichen Unfallversicherungen. Dieses Nebeneinander
verschiedener Leistungsträger erschwert die Einigung auf
Vergütungsmodelle für die medizinisch zwingend
erforderlichen Zusatzaufwendungen im Rahmen der COVID-19-Pandemie.
Das Aussetzen von Rehabilitations-Maßnahmen bei
Non-COVID-Patient*innen während der COVID-19-Pandemie
ist keine Option [3]. Seit Beginn
der COVID-19-Pandemie gibt es jedoch in der Mehrzahl deutscher
Rehabilitationseinrichtungen starke Belegungseinbrüche [4]
[5]. Neben den wirtschaftlichen Folgen sind vor allem die
medizinischen und sozialmedizinischen Folgen nicht
durchgeführter Rehabilitationen zu vermeiden (eine nicht
erfolgte AHB hat „Nebenwirkungen“):
-
Rein medizinische Folgen (z. B. fehlende AHB nach chirurgischem
Eingriff, nach Schlaganfall, COPD-Exazerbation oder Myokardinfarkt mit
konsekutiv drohenden, schlechteren gesundheitlichen Outcome)
-
Sozialmedizinische Folgen (z. B. längere
Arbeitsunfähigkeitszeiten, reduzierte soziale Teilhabe und
Erwerbsminderung).
Andererseits ist ein hohes Maß an Infektionsschutz sowohl für
Patient*innen, die oftmals Personengruppen mit erhöhtem Risiko
für schwere COVID-19-Verläufe angehören, als auch der in
der Rehabilitation tätigen Gesundheitsberufsangehörige (mit
dadurch erhöhtem Infektionsrisiko) [6] sicherzustellen.
Inhalte und Zielsetzungen der S2k-Leitlinie SARS-CoV-2, COVID-19 und
(Früh-) Rehabilitation
Die S2k-Leitlinie SARS-CoV-2, COVID-19 und (Früh-) Rehabilitation
versucht, in einer Güterabwägung Handlungsanleitungen zu
definieren, die sowohl der Infektionsprävention, aber auch den
berechtigten therapeutischen Zielen der Patient*innen Rechnung tragen
[7].
Die Leitlinie thematisiert daher in einem ersten Teil das
Infektionsschutz-bezogene Vorgehen während der COVID-19-Pandemie
generell bei Maßnahmen der Rehabilitation, einschließlich der
Frührehabilitation. Die Empfehlungen hierzu werden im Abschnitt 3.1.
„Empfehlungen zur Rehabilitation in Zeiten en- oder pandemischer
SARS-CoV-2-Infektionen“ wiedergegeben.
In einem zweiten Teil geht es um die Versorgung von
COVID-19-Patient*innen mit rehabilitativen Therapieverfahren auf
Intensivstationen und im Akutkrankenhaus, der Frührehabilitation, der
Rehabilitation (Anschluss-Rehabilitation, Heilverfahren) und der ambulanten und
Langzeit-Betreuung nach COVID-19, u. a. bei längerer Persistenz
von Symptomen (Long- bzw. Post-COVID-19). Bedeutsam für eine
adäquate Versorgung COVID-19-Betroffener ist die individuelle
Feststellung von COVID-19-assoziierten Körperfunktionsstörungen
bzw. emotionaler Störungen mit Alltagsrelevanz und damit verbunden die
Bewertung – auch im längerfristigen Verlauf – der
Notwendigkeit rehabilitativer Maßnahmen, die immer individuell
medizinisch und psychosozial zu beurteilen sind.
Nachuntersuchungen von COVID-19 Erkrankten zeigten auch, dass viele Betroffene
– nicht nur die initial schwerer Betroffenen – weit über
die Zeit der eigentlichen Viruserkrankung hinaus symptomatisch blieben. In einem
systematischen Review, der Kohortenstudien zur Erfassung von Langzeitfolgen
einer SARS-CoV-2-Infektion mit mindestens 100 Teilnehmern einschloss, wurden 15
Studien identifiziert und Metaanalysen basierend auf insgesamt 47910 Teilnehmern
durchgeführt [8]. Die
Follow-up-Zeit der eingeschlossenen Studien betrug 14 bis 110 Tage nach der
Infektion, das Alter der Teilnehmer lag zwischen 17 und 87 Jahren. Es wurde
festgestellt, dass 80% (95% Konfidenzintervall, KI
65–92%) der SARS-CoV-2-Infizierten eines oder mehrere
Langzeitsymptome angaben. Die fünf häufigsten Symptome waren
Fatigue (58%), Kopfschmerz (44%), Aufmerksamkeitsdefizite
(27%), Haarausfall (25%) und Dyspnoe (24%).
Häufig beobachtet wurden ferner u. a. Anosmie (21%),
Ageusie (23%), Husten (19%), Schmerzen/Beklemmungen im
Brustbereich (16%), Gedächtnisschwierigkeiten (16%),
vermehrte Ängste (13%) und Depressivität
(12%).
Das Syndrom „Fatigue“, das von Post-COVID-19-Betroffenen am
häufigsten beklagt wird [9], ist
eine subjektiv oft stark einschränkende, zu den vorausgegangenen
Anstrengungen unverhältnismäßige, sich durch Schlaf oder
Erholung nicht ausreichend bessernde subjektive Erschöpfung auf
somatischer, kognitiver und/oder psychischer Ebene.
In einem systematischen Review mit Meta-Analyse von 57 Studien mit 250.351
COVID-19-Überlendenen, die COVID-19-Krankheitsfolgen untersuchten, wurde
mindestens eine Krankheitsfolge kurzfristig (1 Monat) bei im Median
54,0% (IQR 45–69%; 13 Studien), mittelfristig
(2–5 Monate) bei im Median 55,0% (IQR
34,8–65,5%; 38 Studien) bzw. langfristig (≥6 Monate) bei
im Median 54,0% (IQR 31–67%; 9 Studien) dokumentiert
[10]. Als häufigste
Auffälligkeiten fanden sich Abnormalitäten in der thorakalen
Bildgebung bei im Median 62,2% (IQR 45,8–76,5%),
Schwierigkeiten sich zu konzentrieren bei im Median 23,8% (IQR
20,4–25,9%), generalisierte Angststörungen bei im Median
29,6% (IQR 14–44%), „allgemeine“
funktionelle Einschränkungen bei im Median 44,0% (IQR
23,4–62,6%) sowie „Fatigue“ und
Muskelschwäche bei im Median 37,5% (IQR
25,4–54,5%).
Auch eine niederländische Multizenterstudie dokumentiert bei der Mehrzahl
primär intensivmedizinisch zu versorgenden COVID-19-Betroffenen ein Jahr
nach der Erkrankung von den Betroffenen (N=246) berichtete Defizite in
klinisch relevantem Ausmaß, häufig im Sinne physischer
Einschränkungen (74,3%), emotionalen Belastungen (26,2%)
und kognitiver Einschränkungen (16,2%) [11].
Die Leitlinie verfolgt eine pragmatische Nomenklatur, die ggf. früh (ab 4
Wochen) nach COVID-19 („Long-COVID“) oder nach längerem
Verlauf (ab 12 Wochen; „Post-COVID“) festgestellte
Krankheitsfolgeerscheinungen umfasst [12]
[13]
[14].
Während auch die erste Version der Leitlinie Rehabilitationsbedarf und
die medizinische Rehabilitation COVID-19-Betroffener umfassend thematisierte,
wird der Thematik „Long-/Post-COVID“ in der
aktualisierten Version ergänzend ein eigenständiges Kapitel
gewidmet, das zur klinischen Phänomenologie sowie zu definitorischen und
konzeptuellen Fragen Hinweise geben möchte. Zudem werden auch neu
spezifische Empfehlungen zur rehabilitativen Behandlung von
„Long-/Post-COVID“-Betroffenen gemacht.
Die indikationsspezifischen Aspekte der medizinischen Rehabilitation
COVID-19-Betroffener, z. B. auf pneumologischem, neurologischen und
kardiologischen Gebiet wurden entsprechend der zwischenzeitlich
verfügbar gewordenen Evidenz aus klinischen Studien – sowohl die
klinischen Syndrome als auch ihre rehabilitative Behandlung betreffend –
aktualisiert (u. a. [2]
[15]
[16]
[17]
[18]
[19]
[20]
[21]
[22].
Zudem werden in der neuen Version der Leitlinie in einem eigenständigen
Kapitel Ausführungen zu COVID-19-assoziierten emotionaler
Störungen gemacht [23]
[24] und explizite Empfehlungen zum
Screening sowie der Diagnostik COVID-19-assoziierten emotionaler
Störungen und zur psychosomatische Rehabilitation nach COVID-19
formuliert.
Dass eine medizinischen Rehabilitation COVID-19-Betroffener längst sehr
breit und über verschiedene Indikationsbereiche in der Rehabilitation
angekommen ist und einen wesentlichen Anteil an der medizinischen
Rehabilitationsversorgung einnimmt, dokumentiert u. a. eine Erhebung der
Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation e.V. [25]. Die Erhebung zeigt, dass der
Versorgungsbereich der medizinischen Rehabilitation überwiegend auf die
Versorgung von Betroffenen mit Long-/Post-COVID vorbereitet ist. In der
Stichprobe gaben 173 von 338 teilnehmenden Einrichtungen (51%) an,
Rehabilitationsmaßnahmen für Patienten mit einer Long
COVID-(Zusatz-)Diagnose anzubieten. Rehabilitationsangebote für Menschen
mit Long COVID-Erkrankung waren im ganzen Bundesgebiet vorhanden. Am
höchsten ist der Anteil von Long COVID-(Zusatz-)Diagnosen in
neurologischen Fachabteilungen. Von den 48 Einrichtungen, die über eine
neurologische Fachabteilung verfügen, behandeln 46 (96%)
Einrichtungen Patienten mit einer Long COVID-(Zusatz-)Diagnose. Auch andere
Einrichtungen mit einschlägigen Fachabteilungen (Pneumologie,
Kardiologie, Psychosomatik) zeigen hier hohe Quoten. Unter den am
häufigsten genannten Fachabteilungen ist der Anteil in den onkologischen
Fachabteilungen am geringsten (30%). Die berichteten Fachabteilungen, in
denen Long COVID behandelt wird, entspricht der Vielfalt an Symptomen (von
pneumologischen, neurologischen, kardiologischen bis zu psychischen
Spätfolgen), die epidemiologische Studien für
Long-/Post-COVID feststellen [8].
Während im Langtext der Leitlinie Ausführungen zur medizinischen
Rehabilitation COVID-19-Betroffener im Detail nachgelesen werden können,
werden die expliziten Empfehlungen hierzu im Abschnitt 3.2.
„Empfehlungen zur Rehabilitation bei COVID-19“ wiedergegeben.
Damit soll allen an der Gesundheitsversorgung in der Rehabilitation
Interessierten, Leistungserbringern, Leistungsträgern, Behörden
und Politik ein kurzgefasster Überblick über die
fachgesellschaftsübergreifend konsentierten Praxisempfehlungen gegeben
werden.
Leitlinienmethodik
Erstellung der Leitlinie
Bei der aktuellen Version 2 der Leitlinie (Stand 1.11.2021) [7] handelt es sich um ein erstes
grundständiges Update einer S2k-Leitlinie (Erstfassung vom 01.11.2020)
im Sinne einer konsensbasierten Leitlinie mit repräsentativem Gremium
sowie einer strukturierten Konsensfindung.
Insgesamt nahmen 15 Fachgesellschaften an der Leitlinienerstellung und
–konsentierung als Redaktionskomitee teil (siehe unten im entsprechenden
Abschnitt 7.).
Die Literatursuche berücksichtigte die Stellungnahmen des
Robert-Koch-Institutes, RKI zu SARS-CoV-2-Infektionen und COVID-19-Erkrankung,
bereits erstellte AWMF-Leitlinien zur Thematik (AWMF: Arbeitsgemeinschaft der
Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V; COVID-19-Leitlinien:
https://www.awmf.org/die-awmf/awmf-aktuell/aktuelle-leitlinien-und-informationen-zu-covid-19/covid-19-leitlinien.html)
sowie den Autoren bekannte, für die Leitlinienerstellung relevante
Referenzen (Originalarbeiten und Reviews). Vom Redaktionskomitee wurde auf Basis
der Literatur in einem distribuierten (Verteilung von Arbeitsthemen auf
Autoren), iterativen, unter den Komitee-Mitgliedern abgestimmten Prozess ein
Entwurf der aktualisierten Leitlinie erstellt. Durch eine Vernetzung mit anderen
Leitliniengruppen der AWMF Task-Force COVID-19 wurden gewährleistet,
dass die gemachten Empfehlungen jeweils über Leitlinie hinweg kompatibel
sind. Im Rahmen eines Delphi-Verfahrens mit schriftlicher unabhängiger
Expertenbefragung wurde der Entwurf der Leitlinie allen Mitgliedern des
Redaktionskomitees sowie allen Mitgliedern der AWMF Task-Force COVID-19 zur
kritischen Durchsicht und Kommentierung zur Verfügung gestellt. Die
Kommentare der Mitglieder des Redaktionskomitees sowie der AWMF Task-Force
COVID-19 wurden dann in einer Neufassung des Manuskripts integriert und den
Mitgliedern des Redaktionskomitees zur nochmaligen kritischen Durchsicht wieder
vorgelegt.
Konsentierung der Empfehlungen
Für die Konsensusfindung wurde die fertiggestellte Leitlinie mit allen
Empfehlungen dem Redaktionskomitee zur Verfügung gestellt. Der formelle
Konsensusprozess wurde auf die vom Redaktionskomitee als
„wichtig“ extrahierten Empfehlungen für die Leitlinie
durchgeführt (wie unten in Abschnitt 3 „Empfehlungen im
Überblick“ wiedergegeben). Da es sich bei der Leitlinie um ein
Update der in 2020 erstellten Leitlinie handelt und viele Empfehlungen im
Prozess der Leitlinienaktualisierung als weiterhin gültig bewertet
worden waren, war mit Frau Dr. Nothacker (AWMF) folgendes Prozedere für
die abschließende AWMF-moderierte Konsensuskonferenz abgestimmt und vom
Redaktionskomitee auf seiner Sitzung am 20.09.2021 bestätigt worden:
Empfehlungen, die gegenüber der letzten Version unverändert
sind, wurden pro Themenbereich en bloc (eine Abstimmung für
mehrere Empfehlungen eines Abschnittes) konsentiert. Alle anderen Empfehlungen
(geänderte Fassung gegenüber der letzten Leitlinien-Version oder
neue Empfehlung) wurden einzeln besprochen und konsentiert.
Abschließend erfolgten zur Klärung von Fragen und Diskussion
unterschiedlicher Positionen am 18.10.2021 (initial 11, nach Beginn 12
Fachgesellschaften vertreten) eine strukturierte Konsensuskonferenz als
Videokonferenz mit den Mandatsträger*innen unter Moderation
durch Frau Dr. Cathleen Muche-Borowski im Auftrag der AWMF. Folgende Schritte
wurden bei der Konsensuskonferenz eingehalten: Abstimmung pro Themenbereich
en bloc (unveränderte Empfehlungen) und Vorstellung jeder
einzelnen neuen oder geänderten Empfehlung; jeweils nach Vorstellung
Diskussion, Abstimmung des Vorschlags und ggf. Alternativvorschlag. Soweit
Änderungen der Empfehlungen als Resultat der Diskussion vorgeschlagen
wurden, wurde über diese erneut abgestimmt.Dabei wurden
Konsensstärken gemäß AWMF-Methodik [26] (siehe [Tab. 1]) berücksichtigt und so
für jede Empfehlung dokumentiert.
Tab. 1 Konsensstärke gemäß
AWMF-Methodik [26].
|
Starker Konsens
|
Zustimmung von>95% der Teilnehmenden
|
|
Konsens
|
Zustimmung von>75–95% der
Teilnehmenden
|
|
Mehrheitliche Zustimmung
|
Zustimmung von>50–75% der
Teilnehmenden
|
|
Keine mehrheitliche Zustimmung
|
Zustimmung von<50% der Teilnehmenden
|
Bei der Konsensuskonferenz am 18.10.2021 (initial 11, im Verlauf [ab Empfehlung
15] 12 Fachgesellschaften vertreten) wurden für alle Empfehlungen, wie
in Kapitel 2 der Leitlinie wiedergegeben, eine Zustimmung durch die
Mandatsträger*innen für alle vertretenen
Fachgesellschaften erteilt. Entsprechend wurden alle Empfehlungen mit
„starkem Konsens“ verabschiedet.
Die vom Redaktionskomitee verabschiedete Version der Leitlinie wurde den
Vorständen der genannten beteiligten Fachgesellschaften vor
Veröffentlichung übermittelt und von allen in toto ohne
Änderungen autorisiert und freigegeben (Stand: 1.11.2021; gültig
bis: 31.10.2022).
Die konsentierten Empfehlungen sind nachfolgend unverändert im Original
wie konsentiert wiedergegeben.
Die Empfehlungen der Leitlinie im Überblick
Empfehlungen zur Rehabilitation in Zeiten en- bzw. pandemischer
SARS-CoV-2-Infektionen
Die nachfolgenden Empfehlungen stellen medizinisch-fachliche Empfehlungen der
beteiligten Fachgesellschaften (und Verbände) dar. Im Einzelfall
maßgeblich sind jeweils die aktuell geltenden (und ggf. regional
unterschiedlichen) ordnungspolitischen und behördlichen Vorgaben bzw.
auch die Empfehlungen der Hygieneverantwortlichen der jeweiligen Einrichtung und
das von der ärztlichen Leitung bzw. der Hygienekommission festgelegte
Procedere.
Einrichtungsspezifisches Hygienekonzept und Hygieneschulungen:
-
Für jede Einrichtung sollen die jeweils erforderlichen
SARS-CoV-2-spezifischen diagnostischen Maßnahmen festgelegt
werden, u. a. ob und wann Rehabilitand*innen
(insbesondere zur Aufnahme) und Mitarbeiter*innen auf SARS-CoV-2
getestet werden (geprüft; starker Konsens).
-
Alle veränderten Abläufe sollten dokumentiert und eine
ausreichende Schulung aller Mitarbeiter*innen, die diese
Änderungen im Rehabilitationsprozess umsetzen,
durchgeführt werden (geprüft; starker Konsens).
-
Besondere Aufmerksamkeit sollte dabei auch der praktischen Schulung in
der korrekten Anwendung der persönlichen
Schutzausrüstung gewidmet werden (geprüft; starker
Konsens).
-
Patient*innen sowie begleitende oder besuchende
Angehörige sollten, möglichst vor Antritt der
Rehabilitation, insbesondere zu Beginn und auch während des
Aufenthaltes Information und Schulung bzgl. der besonderen
Pandemie-bedingten Verhaltensregeln während der Rehabilitation
erhalten (geprüft; starker Konsens).
-
Die Einhaltung der Regeln zum Infektionsschutz in der
Rehabilitation während der COVID-19-Pandemie sollte
regelmäßig überprüft werden
(geprüft; starker Konsens).
-
In den meisten Rehabilitationseinrichtungen (mindestens
90%) werden keine SARS-CoV-2-positiven Patient*innen
behandelt. Bei Verdacht oder Nachweis von COVID-19 werden diese
Patient*innen in der Regel notfallmäßig in ein
entsprechendes Akutkrankenhaus oder die häusliche
Quarantäne oder Isolation verlegt. Werden COVID-19-Erkrankte und
SARS-CoV-2-positive Patient*innen in einer (Früh-)
Rehabilitationseinrichtung behandelt, sollen sie in gesonderten
Bereichen einer Einrichtung unter Bedingungen einer Hygieneisolation
versorgt werden (geprüft; starker Konsens).
Impfschutz/individueller Schutz vor
SARS-CoV-2-Infektion
Um das SARS-CoV-2-Infektionsrisiko in einer Rehabilitationseinrichtung
für die Beteiligten möglichst gering zu halten, werden
auch folgende Empfehlungen gemacht:
-
Vom Arbeitgeber kann erwogen werden, für alle
Mitarbeiter*innen den Status „Geimpft oder
Genesen“ zu dokumentieren, um daran angepasst Arbeits- und
Infektionsschutzmaßnahmen vornehmen zu können (neu;
starker Konsens).
-
Sollte bei Mitarbeitern*innen individuell kein Status
„Geimpft oder Genesen“ vorliegen, sollte dieser
möglichst durch COVID-19-Impfung(en) erreicht werden (neu;
starker Konsens).
-
Für alle Patient*innen sollte zur Aufnahme in
einer Rehabilitationseinrichtung dokumentiert werden, ob der Status
„Geimpft oder Genesen“ vorliegt (neu; starker
Konsens).
-
Sollte bei Patient*innen individuell kein Status „Geimpft
oder Genesen“ vorliegen, sollte dieser möglichst durch
COVID-19-Impfung(en) vor einer geplanten Aufnahme zur Rehabilitation
erreicht werden (neu; starker Konsens).
Aufnahmevoraussetzungen (für Einrichtungen, die nur
SARS-CoV-2-negative Patient*innen betreuen, oder für
diesen Bereich):
-
Bei unbekanntem SARS-CoV-2-Status soll vor (oder direkt bei) Aufnahme in
einer Einrichtung sichergestellt werden, dass ein/e
Patient*in SARS-CoV-2-negativ ist; dabei ist die
infektiologische Situation des vorherigen Behandlungssegments zu
berücksichtigen (Aufnahmen aus der Häuslichkeit oder
Übernahmen aus Krankenhäusern) (geprüft; starker
Konsens).
-
Eine Abfrage von eventuellen Krankheitssymptomen oder Kontakt zu
SARS-CoV-2-positiven Fällen soll vor und bei Aufnahme erfolgen,
bei Aufnahme auch eine Körpertemperaturmessung (geprüft;
starker Konsens).
-
Eine SARS-CoV-2-Testung (PCR oder ähnliche
Nukleinsäureamplifikationsverfahren) soll vor Beginn der
Rehabilitation erfolgen. Diese sollte entweder im unmittelbaren Vorfeld
(innerhalb von 48 h) und/oder bei der Aufnahme umgesetzt
werden. Dieser Nachweis sollte in der Häuslichkeit, in einer
Einrichtung, aus der die Verlegung angestrebt wird, oder in der
(Früh-)Rehabilitationseinrichtung selbst erfolgen (modifiziert;
starker Konsens).
-
Besonders in Einrichtungen mit gefährdetem Patientenklientel und
nicht eindeutig kontrollierbarer Übertragungswahrscheinlichkeit
bzw. bei Aufnahme „nicht geimpfter oder nicht genesener“
Personen sollte eine Eingangsisolierung bis zum Vorliegen der Befunde
erfolgen; die Entscheidung zur Nutzung eines Antigentests zur
Klärung, ob die Eingangsisolierung erforderlich ist, liegt im
Ermessen der Einrichtung bzw. lokalen Behörden (modifiziert;
starker Konsens).
-
Eine Aufnahme SARS-CoV-2-Infizierter zur (Früh-)
Rehabilitationsbehandlung ohne Hygieneisolation soll nur erfolgen, wenn
die dafür gemäss der aktuell gültigen
Empfehlungen und Verordnungen für eine Entisolierung
erforderlichen Kriterien individuell erfüllt sind (modifiziert;
starker Konsens).
Unterbringung und Verbringung SARS-CoV-2-positiver
Patient*innen:
-
Falls in einer Einrichtung auch SARS-CoV-2-Infizierte betreut werden,
gilt Folgendes: Die strikte räumliche Trennung von
SARS-CoV-2-Infizierten und anderen Patient*innen soll im
stationären Sektor in drei räumlich und personell
voneinander getrennten Bereichen durchgeführt werden: (1)
COVID-19-Bereich, oder COVID-19-Krankenhaus (alle Patient*innen
SARS-CoV-2 positiv) („schwarzer Bereich“), (2)
Verdachtsfall-Bereich („grauer Bereich“), (3)
Nicht-COVID-19-Bereich (alle Patient*innen SARS-CoV-2 negativ
und asymptomatisch) („weißer Bereich“)
(geprüft; starker Konsens).
-
Eine Kohorten-Isolierung COVID-19-Erkrankter und SARS-CoV-2-positiver
Patient*innen kann erwogen werden (geprüft; starker
Konsens).
-
Der Transport, die Verbringung und der passagere Aufenthalt
COVID-19-Erkrankter und SARS-CoV-2-positiver Patient*innen
außerhalb des Isolierbereichs der Einrichtung soll nur erfolgen,
wenn es für diagnostische oder therapeutische Maßnahmen
unerlässlich ist (geprüft; starker Konsens).
-
Bei Transport, Verbringung und passagerem Aufenthalt COVID-19-Erkrankter
und SARS-CoV-2-positiver Patient*innen außerhalb des
Isolierbereichs sollen von den betreuenden Mitarbeiter*innen die
persönlichen Schutzmaßnahmen in vollem Umfang
einschließlich Tragens einer FFP2-Maske eingehalten werden
(geprüft; starker Konsens).
-
Außerhalb des Isolierbereichs genutzte Transportmittel und
Räume sollen anschließend desinfiziert bzw. intensiv
gelüftet werden; Räume ohne natürliche oder
künstliche Belüftung scheiden für die Benutzung
aus (geprüft; starker Konsens).
-
Bei künstlicher Belüftung (Raumluft-technische Anlage)
sollen die Luftströmungsverhältnisse
überprüft werden, um zu gewährleisten, dass
nicht durch Überströmung andere Bereiche
gefährdet werden (geprüft; starker Konsens).
-
Entlassungen und Verlegungen sollen unter Bedingungen einer
Hygieneisolation erfolgen (geprüft; starker Konsens).
Empfehlungen für Mitarbeiter*innen:
-
Alle Mitarbeiter*innen sollen sich täglich bzgl.
potentiell SARS-CoV-2-assoziierter Symptome oder Kontakt mit einem
COVID-19-Erkrankten bzw. einer SARS-CoV-2-positiven Person kontrollieren
(geprüft; starker Konsens).
-
Bei Auftreten SARS-CoV-2-assoziierter Symptome (ohne Kontakt mit einem
COVID-19-Erkrankten bzw. einer SARS-CoV-2-positiven Person) soll eine
SARS-CoV-2-PCR erfolgen. Bis zum negativen Ergebnis sollte unter
Abwägen von Nutzen und Risiken eine Quarantäne
eingehalten werden (geprüft; starker Konsens).
-
Nach engem Kontakt mit einem COVID-19-Erkrankten oder einer
SARS-CoV-2-positiven Person bzw. Risiko-Kontakt (wahrscheinlich
COVID-19-erkrankt) ohne adäquaten Schutz soll eine
Quarantäne gemäss aktueller behördlicher
Vorgaben erfolgen (modifiziert; starker Konsens).
-
Alle Mitarbeiter*innen und Besucher*innen sollen beim
Betreten der Einrichtung eine Händedesinfektion
durchführen (geprüft; starker Konsens).
-
Bei der Versorgung/einem Kontakt mit SARS-CoV-2-negativen
Patient*innen (Abstand<1,5 m) sollen
Mitarbeiter*innen einen medizinischen Mund-Nasen-Schutz (MNS)
tragen (geprüft; starker Konsens).
-
Jede Einrichtung soll (abhängig von den geltenden
behördlichen Vorgaben, von der lokalen Infektionslage und von
der versorgten Patientenklientel) für ihren Bereich festlegen,
ob ein MNS (außerhalb des Aufenthaltes im eigenen Patienten-
oder Arbeitszimmer) grundsätzlich von Patient*innen und
Mitarbeiter*innen bzw. von Mitarbeiter*innen ggf.
FFP2-Masken getragen werden sollen (modifiziert; starker Konsens).
-
Bei Betreuung von SARS-CoV-2-positiven Patient*innen oder bei
COVID-19-Verdacht gilt: Innerhalb eines Zimmers mit SARS-CoV-2-positiven
Patient*innen oder bei Verdacht auf COVID-19 sollen
Mitarbeiter*innen zum Eigenschutz eine allseitig
abschließende Schutzbrille (ggf. zusätzlich ein Visier),
FFP2-Masken bzw. bei Aerosol erzeugenden Maßnahmen
(z. B. tiefes Absaugen, Trachealkanülen-Management,
Bronchoskopie, fiberendoskopische Evaluation des Schluckens [FEES])
FFP3-Masken, langärmligen Einweg-Isolationskittel und Handschuhe
tragen (modifiziert; starker Konsens).
-
Bei Tätigkeiten mit erhöhter Perforationsgefahr
für die Handschuhe sollte das Tragen von zwei Paar Handschuhen
übereinander erfolgen (geprüft; starker Konsens).
-
Bei Durchfeuchtung des Schutzkittels oder direktem Kontakt der sonstigen
Berufskleidung mit einem SARS-CoV-2-positiven Patient*in oder
patientennahen Flächen soll die Schutz- und Berufskleidung
sofort komplett gewechselt werden (geprüft; starker
Konsens).
-
Um eine Infektion beim Ablegen der persönlichen
Schutzausrüstung zu verhindern, sollten
Mitarbeiter*innen in Bezug auf das An- und Ablegen derselben
trainiert werden (geprüft; starker Konsens).
-
Medizinische Geräte sollten patientenbezogen eingesetzt und
sollen nach Nutzung jeweils desinfiziert werden (geprüft;
starker Konsens).
Rehabilitative Therapie (SARS-CoV-2-negative
Rehabilitand*innen):
-
Händedesinfektion: Alle Patient*innen und
Mitarbeiter*innen sollen vor jeder (Einzel- oder
Gruppen-)Therapie eine hygienische Händedesinfektion
durchführen (geprüft; starker Konsens).
-
Abstandsregel (Einzel-, Klein- oder Großgruppentherapie): Je nach
Aktivität sollen – soweit nicht ein direkter
Therapeut*innen-Patient*innen-Kontakt erforderlich ist
– 1,5 bis 2 m Mindestabstand eingehalten werden
(geprüft; starker Konsens).
-
Raumgröße: Die Raumgröße begrenzt die
Teilnehmerzahl. Die Raumgröße soll so bemessen werden,
dass die Abstandsregel immer eingehalten werden kann (geprüft;
starker Konsens).
-
Lüftungsbedingungen: Vor jeder Therapieraumnutzung sollte
5-15 min ein Stoß- oder Querlüften erfolgen
(Fensterkippen reicht nicht). Je größer der Raum, desto
länger ist die erforderliche Lüftungsdauer
(geprüft; starker Konsens).
-
Im Sinne des Infektionsschutzes kann – soweit umsetzbar –
auch die Durchführung der Therapie im Freien erwogen werden
(modifiziert; starker Konsens).
-
Schutzmasken: Bei direktem körperlichen Patient-Therapeut-Kontakt
sollen Therapeut*innen einen MNS tragen. Bei anstrengenden
körperlichen Aktivitäten und/oder lautem
Sprechen soll der Mindestabstand 2 m betragen und
Therapeut*innen sollen einen MNS tragen. Patient*innen,
die auch während der Rehabilitation außerhalb der
Einrichtung soziale Kontakte pflegen, sollten bei direktem
körperlichen Patient-Therapeut-Kontakt und anstrengenden
körperlichen Aktivitäten und/oder lautem
Sprechen, wenn toleriert, einen MNS tragen; dabei sollten das
Rehabilitationssetting und die regionale Pandemiesituation
berücksichtigt werden. (geprüft; starker Konsens)
Empfehlungen für die Diagnostik:
-
Untersuchungen, die in engem Kontakt zu Patient*innen aber nur an
Kopf, Rumpf und Extremitäten (mit Ausnahme des
Mund-Nasen-Rachen-Raumes) vorgenommen werden, können als mit
einem geringeren Risiko behaftet eingestuft werden; dabei sollen
Patient*innen und Untersucher*innen einen MNS tragen
(geprüft; starker Konsens).
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Bei diagnostischen Prozeduren mit erhöhtem Risiko für
eine SARS-CoV-2-Übertragung, insbesondere durch Aerosole (wie
fiberendoskopische Evaluation des Schluckens (FEES),
transösophageale Echokardiographie, Bronchoskopie,
Rachenabstriche), sollen auch bei SARS-CoV-2-negativen
Rehabilitand*innen Schutzkittel, Atemschutzmasken (FFP2 oder
FFP3) und Schutzbrillen und ggf. zusätzlich Visiere genutzt
werden (modifiziert; starker Konsens).
Versorgung und Speiseräume:
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Unter Beachtung der jeweiligen Gegebenheiten in der Einrichtung sollte
ein Versorgungskonzept erstellt werden (geprüft; starker
Konsens).
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Es soll sichergestellt werden, dass die jeweils dienstleistende Person
(Bedienung, Verkauf an Kiosken, u.ä.) während der Arbeit
einen MNS trägt und für die Mitarbeiter*innen
und Rehabilitand*innen die Möglichkeit der
Händedesinfektion besteht (geprüft; starker
Konsens).
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Ein Angebot in Buffetform mit Selbstbedienung sollte vermieden werden.
Wenn angewendet sollten Buffets als Bedienbuffets gestaltet werden. Der
Besuch des Bedienbuffets durch den Gast sollte unter Tragen eines MNS
erfolgen (geprüft; starker Konsens).
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Zur Vermeidung der SARS-CoV-2-Übertragung durch Aerosole sollte
in Speiseräumen ein Mindestabstand von 1,5 m eingehalten
werden (geprüft; starker Konsens).
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Am Tisch ist für die Gäste während der Aufnahme
von Speisen und Getränken das Tragen eines MNS während
des Aufenthaltes im Speisesaal oder Personalrestaurant nicht
erforderlich (geprüft; starker Konsens).
Besucherkontakte:
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Besucher*innen sollen die Hygiene-Regularien einhalten, die zu
denen für Mitarbeiter*innen analog sind
(Symptomfreiheit, Händedesinfektion,
Mund-Nasen-Bedeckung/MNS); Abstandsregeln sollten nach
Möglichkeit eingehalten werden (geprüft; starker
Konsens).
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Die Nachvollziehbarkeit der Besuchskontakte soll durch das Nachhalten von
Kontaktdaten der Besucher (Vorname, Nachname, Anschrift, Telefonnummer)
über einen Zeitraum von vier Wochen ab Besuch
gewährleistet werden (geprüft; starker Konsens).
Für einen Cafeteria-Betrieb gilt:
-
Die jeweils Dienstleistenden sollen während der Arbeit einen MNS
tragen, für den Gast soll die Möglichkeit der
Händedesinfektion bestehen (geprüft; starker
Konsens).
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Alle anwesenden Personen sollen in einer Anwesenheitsdokumentation
erfasst werden, die mindestens die folgenden Angaben enthält:
Vor- und Familienname, vollständige Anschrift und Telefonnummer
sowie Tischnummer und Uhrzeit; die Anwesenheitsdokumentation soll
für die Dauer von vier Wochen aufbewahrt werden und dem
zuständigen Gesundheitsamt auf Verlangen vollständig
ausgehändigt werden (modifiziert; starker Konsens).
Empfehlungen zur Rehabilitation bei COVID-19
Nachfolgend werden die Leitlinien-Empfehlungen (51–64) zur
rehabilitativen Versorgung von COVID-19-Erkrankten, einschließlich der
rehabilitativen Therapieverfahren auf Intensivstation und im Akutkrankenhaus,
der Frührehabilitation, der Postakut-Rehabilitation, der ambulanten und
Langzeit-Betreuung wiedergegeben.
Rehabilitation bei COVID-19:
-
Rehabilitative Behandlungsansätze sollten bereits auf
der Intensivstation und ggf. fortführend auf einer
fachübergreifenden Frührehabilitation im Akutkrankenhaus
zum Einsatz kommen (modifiziert; starker Konsens).
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Bei pulmonal begründetem Weaning-Versagen sollen
Post-COVID-19-Betroffene zur prolongierter Beatmungsentwöhnung
auf einer pneumologisch oder anästhesiologisch geleiteten
Beatmungsentwöhnungs-Einheit betreut werden (geprüft;
starker Konsens).
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Bei (COVID-19- und) Post-COVID-19-Betroffenen mit relevanten
Schädigungen des peripheren und/oder zentralen
Nervensystems soll eine neurologisch-neurochirurgische
Frührehabilitation durchgeführt werden, diese
schließt fallbezogen auch eine prolongierte
Beatmungsentwöhnung (Weaning) ein (geprüft; starker
Konsens).
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In jedem Fall soll vor Entlassung eines beatmeten
Post-COVID-19-Betroffenen in die außerklinische Intensivpflege
das Potential für eine Beatmungsentwöhnungsbereitschaft
durch qualifizierte Ärzt*innen geprüft werden
(geprüft; starker Konsens).
-
Insbesondere bei Patient*innen nach schweren und
kritischen Verläufen persistieren auch nach
überstandener Akutphase bei einem relativ hohen Anteil Symptome
(z. B. Belastungsdyspnoe, Leistungsschwäche),
Organschädigungen (z. B. an Lunge, Herz-Kreislauf, ZNS,
PNS, Leber, Niere und Muskulatur) sowie psychische Symptome; zu deren
Behandlung sollten rehabilitative Angebote, meist zunächst als
stationäre Rehabilitation initiiert werden (geprüft;
starker Konsens).
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Sind z. B. die pulmonalen, kardialen oder neurologischen
Schädigungen („Impairment“) für den
Rehabilitationsbedarf führend, soll entsprechend eine
indikationsspezifische pneumologische, kardiologische oder neurologische
stationäre oder ganztägig ambulante Rehabilitation
erfolgen (geprüft; starker Konsens).
-
Aufgrund der Häufigkeit psychischer Folgen einer
SARS-CoV-2-Infektion und der häufig ausgeprägten
Vermeidung der Betroffenen, spontan darüber zu berichten, sollte
ein systematisches Screening mit geeigneten Fragen oder
Kurzfragebögen zur Erfassung psychischer Folgen
durchgeführt werden (neu; starker Konsens).
-
Bei Bedarf sollte eine intensivere
psychiatrische/psychologische Begleitung der Betroffenen,
beispielsweise zu folgenden Themen erfolgen: Umgang mit allgemeinen,
krankheitsbezogenen und posttraumatischen Ängsten und
Depressivität, Erfahrungen von Isolation und Quarantäne,
Sorgen in Bezug auf die Zukunft und Wiederherstellung des
Funktionsniveaus (geprüft; starker Konsens).
-
Bei psychischen Krankheitsfolgen einer SARS-CoV-2-Infektion
sollte bei anhaltenden oder exazerbierenden Symptomen unter ambulanter
Behandlung die Indikation für eine psychosomatische
(teil-)stationäre Rehabilitation geprüft werden (neu;
starker Konsens).
-
Während der Rehabilitationsmaßnahme sollen –
basierend auf der sozialmedizinischen Beurteilung - auch die weiteren
Schritte der medizinischen, beruflichen bzw. sozialen Rehabilitation
initiiert werden (geprüft; starker Konsens).
-
Bei primärem Rehabilitationsbedarf nach der Akuterkrankungsphase
sollten Kontrollen des Rehabilitationsfortschrittes und des weiteren
Rehabilitations-, Therapie- oder psychosozialen
Unterstützungsbedarfs zunächst im ersten Jahr nach der
Akuterkrankung mindestens einmal im Quartal erfolgen (geprüft;
starker Konsens).
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Zur Behandlung von Post-/Long-COVID bedingten
Einschränkungen sollen nach der ärztlich diagnostischen
Abklärung primär Heilmittel verordnet werden, um im
Rahmen der ambulanten Versorgung die eingeschränkten
Körperfunktionen wiederherzustellen und
Aktivitätslimitierungen und resultierenden
Partizipationsrestriktionen entgegen zu wirken. Hierzu zählen
insbesondere die ambulante Physiotherapie, physikalische Therapie,
Ergotherapie, Neuropsychologie, Psychotherapie und/oder
Logopädie (neu; starker Konsens).
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Eine teilstationäre (ganztägig ambulante) oder
stationäre medizinische Rehabilitation sollte für
Long-/Post-COVID-19-Betroffene verordnet werden, wenn nach
COVID-19 krankheitsbedingt nicht nur vorübergehende
Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft
bestehen oder drohen, die der multimodalen ärztlichen und
therapeutischen Behandlung bedürfen, wenn also ambulante
Heilmittel für die Behandlung nicht ausreichen (neu; starker
Konsens).
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Betroffene, die berufsbedingt an COVID-19 erkrankten und an Folgen leiden
und einen „Post COVID-Syndrom(PCS) -Check“ der
Berufsgenossenschaften wahrnehmen wollen, können sich dazu an
ihre Berufsgenossenschaft oder Unfallkasse wenden (neu; starker
Konsens).
Schlussbemerkung
Die Leitlinie stellt sowohl umfänglich konsentierte Empfehlungen für
das Infektionsschutz-bezogene Vorgehen während der COVID-19-Pandemie
generell bei Maßnahmen der Rehabilitation, einschließlich der
Frührehabilitation zur Verfügung, wie auch zur Versorgung von
COVID-19-Patient*innen mit rehabilitativen Therapieverfahren während
der gesamten Erkrankungs- und Krankheitsfolgensituation vom der Akutbehandlung
(inkl. Intensivstationen) bis zur ambulanten Langzeit-Nachsorge. Sie macht damit
auch deutlich, dass COVID-19-Betroffenen bei interindividuell sehr variablen
Krankheitsmanifestationen und Krankheitsfolgen im Verlauf einer engmaschigen
längerfristigen Begleitung bedürfen sowie bei alltags- und
berufsrelevanten Leistungseinschränkungen der Mittel der medizinischen
(Früh-)Rehabilitation. Dabei sollten gemäß der individuellen
Krankheitsschwerpunkte die entsprechenden indikationsspezifischen
Möglichkeiten der medizinischen Rehabilitation für die Betroffenen
abgestimmt, bereitgestellt und genutzt werden.
Zu beachten ist, dass die COVID-19-Pandemie ein dynamisches Geschehen ist und sich
entsprechend Empfehlungen für die klinische Praxis zeitnah ändern
können; die Leitlinie hat daher mit 12 Monaten auch eine begrenzte
Gültigkeit und soll dann aktualisiert werden. Entsprechend sei
ergänzend auch auf die jeweils aktuellen Empfehlungen des
Robert-Koch-Instituts verwiesen.
Beteiligte Fachgesellschaften und Mandatsträger*innen
Federführende Fachgesellschaft:
Deutsche Gesellschaft für Neurorehabilitation (DGNR) e.V;
Mandatsträger Prof. Dr. med. Thomas Platz, Greifswald; (Vertreter: PD Dr.
med. Christian Dohle)
Beteiligte Fachgesellschaften (und Freigabedatum der Leitlinie durch die jeweilige
Fachgesellschaft):
Deutsche Gesellschaft für Neurorehabilitation (DGNR) e.V;
Mandatsträger Prof. Dr. med. Thomas Platz, Greifswald; (Vertreter: PD Dr.
med. Christian Dohle) (28.10.2021)
Deutsche Gesellschaft für Epidemiologie (DGEpi) e.V; Mandatsträgerin
Prof. Dr. Eva Grill, MPH; (Vertreter: Prof. Dr. med. Hajo Zeeb, MSc) (2.11.2021)
Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie
(DGHO) e.V; Mandatsträgerin Dr. med. Monika Steimann (Vertreterin: Dr. med.
Imke Strohscheer) (29.10.2021)
Deutsche Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie (DGHM) e.V;
Mandatsträger Prof. Dr. med. Helmut Fickenscher (3.11.2021)
Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung
(DGK) e.V; Mandatsträgerin Dr. med. Manju Guha (Vertreter: apl.-Prof. Dr.
med. Axel Schlitt) (2.11.2021)
Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) e.V;
Mandatsträger Dr. med. Stefan Berghem (3.11.2021)
Deutschen Gesellschaft für Klinische Psychotherapie, Prävention und
Psychosomatische Rehabilitation (DGPPR) e.V; Mandatsträger Prof. Dr. med.
Volker Köllner (Vertreter: Prof. Dr. med. Markus Bassler) (2.11.2021)
Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH) e.V;
Mandatsträger Prof. Dr. med. Axel Kramer (31.10.2021)
Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) e.V; Mandatsträger Prof.
Dr. med. Peter Berlit (27.10.2021)
Deutsche Gesellschaft für Physikalische und Rehabilitative Medizin (DGPRM)
e.V; Mandatsträgerin Dr. med. Annett Reißhauer (Vertreter: Dr. med.
Maximilian Liebl) (26.10.2021)
Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) e.V;
Mandatsträger Dr. med. Stefan Dewey (Vertreter: Prof. Dr. med. Michael
Pfeifer) (29.10.2021)
Deutsche Gesellschaft für Prävention und Rehabilitation von
Herz-Kreislauferkrankungen (DGPR) e.V; Mandatsträger apl.-Prof. Dr. med.
Axel Schlitt (Vertreterin: Dr. med. Manju Guha) (30.10.2021)
Deutsche Gesellschaft für Rehabilitationswissenschaften (DGRW) e.V;
Mandatsträger Dr. med. Konrad Schultz (Vertreter: apl.-Prof. Dr. med. Axel
Schlitt) (30.10.2021)
Gesellschaft für Virologie (GfV) e. V.; Mandatsträger Prof. Dr. med.
Helmut Fickenscher (28.10.2021)
Weitere Beteiligte im Redaktionskomitee (ohne Stimmrecht im
Konsensusverfahren):
Deutsche Vereinigung zur Bekämpfung der Viruskrankheiten (DVV) e. V.;
Mandatsträger Prof. Dr. med. Helmut Fickenscher (2.11.2021)