Schlüsselwörter Mammakarzinom - Brustchirurgie - chirurgische Therapie - Leitlinien - neoadjuvante
Chemotherapie
Einleitung
Die Kommission Mamma der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie e. V. (AGO Mamma)
hat die Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie des Mammakarzinoms zuletzt im März
2022 aktualisiert
(www.ago-online.de ) [1 ]. Dabei wurden die neuen Studienergebnisse und aktuelle Kongressbeiträge berücksichtigt.
Zwei von insgesamt 26 Kapiteln betreffen die
operative Behandlung:
Beide Empfehlungskapitel wurden in diesem Jahr erstmalig mit der AWOgyn (Arbeitsgemeinschaft
für wiederherstellende Operationsverfahren in der Gynäkologie) konsentiert. Im Vorfeld
der
Abstimmung wurde die aktuelle Datenlage intensiv innerhalb der Kommission diskutiert.
2022 lag der Fokus auf folgenden Themen: Resektionsränder, Markierungstechniken und
axilläres operatives
Management im neoadjuvanten Setting. Da die operative Therapie einen von mehreren
Teilschritten bei der Behandlung des Mammakarzinoms darstellt, ist eine umfangreiche
diagnostische und
onkologische Expertise eines Brustoperateurs und gute interdisziplinäre Zusammenarbeit
mit den diagnostischen Radiologen von großer Bedeutung. Im folgenden Beitrag werden
die Empfehlungen und
die aktuelle Evidenz zur operativen und plastisch-rekonstruktiven Therapie vorgestellt.
Operative Therapie der Mamma
Operative Therapie der Mamma
Onkologische Sicherheit der brusterhaltenden Therapie
Die brusterhaltende Therapie (BET), definiert als brusterhaltende Operation (BEO),
gefolgt von einer Radiotherapie, ist in den 1990er-Jahren zum Standardverfahren geworden,
nachdem mehrere
große randomisierte Studien zeigen konnten, dass das Gesamtüberleben (OS) und
das brustkrebsspezifische Überleben (BCSS) nach BET und Mastektomie identisch sind
[2 ], [3 ]. Mittlerweile liegen Ergebnisse aus mehreren prospektiven Registern aus verschiedenen
Ländern vor, die eine Überlegenheit der BET nahelegen
[4 ], [5 ], [6 ], [7 ], [8 ]. Die
neueste Studie stammt aus Schweden. De Boniface et al. aus dem Karolinska-Institut
haben klinische Verläufe von 48 986 Frauen evaluiert [7 ]. Nach medianer
Follow-up-Zeit von 6,2 Jahren waren das OS und BCSS bei Frauen, die eine BET
erhielten, signifikant länger als nach der Mastektomie mit oder ohne Bestrahlung.
Dabei wurden mögliche andere
Einflussfaktoren wie das Alter und sozioökonomischer Status berücksichtigt. Patientinnen,
die keine neoadjuvante Chemotherapie erhalten, soll eine Mastektomie nur empfohlen
werden, wenn die
Tumorgröße in Relation zur Brustgröße kein brusterhaltendes Vorgehen erlaubt,
die negativen Resektionsränder trotz wiederholter Nachresektion nicht erreicht werden
oder ein inflammatorisches
Mammakarzinom vorliegt.
Lokalisation der nicht palpablen Mammaläsionen
70 – 80% aller Mammakarzinompatientinnen werden heutzutage brusterhaltend operiert
[9 ]. Viele dieser Tumoren sind nicht palpabel. Deren Entfernung muss
bildgebend unterstützt erfolgen. Hierfür stehen verschiedene Techniken zur Verfügung
([Abb. 1 ]). Neben der lange als Goldstandard angesehenen
Drahtlokalisation können sonografisch darstellbare Läsionen mithilfe intraoperativer
Sonografie lokalisiert werden ([Abb. 2 ]). Diese Option wird seit 2022
mit einer Doppelplus-Empfehlung (++) bewertet (Definitionen der AGO-Empfehlungsgrade
s. [Tab. 1 ]). Die Empfehlung basiert auf Metaanalysen randomisierter
Studien, die bestätigen konnten, dass die R0-Resektion signifikant häufiger beim
Einsatz intraoperativer Mammasonografie erreicht wird, verglichen mit der Drahtmarkierung
[10 ], [11 ]. Auch beim palpablen Mammakarzinom sind die Vorteile der intraoperativen Sonografie
im Vergleich zur
palpationsgeführten Operation eindeutig: So kann die R0-Resektions-Rate erhöht
und die Nachresektionsrate gesenkt werden [11 ], [12 ]. Interessanterweise konnten Resektionsvolumina durch den Einsatz der intraoperativen
Sonografie in einigen Studien reduziert werden [12 ], [13 ], [14 ]. So erlaubt die Technik, gezielt den Tumor zu entfernen und gleichzeitig das gesunde
Gewebe zu schonen.
Abb. 1 Aktuelle Empfehlungen der AGO Kommission Mamma zum Vorgehen bei nicht palpablen Läsionen.
Abb. 2 Praktischer Einsatz der intraoperativen Mammasonografie: a Die sonografische Linearsonde wird steril bezogen. Zwischen der Sonde und der Folie
soll sich ausreichend
Gel befinden. b Der sterile Bezug wird an der Sonde fixiert. c, d Darstellung der Läsion durch den Operateur. Während der Operation wird die Läsion
intermittierend
dargestellt, um einen ausreichenden Resektionsabstand in alle Richtungen zu
gewährleisten. e Unmittelbar nach der Entfernung des Gewebes erfolgt die Präparatesonografie.
Tab. 1 Empfehlungsgrade der AGO Kommission Mamma.
++
This investigation or therapeutic intervention is highly beneficial for patients,
can be recommended without restriction, and should be performed.
+
This investigation or therapeutic intervention is of limited benefit for patients
and can be performed.
+/−
This investigation or therapeutic intervention has not shown benefit for patients
and may be performed only in individual cases. According to current knowledge a general
recommendation cannot be given.
−
This investigation or therapeutic intervention can be of disadvantage for patients
and might not be performed.
− −
This investigation or therapeutic intervention is of clear disadvantage for patients
and should be avoided or omitted in any case.
Wichtige Voraussetzungen für den Einsatz der intraoperativen Sonografie sind:
Die Läsion muss in der Gesamtausdehnung von demselben Untersucher prä- und intraoperativ
sonografisch darstellbar sein.
Der Operateur muss über eine adäquate Ausbildung in der Mammasonografie verfügen.
Eine präoperative sonografische Untersuchung durch den Operateur ist notwendig, um
zu beurteilen, ob
die Läsion für diese Technik geeignet ist.
Ein qualitativ gutes Ultraschallgerät muss während der Operation zur Verfügung stehen.
Intensiv wurden in diesem Jahr die modernen sondengestützten Detektionsverfahren diskutiert.
Bei diesen Techniken wird der präoperativ eingesetzte Marker mit einer speziellen
(z. B.
magnetischen, radiofrequenz- oder radarbasierten) Sonde während der Operation
lokalisiert. Mit Ausnahme der radioaktiven Techniken (radioaktive Seeds und Radionuklidmarkierung),
die im
Ausland verbreitet, aber in Deutschland nicht zugelassen sind, wurden diese Verfahren
bis jetzt hauptsächlich in einarmigen, industrieinitiierten Studien untersucht. Aus
diesem Grund werden
sie mit +/− bewertet. Dringend notwendig sind unabhängige Studien, die diese
Verfahren mit Drahtlokalisation und intraoperativer Sonografie in einem Real-World-Setting
vergleichen werden.
Eine der kommenden Studien zu diesem Thema ist die Intergroup-Studie MELODY (http://melody.eubreast.com ). Außerdem muss bedacht werden, dass insbesondere magnetische Marker die diagnostische
Aussagekraft der MRT in der Beurteilung des Therapieansprechens aufgrund Suszeptibilitätsartefakte
signifikant einschränken. Unabhängig von der Lokalisationstechnik ist die Durchführung
einer Präparateradiografie oder Präparatesonografie obligat (AGO ++).
Resektionsränder
Beim invasiven Mammakarzinom wird seit mehreren Jahren keine Nachresektion bei Erreichen
der „No tumor on ink“-Situation empfohlen (d. h. keine Tumorzelle berührt den Rand
des Präparates).
Im Gegensatz dazu wird ein Resektionsrand von 2 mm bei reinem DCIS angestrebt.
Eine der am häufigsten in den Tumorboards diskutierten Fragen betrifft den optimalen
Resektionsrand beim
invasiven Mammakarzinom mit einer DCIS-Komponente ([Abb. 3 ]). In dieser Situation wird die Prognose und die adjuvante Therapieentscheidung durch
die
invasive Komponente bestimmt. Das Ziel ist auch hier das Erreichen einer „No
tumor on ink“-Situation, auch bei Patientinnen mit einer zusätzlichen extensiven intraduktalen
Komponente. Eine
routinemäßige Nachresektion bei negativem, aber „knappem“ Resektionsrand soll
nicht durchgeführt werden. In ausgewählten Fällen ist jedoch ein individualisiertes
Vorgehen unter
Berücksichtigung der Ausdehnung der invasiven und der intraduktalen Komponente
und der patientenbezogenen Faktoren wie z. B. des Alters möglich.
Abb. 3 Aktuelle Empfehlungen der AGO Kommission Mamma zu Resektionsrändern beim invasiven
Mammakarzinom.
Operative Therapie der Mamma nach neoadjuvanter Chemotherapie
Bei Patientinnen, die eine neoadjuvante Therapie erhalten, sollte der Tumor vor der
Systemtherapie markiert werden. Hierfür wird meistens ein Clip/Coil verwendet, zur
Verfügung stehen aber
auch die sondengestützten Lokalisationsverfahren. Wichtig ist eine genaue Dokumentation
der Ausdehnung und Lokalisation des Befundes bzw. der Befunde zum Zeitpunkt der Diagnosestellung
sowie
der Lage des Markers, um eine korrekte Operationsplanung nach der Neoadjuvanz
zu ermöglichen. Bei gutem Ansprechen wird die Läsion in sogenannten neuen Grenzen
reseziert.
Operative Therapie des duktalen Carcinoma in situ
Operative Therapie des duktalen Carcinoma in situ
Das duktale Carcinoma in situ (DCIS) entspricht einer heterogenen Gruppe von neoplastischen
Läsionen in der Brust, bei der sich die Tumorzellen innerhalb der Milchgänge ausbreiten
und die
Basalmembran nicht infiltrieren. Das alleinige und ohne weitere invasive Karzinomkomponente
auftretende DCIS wird in der Regel über das Mammografie-Screening durch auffällige
Mikrokalkareale
detektiert und macht ca. 25% aller Mammakarzinome aus. Das wichtigste Therapieziel
liegt in der Vermeidung von invasiven Rezidiven. Dabei stellt die Operation die wichtigste
Therapiemodalität
dar. Eine adjuvante Radiotherapie kann bei brusterhaltendem Vorgehen die nicht
invasiven und invasiven Rezidive um etwa 50% reduzieren. Eine adjuvante endokrine
Therapie kann als Prävention
angeboten werden, beeinflusst aber nicht die lokale Rezidivrate nach DCIS. Aus
diesem Grund stellt die Operation die Basistherapie des DCIS dar, während eine adjuvante
Strahlen- oder endokrine
Therapie in Abwägung zwischen Risikoreduktion und Nebenwirkungen indiziert werden
sollte.
Bei 5 – 25% der Patientinnen wird nach brusterhaltender Operation eines bioptisch
gesicherten DCIS ein Up-Staging zu einem invasiven Karzinom beobachtet. Ipsilaterale
Rezidive treten nach
10 Jahren bei etwa 25% der Frauen auf, die keine adjuvante Radiotherapie erhalten,
und bei 10% mit begleitender Bestrahlung. Die brustkrebsspezifische Mortalität beträgt
3,3%. Damit haben
Frauen mit einem DCIS ein 1,8- bis 3-fach erhöhtes Sterberisiko gegenüber der
Normalbevölkerung [15 ].
Eine präoperative Diagnostik mittels klinischer Untersuchung, Mammografie und Sonografie
ist obligat zur Beurteilung der Ausdehnung und zum Ausschluss eines begleitenden soliden
Anteils. Die
von Tumor- in Relation zur Brustgröße abhängige Standardtherapie des (nicht tastbaren)
DCIS ist vorrangig die Exzision nach stereotaktischer Markierung mit intraoperativer
Präparateradiografie. Bei bildgebend unvollständiger Entfernung der Zielläsion
ist die Nachresektion erforderlich. In seltenen Fällen und je nach Ausdehnung kann
auch ein ablatives Verfahren
notwendig werden, um adäquate Sicherheitsabstände erreichen zu können. Die angestrebte
gesunde Gewebsmanschette beträgt 2 mm für das alleinige DCIS ohne invasive Komponente.
Dies gilt für
Patientinnen, die nach der Operation eine adjuvante Radiotherapie erhalten. Für
Patientinnen, für die keine Strahlentherapie geplant ist, liegen keine evidenzbasierten
Empfehlungen für
optimale Resektionsgrenzen vor.
Ein axilläres Staging (Sentinel-Lymphknoten-Exzision, SLNE) wird bei einer brusterhaltenden
Operation grundsätzlich nicht empfohlen. Dies gilt auch bei einem erhöhten Risiko
für den späteren
Nachweis einer invasiven Komponente (Ausdehnung, Grading). In diesem Falle ist
eine nachgeschaltete SLNE problemlos möglich. Eine SLNE ist bei Patientinnen indiziert,
die eine Mastektomie
erhalten. Die Begründung liegt darin, dass im Falle einer postoperativ dann doch
histologisch nachweisbaren Invasion durch die Brustentfernung die lymphatischen Abflusswege
zerstört werden,
sodass eine spätere SLNE aus technischen Gründen dann nicht mehr möglich ist.
Onkoplastische Operationen
Onkoplastische Operationen
Die onkoplastische Operation ist definiert als eine plastisch-operative Technik zum
Zeitpunkt der Tumorentfernung, um sichere Resektionsgrenzen zu erreichen und eine
ästhetische Brustform zu
ermöglichen. Der Fokus sollte dabei auf eine günstige Narbenplatzierung, eine
adäquate Weichteilformierung, die Wahl eines geeigneten Rekonstruktionsverfahrens
und auf eine mögliche
Anpassungsoperation der Gegenseite gelegt werden, um ein symmetrisches Ergebnis
zu erzielen. Infrage kommen dabei unterschiedlichste Techniken, wie intramammäre oder
dermoglanduläre
Verschiebelappen, die Roundblock- oder Batwingtechnik, die B-Plastik oder eine
tumorlageradaptierte Mastopexie oder Reduktionsplastik, um nur einige zu nennen. Um
den operativen Aufwand auch
den Kostenträgern gegenüber adäquat dokumentieren zu können, ist es hilfreich,
eine der verfügbaren Klassifikationen zu verwenden, beispielsweise die Klassifikation
nach Hoffmann, die
verschiedene Komplexitätsgrade definiert und damit den Aufwand der Operation reproduzierbar
beschreibt [16 ].
Eine onkoplastische Operation kann durch die Vielzahl der existierenden Techniken
in ausgewählten Fällen auch eine Mastektomie ersetzen (LoE 2b/B/AGO +) und ist im
Vergleich zu einer
regulären Segmentresektion hinsichtlich der onkologischen Sicherheit bei vergleichbaren
Komplikationsraten gleichwertig.
Brustrekonstruktion
Für die Rekonstruktion der Brust stehen verschiedene Optionen zur Verfügung. Sowohl
der einzeitige Einsatz von Silikonimplantaten oder der zweizeitige Einsatz in Kombination
mit Expandern
oder die autologe Rekonstruktion mit gestieltem oder freiem Gewebetransfer werden
von der AGO mit einem „+“ bewertet. Die Rekonstruktion kann sowohl im Sinne einer
Sofortrekonstruktion, vor
allem bei Skin-Sparing- oder Nipple-Sparing-Mastectomy (SSM/NSM), als auch als
zweizeitige Spätrekonstruktion vorgenommen werden (LoE 3b/B/AGO ++). Allerdings muss
bei letzterer der Verlust
des Hautmantels in Kauf genommen werden. In der klinischen Routine wird häufig
auch eine verzögerte Rekonstruktion vorgenommen, meist im Falle einer autologen Rekonstruktion.
Dabei wird das
Implantat nach SSM/NSM nur temporär, im Sinne eines Platzhalters, eingesetzt,
um später gegen Eigengewebe ausgetauscht zu werden. Der Vorteil dieser Strategie ist
das Vornehmen der definitiven
Rekonstruktion nach Vorliegen der definitiven Histologie und einer evtl. abgeschlossenen
Strahlentherapie (LoE 3b/B/AGO +).
Peri-/intraoperative Antisepsis/Antibiose
Die peri-/intraoperative Behandlung mit einer lokalen antiseptischen und/oder antibiotischen
Therapie bei der Brustrekonstruktion ist im Vergleich zu keiner derartigen Behandlung
mit einem
statistisch signifikanten Vorteil assoziiert. Im Rahmen einer Metaanalyse aus
11 Studien mit 15 966 Mastektomien konnte gezeigt werden, dass die Infektionsrate
der rekonstruierten Seite
deutlich gesenkt werden konnte (RR = 0,26, 95%-KI: 0,12 – 0,60, p = 0,001). Im
Gegensatz dazu ließ sich ein entsprechender Vorteil durch eine Verlängerung der intravenösen
Antibiose
gegenüber einer Antibiose für 24 Stunden nicht zeigen (RR = 0,80, 95%-KI: 0,60 – 1,08,
p = 0,13). Daher wird eine perioperative Antibiose lediglich für maximal 24 Stunden
empfohlen (LoE
2a/B/+) [17 ], [18 ].
Netz-/ADM-gestützte Implantatrekonstruktion
Wurde bis vor wenigen Jahren bei der Implantatrekonstruktion noch meist eine subpektorale
Implantatposition gewählt, so hat sich mittlerweile wieder die epipektorale Implantatlage
durchgesetzt. Formstabile Implantate, Netze/Netztaschen, azelluläre dermale Matrizes
(ADM) oder Gewebematrizes sowie die Möglichkeit einer späteren Nachmodellierung der
rekonstruierten Brust
mittels Lipofilling garantieren heute kosmetisch bessere und nachhaltig stabile
Ergebnisse ([Abb. 4 ]). Eine große Auswahl an Netzen und ADMs ist aktuell
kommerziell verfügbar und in Studien überprüft worden [19 ], [20 ], ein prospektiv randomisierter Head-to-Head-Vergleich fehlt
jedoch. Auch die Fragestellung subpektoral vs. präpektoral ist bis dato noch
nicht hinreichend geklärt [21 ]. Hier kann die laufende prospektiv-randomisierte
PREPEC-Studie (NCT04293146) möglicherweise zusätzliche Aufklärung bringen. Eine
aktuell in Planung befindliche deutsche Studie wird darüber hinaus untersuchen, ob
eine Netz- oder
ADM-gestützte Implantatrekonstruktion und eine Implantatrekonstruktion ohne weiteres
Material dieselben Outcomes haben.
Abb. 4 Onkoplastische Brustchirurgie an 2 Beispielen: a dermoglanduläre Rotation rechts bei großem Tumor zur Vermeidung einer Höhenveränderung
des
Mamillen-Areola-Komplexes. b Tumoradaptierte Reduktionsplastik links mit angleichender Operation rechts in inverser
T-Schnitt-Technik mit kranialem Mamillenstiel.
Aufgrund der limitierten Datenlage kann die AGO Mamma aktuell auch keine Empfehlung
aussprechen, die die sub- gegenüber der präpektoralen Implantatposition (LoE 3b/C/AGO
+/−) oder eine
Netz- gegenüber einer ADM-unterstützten Technik favorisiert ([Abb. 5 ]). Der Operateur sollte die jeweilige Entscheidung individuell auf die Patientin
abstimmen.
Abb. 5 Netze und ADMs mit Implantatrekonstruktion (Endpunkt Lebensqualität/Komplikationen).
Auch wenn prospektiv-randomisierte Studien zu den wichtigen Fragestellungen fehlen,
so zeichnet sich aktuell ab, dass die Komplikationsraten bei der ADM-gestützten vs.
die netzgestützte
Implantatrekonstruktion höher sind [22 ].
SSM/NSM und Rekonstruktion
Unabhängig von der oben ausgeführten Diskussion zur Implantatposition und möglichen
Materialien dürfte jedoch mittlerweile klar sein, dass die SSM, aber auch die NSM
onkologisch sicher sind
(LoE 2b/B/AGO ++) und für die Patientin eine höhere Lebensqualität bedeuten (LoE
2b/B/AGO ++). Hinsichtlich der verschiedenen Zugangswege macht die AGO Mamma keine
Unterschiede, allerdings
weist der inferolaterale Zugang über die Inframammärfalte die geringste Komplikationsrate
auf. Es sollte allerdings während der OP darauf geachtet werden, dass der Einsatz
von Wundhaken so
gering wie möglich sein sollte, um Hautnekrosen zu vermeiden.
Prävention der Kapselfibrose
Die Entstehung einer Kapselfibrose ist abhängig von der Art der Operation. Bei der
Mamma-Augmentation liegt sie bei etwa 2 – 8%, bei der Rekonstruktion nach SSM/NSM
bei etwa 20% und nach
zusätzlicher Strahlentherapie bei etwa 40% [23 ].
Ausreichende Evidenz für die Reduktion der Kapselfibrose liegt für die Verwendung
von texturierten vs. glatten Implantaten vor (LoE 1a/A/AGO +) [24 ] vor.
Allerdings muss insbesondere bei texturierten Implantaten über das Risiko eines
brustimplantatassoziierten großzellig-anaplastischen Lymphoms (BIA-ALCL) aufgeklärt
werden, welches mit einer
Inzidenz von 1 : 3000 bis 1 : 30 000 auftreten kann. Auch können die Verwendung
eines Netzes (LoE 3a/C/AGO +) oder einer ADM (LoE 2a/B/AGO +) vs. nil zu einer Reduktion
der Kapselfibrose
führen [25 ]. Die Verwendung einer intraoperativen lokalen Antibiotika-/Antiseptikaspülung kann,
bei jedoch limitierter Evidenz aufgrund schlechter
Studienqualität, ebenfalls eine Reduktion der Kapselfibrose bewirken (LoE 2a/B/AGO
+) [26 ]. Kritisch zu sehen ist sicherlich die Verwendung der aus der
Asthmatherapie bekannten Leukotrienantagonisten Montelukast und Zafirlukast.
Die Datenlage ist äußerst beschränkt und Daten zur Langzeittoxizität sind nicht vorhanden
[27 ]. Ein kürzlich publiziertes systematisches Review konnte keinen Vorteil für die Durchführung
einer Brustmassage zeigen, sodass hier alles beim Alten bleibt
und eine Massage keinen Effekt auf die Entstehung einer Kapselfibrose hat (LoE
3a/C/AGO −) [28 ].
Operatives Management der Axilla
Operatives Management der Axilla
Der Nodalstatus galt lange als wichtigster Prognosefaktor und Entscheidungshilfe für
die adjuvante System- und Strahlentherapie. Mit dem wachsenden Verständnis um die
Tumorbiologie erfolgt
die Systemtherapie heute entsprechend den intrinsischen Subtypen. Andererseits
werden innerhalb des Mammografie-Screenings frühere Tumorstadien mit weniger häufiger
axillärer Metastasierung
entdeckt [29 ]. Auch ist die Sonografie der axillären Lymphknoten technisch und personell so weit
verbessert worden, dass die entfernten Sentinel-Lymphknoten
(SLN) nur noch selten befallen sind. Es stellt sich also die Frage nach einer
Deeskalation der Axillachirurgie [30 ].
Operatives Management der Axilla im adjuvanten Setting
Die Etablierung der SLNE Anfang des jetzigen Jahrtausends war ein Meilenstein in der
Therapie des invasiven Mammakarzinoms [31 ]. In randomisierten Studien
konnte gezeigt werden, dass die Falsch-Negativ-Rate (FNR) für die SLNE 5 – 8%
beträgt und diese keinen Einfluss auf das krankheitsfreie Überleben und Gesamtüberleben
hat [32 ]. Derzeit sind geschätzt 50 – 60% aller Mammakarzinompatientinnen bei Erstdiagnose
klinisch nodal negativ (cN0), Patientinnen aus dem Mammografie-Screening
sogar in 75% [29 ].
Der Lymphknotenstatus zum Zeitpunkt der Diagnosestellung wird klinisch und sonografisch
untersucht. Für Patientinnen mit palpatorisch und sonografisch unauffälligen axillären
Lymphknoten
gilt die alleinige SLNE als der Standard (LoE 1b/A/AGO ++). Gleiches gilt auch
für Patientinnen mit Mammakarzinom während der Schwangerschaft oder Stillzeit. Hier
sollte allerdings nur
99m Technetium-Kolloid verwandt werden. Ohnehin besteht für 99m Technetium-Kolloid mit LoE1a/GRA/AGO + der höchste Empfehlungsgrad, während alle anderen
Markierungstechniken mit AGO +/− oder AGO − bewertet werden. Besonders bei der
Verwendung von magnetischen Nanopartikeln zur Sentinel-Markierung muss beachtet werden,
dass es zu einer
signifikanten Einschränkung der Aussagekraft der MRT-Bildgebung auch über mehrere
Jahre nach Injektion kommen kann, wenn die MRT in der Nachsorge, z. B. bei Hochrisikopatientinnen
notwendig
ist. Bei Patientinnen mit Tumoren > 5 cm, multifokalem oder multizentrischem
Mammakarzinom, DCIS mit geplanter Mastektomie, Mammakarzinom des Mannes und nach vorausgegangener
Tumorektomie
sollte die SLNE ebenfalls erfolgen (AGO +).
Die SLNE ist zwar weniger radikal als die klassische Axilladissektion (ALND) jedoch
immer noch eine invasive Prozedur, was zu postoperativen Komplikationen führen kann
[33 ], [34 ]:
Lymphödem: 10 – 20% ALND vs. 5 – 7% SLNE
Einschränkung der Lebensqualität: 35% ALND vs. 23% SLNE
Schmerzen im Arm bzw. Taubheit/Kribbeln: 31% ALND vs. 11% SLNE
Laufende prospektiv-randomisierte Studien (SOUND, NCT02167490; INSEMA, NCT02466737;
BOOG 2013-08; NCT02271828) untersuchen die Notwendigkeit der SLNE bei klinisch nodal
negativen
Mammakarzinomen und brusterhaltender Operation, da die SLNE bei diesen Patientinnen
nur einen geringen therapeutischen Nutzen haben dürfte. Das optimale Vorgehen im Falle
einer Mastektomie
wird derzeit in weiteren prospektiven Studien (POSNOC, NCT02401685; SENOMAC,
NCT02240472) untersucht.
In der INSEMA-Studie – eine prospektiv-randomisierte Studie zum Vergleich der SLNE
vs. keiner SLNE bei Patientinnen mit einem frühen invasiven Mammakarzinom (≤ 5 cm,
cN0) und
brusterhaltender Therapie – wurden 2021 erstmals Daten zu Patient-reported Outcomes
hinsichtlich der Lebensqualität vorgestellt. Der Verzicht auf die SLNE war mit klinisch
bedeutsamen
geringeren Armsymptomen (Schmerz in Arm oder Schulter, Schwellung des Arms oder
der Hand und der Armmobilität) gegenüber Patientinnen mit SLNE und erst recht gegenüber
Patientinnen mit einer
ALND einhergehend [35 ].
Aufgrund des positiven Datenlage empfahl die ASCO bereits 2021 den Verzicht auf jede
axilläre Intervention – auch keine SLNE – bei Patientinnen über 70 Jahre mit günstiger
Tumorbiologie
(hormonrezeptorpositiv HER2-negativ, T1 N0), die eine alleinige endokrine Therapie
bekommen würden [36 ]. Auch die AGO Kommission Mamma erlaubt den Verzicht
auf axilläre Operation bei älteren Patientinnen mit cN0-Status unter bestimmten
Voraussetzungen (> 70 Jahre, Komorbidität, pT1, HR+, HER2-negativ). In diesem Fall
wird die SLNE mit +/−
bewertet. Die Indikation soll hier individuell gestellt werden. Daten zum onkologischen
Outcome werden für die SOUND-Studie (2022) und für die INSEMA-Studie (Ende 2024) erwartet.
Operatives Management der Axilla im neoadjuvanten Setting
Patientinnen mit einer Indikation für eine neoadjuvante Chemotherapie (NACT) und initial
klinisch negativen axillären Lymphknoten (cN0), sollten keine operative Intervention
und auch keine
Stanzbiopsie (engl. Core Needle Biopsy, CNB) vor der NACT erhalten. Bei post-NACT
ycN0 wird die alleinige SLNE (AGO ++) empfohlen. Da der axilläre Lymphknotenstatus
für die weitere
Eskalation oder Deeskalation der post-neoadjuvanten Systemtherapie von entscheidender
Bedeutung ist, wird bei Nachweis von Tumorzellen zur ALND mit unterschiedlichen Empfehlungsgraden
geraten ([Abb. 6 ]) [37 ], [38 ]:
Abb. 6 Aktuelle Empfehlungen der AGO Kommission Mamma zur operativen Axillaintervention
im Zusammenhang mit der neoadjuvanten Chemotherapie.
ypN0(i+) (sn): AGO +/−
ypN1mi (sn): AGO +
ypN1 (sn): AGO ++
Eine retrospektive Analyse der US National Cancer Data Base (NCDB) konnte für initial
cN0-Patientinnen (N = 5377) mit einem HER2-positiven oder triple-negativen (TNBC)
Mammakarzinom und
einer pathologischen Komplettremission in der Brust (Brust-pCR) einen histopathologischen
Befall axillärer Lymphknoten in nur 1,6% der Fälle finden [39 ]. Fand
sich in der Brust keine pCR, so betrug die Rate befallener Lymphknoten 27% [39 ]. In einer analogen Studie mit 290 cN0-Patientinnen und HER2+/TNBC fanden sich
bei allen Patientinnen mit einer Brust-pCR (40,4%) tumorfreie axilläre Lymphknoten
(ypN0), während sich bei einer Brust-non-pCR in 6% positive Lymphknoten (ypN+) zeigten
[40 ]. Die Autoren beider Studien halten eine Axillaintervention in der Subpopulation
der initial cN0 HER2+/TNBC und Brust-pCR für nicht mehr erforderlich.
Voraussetzung ist dafür aber die Bestimmung der Brust-pCR durch eine Operation
[41 ]. Ob die sichere Bestimmung der Brust-pCR durch minimalinvasive Verfahren
unter Einsatz künstlicher Intelligenz zukünftig möglich sein wird, bleibt abzuwarten
[42 ]. In der prospektiven EUBREAST-01-Studie (NCT04101851) wird der
Verzicht auf jede Form der Axillaintervention bei initial cN0 HER2-positiven
oder TNBC und klinisch kompletter Remission in der Brust untersucht.
Bei Patientinnen, die einen klinisch und/oder sonografisch positiven axillären Lymphknotenstatus
(cN+) vor der Systemtherapie aufweisen, sollte dieser minimalinvasiv durch eine Stanzbiopsie
histologisch bestätigt werden. In diesem Zusammenhang wird in Deutschland oft
eine Markierung des biopsierten Lymphknotens vorgenommen. Dies ist aber international
kein Standard. Für den
Vergleich einzelner Marker (Clip/Coil, Kohle, magnetischer Seed, Radar-Reflexion,
Radiofrequenzmarker etc.) gibt es keine ausreichende Evidenz, sodass die Teilnahme
an der AXSANA-Studie
(NCT04373655) von der AGO Kommission Mamma empfohlen wird [10 ], [43 ]. Patientinnen, die nach der NACT weiterhin einen
Lymphknotenbefall aufweisen (ycN+) ist eine ALND (AGO ++) zu empfehlen. Die bildgebende
Erkennbarkeit des axillären Ansprechens auf die NACT ist eingeschränkt [44 ], [45 ]. Im Fokus der aktuellen Forschung steht das optimale Management bei Patientinnen,
die eine sogenannte axilläre Konversion (cN+ → ycN0)
erreichen. In dieser Gruppe kommen unterschiedliche Techniken weltweit zum Einsatz:
die ALND, die SLNE und die sogenannte „Targeted axillary dissection“ (TAD). Um eine
TAD durchführen zu
können, muss vor Beginn der NACT mindestens einer der befallenen Lymphknoten
markiert werden. Dieser Lymphknoten wird als Target-Lymphknoten bezeichnet. Die TAD
ist definiert als Entfernung
des Sentinel-Lymphknoten und des Target-Lymphknotens. Bei Patientinnen, die initial
einen begrenzten Nodalbefall aufwiesen (bildgebend 1 – 3 suspekte Lymphknoten vor
NACT), werden die TAD
und die ALND als gleichwertige Techniken empfohlen (AGO +). Bei höhergradigem
Nodalbefall (ab 4 suspekten Lymphknoten) wird die TAD nur mit +/− bewertet, weil die
Falsch-negativ-Rate in
diesem Kollektiv möglicherweise höher ist ([Abb. 7 ]) [46 ]. In Abhängigkeit von dem histopathologischen Befund der im Rahmen
der TAD entfernten Lymphknoten sollte die weitere Therapie der Axilla erfolgen
([Abb. 6 ]). Eine alleinige SLNE im cN+ → ycN0 Kollektiv wird lediglich mit
AGO +/− bewertet und stellt in Deutschland keinen Standard dar. Im Gegensatz
dazu wird die alleinige SLNE im Ausland häufiger eingesetzt. Beobachtungsstudien zufolge
ist die Lokalrezidivrate
sehr gering, wenn 3 oder mehr negative Sentinel-Lymphknoten nach NACT entfernt
wurden und eine Strahlentherapie erfolgte [47 ]. Da ein blindes axilläres
Sampling bei diesen Patientinnen nicht indiziert ist, bietet die TAD eine Alternative
für diese Patientinnen. Caudle et al. konnten eine signifikante Reduktion der Falsch-negativ-Rate
von
10,1% mit alleiniger SLNE und 4,2% für die alleinige Entfernung des Target-Lymphknotens
(TLNE = Targeted Lymph Node Exstirpation) auf 1,4% für die TAD zeigen [48 ]. Wird histopathologisch eine Mikro- oder Makrometastase im Rahmen der TAD festgestellt,
soll die ALND komplettiert werden. Im Falle von residualen isolierten Tumorzellen
(ypN0
[i+]) sind die therapeutischen Konsequenzen noch unklar und sollten im Rahmen
von Studien (z. B. AXSANA) weiter untersucht werden (LoE2b/B/AGO +/−) [43 ]. In
weiteren Studien wird das optimale strahlentherapeutische Management in diesem
Setting untersucht (TAXIS, ALLIANCE A011202).
Abb. 7 Aktuelle Empfehlungen der AGO Kommission Mamma zur Targeted Axillary Dissection.
Zusammenfassung
Die operative Therapie des Mammakarzinoms erlebte in den letzten 2 Dekaden einen Wandel.
Dabei steht die Deeskalation der chirurgischen Behandlung im Fokus der Forschung.
So nimmt die
Häufigkeit radikaler Operationsverfahren wie die Mastektomie und Axilladissektion
ab. Immer mehr Patientinnen werden (onkoplastische) brusterhaltende Operationen und
Techniken wie die
Sentinel-Lymphknoten-Exzision oder Targeted axillary Dissection empfohlen. Zu
den wichtigsten Neuerungen in der aktualisierten Fassung der AGO-Empfehlungen gehören
die Aufwertung der
intraoperativen Sonografie zur Lokalisation nicht palpabler Läsionen und die Einführung
des „no tumor on ink“-Ziels beim invasiven Mammakarzinom mit DCIS-Komponente, unabhängig
davon, ob eine
extensive intraduktale Komponente vorliegt oder nicht. Auch die Voraussetzungen
für eine Targeted axillary Dissection wurden genauer definiert. Insbesondere bei Patientinnen
mit höhergradigem
Nodalbefall (≥ 4 suspekte Lymphknoten vor Beginn der neoadjuvanten Chemotherapie)
soll die Technik nur nach sorgfältiger Abwägung verwendet werden.