Schlüsselwörter Brustkrebs - Frühstadium - adjuvante Therapie - neoadjuvante Therapie - Chemotherapie - endokrine Therapie
Einleitung
Nachdem die meisten internationalen Kongresse der letzten beiden Jahre als Onlineveranstaltungen stattgefunden hatten, wurde der diesjährige ASCO-Kongress 2022 wieder als Präsenzveranstaltung
durchgeführt. Dieser Kongress sowie weitere Veranstaltungen und aktuelle Publikationen werden in dieser Übersichtsarbeit zusammengefasst und in den aktuellen Behandlungskontext
eingeordnet.
Im Bereich der Prävention wird die Individualisierung der Interventionsansätze weiterentwickelt. Im Bereich der Therapien erreichen neue Substanzen wie Abemaciclib, Olaparib und Pembrolizumab
den klinischen Alltag bei der Behandlung von Mammakarzinompatientinnen in frühen Krankheitsstadien. Nach der generellen Implementierung dieser Substanzen werden nach und nach Biomarker
untersucht, welche die Effektivität der neuen Therapien oder die Prognose unter etablierten Therapien individuell besser erklären können. In diesem Zusammenhang gibt es neue Daten zu
Multigentests und Chemotherapien bei älteren Patientinnen. Ein Einblick in Patientinnengruppen, die mehr oder weniger von einer Immuntherapie mit Checkpoint-Inhibition profitieren könnten,
könnte dabei helfen, auch für diese Therapie differenziertere Therapieentscheidungen zu treffen.
Prävention
Altbekannt und doch eine große Unbekannte – reproduktive Eigenschaften als Risikofaktoren für eine Brustkrebserkrankung
Wie auch bei der Individualisierung der Brustkrebsbehandlung wird im Rahmen der Prävention und Früherkennung immer mehr versucht, die individuellen Risiken nicht nur für die bloße
Erkrankung, sondern auch für die Mortalität nach einer Diagnose in Betracht zu ziehen. Hierbei dienen die molekularen Eigenschaften oft als Surrogatmarker für die entsprechenden Studien.
Bei einem hohen Risiko z. B. für eine triple-negative Erkrankung könnten umfangreichere präventive Maßnahmen eher gerechtfertigt werden verglichen mit Frauen, bei denen das Risiko für eine
Brustkrebserkrankung mit einer guten Prognose erhöht ist. Ebenso könnte eine Prävention für unterschiedliche Subtypen von Mammakarzinom individuell gestaltet sein.
Einige Risikofaktoren sind bereits in diesem Zusammenhang untersucht worden. Es ist z. B. seit Langem klar, dass Frauen mit einer BRCA1 -Keimbahnmutation am ehesten ein
triple-negatives Mammakarzinom entwickeln und somit auch Frauen mit einem triple-negativen Mammakarzinom aus diesem Grund eine hohe Mutationsrate für BRCA1/2 aufweisen [1 ], [2 ], [3 ], [4 ], [5 ]. Aber auch
weitere Brustkrebsrisikogene wie BRCA2, BARD1 und PALB2 konnten mit einem erhöhten Risiko insbesondere für ein triple-negatives Mammakarzinom in Zusammenhang gebracht werden
[6 ], [7 ], [8 ]. Für einige der niedrig penetranten Risikogene fanden sich ebenfalls
Assoziationen mit einer ungünstigen Prognose oder spezifischen molekularen Subtypen [9 ], [10 ], [11 ], [12 ], [13 ], [14 ], [15 ].
Bei den nicht genetischen Risikofaktoren stehen die mammografische Dichte [16 ], [17 ], [18 ]
und reproduktive Faktoren im Fokus [19 ] – [27 ]. Zusätzlich sind insbesondere Alter bei Menarche und bei Menopause und die
Anzahl der Kinder ebenso wie die Dauer des Stillens gut untersuchte Risikofaktoren [19 ], [21 ].
Zu den reproduktiven Risikofaktoren ist nun eine umfangreiche Studie veröffentlicht worden, welche die reproduktiven Faktoren in Zusammenhang mit dem Risiko für die verschiedenen
molekularen Subtypen des Mammakarzinoms untersucht hat [28 ]. In dieser Arbeit wurden mehr als 23 000 Brustkrebspatientinnen und mehr als 71 000 gesunde
Kontrollen aus 31 populations-basierten Studien untersucht. Es wurde berichtet, dass Frauen mit mindestens 1 Schwangerschaft ein niedrigeres Risiko für Luminal-like und HER2-positiven
Brustkrebs hatten. Jedoch trat dieser Effekt erst ca. 10 Jahre nach der letzten Geburt ein. Schwangerschaften erhöhten das Risiko eines triple-negativen Mammakarzinoms für Jahrzehnte nach
der letzten Geburt [28 ], bevor sich das Risiko dem von Nulliparae annähert bzw. deren Risiko unterschreitet. [Abb. 1 ] zeigt
die Entwicklung des Risikos für die Diagnose eines triple-negativen Mammakarzinoms über die Zeit nach einer Geburt im Verhältnis zu Frauen, die keine Geburt berichtet hatten [28 ].
Abb. 1 Odds Ratio für die Entwicklung eines triple-negativen Mammakarzinoms für Patientinnen mit 1, 2 und 3 Geburten im Verhältnis zu Frauen ohne eine Geburt [28 ].
Die Daten dieser großen epiemiologischen Untersuchung sind deswegen von großer Bedeutung, weil sie das Brustkrebsrisiko über die Zeit aufschlüsseln. Seit Jahrhunderten wird angenommen, dass
Schwangerschaften das Brustkrebsrisiko reduzieren [29 ]. Während dies für die meisten postmenopausalen Patientinnen zutrifft und auch für die meisten
molekularen Subtypen, ist die Situation beim triple-negativen Mammakarzinom anders [28 ]. Hier scheint über viele Jahrzehnte das Risiko nach einer
Schwangerschaft erhöht zu sein. Dies ist insbesondere von Bedeutung, weil eine spätere Schwangerschaft unter Umständen zu einer deutlichen Erhöhung der Inzidenz dieses Subtyps mit schlechter
Prognose führt.
Molekular sind die Mechanismen, die in der Schwangerschaft und Stillzeit zur Transformation der Brustdrüse führen, auch mit der Proliferation von epithelialen Stammstellen in der Brust
assoziiert worden [30 ], [31 ], [32 ], [33 ]. Der
RANK/RANKL/OPG-Pathway scheint nicht nur beim Knochenstoffwechsel, sondern auch bei den Transformationsprozessen der Brustdrüse während der Schwangerschaft eine bedeutsame Rolle zu spielen
[33 ] sowie mit anderen Risikofaktoren für die Entstehung einer Brustkrebserkrankung verbunden zu sein [34 ].
Künftige Studien müssen zeigen, welche molekularen Mechanismen genau für diese Beobachtungen verantwortlich sind und ob diese Zusammenhänge für die Brustkrebsprävention genutzt werden
können.
Daten zur ovariellen Suppression in Kombination mit Tamoxifen
Daten zur ovariellen Suppression in Kombination mit Tamoxifen
Die Wahl der antihormonellen, adjuvanten Therapie bei prämenopausalen Patientinnen ist nach wie vor unter Diskussion. Vereinfacht sehen nationale Therapieempfehlungen vor, dass Patientinnen
mit einem niedrigen Rückfallrisiko Tamoxifen und Patientinnen mit einem mittleren Rückfallrisiko Tamoxifen in Kombination mit einer ovariellen Suppression erhalten. Patientinnen mit einem
hohen Rückfallrisiko können mit einem Aromatasehemmer in Kombination mit ovarieller Suppression behandelt werden [35 ]. Die meiste Evidenz resultiert aus der
SOFT- und TEXT-Studie [36 ], [37 ], [38 ], [39 ]. Nun wurden die
Langzeit-Nachbeobachtungsdaten der koreanischen ASTRRA-Studie berichtet [40 ].
Ovarielle Suppression in Kombination mit Tamoxifen – Langzeitdaten konsolidieren die Evidenz
In die ASTRRA-Studie wurden Patientinnen eingeschlossen, die jünger waren als 46 Jahre, Stadium I bis III bei Diagnose hatten und bei denen eine (neo)adjuvante Chemotherapie durchgeführt
worden war. Insgesamt 1282 Patientinnen konnten randomisiert werden zu einer Therapie mit Tamoxifen für 5 Jahre oder eine Therapie mit Tamoxifen für 5 Jahre und Goserelin für 2 Jahre. Die
mediane Nachbeobachtungszeit der kürzlich berichteten Analyse lag bei 8,9 Jahren. Der zuvor gesehene Unterschied hat sich in dieser Analyse verstetigt. Die Therapie mit Tamoxifen und
ovarieller Funktionssuppression (OFS) zeigte ein besseres rückfallfreies Überleben mit einer Hazard Ratio von 0,67 (95%-KI: 0,51 – 0,87). Die absoluten rückfallfreien Überlebensraten nach 8
Jahren betrugen für Tamoxifen alleine 80,2% und für Patientinnen mit ovarieller Suppression 85,4%, also absolut 5,2% weniger Rückfälle. Dieser Unterschied übertrug sich nicht statistisch
signifikant in das Gesamtüberleben, wobei angemerkt werden muss, dass das Überleben in der rekrutierten Patientinnengruppe mit einer OS-Rate nach 8 Jahren von 96,5% in der OFS-Gruppe und von
95,3% in der Tamoxifen-Gruppe exzellent war (HR = 0,78; 95%-KI: 0,49 – 1,25) [40 ]. Bei den Subgruppenanalysen waren die Effekte deutlicher bei Patientinnen im
Alter von 40 bis 45 Jahre und bei HER2-negativen Patientinnen.
Somit trägt die ASTRRA-Studie zu der Datenlage bei, die sich auch aus den anderen Studien in der Therapiesituation ergibt, nämlich dass durch die Hinzunahme von OFS das rückfallfreie
Überleben, aber wahrscheinlich nicht das Gesamtüberleben verbessert werden kann. Die Therapieentscheidung bei gegebenen Nebenwirkungen der OFS (wie in diesem Fall mit Goserelin) sollte immer
individuell mit der Patientin abgestimmt werden.
Anti-HER2-Therapien im neoadjuvanten und adjuvanten Setting
Anti-HER2-Therapien im neoadjuvanten und adjuvanten Setting
Wie kaum ein anderer molekularer Subtyp hat die Behandlung von Patientinnen mit HER2-positiven Mammarzinom in frühen Krankheitsstadien die Prognose dieser Patientinnen durch die Einführung
neuer Substanzen verbessert. Nicht nur Trastuzumab, sondern auch Pertuzumab [41 ], Trastuzumab-Emtansin (T-DM1) [42 ] und
Neratinib [43 ], [44 ] sind für die adjuvante Behandlung von Patientinnen mit HER2-positivem Mammakarzinom in frühen
Krankheitsstadien zugelassen.
Pertuzumab im Langzeit-Follow-up
Pertuzumab kann in der neoadjuvanten und adjuvanten Situation angewendet werden. In der Neoadjuvanz wird die pCR-Rate um ca. 20% erhöht [45 ], [46 ], [47 ]. In der adjuvanten Situation konnte in der Aphinity-Studie mit einem medianen Nachbeobachtungszeitraum von 45,4 Monaten
ein Vorteil für das rückfallfreie Überleben (DFS) berichtet werden (HR zugunsten der Kombinationstherapie von 0,81; 95%-KI: 0,66 – 1,00). Bei der Subgruppenanalyse nach Nodalstatus zeigte
sich, dass insbesondere Patientinnen mit einem positiven Lymphknotenstatus von der Therapie profitierten (HR = 0,77; 95%-KI 0,62 – 0,96) und Patientinnen mit einem negativen Nodalstatus
weniger (HR = 1,13; 95%-KI 0,68 – 1,86). Nun ist nach einer 2. Interimsanalyse die 3. Interimsanalyse für das Gesamtüberleben mit 8,4 Jahren medianer Nachbeobachtungszeit vorgestellt worden
[48 ]. Genauso wie bei den Voranalysen erreichte die Auswertung in Bezug auf das Gesamtüberleben keine statistische Signifikanz mit einer HR von 0,83
(95%-KI: 0,68 – 1,02), jedoch einen numerischen Vorteil für den zusätzlichen Einsatz von Pertuzumab. Dieser Effekt war bei den nodal positiven Patientinnen etwas deutlicher (HR = 0,80,
95%-KI: 0,63 – 1,00). Bei den nodal negativen Patientinnen kann mit einer HR von 0,99 (0,64 – 1,55) nicht von einem Effekt des Pertuzumabs auf das Gesamtüberleben ausgegangen werden.
Explorative Auswertungen des rückfallfreien Überleben (DFS) zeigten sehr ähnliche Ergebnisse wie die vorherigen Untersuchungen, insbesondere in Bezug auf den größeren Therapieeffekt bei
nodal positiven Patientinnen.
Somit hat sich an der Datenlage zu Pertuzumab nicht viel geändert, und die aktuellen Therapieempfehlungen [35 ], eine Therapie bei Patientinnen mit nodal
positiver Erkrankung durchzuführen und die Entscheidung bei Patientinnen mit nodal negativer Erkrankung individuell zu treffen, behalten nach dieser Analyse ihre Gültigkeit.
Atezolizumab in der neoadjuvanten Situation
Während es für Patientinnen mit einem triple-negativen Mammakarzinom in frühen Krankheitsstadien bereits Daten aus einer großen randomisierten Studie mit Pembrolizumab (KEYNOTE-522-Studie)
gibt [49 ], [50 ], und Prembolizumab für eine neoadjuvante in Kombination mit Chemotherapie sowie anschließend adjuvanter
Behandlung zugelassen ist, gibt es für Patientinnen mit hormonrezeptorpositiver Erkrankung und Patientinnen mit HER2-positiver Erkrankung relativ wenige Daten. Nun sind die Ergebnisse der
IMpassion050 in Bezug auf die pCR veröffentlicht worden [51 ]. In der IMpassion050-Studie wurden 454 HER2-positive Patientinnen eingeschlossen und zu einer
neoadjuvanten Therapie mit entweder dosisdichter Chemotherapie mit Doxorubicin/Cyclophosphamid gefolgt von einer Therapie mit Paclitaxel in Kombination mit Trastuzumab und Pertuzumab oder zu
derselben Therapie in Kombination mit Atezolizumab randomisiert. Insgesamt unterschied sich die pCR-Rate nicht. Bei Patientinnen mit Atezolizumab lag diese bei 62,4% und bei Patientinnen
ohne Atezolizumab mit 62,7% leicht höher. Interessanterweise war bei Patientinnen ohne Atezolizumab ein deutlicher Unterschied zwischen Patientinnen, die PD-L1-positiv (pCR: 72,5%) und
PD-L1-negativ waren (pCR: 53,8%). Bei den Patientinnen, bei denen zusätzlich zur Chemotherapie Atezolizumab gegeben wurde, war dieser Unterschied kleiner (64,2% bei PD-L1-Positivität und
60,7% bei PD-L1-Negativität) [51 ].
Diese Ergebnis ist überraschend. Jedoch sind noch nicht alle Diskussionen um die Genauigkeit der PD-L1-Testung beendet und in der KEYNOTE-522-Studie war der CPS-Score auch nicht prädiktiv
für eine Wirksamkeit von Pembrolizumab. Allerdings ist es bemerkenswert, dass in der IMpassion050-Studie die Behandlung ohne Atezolizumab bei der PD-L1-positiven Population insgesamt die
höchsten pCR-Raten hatte. In der IMpassion131 [52 ] war erstaundicherweise in Bezug auf das Gesamtüberleben ein ähnlicher Effekt zu sehen. Patientinnen mit
Paclitaxel-Monotherapie hatten dort numerisch das beste Gesamtüberleben. Ein statistischer Unterschied lag nicht vor. Beim Mammakarzinom gibt es nun Therapiesituationen, bei denen für die
Wirksamkeitsbestimmung eine PD-L1-Expression vorliegen muss (Erstlinientherapie fortgeschrittenes, triple-negatives Mammakarzinom), während bei Patientinnen in der neoadjuvanten/adjuvanten
Behandlung eine solche Bestimmung nicht notwendig ist. Gegebenenfalls gibt es aber auch Kombinationstherapien, bei denen eine PD-L1-Bestimmung nicht notwendig ist. Es muss noch Evidenz
geschaffen werden, um diese Zusammenhänge zu verstehen [53 ].
Pembrolizumab bei Patientinnen mit triple-negativem Mammakarzinom in Frühstadien – die Suche nach Biomarkern
Pembrolizumab bei Patientinnen mit triple-negativem Mammakarzinom in Frühstadien – die Suche nach Biomarkern
Pembrolizumab wurde zur Behandlung von Patientinnen mit einem triple-negativen Mammakarzinom in frühen Krankheitsstadien mit einem erhöhten Rückfallrisiko zugelassen als neoadjuvante
Behandlung zusammen mit Chemotherapie und anschließender Monotherapie in der adjuvanten Situation zur Vervollständigung einer Therapie von 1 Jahr Dauer. In der KEYNOTE-522-Studie konnte
nachgewiesen werden, dass nicht nur die pCR-Rate erhöht wird, sondern auch für Patientinnen ohne Erreichen einer pCR ein Vorteil in Bezug auf das ereignisfreie Überleben erreicht werden kann
[49 ], [50 ], [54 ], [55 ]. Dies war deswegen überraschend, weil
bislang davon ausgegangen worden war, dass der Effekt auf die Prognose hauptsächlich durch das Erreichen einer pCR vermittelt wird [56 ], [57 ], [58 ], [59 ]. Auch in der KEYNOTE-522-Studie war es so, dass bei Patientinnen mit einer pCR eine
exzellente Prognose verzeichnet werden konnte, die bei den mit Pembrolizumab behandelten Patientinnen nur geringfügig besser war (eventfreie 3-Jahres-Rate: 94,4 vs. 92,5%; HR = 0,73; 95%-KI:
0,39 – 1,36). Bei gegebenen Nebenwirkungen wird oft die Frage diskutiert, ob es vor diesem Hintergrund Patientinnen gibt, die mehr oder weniger von der adjuvanten Pembrolizumab-Therapie
profitieren, oder es Gruppen von Patientinnen gibt, bei denen auf den adjuvanten Teil der Therapie verzichtet werden kann. Einen ersten Einblick in eventuelle Biomarker gibt in diesem
Zusammenhang eine Untersuchung der KEYNOTE-522-Studie mit dem „Residual Cancer Burden“-(RCB-)Score [60 ]. Der RCB-Score [61 ] – [63 ] errechnet sich aus verschiedenen Parametern, die das Ansprechen auf eine Chemotherapie zusammenfassen. Er kann z. B. mit einem Onlinerechner
ermittelt werden [64 ] ([Abb. 2 ]).
Abb. 2 Onlinerechner zur Bestimmung der Residual Cancer Burden [64 ].
Bei der Analyse der Effektivität in Bezug auf das ereignisfreie Überleben in der KEYNOTE-522-Studie konnte gezeigt werden, dass sich der Effekt auf die Prognose durchaus zwischen den
RCB-Gruppen unterscheiden könnte. Bei Patientinnen mit einer pCR (RCB-0) zeigten sich die schon bekannten exzellenten Prognosedaten. Generell war die Prognose in Abhängigkeit von der
RCB-Kategorie sowohl für Patientinnen im Pembrolizumab-Arm als auch im Kontrollarm mit zunehmender Kategorie (zunehmender Residualtumor) schlechter ([Abb. 3 ]). Der deutlichste Benefit für die Hinzunahme von Pembrolizumab zeigte sich bei der Gruppe der Patientinnen mit der RCB-Kategorie 2. Hier war die HR 0,52 (95%-KI: 0,32 – 0,82)
und die ereignisfreien 3-Jahres-Überlebens-Raten betrugen 55,9% für den Kontrollarm und 75,7% für den Pembrolizumab-Arm. Patientinnen in der schlechtesten Kategorie (RCB-3) schienen nicht von
einer Pembrolizumab-Therapie zu profitieren.
Abb. 3 Ereignisfreie 3-Jahres-Überlebens-Raten in der KEYNOTE-522-Studie nach Residual Cancer Burden-Gruppen [60 ].
Die Nutzung des RCB in der klinischen Praxis ist nicht Teil einer Therapieempfehlung. Diese Untersuchung zeigt jedoch, dass dieser Biomarker/Score in zukünftigen Studien weiter überprüft
werden könnte, um eine Therapie nach einer neoadjuvanten Therapie weiter zu planen.
Biomarker
Bislang gibt es einige wenige Therapien bei frühen und fortgeschrittenen Krankheitsstadien, die zwingend an gewisse Biomarker gebunden sind. Hierzu gehören die Anti-HER2-Therapien (positiver
HER2-Status), endokrine Therapien (positiver Hormonrezeptorstatus), Alpelisib (somatische PIK3CA -Tumor-Mutation), Talazoparib/Olaparib (Keimbahnmutation in BRCA1/2 ) und
Pembrolizumab/Atezolizumab (PD-L1-Expression beim metastasierten triple-negativen Mammakarzinom). Weitere Biomarker sind nicht mandatorisch etabliert. Prognostische Tests wie die Multigentests
können eingesetzt werden, um Patientinnen mit frühen Krankheitsstadien zu identifizieren, die eine exzellente Prognose haben, um bei diesen Patientinnen eine adjuvante Chemotherapie zu
vermeiden. Ein Biomarker, der in den Vereinigten Staaten von Amerika im Zusammenhang mit der adjuvanten Zulassung des CDK4/6-Inhibitors Abemaciclib Therapie eingestzt wird, ist der altbekannte
Ki-67-Score.
Ki-67 und Abemaciclib bei Patientinnen mit HR+ HER2− Mammakarzinom
Ki-67 als proliferativer Marker ist bereits seit den 1980er-Jahren beschrieben [65 ]. Seine Rolle als prognostischer Faktor und prädiktiver Faktor für das
Erreichen einer pCR nach neoadjuvanter Chemotherapie ist in multiplen Studien beschrieben worden [66 ], [67 ], [68 ], [69 ], [70 ], [71 ], [72 ], [73 ], [74 ], [75 ], [76 ]. Sein klinischer Einsatz
wurde jedoch bislang nicht zwingend empfohlen. Anders als in Europa hatte jedoch im Jahr 2021 die amerikanische Zulassungsbehörde FDA beschieden, dass Abemaciclib adjuvant eingesetzt werden
kann bei Patientinnen mit nodal positivem Mammakarzinom und einem Ki-67 ≥ 20%. Dies entspricht nicht der Zulassungssituation in Europa, wo Patientinnen mit mehr als 3 befallenen Lymphknoten,
aber auch Patientinnen mit 1 – 3 befallenen Lymphknoten Abemaciclib verordnet werden kann, wenn entweder der Tumor ≥ 5 cm groß ist oder der Tumor ein Grading von 3 hat. Dieses
unterschiedliche Vorgehen ist momentan Bestandteil wissenschaftlicher Diskussionen [77 ], [78 ]. Auch wenn es unumstritten ist,
dass Ki-67 ein bedeutsamer prognostischer Faktor ist, konnte in der MonarchE-Studie, welche die adjuvanten Daten für eine Behandlung mit Abemaciclib geliefert hatte, nicht gezeigt werden,
dass Ki-67 einen prädiktiven Wert für die Wirksamkeit von Abemaciclib hat, sondern lediglich dessen prognostische Relevanz bestätigt [79 ]. Die Bedenken, die
sich gegen den Einsatz von Ki-67 wenden, sind hauptsächlich die Reproduzierbarkeit und Vergleichbarkeit der Ergebnisse mit dem Risiko, nicht die richtigen Patientinnen für eine Therapie zu
selektieren. In Europa besteht dieses Problem, wie beschrieben, nicht.
Multigentests bei älteren Patientinnen
In den vergangenen Jahren wurde eine umfangreiche Datenlage gesammelt, die zu einem Routineeinsatz meherer Multigentests in Deutschland führte. Alle Multigentests haben mehr oder weniger
die Eigenschaft, HR+/HER2− Patientinnen mit einer exzellenten Prognose zu identifizieren [80 ], [81 ], [82 ], [83 ], [84 ], [85 ]. In Bezug auf die Vorherseage der
Wirksamkeit einer Chemotherapie jedoch konnten keine eindeutigen Ergebnisse erzielt werden. In der RXponder-Studie war der Recurrence-Score nicht in der Lage, den Benefit einer Chemotherapie
vorherzusagen im Vergleich zu einer adjuvanten endokrinen Therapie ohne vorherige Chemotherapie [86 ]. Bei älteren Patientinnen gibt es kaum Daten zu diesem
Thema.
Vor diesem Hintergrund konnte die neulich vorgestellte ASTER-70s-Studie neue Erkenntnisse liefern. In dieser Studie wurde der Genomic-Grade-Index (GGI) bestimmt [87 ], [88 ]. Der Genomic-Grade-Index wurde entwickelt, um mit Genexpressionsanalysen das Tumor Grading charakterisieren zu können. Mittels
quantitativer PCR werden 97 Gene des Zellzyklus und der Proliferation bestimmt und die Tumoren in hoch, mittel (equivocal) und niedrig eingeteilt.
In der ASTER-70s-Studie ([Abb. 4 ]) [89 ] wurden Patientinnen eingebracht, die mindestens 70 Jahre alt und an einem HR+ HER2−
Mammakarzinom ohne Metastasen entweder als Neudiagnose oder Lokalrezidiv erkrankt waren. Nach Bestimmung des GGI wurde für Patientinnen mit niedrigem GGI keine weitere Chemotherapie
empfohlen und bei Patientinnen mit mittlerem oder hohem GGI eine Randomisation durchgeführt. In einem Behandlungsarm wurde mit Chemotherapie gefolgt von adjuvanter Hormontherapie behandelt.
Im alternativen Behandlungsarm erhielten die Patientinnen die alleinige adjuvante endokrine Therapie [89 ]. Fast 1100 Patientinnen konnten randomisiert werden.
Mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von fast 6 Jahren konnte ein Trend zugunsten einer Therapie mit Chemotherapie gesehen werden (HR = 0,79, 95%-KI: 0,60 – 1,03), welcher jedoch keine
statistische Signifikanz erreichte. Bei den älteren Patientinnen war eine fehlende Adhärenz zur Therapie im Chemotherapie-Arm mit 20,5% relativ hoch im Vergleich zum Randomisationsarm ohne
Chemotherapie (0,6%) [89 ]. In solchen Fällen ist eine Per-Protokoll-Analyse immer sinnvoll, bei der sich eine HR von 0,73 (95%-KI: 0,55 – 0,98) ergab.
Abb. 4 Studiendesign der ASTER-70s-Studie.
Auch wenn die Studie ingsgesamt negativ war, gibt sie doch Hinweise, die zu der Vermutung führen, dass es auch ältere Patientinnen gibt, die bei einem hohen Rückfallrisiko (wie hier
bestimmt durch den GGI) von einer Chemotherapie profitieren könnten.
Ausblick
Die Datenlage zu den Multigentests und Therapieentscheidungen für oder gegen eine Chemotherapie hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Einige Studien wie die OPTIMA-Studie (mit PAM50)
rekrutieren zurzeit noch und werden die Datenlage mit Sicherheit ergänzen.
In Bezug auf die neoadjuvante/adjuvante Therapie mit Pembrolizumab könnten Biomarker helfen, Patientinnengruppen zu identifizieren, bei denen eine adjuvante Therapie nicht durchgeführt werden
muss. Dies muss jedoch Inhalt zukünftiger Studien sein.
Für Patientinnen mit HER2-negativem HR-positiven Mammakarzinom steht die erste Analyse der Natalee-Studie noch aus, die Ribociclib in der adjuvanten Situation bei Patientinnen mit einem
erhöhten Rückfallrisiko untersucht.
Diese und weitere Studien werden in der nahen Zukunft die Therapiesituation für Patientinnen in frühen Krankheitsstadien erweitern.