Subscribe to RSS
DOI: 10.1055/a-1917-5943
Heilkunst?
Historische Spuren zur Heilkunde und Krankheitslehre lassen sich schon in die prähistorische Medizin zwischen 18.000 und 4000 v. Chr zurückverfolgen [1]. In der Antike wurden dann in diesem Zusammenhang schon wichtige Fragen gestellt, wie z. B: Was kann die Medizin? Und wo liegen ihre Grenzen? Wie soll der Arzt am Krankenbett auftreten? Warum und für wen ist die Prognose so wichtig? Welche Beziehungen bestehen zwischen Gesundheit/Krankheit und Umwelt/Klima? Später schrieb man diese Fragen und die assoziierten Texte u. a. dem legendenumwobenen griechischen Arzt Hippokrates (2. Hälfte 5. Jh. v. Chr.) zu, dessen Eid bis heute nachwirkt. Heilkunde entwickelte sich kontinuierlich v. a. in den vergangenen Jahrhunderten weiter bis in die Gegenwart und fokussiert hierbei auf die Gesamtheit der menschlichen Kenntnisse und Fähigkeiten über die Entstehung, Heilung und Prävention von Krankheiten.
Vor diesem Hintergrund positioniert sich Bodo Niggemann, der lange als einer der Chefärzte in der Universitätskinderklinik Charité tätig war, mit seinem Buch „Heilkunst?“ im Spannungsfeld zwischen ärztlichem Handeln und der individuellen Situation der Patient*innen.
Der Autor legt mit seinem Buch weder ein Kompendium noch erschöpfendes Lehrbuch vor. Er gibt auf der Basis seiner langjährigen Erfahrung als erfolgreicher Hochschullehrer, aber auch offensichtlich empathischer Arzt praktisch brauchbare Anregungen v. a. an Studierende der Medizin bzw. junge Ärzt*innen, aber auch interessierte Patient*innen.
In logisch aufeinander folgenden Kapiteln werden wichtige Themenfelder wie z. B. Präventionsmaßnahmen, Diagnostik und Therapie in sehr unterhaltsamer und ansprechender Weise erläutert.
Bodo Niggemann vermittelt in seinem Buch glaubwürdig anhand vieler konkreter Beispiele, dass zur „Heilkunst“ weit mehr als die professionelle, auf Optimierung und nicht selten Wirtschaftlichkeit ausgelegte Tätigkeit im Selbstverständnis von Mediziner*innen gehört. Er wirbt hierbei auf der Basis vieler konkreter Beispiele authentisch dafür, sich für die Sorgen und Fragen der Patient*innen mit Empathie und Demut ausreichend Zeit zu nehmen.
Auch spricht der Autor eingängige Tipps für eine gelingende Kommunikation aus. Hierbei geht es neben der Verwendung einer für Patient*innen verständliche Sprache v. a. um die Fähigkeit, zuhören zu können. Letztere sollte möglichst früh, d. h. bereits im Studium, Schritt für Schritt erlernt werden.
Den Patien*innen rät Bodo Niggemann, konstruktiv, aber auch kritisch mit Information umzugehen, sich auf das Gespräch mit Ärzt*innen des Vertrauens vorzubereiten und dann hierbei partnerschaftlich einzubringen.
Dem ersten Kontakt zwischen Ärzt*innen und Patien*innen widmet der Autor besondere Aufmerksamkeit. V. a. bezogen auf chronisch Erkrankte dienen die im Buch aufgeführten hilfreichen Hinweise auf vertrauensbildende Maßnahmen in der ärztlichen Gesprächsführung als belastbare Voraussetzung für eine langfristig angelegte vertrauensvolle Beziehung zwischen Ärzt*innen und Patient*innen.
Ohne an dieser Stelle weiter ins Detail gehen zu können, widmet sich der Autor besonders ausführlich, sachkundig und differenziert in jeweils mehreren Unterkapiteln der Komplementärmedizin, Salutogenese und Compliance.
Bodo Niggemann gelingt es durchweg, seiner Leserschaft die ihm wichtigen Botschaften durch viele tiefsinnige, aber auch durchaus humorvollen Zitate berühmter Ärzte und Philosophen sowie mit 30 Cartoons kurzweilig und einprägsam zu vermitteln. Zur Veranschaulichung folgen einige ernsthafte, aber auch humorvolle Zitate – sozusagen als „Appetizer“ zum Lesen des Buches:
-
Thema „Spannungsfeld Gesundheit und Krankheit“: „Das Gefühl für Gesundheit erwirbt man durch Krankheit“ (G. C. Lichtenberg) und „Gar nicht krank ist auch nicht gesund“ (K. Valentin)
-
Thema „Placebo“: „Der Patient traut nur widerwillig dem, der’s schmerzfrei macht und billig. Drum lass nie den Grundsatz rosten: Es muss a) wehtun und b) was kosten!“ (Eugen Roth)
-
Thema „Compliance“: „Gesagt ist nicht gehört, gehört ist nicht verstanden, verstanden ist nicht einverstanden, einverstanden ist nicht durchgeführt, durchgeführt ist nicht beibehalten“ (Konrad Lorenz).
Ich möchte das übrigens von Bodo Niggemann selber bezeichnete „Büchlein“ mit dem fragenden Titel „Heilkunst?“ als lesenswert empfehlen.
Ich werde mein eigenes Unterrichtsmaterial gerne v. a. um die oben angesprochenen Zitate und Cartoons ergänzen, um damit die auch mir sehr wichtigen Botschaften zum guten ärztlichen Handeln in der Ausbildung von Studierenden und Ärzt*innen noch ansprechender vermitteln zu können.
Literatur
[1] Diepgen P, Goerke H: Aschoff/Diepgen/Goerke: Kurze Übersichtstabelle zur Geschichte der Medizin. 7., neubearb. Aufl. Springer: Berlin/Göttingen/Heidelberg 1960
Prof. Dr. med. Bernd Schönhofer, Bielefeld
#
Publication History
Article published online:
07 December 2022
© 2022. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany