Schlüsselwörter
COVID-19 - Palliativversorgung - Krankenhaus - Sterbebegleitung - Handlungsempfehlungen
Keywords
COVID-19 - palliative care - hospital - terminal care - recommendations
Einleitung
Die COVID-19-Pandemie stellt gerade für die Begleitung von schwerkranken und sterbenden Patient*innen im Krankenhaus eine immense Herausforderung dar. Auch wenn der Umgang mit Palliativpatient*innen sowie mit Sterben und Tod dort vielfach zum Alltag gehört, so ist davon auszugehen, dass die Versorgung dieser Patientengruppe in einer Pandemie durch einen Anstieg der Fälle, Besuchsrestriktionen sowie Schutz- und Isolationsmaßnahmen schwieriger ist als zuvor. Die Zusammenarbeit mit der spezialisierten Palliativmedizin ist erschwert, der entlastende kollegiale Austausch in Pausen fehlt [1]. Im Forschungsverbund Palliativversorgung in Pandemiezeiten (PallPan) des Netzwerks Universitätsmedizin (NUM, www.netzwerk-universitaetsmedizin.de) führten universitäre Palliativzentren insgesamt 16 Studien als Basis für die Entwicklung einer Nationalen Strategie zur Versorgung von schwerkranken und sterbenden Menschen und ihren Angehörigen in einer Pandemie durch [2]. Um den Einfluss und die Herausforderungen durch die Pandemie sowie Lösungsansätze von Mitarbeitenden und Betroffenen zu erfassen, wurden qualitative und quantitative Studien durchgeführt, Pandemiepläne analysiert und Krisenstäbe befragt.
Ziel der hier vorliegenden Studie war die Beschreibung von Veränderungen, Belastungen und der gewünschten Unterstützung für die Versorgung von Schwerkranken, Sterbenden und deren Angehörige außerhalb von spezialisierten Palliativstationen in der allgemeinen stationären Palliativversorgung während der 1. Welle der Pandemie im März und April 2020. In der Annahme, dass Mitarbeitende in Kliniken, in denen mehr Schwerkranke und Sterbende als vor der Pandemie versorgt wurden, besondere Belastungen erlebten und evtl. auch andere Unterstützungsbedürfnisse hatten, wurden entsprechende Subgruppen gebildet. Die Ergebnisse dieser Befragung flossen, ebenso wie die Ergebnisse der anderen Studien und Analysen, in die PallPan-Handlungsempfehlungen der Nationalen Strategie ein [3].
Methoden
Es wurde eine webbasierte Umfrage mit einem neu entwickelten Online-Fragebogen bei patientennah tätigen Mitarbeitenden in deutschen Krankenhäusern, außerhalb von Palliativstationen, durchgeführt. Die Studie ist beim Deutschen Register für Klinische Studien (DRKS) registriert (ID: DRKS00 023 591) ein positives Ethikvotum der Ethikkommission der Universität Würzburg liegt vor (AZ 2020 071 503). Um den Fragebogen zu beginnen, war die Zustimmung zum Datenschutzkonzept notwendig. Ein Abbruch der Teilnahme war vor Absenden des Fragebogens jederzeit möglich.
Erhebungsinstrument
Unter Berücksichtigung der Literatur [4–10] und der ersten Ergebnisse des qualitativen Forschungsteils mit derselben Zielgruppe [2]
[11] wurde ein eigener Fragebogen entwickelt. Neben soziodemografischen und tätigkeitsbezogenen Angaben umfasste er die Themenfelder Veränderungen der Belegung und der Versorgungsqualität, getätigte Abwägungen hinsichtlich Infektionsschutz, Lebensqualität/Sterbequalität und Angehörigenbedürfnisse, Belastungsfaktoren der Mitarbeitenden sowie zur Zusammenarbeit mit der spezialisierten Palliativmedizin. In der Endversion nach Pilotierung enthielt der Fragebogen 34 Fragen bei einer Bearbeitungsdauer von ca. 30 Minuten. Die Teilnehmenden konnten mittels Likert-Skalen, Einfach-/Mehrfachantworten und teilweise an Filterfragen anschließende Folgefragen ihre Zustimmung oder Ablehnung äußern. Um möglichst vollständige Datensätze zu generieren, waren die Fragen als „Pflichtfragen“ definiert – das Fortführen der Befragung war von der Beantwortung der Fragen abhängig, bei Mehrfachantworten genügte das Ankreuzen einer Antwortoption um fortzufahren.
Vgl. Zusatzmaterial „Fragebogen“
Datenerhebung und Stichprobe
Bundesweit wurden stratifiziert nach regionalen Inzidenzen (Angabe pro 100 000 Einwohner: niedrig 0–100/mittel 101–500/hoch 501–2000; Lagebericht des RKI vom 20.05.2020) 191 (100 %) Kliniken für die Befragung ausgewählt, darunter 15/191 (7,9 %) universitäre und 176/191 (92,1 %) nicht universitäre Einrichtungen. Die E-Mail-Adressen der Mitarbeitenden wurden über die Internetseiten der Kliniken ermittelt. In die Befragung eingeschlossen wurden 10 357 (100 %) Personen, darunter 7303 Ärzt*innen (70,5 %), 1324 Pflegende (12,8 %), 1730 (16,7 %) weitere (therapeutische) Berufsgruppen, z. B. Psycholog*innen, Sozialarbeiter*innen, Seelsorger*innen, Logopäd*innen, Physio-, Atem- und Ergotherapeut*innen. Die Tätigkeit auf einer spezialisierten Palliativstation wurde aufgrund der definierten Zielgruppe der allgemeinen stationären Palliativversorgung als Ausschlusskriterium definiert. Bei einem Pre-Test mit 15 Personen außerhalb der späteren Befragungsgruppe wurde der Fragebogen in Bezug auf Durchführung, Lesbarkeit und Verständlichkeit überprüft. Der daraufhin angepasste Fragebogen wurde im Anschluss als Online-Umfrage mit personalisiertem Link über die Plattform UniPark versandt (Befragungszeitraum 01.12.20–20.01.21 incl. 2 Erinnerungsmails).
Datenauswertung
Die Datenauswertung erfolgte mit SPSS 26.0. Für die Subgruppenanalyse wurden 2 Gruppen gebildet. Der „Gruppe A“ wurden die Befragten zugeordnet, die über eine Zunahme der Anzahl von Schwerkranken und Sterbenden in ihrem Tätigkeitsbereich berichteten („mehr geworden“ und „erheblich mehr geworden“). Die übrigen Befragten bildeten zusammengefasst die „Gruppe B“. Bei diesen war die Anzahl Schwerkranker und Sterbender „gleichgeblieben“, „weniger geworden“ oder „erheblich weniger geworden“. Die beiden Gruppen wurden hinsichtlich der erhobenen Parameter „Veränderungen der Belegung und der Versorgungsqualität“, „getätigte Abwägungen zwischen Infektionsschutz und Lebens-/Sterbequalität“ und „Angehörigenbedürfnissen“, sowie in punkto „Belastungsfaktoren und Zusammenarbeit“ verglichen. Auf Grund des explorativen Charakters der Studie wurde auf eine Korrektur des Fehlers 1. Art verzichtet. Die Daten wurden deskriptiv analysiert (Häufigkeiten, Mittelwerte); inferenzstatistisch wurden Zusammenhänge mittels Chi²-Test und Fischers Exaktem Test geprüft. Das Signifikanzniveau wurde auf < 0,05 festgelegt. Die Ergebnisse wurden nach Gaus et. al. explorativ interpretiert. [12]
Durch die Beantwortungspflicht lagen die Einzelfragen der fertig bearbeiteten Fragebögen vollständig, ohne fehlende Werte, vor. Unterschiedliche n-Angaben bei Items von Fragen mit Mehrfach-Antwortmöglichkeit oder Filterfragen sind auf die Zählweise zurückzuführen. Es wurden nur die angekreuzten Antwortoptionen gezählt. Nicht ausgewählte Antwortmöglichkeiten und die Antwortoption „nicht beurteilbar“ wurden nicht berücksichtigt.
Ergebnisse
Fragebogenrücklauf
Von den 10 357 (100 %) versendeten E-Mails wurden 8882 (85,8 %) erfolgreich zugestellt. 878/8882 Personen klickten den Link an (Ansichtsrate 9,9 %), darunter 35/8882 (0,4 %) Teilnehmende, die auf eigenen Wunsch aus dem Adresspool entfernt wurden und 60/8882 (0,7 %) Teilnehmende, die aufgrund mangelnden Vertrauens in das Datenschutzkonzept die Teilnahme ablehnten. 783/8882 Angefragte bearbeiteten den Fragebogen (Rekrutierungsrate 8,8 %). 550/8882 Teilnehmer (6,2 % der zugestellten Nachrichten), entsprechend 550/783 (70,2 % Abschlussquote) Befragte bearbeiteten nach informierter Einwilligung den Fragebogen bis zum Ende. 20/8882 (0,2 %) Teilnehmende, die ohne Einladung an der Studie teilgenommen hatten, wurden wegen ihrer Tätigkeit auf einer spezialisierten Palliativstation ausgeschlossen. 25/8882 (0,3 %) weitere beantworteten die Frage nach Veränderungen in der Anzahl Schwerkranker und Sterbender nicht, sodass letztlich 505/8882 Fragebögen (5,7 %) ausgewertet wurden.
Beschreibung der Stichprobe
Die 505 Teilnehmenden mit einem mittleren Alter von 47,5 Jahren wurden, aufgeteilt in 2 Gruppen, miteinander verglichen. 255/505 (50,5 %) der Befragten berichteten, dass die Anzahl Schwerkranker und Sterbender (erheblich) mehr geworden sei (= Gruppe A), 224/505 (44,4 %) berichteten eine annähernd gleiche Anzahl und 26/505 (5,1 %) berichteten, dass im Bezugszeitraum (erheblich) weniger Schwerkranke und Sterbende versorgt wurden (= beide zusammen in Gruppe B) ([Tab. 1]) 281/505 (55,6 %) der Befragten waren Ärzt*innen und 286/505 (56,6 %) waren an einem Klinikum der Maximalversorgung tätig. Befragte der Gruppe A waren häufiger als die der Gruppe B in Hotspot-Regionen tätig (151/255 (59,2 %) vs. 116/250 (46,4 %)) und versorgten häufiger COVID-19-Patient*innen im eigenen Tätigkeitsbereich (194/255 (76,1 %) vs. 155/250 (62,0 %), p < 0,001). 108/505 (21,4 %) verfügten über die Zusatzqualifikation Palliativmedizin.
Tab. 1
Stichprobenbeschreibung, unterteilt nach der Anzahl der zu versorgenden Schwerkranken und Sterbenden (Gruppe A „mehr geworden“ vs. Gruppe B: „im Wesentlichen unverändert“ und „weniger geworden“).
|
Gruppe A
(mehr Schwerkranke/Sterbende; n = 255)
|
Gruppe B
(gleich/weniger Schwerkranke/Sterbende; n = 250)
|
Gesamt
(N = 505)
|
p-Wert
|
Alter
|
|
|
|
0,040
|
|
Mittelwert
|
47,2
|
47,9
|
47,5
|
|
|
Standardabweichung
|
9,43
|
9,52
|
9,47
|
|
Geschlecht
|
|
|
|
0,079
|
|
weiblich
|
141 (55,3)
|
121 (48,4)
|
262 (51,9)
|
|
|
männlich
|
114 (44,7)
|
126 (50,4)
|
240 (47,5)
|
|
|
divers
|
0 (0,0)
|
3 (1,2)
|
3 (0,6)
|
|
Berufsgruppen
|
|
|
|
0,743
|
|
Ärzt*innen
|
146 (57,3)
|
135 (54,0)
|
281 (55,6)
|
|
|
Pflegende
|
50 (19,6)
|
51 (20,4)
|
101 (20,0)
|
|
|
Therapeutische Berufsgruppen
|
59 (23,1)
|
64 (25,6)
|
123 (24,4)
|
|
Zusatzqualifikation Palliativmedizin/Palliative Care
|
|
|
|
0,105
F
|
|
vorhanden
|
47 (18,4)
|
61 (24,4)
|
108 (21,4)
|
|
Versorgungsstufe
|
|
|
|
0,100
|
|
Max.-Versorgung Uniklinik
|
95 (37,3)
|
82 (32,8)
|
177 (35,0)
|
|
|
Sonstige Max.-Versorgung
|
56 (22,0)
|
53 (21,2)
|
109 (21,6)
|
|
|
Regel- und Grundversorgung
|
44 (17,3)
|
68 (27,2)
|
112 (22,2)
|
|
|
Schwerpunktversorgung/Fachklinik
|
58 (22,7)
|
45 (18,0)
|
103 (20,4)
|
|
|
nicht beurteilbar
|
2 (0,8)
|
2 (0,8)
|
4 (0,8)
|
|
COVID-19-Betreuung im Tätigkeitsbereich
|
|
|
|
< 0,001
|
|
ja
|
194 (76,1)
|
155 (62,0)
|
349 (69,1)
|
|
|
nein
|
32 (12,5)
|
76 (30,4)
|
108 (21,4)
|
|
|
nicht beurteilbar
|
29 (11,4)
|
19 (7,6)
|
48 (9,5)
|
|
Hotspot
|
|
|
|
0,040
|
|
ja
|
151 (59,2)
|
116 (46,4)
|
267 (48,5)
|
|
|
nein
|
114 (44,7)
|
140 (56)
|
254 (46,2)
|
|
|
nicht beantwortet
|
3 (1,2)
|
10 (4)
|
13 (2,4)
|
|
Legende: Angaben in absoluten Zahlen und Prozenten, Chi2 nach Pearson oder Exakter Test nach Fisher (F), Exakte Signifikanz (zweiseitig); Mittelwert und Standardabweichung, Altersvergleich mittels zweiseitigem t-Test. Mehrfachantworten möglich bei Hotspot-Frage, Prozentzahlen über 100 % auf n = 505 bezogen.
Veränderungen und Abwägungen
167/505 (33,1 %) berichteten über eine verschlechterte Versorgungsqualität für Schwerkranke und Sterbende, signifikant häufiger innerhalb der Gruppe A (98/255 (38,4 %) vs. 69/250 (27,6 %); p = 0,014). Abwägungen zwischen Infektionsschutz und Patienten-/oder Angehörigen-bezogenen Belangen waren in der Gesamtstichprobe häufig (264/502 (52,6 %) bzw. 407/503 (80,9 %)) und wurden signifikant häufiger von Befragten der Gruppe A berichtet. 313/505 (62,0 %) der Befragten fanden die Abwägungen angemessen ([Tab. 2]).
Tab. 2
Veränderungen und Abwägungen, unterteilt nach der Anzahl der zu versorgenden Schwerkranken und Sterbenden (Gruppe A „mehr geworden“ vs. Gruppe B: „im Wesentlichen unverändert“ und „weniger geworden“).
|
Gruppe A
(mehr Schwerkranke/Sterbende, n = 255)
|
Gruppe B
(gleich/weniger Schwerkranke/Sterbende; n = 250)
|
Gesamt
(n = 505)
|
p-Wert
|
Veränderungen
|
|
|
|
|
Belegung
|
|
|
|
< 0,001
|
|
mehr/erheblich mehr
|
124 (48,6)
|
36 (14,4)
|
160 (31,7)
|
|
|
gleich geblieben
|
48 (18,8)
|
92 (36,8)
|
140 (27,7)
|
|
|
weniger/erheblich weniger
|
75 (29,4)
|
117 (46,8)
|
192 (38,0)
|
|
|
nicht beurteilbar
|
8 (3,1)
|
5 (2,0)
|
13 (2,6)
|
|
Qualität der Versorgung von Schwerkranken und Sterbenden
|
|
|
|
0,014
|
|
verbessert/erheblich verbessert
|
15 (5,9)
|
10 (4,0)
|
25 (5,0)
|
|
|
gleich geblieben
|
132 (51,8)
|
165 (66,0)
|
297 (58,8)
|
|
|
verschlechtert/erheblich verschlechtert
|
98 (38,4)
|
69 (27,6)
|
167 (33,1)
|
|
|
nicht beurteilbar
|
10 (3,9)
|
6 (2,4)
|
16 (3,2)
|
|
Abwägungen
|
|
|
|
|
Infektionsschutz vs. Lebensqualität
|
n = 251
|
n = 248
|
n = 499
|
0,001
|
|
sehr häufig/häufig
|
172 (68,5)
|
137 (55,2)
|
309 (61,9)
|
|
|
selten
|
41 (16,3)
|
58 (23,4)
|
99 (19,8)
|
|
|
nie
|
12 (4,8)
|
33 (13,3)
|
45 (9,0)
|
|
|
nicht beurteilbar
|
26 (10,4)
|
20 (8,1)
|
46 (9,2)
|
|
Infektionsschutz vs. Sterbequalität
|
n = 253
|
n = 249
|
n = 502
|
< 0,001
|
|
sehr häufig/häufig
|
164 (64,8)
|
100 (40,2)
|
264 (52,6)
|
|
|
selten
|
50 (19,8)
|
76 (30,5)
|
126 (25,1)
|
|
|
nie
|
13 (5,1)
|
46 (18,5)
|
59 (11,8)
|
|
|
nicht beurteilbar
|
26 (10,3)
|
27 (10,8)
|
53 (10,6)
|
|
Infektionsschutz vs. Angehörigenbedürfnisse
|
n = 254
|
n = 249
|
n = 503
|
0,033
|
|
sehr häufig/häufig
|
212 (83,5)
|
195 (78,3)
|
407 (80,9)
|
|
|
selten
|
19 (7,5)
|
28 (11,2)
|
47 (9,3)
|
|
|
nie
|
6 (2,4)
|
16 (6,4)
|
22 (4,4)
|
|
|
nicht beurteilbar
|
17 (6,7)
|
10 (4,0)
|
27 (5,4)
|
|
Angemessenheit der Abwägungen
|
n = 255
|
n = 250
|
n = 505
|
0,114
|
|
ja
|
147 (57,6)
|
166 (66,4)
|
313 (62,0)
|
|
|
nein
|
63 (24,7)
|
52 (20,8)
|
115 (22,8)
|
|
|
nicht beurteilbar
|
45 (17,6)
|
32 (12,8)
|
77 (15,2)
|
|
Legende: Angabe in absoluten Zahlen; Prozentwerte innerhalb der Gruppe zur Veränderung der Anzahl Schwerkranker und Sterbender, Chi2 nach Pearson.
Versorgungsstruktur für Sterbende und Unterstützung von Angehörigen
464/505 (91,8 %) der Befragten berichteten über Lockerungen des Besuchsverbotes, sodass Angehörige mittels Ausnahmeregelungen Sterbende besuchen konnten. 141/505 (27,9 %) berichteten über die Bereitstellung von Tablet-PCs zur Unterstützung der Patienten-Angehörigen-Kommunikation, darunter signifikant häufiger Befragte der Gruppe A (91/255 (35,7 %) vs. 50/250 (20 %), p < 0,001). Als Unterstützung von Angehörigen beim Abschiednehmen wurden von 352/500 (70,4 %) am häufigsten „religiöse Rituale und Gespräche“ genannt, gefolgt von strukturierten Gesprächsangeboten seitens der Ärzt*innen 328/504 (65,1 %) und psychologischen bzw. psychotherapeutischen Gesprächsangeboten 293/501 (58,5 %). 103/496 (20,8 %) der Befragten berichteten über die Möglichkeit der Begleitung durch Hospiz-Ehrenamtliche. Die meisten der genannten Angebote waren bereits im Vorfeld der Pandemie etabliert. Insgesamt wurden häufiger Angebote ausgesetzt als neue Unterstützungsangebote geschaffen – dies sowohl in der Gruppe A wie auch in der Gruppe B ([Tab. 3]).
Tab. 3
Versorgungsstruktur für Sterbende und Unterstützung von Angehörigen beim Abschiednehmen, unterteilt nach der Anzahl der zu versorgenden Schwerkranken und Sterbenden (Gruppe A „mehr geworden“ vs. Gruppe B: „im Wesentlichen unverändert“ und „weniger geworden“).
|
Gruppe A
(mehr Schwerkranke/Sterbende)
|
Gruppe B
(gleich/weniger Schwerkranke/Sterbende)
|
Gesamt
|
p-Wert
|
Ausnahmeregelungen für Besuche
|
n = 255
|
n = 250
|
n = 505
|
0,189
|
|
ja, nur COVID-19-neg. Sterbende
|
54 (21,2)
|
73 (29,2)
|
127 (25,1)
|
|
|
ja, nur COVID-19-pos. Sterbende
|
3 (1,2)
|
1 (0,4)
|
4 (0,8)
|
|
|
ja, beide Patient*innengruppen
|
178 (69,8)
|
155 (62,0)
|
333 (65,9)
|
|
|
keine Ausnahmeregelungen
|
6 (2,4)
|
9 (3,6)
|
15 (3,0)
|
|
|
nicht beurteilbar
|
14 (5,5)
|
12 (4,8)
|
26 (5,1)
|
|
Räumlichkeiten
|
|
|
|
|
Schutz der Privatsphäre
|
n = 253
|
n = 250
|
n = 503
|
0,252
|
|
ja, gab es bereits zuvor
|
202 (79,8)
|
211 (84,4)
|
413 (82,1)
|
|
|
ja, wurde neu eingeführt
|
2 (0,8)
|
1 (0,4)
|
3 (0,6)
|
|
|
nein, wurde ausgesetzt
|
14 (5,5)
|
9 (3,6)
|
23 (4,6)
|
|
|
nein, gab es auch vorher nicht
|
40 (15,7)
|
24 (9,6)
|
64 (12,7)
|
|
|
nicht beurteilbar
|
24 (9,4)
|
19 (7,6)
|
43 (8,5)
|
|
Rooming-in von Angehörigen
|
n = 251
|
n = 245
|
n = 496
|
0,124
|
|
ja, gab es bereits zuvor
|
90 (35,9)
|
111 (45,3)
|
201 (40,5)
|
|
|
ja, wurde neu eingeführt
|
3 (1,2)
|
2 (0,8)
|
5 (1,0)
|
|
|
nein, wurde ausgesetzt
|
76 (30,3)
|
70 (28,6)
|
146 (29,4)
|
|
|
nein, gab es auch vorher nicht
|
58 (23,1)
|
37 (15,1)
|
95 (19,2)
|
|
|
nicht beurteilbar
|
24 (9,6)
|
25 (10,2)
|
49 (9,9)
|
|
Nutzung eines Abschiedsraumes
|
n = 251
|
n = 250
|
n = 501
|
0,644
|
|
ja, gab es bereits zuvor
|
90 (35,9)
|
111 (45,3)
|
201 (40,5)
|
|
|
ja, wurde neu eingeführt
|
3 (1,2)
|
2 (0,8)
|
5 (1,0)
|
|
|
nein, wurde ausgesetzt
|
76 (30,3)
|
70 (28,6)
|
146 (29,4)
|
|
|
nein, gab es auch vorher nicht
|
58 (23,1)
|
37 (15,1)
|
95 (19,2)
|
|
|
nicht beurteilbar
|
24 (9,6)
|
25 (10,2)
|
49 (9,9)
|
|
Bereitstellung digitaler Angebote zur Kommunikation Patient*in-Angehörige
|
n = 255
|
n = 250
|
n = 505
|
|
|
Telefone
|
215 (84,3)
|
203 (81,2)
|
418 (82,8)
|
0,410F
|
|
Internetzugang
|
125 (49,0)
|
130 (52,0)
|
255 (50,5)
|
0,534F
|
|
Tablet
|
91 (35,7)
|
50 (20,0)
|
141 (27,9)
|
< 0,001F
|
|
Videokonferenzen
|
26 (10,2)
|
22 (8,8)
|
48 (9,5)
|
0,650F
|
|
Keine besonderen Angebote
|
16 (6,3)
|
33 (13,2)
|
49 (9,7)
|
0,010F
|
Unterstützung von Angehörigen beim Abschiednehmen
|
|
|
|
|
Strukturierte Gesprächsangebote seitens der Ärzt*innen
|
n = 254
|
n = 250
|
n = 504
|
0,383
|
|
ja, gab es bereits zuvor
|
164 (64,6)
|
160 (64,0)
|
324 (64,3)
|
|
|
ja, wurde neu eingeführt
|
3 (1,3)
|
1 (0,4)
|
4 (0,8)
|
|
|
nein, wurde ausgesetzt
|
7 (2,8)
|
3 (1,2)
|
10 (2,0)
|
|
|
nein, gab es auch vorher nicht
|
49 (19,3)
|
45 (18,0)
|
94 (18,7)
|
|
|
nicht beurteilbar
|
31 (12,2)
|
41 (16,4)
|
72 (14,3)
|
|
Strukturierte Gesprächsangebote seitens der Pflegenden
|
n = 253
|
n = 250
|
n = 503
|
0,334
|
|
ja, gab es bereits zuvor
|
124 (49,0)
|
120 (48,0)
|
244 (48,5)
|
|
|
ja, wurde neu eingeführt
|
3 (1,2)
|
0 (0,0)
|
3 (0,6)
|
|
|
nein, wurde ausgesetzt
|
25 (9,9)
|
14 (5,7)
|
39 (7,8)
|
|
|
nein, gab es auch vorher nicht
|
19 (7,5)
|
28 (11,3)
|
47 (9,4)
|
|
|
nicht beurteilbar
|
28 (11,1)
|
34 (13,8)
|
62 (12,4)
|
|
Psychologisch/psychotherapeutische Gesprächsangebote
|
n = 253
|
n = 248
|
n = 501
|
0,421
|
|
ja, gab es bereits zuvor
|
139 (54,9)
|
146 (58,9)
|
285 (56,9)
|
|
|
ja, wurde neu eingeführt
|
5 (2,0)
|
3 (1,2)
|
8 (1,6)
|
|
|
nein, wurde ausgesetzt
|
16 (6,3)
|
13 (5,2)
|
29 (5,8)
|
|
|
nein, gab es auch vorher nicht
|
64 (25,3)
|
49 (19,8)
|
113 (22,6)
|
|
|
nicht beurteilbar
|
29 (11,5)
|
37 (14,9)
|
66 (13,2)
|
|
Begleitung durch Hospiz-Ehrenamtliche
|
n = 249
|
n = 247
|
n = 496
|
0,327
|
|
ja, gab es bereits zuvor
|
43 (17,3)
|
57 (23,1)
|
100 (20,2)
|
|
|
ja, wurde neu eingeführt
|
2 (0,8)
|
1 (0,4)
|
3 (0,6)
|
|
|
nein, wurde ausgesetzt
|
49 (19,7)
|
36 (14,6)
|
85 (17,1)
|
|
|
nein, gab es auch vorher nicht
|
118 (47,4)
|
112 (45,3)
|
230 (46,4)
|
|
|
nicht beurteilbar
|
37 (14,9)
|
41 (16,6)
|
78 (15,7)
|
|
Weitergabe von Informationen zur Trauerbegleitung (z. B. Broschüren)
|
n = 253
|
n = 248
|
n = 501
|
0,067
|
|
ja, gab es bereits zuvor
|
124 (49,0)
|
118 (47,6)
|
242 (48,3)
|
|
|
ja, wurde neu eingeführt
|
2 (0,8)
|
3 (1,2)
|
5 (1,0)
|
|
|
nein, wurde ausgesetzt
|
6 (2,4)
|
1 (0,4)
|
7 (1,4)
|
|
|
nein, gab es auch vorher nicht
|
88 (34,8)
|
75 (30,2)
|
163 (32,5)
|
|
|
nicht beurteilbar
|
33 (13,0)
|
51 (20,6)
|
84 (16,8)
|
|
Religiöse Rituale und Gespräche
|
n = 253
|
n = 247
|
n = 500
|
0,161
|
|
ja, gab es bereits zuvor
|
180 (71,1)
|
171 (69,2)
|
351 (70,2)
|
|
|
ja, wurde neu eingeführt
|
1 (0,4)
|
0 (0,0)
|
1 (0,2)
|
|
|
nein, wurde ausgesetzt
|
25 (9,9)
|
14 (5,7)
|
39 (7,8)
|
|
|
nein, gab es auch vorher nicht
|
19 (7,5)
|
28 (11,3)
|
47 (9,4)
|
|
|
nicht beurteilbar
|
28 (11,1)
|
34 (13,8)
|
62 (12,4)
|
|
Legende: Angaben in absoluten Zahlen und Prozent, Chi2-Test nach Pearson, asymptotische Signifikanz (zweiseitig) oder Exakter Test nach Fisher (F), exakte Signifikanz (zweiseitig).
Belastungsfaktoren
Als häufigster Belastungsfaktor wurde die wahrgenommene Vereinsamung der Patient*innen genannt 437/505 (86,5 %), gefolgt von der Belastung durch die Umsetzung verschärfter Hygieneregeln 409/505 (81,0 %), der wahrgenommenen psychischen Belastung von Angehörigen und Hinterbliebenen 395/505 (78,2 %), der erhöhten Arbeitsbelastung 372/505 (73,7 %) und der erschwerten Kommunikation mit Angehörigen 366/505 (72,5 %). Befragte der Gruppe A berichteten signifikant häufiger als Befragte der Gruppe B über Belastung durch das Leid der Schwerkranken und Sterbenden (190/225 (74,5 %) vs. 158/250 (63,2 %); p < 0,01), die erhöhte Arbeitsbelastung (209/255 (82,0 %) vs.163/250 (65,2 %); p < 0,001) und den erschwerten oder unmöglichen Abschied am Totenbett (149/255 (58,4 %) vs. 119/250 (47,7 %); p = 0,015). Belastung durch Einhalten der Abstandsregeln wurde signifikant häufiger von Befragten der Gruppe B genannt (152/250 (60,8 %) vs. 127/255 (49,8 %); p = 0,013) ([Tab. 4]).
Tab. 4
Belastungsfaktoren, unterteilt nach Anzahl der zu versorgenden Schwerkranken und Sterbenden (Gruppe A „mehr geworden“ vs. Gruppe B: „im Wesentlichen unverändert“ und „weniger geworden“).
|
Gruppe A
(mehr Schwerkranke/Sterbende n = 255
|
Gruppe B
(gleich/weniger Schwerkranke/Sterbende n = 250
|
Gesamt
(N = 505)
|
p-Wert
|
Belastungsfaktoren
|
|
|
|
|
|
Vereinsamung der Patient*innen
infolge der Besuchseinschränkungen
|
221 (86,7)
|
216 (86,4)
|
437 (86,5)
|
0,930
|
|
Psychische Belastung der Schwerkranken und Sterbenden
|
190 (74,5)
|
158 (63,2)
|
348 (68,9)
|
0,006
|
|
Psychische Belastung der Angehörigen und Hinterbliebenen
|
207 (81,2)
|
188 (75,2)
|
395 (78,2)
|
0,104
|
|
Erhöhte Arbeitsbelastung
|
209 (82,0)
|
163 (65,2)
|
372 (73,7)
|
< 0,001
|
|
Sorge vor eigener Ansteckung
|
160 (62,7)
|
145 (58,0)
|
305 (60,4)
|
0,276
|
|
Verschärfte Hygieneregeln
|
210 (82,4)
|
199 (79,6)
|
409 (81,0)
|
0,431
|
|
Einhalten der Abstandsregeln
|
127 (49,8)
|
152 (60,8)
|
279 (55,2)
|
0,013
|
|
Erschwerter/unmöglicher Abschied am Sterbe-/Totenbett
|
149 (58,4)
|
119 (47,6)
|
268 (53,1)
|
0,015
|
|
Durchsetzung eines Besucherverbots
|
180 (70,6)
|
172 (68,8)
|
352 (69,7)
|
0,662
|
|
Erschwerte Kommunikation mit Angehörigen
|
191 (74,9)
|
175 (70,0)
|
366 (72,5)
|
0,218
|
Legende: Mehrfachantworten möglich, daher differierende Gesamtzahlen pro Antwortkategorie, Prozentwerte innerhalb der Gruppe zur Veränderung der Anzahl Schwerkranker und Sterbender, Chi2 nach Pearson, für jede Antwortkategorie separat gerechnet; n = 505.
Zusammenarbeit mit der spezialisierten Palliativversorgung und gewünschte Unterstützung
310/505 (61,4 %) der Befragten konnten die spezialisierte stationäre Palliativversorgung (Palliativdienste oder Palliativstationen (SPV)) während der Pandemie in die Versorgung von Schwerkranken und Sterbenden einbeziehen. 152/505 (30,1 %) hingegen hatten diese Möglichkeit nicht, teilweise wurden vorbestehende Angebote pandemiebedingt ausgesetzt. Eine Mitbetreuung der COVID-19-Patient*innen am Patientenbett wurde, ebenso wie die beratende Unterstützung durch die SPV via Telefon oder Video, signifikant häufiger von der Gruppe A berichtet (94/255 (36,9 %) vs. 66/250 (26,4 %), p = 0,013 und 48/255 (18,8 %) vs. 30/250 (12,0 %), p = 0,037). 356/505 (70,5 %) der Befragten wünschten weitere Angebote der SPV – am häufigsten gewünscht wurden leicht zugängliche Informationen 245/505 (68,8 %), Fortbildungen 228/505 (64,0 %) und Kurzvorträge 156/505 (43,8 %) sowie schriftliche Handlungsanweisungen 148/505 (41,6 %) ([Tab. 5]).
Tab. 5
Zusammenarbeit mit der spezialisierten stationären Palliativversorgung (SPV) und zukünftig gewünschte Unterstützung, unterteilt nach der Anzahl der zu versorgenden Schwerkranken und Sterbenden (Gruppe A „mehr geworden“ vs. Gruppe B: „im Wesentlichen unverändert“ und „weniger geworden“).
|
Gruppe A
(mehr Schwerkranke/Sterbende n = 255)
|
Gruppe B
(gleich/weniger Schwerkranke/Sterbende; n = 250)
|
Gesamt
(N = 505)
|
p-Wert
|
Einbezug SPV in Versorgung
|
|
|
|
0,262
|
|
ja, bereits vor der Pandemie
|
142 (55,7)
|
162 (64,8)
|
304 (60,2)
|
|
|
ja, neu eingerichtet
|
4 (1,6)
|
2 (0,8)
|
6 (1,2)
|
|
|
nein, wurde ausgesetzt
|
16 (6,3)
|
10 (4,0)
|
26 (5,1)
|
|
|
nein, gab es nicht
|
68 (26,7)
|
58 (23,2)
|
126 (25,0)
|
|
|
nicht beurteilbar
|
25 (9,8)
|
18 (7,2)
|
43 (8,5)
|
|
Art des Einbezugs SPV
|
|
|
|
|
|
Mitbetreuung COVID-19-Pat.
|
94 (36,9)
|
66 (26,4)
|
160 (31,7)
|
0,013F
|
|
Mitbetreuung übrige Pat.
|
117 (45,9)
|
116 (46,4)
|
233 (46,1)
|
0,929F
|
|
Tel./Video COVID-19-Pat.
|
48 (18,8)
|
30 (12,0)
|
78 (15,4)
|
0,037F
|
|
Tel./Video übrige Pat.
|
44 (17,3)
|
33 (13,2)
|
77 (15,2)
|
0,218F
|
|
nicht beurteilbar
|
108 (42,4)
|
114 (45,6)
|
222 (44,0)
|
0,259F
|
Verlegung Palliativstation
|
|
|
|
0,046
|
|
ja, war möglich
|
119 (46,7)
|
144 (57,6)
|
263 (52,1)
|
|
|
nein, nicht möglich
|
92 (36,1)
|
74 (29,6)
|
166 (32,9)
|
|
|
nicht beurteilbar
|
44 (17,3)
|
32 (12,8)
|
76 (15,0)
|
|
Weitere SPV-Angebote hilfreich
|
|
|
|
0,096
|
|
ja
|
169 (66,3)
|
187 (74,8)
|
356 (70,5)
|
|
|
nein
|
42 (16,5)
|
28 (11,2)
|
70 (13,9)
|
|
|
nicht beurteilbar
|
44 (17,3)
|
35 (14,0)
|
79 (15,6)
|
|
Hilfreiche zusätzliche SPV-Angebote
|
n = 169
|
n = 186
|
n = 356
|
|
|
Videovisiten
|
65 (38,5)
|
55 (29,4)
|
120 (33,7)
|
0,074F
|
|
Thematische Kurzvorträge
|
72 (42,6)
|
84 (44,9)
|
156 (43,8)
|
0,670F
|
|
Fortbildungen
|
102 (60,4)
|
126 (67,4)
|
228 (64,0)
|
0,185F
|
|
Leicht zugängliche Informationen
|
117 (69,2)
|
128 (68,4)
|
245 (68,8)
|
0,909F
|
|
Schriftliche Handlungsanweisungen
|
70 (41,4)
|
78 (41,7)
|
148 (41,6)
|
> 0,999F
|
Legende: Mehrfachantworten teilweise möglich, Angaben in absoluten Zahlen und Prozent, asymptotische Signifikanz (zweiseitig), Chi2-Test nach Pearson oder Exakter Test nach Fisher (F), Exakte Signifikanz (zweiseitig); Berechnung erfolgte pro Antwortkategorie.
Diskussion
In der vorliegenden Studie wurden unseres Wissens nach erstmals patientennah tätige Mitarbeitende verschiedener Berufsgruppen in deutschen Krankenhäusern zur allgemeinen Palliativversorgung während der COVID-19-Pandemie befragt. Die Studie zeigt, dass die Sterbebegleitung, unabhängig von der Zunahme der Anzahl schwerkranker und sterbender Patient*innen, durch eine Vielzahl von Herausforderungen und Belastungen geprägt war. Die Ergebnisse der PallPan-Forschungsprojekte sind in den Handlungsempfehlungen vor dem Hintergrund der internationalen Literatur aufgearbeitet [3]. Um den Anschluss herzustellen, knüpft die Diskussion der Ergebnisse dieser Studie an die Themenfelder der Handlungsempfehlungen an (HE 1–33 in [3]).
Patient*innen und Angehörige unterstützen (HE 1–19 in [3])
Die überwiegende Mehrheit der Befragten berichtete über Ausnahmeregelungen für Angehörigenbesuche in der Sterbephase. Die ärztliche Einschätzung „sterbend“ war in den meisten Kliniken mit Lockerungen des Besuchsverbots verknüpft, die Definition von „sterbend“ jedoch oft unklar. Wenn Sterbende im Sinne der Definition der Bundesärztekammer als „Kranke oder Verletzte mit irreversiblem Versagen einer oder mehrerer vitaler Funktionen, bei denen der Eintritt des Todes in kurzer Zeit zu erwarten ist“ diagnostiziert wurden [13], so verblieb außerhalb von Intensivstationen kaum ein realistisches Zeitfenster für Besuche vor dem Versterben.
In der vorliegenden Umfrage hielt jeder 5. Befragte die Abwägungen zwischen Infektionsschutz und der Lebens-/Sterbequalität bzw. den Bedürfnissen der Angehörigen nicht für angemessen. Würden Besucher oder Begleitpersonen auch zu Therapieziel-Findungsgesprächen zugelassen – sofern digital-gestützte Alternativen nicht sinnvoll oder umsetzbar sind – könnte dies auch zu einer positiveren Einschätzung der Angemessenheit von Abwägungen führen.
Auch der Abschied von Verstorbenen sollte ermöglicht werden (HE 17–19 in [3]). Sollte dies im Krankenhaus aufgrund von Hygienevorschriften, der Personalsituation oder der Raumsituation nicht möglich sein – immerhin 146/501 (29,4 %) der hier Befragten berichteten von der ausgesetzten Nutzung eines vorbestehenden Abschiedsraums – so sei darauf hingewiesen, dass auch im Lockdown der COVID-19-Pandemie das Abschiednehmen von infizierten sowie von nicht infizierten Verstorbenen über Bestatter*innen ermöglicht wurde (HE 17 in [3]). Diese Option kann Krankenhausmitarbeitende im Umgang mit Hinterbliebenen entlasten.
Im Lockdown der Pandemie wurden Angehörige und Hinterbliebene im Krankenhaus überwiegend von den Mitarbeitenden beim Abschiednehmen unterstützt. Vorbestehende Unterstützungsangebote wurden vielmals ausgesetzt, ohne Kapazitäten, um neue Angebote zu etablieren. Es ist bemerkenswert, dass in der vorliegenden Befragung „religiöse Rituale und Gespräche“ als häufigstes vorhandenes Unterstützungsangebot genannt wurden 351/500 (70,2 %). Institutionalisierte Krankenhaus-Seelsorge, die in Übergangssituationen allen Betroffenen, unabhängig von der Religionszugehörigkeit, zur Verfügung steht, scheint gut etabliert zu sein und sollte weiterhin wertgeschätzt werden. 100/496 (20,2 %) Befragten berichteten auch über die vorhandene Möglichkeit der Begleitung durch Hospiz-Ehrenamtliche, weitere 85/496 (17,1 %) berichteten, dass dieses vorbestehende Angebot ausgesetzt wurde. Dies ist bedauerlich, denn Hospiz-Ehrenamtliche können die hauptamtlich Mitarbeitenden entlasten, wesentlich zur Vermeidung von Vereinsamung der Sterbenden beitragen und auch ggfs. digital-gestützt Nähe ermöglichen. Innovative Ansätze der Hospizbegleitung finden sich u. a. in HE 11 in [3].
Digitale Angebote wie Tablet-PCs 141/505 (27,9 %), und Videokonferenzen 48/505 (9,5 %) waren eher selten. Es bleibt offen, inwieweit diese Angebote in der Pandemie neu eingeführt wurden, ob sie für die Patient*innen kostenpflichtig waren und inwieweit kognitiv oder körperlich eingeschränkte Patient*innen und Angehörige bei der Inanspruchnahme unterstützt wurden. Studien zeigen, dass video-gestützte Familiengespräche bei entsprechender Schulung, Vorbereitung und Durchführung mit geringem zusätzlichem personellen Aufwand gut gelingen [14]
[15]
[16]
[17], und entsprechende Gesprächsleitfäden liegen vor [14]
[18]
[19]. Versorgende und Verantwortungsträger in Einrichtungen sollten sicherstellen, dass für den Fall fehlender oder eingeschränkter persönlicher Kommunikation digital-gestützte Angebote proaktiv und niedrigschwellig bereitgehalten, und die Mitarbeitenden bei der Nutzung unterstützt und ggfs. geschult werden (HE 14 in [3]).
Mitarbeitende unterstützen (HE 20–26 in [3])
Einzelne Belastungen wurden signifikant häufiger von Befragten berichtet, die mehr Schwerkranke und Sterbende als zuvor versorgten: erhöhte Arbeitsbelastung, Erleben der psychischen Belastung der Schwerkranken und Sterbenden und der erschwerte/unmögliche Abschied am Sterbe-/Totenbett. Die geschilderten Belastungen (s. [Tab. 4]) können in 2 Kategorien eingeteilt werden: Direkte eigene Belastungen (erhöhte Arbeitsbelastung, Sorge vor Ansteckung, verschärfte Hygieneregeln) und indirekte Belastungen durch die Wahrnehmung des Leids Anderer (Vereinsamung der Patient*innen, psychische Belastung der Schwerkranken und Sterbenden sowie der Angehörigen und Hinterbliebenen, Durchsetzung des Besuchsverbots gegenüber Angehörigen und erschwerte Kommunikation mit Angehörigen). Im Vergleich zu einer Befragung von stationär und ambulant tätigen Mitarbeitenden im deutschen Gesundheitswesen berichteten in unserer Studie mehr Befragte über eine Zunahme der Arbeitsbelastung (73,7 % vs. 42 % in [20]). Der Anteil der Mitarbeitenden mit Angst vor eigener Ansteckung war ebenfalls höher (60,4 % vs. 27 %). Auch wenn diese Unterschiede vermutlich auf die Selektion der Befragten zurückzuführen sind, so sollte angesichts zu erwartender unterschiedlicher Belastungsmuster immer angepasst an die Situation vor Ort reagiert werden. Konkrete Entlastungs- und Unterstützungsangebote, die auch innerhalb der Arbeitszeit genutzt werden können, werden aktuell erst in weniger als 10 % der deutschen Krankenhäuser vorgehalten [1]. Hier besteht Nachbesserungsbedarf (dazu konkret HE 24 und 25 in [3]).
Strukturen und Angebote der Palliativversorgung unterstützen und aufrechterhalten (HE 26–33 in [3])
152/505 (30,1 %) der Befragten hatten keine Möglichkeit, palliativmedizinisches Fachpersonal in die Patientenversorgung einzubeziehen; 166/505 (32,9 %) hatten keine Verlegungsoption auf eine Palliativstation. Eine aktuelle Studie aus New York zeigt, dass insbesondere auch an COVID-19 erkrankte Sterbende selten palliativmedizinisch mitbetreut werden [21]. Strukturen der spezialisierten Palliativversorgung im Krankenhaus sollten in Pandemiezeiten erhalten bzw. vorausschauend weiter ausgebaut werden (HE 27 in [3]). Eine Analyse von 990 hochwertigen internationalen Leitlinien ergab, dass Palliativmedizin nur in einer Minderheit der Leitlinien berücksichtigt wurde – in 151 analysierten deutschen Leitlinien lag der Anteil palliativmedizinischer Inhalte unter 3 % [22]. Um die Belange von Schwerkranken und Sterbenden auch in Pandemiezeiten ausreichend berücksichtigen zu können, sollte das Thema Palliativversorgung in Strukturen und Gespräche der Bundes-/Landesregierungen und in kommunale Verwaltungen (incl. Krisenstäbe, Pandemiepläne) eingebunden sein (HE 29–33 in [3]).
Die Befragten wünschten sich mehrheitlich weitere SPV-Angebote in Form von Fortbildungen, Informationen und schriftlichen Handlungsanweisungen (s. [Tab. 5]). Die während der Pandemie publizierten Handreichungen zur Palliativversorgung von COVID-19-Patient*innen [9]
[10], die PallPan-Handlungsempfehlungen sowie die im Aufbau befindliche Internetplattform gehen auf diesen Bedarf ein. Fortbildungsangebote – auch in digitaler Form – sollten ausgebaut werden. Da dies ohne personelle Ressourcen der SPV nicht realisierbar ist, sind für eine erfolgreiche Implementierung auch die Krankenhausträger, Krankenkassen und die Politik gefragt.
Limitationen
Aus Datenschutzgründen fehlten der Forschungsgruppe Informationen über die Anzahl und die Erreichbarkeit der patientennah tätigen Mitarbeitenden in deutschen Krankenhäusern. Deshalb ist die Befragung weder für die deutsche Krankenhauslandschaft noch in Bezug auf die Mitarbeitenden bzw. einzelne Berufsgruppen repräsentativ. Im Vergleich zur üblichen Rekrutierungsrate bei einer Online-Befragung von 10–20 % [23]
[24] ist die Rekrutierungsrate mit 5,7 %, bezogen auf die auswertbaren Fragebögen, niedriger als erwartet. Eine mögliche Erklärung ist der erforderliche Zeitaufwand für die Bearbeitung, ebenso wie die Durchführung der Befragung während der ressourcenbindenden 2. Welle der Pandemie. Dies mag auch einen relevanten Selektionseffekt bedingen – so ist davon auszugehen, dass eher diejenigen Beschäftigten teilnahmen, die hierfür in der „2. Welle“ zeitliche Valenzen zur Verfügung hatten – was wiederum tendenziell eine Unterschätzung, z. B. von Belastungsfaktoren, bedingen mag. Darüber hinaus sprechen Online-Befragungen oft andere Zielgruppen an als Paper-Pencil-Befragungen. Verzerrungen durch den unerwartet hohen Anteil Befragter von über 20 % mit Zusatzqualifikation „Palliativmedizin“ sind ebenfalls nicht auszuschließen. Ein relevantes Bias mag auch durch die Rückschau auf die „1. Welle“ zustande kommen, die zum einen durch Erinnerungsfehler und zum anderen durch die aktuelle Situation in der „2. Welle“ gefärbt sein mag. Die Fokussierung auf die Erfahrungen in der 1. Welle der Pandemie lässt keine Rückschlüsse auf Lerneffekte [25] und damit verbundene Verbesserungen in den folgenden Wellen zu.
Fazit
Um der berichteten Vielzahl von Belastungen und Herausforderungen im Sinne einer pandemic preparedness gerecht zu werden, sollte die spezialisierte Palliativversorgung in Krankenhäusern vorausschauend ausgebaut werden. In Pandemiezeiten fehlen Kapazitäten, um neue Angebote und Strukturen zu etablieren. Desiderate sind insbesondere digital-gestützte Angebote zur Unterstützung der Kommunikation sowie Fortbildungen und leicht zugängliche Informationen. Palliativversorgung sollte auch in Pandemie- und Krisenpläne integriert werden, um ein würdevolles Sterben – auch in Krisenzeiten – zu ermöglichen. Der Umgang mit Sterbenden und ihren Angehörigen stellt einen Gradmesser in unserer Gesellschaft dar.
-
Die Begleitung Schwerkranker und Sterbender im Krankenhaus sowie die Unterstützung der Nahestehenden war besonders in der 1. Welle der Pandemie deutlich erschwert. Dies führte sowohl zu einer verschlechterten Versorgungsqualität als auch zu einer erhöhten Belastung für die Mitarbeitenden.
-
Um einer Vereinsamung der Patient*innen entgegenzuwirken, sollten digitale Wege zur Unterstützung der Kommunikation mit Angehörigen proaktiv und niedrigschwellig bereitgehalten werden, wenn keine persönliche Begleitung möglich ist. Eine Unterstützung durch Seelsorge und Hospiz-Ehrenamtliche sollte ermöglicht werden.
-
Die patientennah tätigen Mitarbeitenden waren bereits in der 1. Welle der Pandemie vielfältig belastet und die interdisziplinäre und multiprofessionelle Zusammenarbeit war deutlich eingeschränkt. Dem sollte zukünftig mit vorausschauender Bereitstellung von Informationen sowie personellen und materiellen Ressourcen im Sinne einer pandemic preparedness begegnet werden.
-
Unterstützung bei der Begleitung Schwerkranker und Sterbender durch Mitarbeiter der spezialisierten Palliativversorgung sollte vorausschauend ausgebaut und aufrechterhalten werden, um ein würdevolles Sterben – auch zu Krisenzeiten – zu ermöglichen.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Einhaltung ethischer Richtlinien