Ramacciotti E.
et al.
Rivaroxaban versus no anticoagulation for post-discharge thromboprophylaxis after
hospitalisation for COVID-19 (MICHELLE): an open-label, multicentre, randomised, controlled
trial.
Lancet 2022;
399: 50-59
DOI:
10.1016/S0140-6736(21)02392-8
Zur Klärung dieser Frage wurden insgesamt 320 Patient*innen im Rahmen der brasilianischen
MICHELLE-Studie randomisiert. Entweder erhielten sie nach dem Klinikaufenthalt eine
verlängerte Prophylaxe mit Rivaroxaban 10mg/Tag über 35 Tage oder keine Antikoagulation.
Danach erfolgte bei den Studienteilnehmer*innen eine venöse Duplexsonografie und eine
CT-Angiografie der Pulmonalarterien. An der offenen Studie beteiligten sich 14 Zentren
in Brasilien. Voraussetzung für den Einschluss in die Studie waren ein mindestens
3-tägiger Krankenhausaufenthalt wegen einer SARS-CoV-2-Infektion und ein hohes Thromboserisiko
gemäß dem IMPROVE-Score (International Medical Prevention Registry on Venous Thromboembolism
(VTE)) mit einem Wert ≥4 Punkte oder 2–3 Punkte plus ein D-Dimer-Spiegel >500ng/ml.
Der primäre Wirksamkeitsendpunkt war eine Kombination aus symptomatischer oder tödlicher
venöser Thromboembolie, asymptomatischer venöser Thromboembolie, die durch bilateralen
venösen Dopplerultraschall der unteren Extremitäten und CT-Lungenangiogramm nachgewiesen
wurde, symptomatischer arterieller Thromboembolie (Myokardinfarkt, nichthämorrhagischer
Schlaganfall und schweres unerwünschtes Extremitätenereignis) und kardiovaskulärem
Tod am Tag 35. Primärer Sicherheitsendpunkt war eine starke Blutung nach den ISTH-Kriterien.
Der Studienzeitraum reichte vom 8. Oktober 2020 bis zum 29. Juni 2021. Die Ausgangsmerkmale
waren zwischen den Gruppen ausbalanciert. Das Durchschnittsalter betrug 57,1±15,2
Jahre, 40% waren Frauen, 60% waren Männer und der mittlere Body-Mass-Index betrug
29,7kg/m². Alle Patient*innen erhielten während des Krankenhausaufenthalts eine Thromboseprophylaxe
mit Standarddosen von Heparin. 165 (52%) Patient*innen befanden sich während des Krankenhausaufenthalts
auf der Intensivstation und 197 (62%) Patient*innen hatten einen IMPROVE-Score von
2–3 und erhöhte D-Dimer-Spiegel, 121 (38%) hatten einen Score von 4 oder mehr. Aus
jeder Gruppe ging eine Person aufgrund des Entzugs der Einwilligung für die Nachsorge
verloren, diese wurden nicht in die Primäranalyse der Behandlungsabsicht einbezogen.
Gemäß den Wirksamkeitskriterien kam es bei 5 (3%) von 159 Patient*innen in der Rivaroxaban-Gruppe
und bei 15 (9%) von 159 Patient*innen ohne Antikoagulation zu einem Ereignis am 35. Tag
(relatives Risiko 0,33, 95%-KI 0,12–0,90; p=0,0293). Dies bedeutete eine relative
Risikoreduktion von 67%, bei einer Number Needed to Treat von 16. In keiner der beiden
Studiengruppen traten größere Blutungen auf. Zu allergischen Reaktionen kam es bei
2 (1%) Patient*innen in der Rivaroxaban-Gruppe.
Bei schwer erkrankten COVID-19-Patient*innen mit einem hohen Thromboserisiko, die
nach einem Krankenhausaufenthalt mit Rivaroxaban 10mg/Tag über 35 Tage behandelt wurden,
verbesserten sich die klinischen Ergebnisse im Vergleich zu denen ohne verlängerte
Thromboseprophylaxe.