Einleitung
Das Behçet-Syndrom (BS) ist benannt nach dem türkischen Dermatologen
Hulusi Behçet, der den Symptomenkomplex aus oralen Aphthen,
Hauteffloreszenzen und Uveitis erstmals als eigene Entität auffasste und
beschrieb [1]. In der internationalen
Literatur wird auch oft vom Morbus Adamantiades-Behçet gesprochen, da der
griechische Ophthalmologe Benediktos Adamantiades bereits vor H. Behçet im
Jahr 1930 einen Fall mit dem Krankheitsbild beschrieb [2]. In der Chapel Hill Nomenklatur für
Vaskulitiden wird das Behçet-Syndrom als Vaskulitis variabler
Gefäße klassifiziert [3], da
diese Systemerkrankung sowohl Arterien, als auch Venen aller Kaliber betreffen kann.
Das Cogan-Syndrom (CS) ist die zweite Erkrankung, die dieser Gruppe zugerechnet
wird. Es ist benannt nach dem amerikanischen Ophthalmologen David G. Cogan, der 1949
vier Fälle einer „nichtsyphilitischen interstitiellen Keratitis mit
vestibuloauditorischen Symptomen“ beschrieb [4]
[5].
Epidemiologie
Die Prävalenz des Behçet-Syndroms in Deutschland wird in
der deutschstämmigen Bevölkerung mit ca. 0,8/100.000
angegeben, in der türkischstämmigen Bevölkerung in
Deutschland mit ca. 45/100.000 [6]
[7]. In der Türkei
selber gibt es Regionen, in denen die Häufigkeit bei bis zu 420
Fällen/100.000 Einwohner liegt. Am häufigsten ist es in
Ländern entlang der früheren Seidenstraße, also im
Mittelmeerraum, Asien und Nordafrika. Das Geschlechterverhältnis liegt
in Deutschland bei 1:1, in anderen Ländern bei 3:1
(Männer/Frauen). Das Alter bei Erstmanifestation liegt bei
durchschnittlich 25–30 Jahren. Generell kann man sagen, dass der Verlauf
am schwersten ist, wenn die Erkrankung sich früh bei jungen
Männern manifestiert.
Für das Cogan-Syndrom sind bis heute sind bis ca. 380
Fälle beschrieben. Angaben zur Prävalenz und
Geschlechterverteilung liegen nicht vor. Die Erstmanifestation liegt meist
zwischen dem 20. Und 30. Lebensjahr. Interessant ist, dass unter den bisher
beschriebenen ca. 350 Fällen 30 mit einer Überlappung zu
chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED) waren [8]
[9].
Pathogenese
Es wird postuliert, dass das Behçet-Syndrom eine Zwischenstellung
zwischen den klassischen mit HLA-Klasse II Antigenen assoziierten
Autoimmunerkrankungen mit Autoantikörpern (Rheumatoide
Arthritis/Rheumafaktor, Kollagenosen/Antinukleäre
Antikörper (ANA)) und den monogenen autoinflammatorischen Erkrankungen
mit Aktivierung des angeborenen Immunsystems und des Inflammasoms (bekanntestes
Beispiel ist das Familiäre Mittelmeerfieber) einnimmt [10]. Es gibt eine enge Verwandtschaft zu
anderen HLA-Klasse-I assoziierten Erkrankungen wie der Psoriasis und
Psoriasis-Arthritis, den Spondyloarthritiden, und den
chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen. Die wesentliche genetische
Assoziation besteht mit dem HLA-Klasse-I Antigen HLA-B51, das bei ca.
70% der Patienten in den
„Seidenstraßen-Ländern“ nachgewiesen werden kann
(dort tragen aber auch 18–25% der gesunden Bevölkerung
dieses Merkmal), sowie bei ca. 40% der Patienten in Deutschland und
Westeuropa (hier wird dieses Antigen bei ca. 7–9% der gesunden
Bevölkerung gefunden). Es gibt noch weitere genetische Assoziationen,
wie zum Beispiel eine Häufung des HLA-Klasse I Antigens A26, im Gen, das
für ERAP1, eine Endopeptidase, welche die Peptide auf die passende
Größe für die Präsentation als Antigen im
HLA-Molekül zurechtscheidet, eine Mutation im IL-12/23
Rezeptorgen, oder im Gen, das für IL-10 codiert [11].
Neben der Genetik spielen auch Umweltfaktoren eine Rolle, hier wurden vor allem
diverse bakterielle Antigene als potentielle Aktivatoren des angeborenen
Immunsystems und Trigger der Erkrankung identifiziert. Auch
Veränderungen des Mikrobioms werden als Auslöser bei
entsprechender genetischer Grundlage diskutiert [12]. Eine aktuelle Hypothese zur Pathogenese der Erkrankung sieht das
BS als „MHC-I-O-pathie“, also eine Verursachung durch
Besonderheiten des assoziierten HLA-Klasse-I Moleküls [13]. Derartige Besonderheiten wie
Fehlfaltungen des Moleküls sind vor allem für das mit den
Spondyloarthritiden assoziierte HLA-B27 bereits beschrieben [14] . Die Pathogenese des BS ist also
multifaktoriell und es besteht eine starke Assoziation mit HLA-Klasse-I
Antigenen.
Für die Pathogenese des Cogan-Syndroms gibt es deutlich weniger
Hypothesen. Histologisch findet sich eine Infiltration mit Lymphozyten und
Plasmazellen. Serologisch finden sich häufig Antikörper gegen
Antigene aus dem Innenohr, Hitzeschock-Protein 70 (HSP 70) oder auch das
„Cogan-Peptid (CD148/Connexin 26 Homolog), sowie selten p-ANCA.
Am ehesten handelt es sich hier jedoch um sogenannte „Bystander
Effekte“ [15]
[16]
[17].
Klinische Manifestationen, Diagnostik
Beim Behçet- Syndrom können prinzipiell fast alle Organe
in Mitleidenschaft gezogen werden, dies geschieht jedoch in unterschiedlicher
Häufigkeit und bezieht sich fast immer auf eine Inflammation arterieller
oder venöser Gefäße. Am häufigsten sind die
rezidivierenden oralen Aphthen, die in ca. 90–95% der Patienten
bei der Erstdiagnose vorhanden sind. Genitale Aphthen finden sich in unserer
Patientenklientel in 30% (Literatur: circa 60–80%). Am
zweithäufigsten sind die Hauteffloreszenzen in 50%
(47–94%), meist sterile
Papulopusteln/Pseudofollikulitiden, seltener multiple rez. Erythema
nodosa, gefolgt von einer Oligoarthritis meist der unteren Extremität in
50% (44–69%) der Fälle. Ähnlich
häufig ist mit 45% (44–79%) die
Augenbeteiligung, meist eine Panuveitis mit okklusiver retinaler Vaskulitis. In
einer Minderheit der Patienten beschränkt sich die okuläre
Entzündung auf den vorderen Augenabschnitt im Sinne einer isolierten
Uveitis anterior. Im Falle der retinalen Vaskulitis droht ein irreversibler
Visusverlust, so dass eine rasche und effektive Therapie erforderlich ist.
Bei den vaskulären Manifestationen handelt es sich meist um
venöse Thrombosen oder Thrombophlebitiden der Extremitätenvenen
(27% vaskuläre Manifestationen im Verlauf der Erkrankung).
Gefürchtet ist die Bildung intracardialer Thromben. Eine thrombophile
Diathese im eigentlichen Sinne liegt den Thrombosen meist nicht zugrunde, wenn
zusätzlich zum Beispiel eine Faktor V Leiden Mutation vorhanden ist,
erhöht das allerdings das die eigentlich durch die Inflammation bedingte
Thromboseneigung erheblich. Arterielle Manifestationen (meist Aneurysmen von
Extremitätenarterien unter dem Bild einer Claudicatio oder im Falle der
Pulmonalarterien auch mit Hämoptysen, sowie auch Aneurysmen der
Coronararterien kommen vor) sind jedoch zum Glück eher selten
(20% der vaskulären Manifestationen). Die pulmonalarteriellen
Aneurysmen sind allerdings potenziell lebensbedrohlich. Eine gastrointestinale
Beteiligung mit Ileitis terminalis und aphthöser Colitis ist mit ca.
5% (3–30%) selten und klinisch sowie histologisch meist
nicht von einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung zu unterscheiden.
Das zentrale Nervensystem ist in 10% (3–30%) der
Fälle betroffen. Meist kommt es zu einer Hirnstammenzephalitis mit
charakteristischer Klinik und MRT, es gibt jedoch auch pseudotumoröse
Inflammationen im Großhirn, die letztlich ohne Biopsie nicht von einem
Malignom/Lymphom zu unterscheiden sind, und eine Meningoenzephalitis mit
massiver Erhöhung neutrophiler Granulozyten im Liquor, was die
Differenzialdiagnose zu bakteriellen Menigitiden erschwert. Die vorgenannten ZNS
Manifestationen werden auch als parenchymatöse ZNS Beteiligung
bezeichnet, während die Sinusvenenthrombosen (ca. 20%) als
vaskuläre ZNS-Manifestationen klassifiziert werden. Im Liquor
können bei der parenchymatösen ZNS Beteiligung auch oligoklonale
Banden gefunden werden, was die Differenzialdiagnose zur Multiplen Sklerose (MS)
erschwert. Seltener ist eine Beteiligung des peripheren Nervensystems mit ca.
3,9% aller Neuro-Behçet-Fälle [18]
[19]
[20]. Meist handelt es sich
um eine Polyneuropathie.
Weitere seltene Organmanifestationen sind eine Epididymitis
(4–31%) und audiovestibuläre Symptome. Relativ
pathognomonisch ist das Vorhandensein des Pathergie-Phänomens. Hierbei
handelt es sich um das Auftreten einer Papulopustel nach intrakutanem
Nadelstich, oftmals beobachten die Patienten auch das Auftreten Papulopusteln
nach Hautverletzungen oder Blutentnahmen. Der Pathergie-Test, der Versuch der
Provokation einer solchen Papulopustel durch einen intracutanen Einstich mit
einer 25 G Kanüle an der Unterarminnenseite- die Ablesung
erfolgt nach 24 bis 48 Stunden- ist bei ca. 15% (15–30%)
der Patienten positiv. Ein Pathergie-Phänomen wird allerdings auch bei
entzündlichen Darmerkrankungen und der chronisch-myeloischen
Leukämie hin und wieder beobachtet.
Es werden unterschiedliche Phänotypen des Behçet-Syndroms
beschrieben, so ist die Augenbeteiligung mit der parenchymatösen ZNS
Beteiligung sowie mit dem männlichen Geschlecht und HLA-B51 assoziiert,
und die vaskulären Manifestationen miteinander, d. h. die
häufigeren venösen mit den selteneren arteriellen [21]
[22]. Es kommen auch isoliert mucocutane Verläufe vor, die
wiederum oft mit den Arthritiden assoziiert sind.
Seit 1990 gibt es Klassifikationskriterien für das Behçet-Syndrom
[23] ([Tab. 1]), die als conditio sine qua non
das Vorhandensein rezidivierender oraler Aphthen fordern, und zwei
zusätzliche typische Manifestationen, um so die Vergleichbarkeit der
Patienten in klinischen Studien zu gewährleisten. Die
Sensitivität dieser Kriterien liegt allerdings nur bei 85%, die
Spezifität bei 96%.
Tab. 1 Klassifikationskriterien des BS von
1990.
Rekurrierende orale Aphthose
|
Kleine oder große aphthöse oder herpetiforme
Ulzerationen, die mindestens dreimal in einer 12monatigen
Periode wiederkehren
|
ZUSÄTZLICH 2 der folgenden
Manifestationen
|
Rekurrierende genitale Läsionen
|
Aphthöse Ulzerationen oder Vernarbungen
|
Augenläsionen
|
Uveitis anterior, Uveitis posterior oder Zellen im
Glaskörper bei der Spaltlampenuntersuchung, oder
retinale Vaskulitis, beobachtet von einem Ophthalmologen
|
Hautläsionen
|
Erythema nodosum, Pseudofollikulitis, oder
papulopustulöse Läsionen oder akneiforme
Knötchen bei postadoleszenten Patienten ohne
Steroidtherapie
|
Positiver Pathergie-Test
|
Intrakutaner Nadelstich mit einer 21 G Kanüle
am Unterarm (Innenseite) abgelesen durch einen Arzt nach
24–48 Stunden
|
Im Jahr 2014 wurden neue Diagnosekriterien für das BS publiziert, die ein
Punktesystem verwenden, und die für das BS spezifischsten Symptome zu
einer Punktesumme addieren [24]. Es wurde
ein Grenzwert von 4 Punkten festgelegt, ab dem das BS wahrscheinlich bzw. sicher
ist. Diese Diagnosekriterien sind deutlich sensitiver zur Erfassung von auch
frühen („inkompletten“) BS Fällen, allerdings
auf Kosten der Spezifität (Sensitvität 95%,
Spezifität 90%) ([Tab.
2]). So könnte man zum Beispiel einen Patienten mit Ileitis
terminalis, Uveitis anterior und Erythema nodosum sowie Oligoarthritis mit
diesen Kriterien auch als sicheres Behçet-Syndrom diagnostizieren.
Tab. 2 Diagnosekriterien des BS von 2014.
a
|
Symptom
|
Punkte
|
Augenläsionen
|
2
|
Genitale Aphthen
|
2
|
Orale Aphthen
|
2
|
Hautläsionen
|
1
|
Neurologische Manifestationen
|
1
|
Vaskuläre Manifestationen
|
1
|
Pathergie
|
1 (optional, Extra Punkt möglich)
|
b Verteilung der Scores für die Diagnosekriterien des
BS bei Patienten und Kontrollen. Ab 4 Punkten kann die
Diagnose gestellt werden.
|
Score
|
Prozent Fälle
|
Prozent Kontrollen
|
Plausibilität des Behçet
|
Einfache Klassifikation
|
<1
|
<1
|
11
|
Fast sicher kein Behçet
|
Kein Behçet
|
2
|
1
|
72
|
Behçet sehr unwahrscheinlich
|
3
|
4
|
9
|
Behçet möglich, aber unwahrscheinlich
|
Behçet
|
4
|
14
|
5
|
Wahrscheinlicher Behçet
|
5
|
32
|
3
|
Sehr wahrscheinlich Behçet
|
≥6
|
48
|
<1
|
Fast sicher Behçet
|
Letztlich muss die Diagnose klinisch durch mit der Erkrankung vertraute Mediziner
(Rheumatologen, Dermatologen, Ophthalmologen, Neurologen) gestellt werden, es
gibt keine Laborparameter, die die Diagnosefindung unterstützen.
Insbesondere ist HLA-B51 nicht für die Diagnosestellung geeignet,
es hat lediglich prognostische Bedeutung.
Eine Vorstellung beim Ophthalmologen sollte einmalig bei Erstdiagnose und im
Verlauf ggf. bei Visusstörungen oder anderen auf eine Augenbeteiligung
hindeutenden Symptomen erfolgen. Weiterführende Bildgebung und
invasivere Diagnostik sollten nur gezielt durchgeführt werden. Eine MRT
Angiografie des ZNS und eine Liquorpunktion sind bei neurologischen Symptomen
sinnvoll. Ein CT Thorax/PET CT ist bei B- Symptomatik, Fieber oder
erhöhten serologischen Entzündungszeichen zum Ausschluss einer
Großgefäßvaskulitis und vor allem auch
pulmonalarterieller Aneurysmata wichtig. Eine Coloskopie empfiehlt sich bei
abdominellen Schmerzen oder gastrointestinaler Blutung, aber auch bei Patienten
mit lediglich mukokutanen und artikulären Symptomen zum Ausschluss einer
chronisch entzündlichen Darmerkrankung (CED) als Ursache.
Beim Cogan-Syndrom bestehen Systemische Symptome wie Fieber,
Nachtschweiß, Leistungsknick, Gewichtsverlust, Lymphadenopathie,
Arthralgien, Myalgien bei ca. 50%, meist verursacht durch eine
Vaskulitis der großen und mittelgroßen
Gefäße[17]. Am Auge
kommt neben der interstitiellen Keratitis auch eine Episkleritis, Skleritis,
Chorioiditis, Panuveitis und retinale Vaskulitis vor. Audiovestibulär
kommt es zu einem zumeist zunächst einseitigen Hörverlust,
Schwindel, Tinnitus, Übelkeit, Ataxie oder Oszillopsie. Eine
Innenohrschwerhörigkeit kommt bei 30–50% der Patienten
vor. Vaskuläre Symptome/Manifestationen sind eine Aortitis,
Aneurysmen der Aorta oder anderer großer Arterien, eine koronare
Angiitis, mesenteriale Vaskulitis oder Thrombose, sowie eine
Glomerulonephritis.
Neurologische Symptome äußern sich im Bereich des ZNS als
Ischämie (Apoplex) bei ZNS Vaskulitis, Sinusvenenthrombose,
intrakranielle Aneurysmen, Enzephalitis, Meningoenzephalitis,
Hirnstammdysfunktion, Opticusneuropathie, oder auch Myelitis transversa. Das ZNS
war in einer größeren Kohorte in 51% der Fälle
betroffen [25].
Bei Beteiligung des peripheren Nervensystems handelt es sich um Polyneuropathie,
Mononeuritis multiplex, Hirnnerven-Neuropathie, Diplopie, oder auch eine
Myopathie. Das periphere NS war in einer größeren Kohorte in
49% betroffen. Wichtig ist, dass in ca. 10% der Fälle
eine Assoziation zu chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen besteht
[8]
[9].
Essenziell ist hier die ophthalmologische Diagnostik und genaue Klassifikation
der okulären Manifestation, sowie die HNO-ärztliche Untersuchung
inklusive Audiogramm, auch als Ausgangsbefund/Verlaufskontrolle. Wichtig
ist zudem ein MRT des Kopfes mit Kontrastmittel mit der Frage nach ZNS
Vaskulitis, aber auch entzündlichen Veränderungen im Innenohr
[26].
Man unterscheidet ein typisches von einem atypischen Cogan Syndrom (CS) ([Tab. 3]).
Tab. 3 Typisches und atypisches Cogan
Syndrom.
TYPISCHES CS
|
ATYPISCHES CS
|
Interstitielle Keratitis
|
Anderweitige Augenentzündungen (z. B.
Uveitis, Skleritis)
|
Audiovestibuläre Symptome
|
Progredienter Hörverlust
|
Intervall zwischen den beiden og.<2 Jahre
|
Intervall dazwischen>2 Jahre
|
|
Systemische Manifestationen
|
Ein MRT Aorta/CT Thorax und Abdomen zu Ausschluss einer
Großgefäßbeteiligung sollten insbesondere bei
systemischen Symptomen erfolgen.
Bei Symptomatik, die auf eine Beteiligung des peripheren Nervensystems hindeutet,
empfiehlt sich eine neurologische Vorstellung mit elektrophysiologischer
Diagnostik.
Therapie
Die EULAR hat 2018 eine aktualisierte Version der Therapieempfehlungen
für das BS herausgegeben [27] ([Abb. 1]).
Abb. 1 Therapieempfehlungen für das BS der EULAR
2018 [27].
Die Therapie richtet sich nach der Schwere der Organmanifestationen und
prognostischen Faktoren. So ist die Prognose insbesondere dann
ungünstig, wenn junge Männer erkranken (≤24 Jahre), die
Krankheitslast ist am Anfang der Erkrankung höher, als im
späteren Verlauf, und häufige Rezidive verschlechtern die
Prognose erheblich (insbesondere bei Augenbeteiligung, ZNS-Beteiligung und
vaskulären Manifestationen) [28].
Wie bei vielen entzündlich-rheumatischen Erkrankungen dienen
Glukokortikosteroide bei BS der Remissionsinduktion, werden aber nach
Möglichkeit rasch durch andere Immunsuppressiva ersetzt und im Verlauf
ausgeschlichen.
Bei dem in unseren Breiten relativ häufigen mucocutanen Phänotyp
(mit oder ohne Arthritis) wird Colchicin in einer Dosierung von
2×0,5 mg bis 2×1 mg tgl. eingesetzt, es handelt
sich hier um eine langfristige Dauertherapie, die im Idealfall eine Remission
aufrechterhält. Bei Ineffektivität oder
Unverträglichkeit kommen Azathioprin (2 mg/kg KG) oder
alternativ Ciclosporin A (3 mg/kg KG) zum Einsatz. Bei letzterem
ist zu beachten, dass es keinesfalls bei Patienten gegeben werden sollte, die
eine ZNS-Beteiligung haben oder hatten, da es diese aus noch unbekannten
Gründen begünstigt. Seit 2021 ist Apremilast in einer Dosierung
von 2×30 mg oral einschleichend aufgrund einer großen
randomisierten internationalen und multizentrischen Studie zur Behandlung der
oralen Aphthen zugelassen [29] und
dürfte nun noch vor Azathioprin zum Einsatz kommen. Für die
Wirksamkeit von Apremilast bei Arthritis und cutanen Symptomen gibt es
allerdings im Gegensatz zu Colchicin und Azathioprin bislang keine belastbaren
Daten. Ultima ratio ist hier der Einsatz von TNF-alpha Antagonisten wie
Etanercept, Infliximab oder Adalimumab.
Der vaskuläre Phänotyp wird mit Azathioprin oder Ciclosporin A
behandelt, bei Ineffektivität kommt auch hier ein
TNF-alpha-Antikörper zum Einsatz. Bei pulmonalarteriellen Aneurysmen
wird zur Remissionsinduktion Cyclophosphamid in Form eine i. v.
Stoßtherapie nach dem NIH-Schema empfohlen (750 mg/m2
alle 4 Wochen, 6–12x). Wichtig ist hier, dass eine langfristige
Antikoagulation bei venösen Thrombosen nicht empfohlen wird, da Rezidive
ausschließlich durch die effektive Immunsuppression, nicht aber durch
eine formal adäquate Antikoagulation verhindert werden, und bei parallel
vorliegenden arteriellen Manifestationen oder retinaler Vaskulitis bzw. ZNS
Vaskulitis auch Blutungskomplikationen zu befürchten sind.
Bei der Augenbeteiligung muss man zwischen der reinen anterioren Uveitis und der
Pan- bzw. posterioren Uveitis mit retinaler Vaskulitis unterscheiden. Die
erstere ist nicht unmittelbar visusbedrohend und wird primär neben
Lokaltherapeutika (steroidhaltige Augentropfen) mit Azathioprin oder Ciclosporin
A behandelt. Bei visusbedrohenden Manifestationen einer posterioren Uveitis wird
primär ein TNF-alpha-Antikörper eingesetzt. Hier ist seit
wenigen Jahren Adalimumab zugelassen [30]
und wird zukünftig dem noch in den EULAR Empfehlungen aufgrund des
größeren Erfahrungsschatzes vorrangig erwähnten
Infliximab gegenüber zu bevorzugen sein. Alternativ kann
Interferon-alpha eingesetzt werden, zum Beispiel bei Ineffektivität der
TNF-Antagonisten oder bei Kontraindikationen oder Unverträglichkeit.
Bei ZNS Beteiligung werden primär hochdosierte Glukokortikosteroide (GC)
eingesetzt, dem Remissionserhalt dient Azathioprin (AZA) oder Methotrexat (MTX).
Bei Ineffektivität kommt der TNF-alpha Antikörper Infliximab zum
Einsatz, in einer relativ hohen Dosierung von 5 bis max.
10 mg/kg KG alle 4 Wochen i. v. . Im Verlauf versucht
man über die subkutane Gabe eines TNF Antikörpers auf ein
anderes Immunsuppressivum wie MTX oder AZA umzustellen.
Die gastrointestinale Beteiligung wird ähnlich wie
chronisch-entzündliche Darmerkrankungen behandelt, primär mit GC
und Mesalazin, bei Ineffektivität mit Azathioprin und als ultima ratio
mit TNF-alpha Antikörpern, vorzugsweise Infliximab oder Adalimumab.
Epididymitiden sprechen meist gut auf die gleiche Therapie an, wie die
mucocutanen Manifestationen, und die audiovestibulären Manifestationen
und die des peripheren Nervensystems werden wie eine ZNS Beteiligung
behandelt.
In therapierefraktären Fällen wird in letzter Zeit erfolgreich
Tocilizumab eingesetzt, hier fehlen jedoch noch prospektive Studien [31].
Zu beachten ist, dass formal alle empfohlenen Therapien für das BS nicht
zugelassen sind, mit Ausnahme von Apremilast für die oralen Aphthen und
Adalimumab für die schwere Uveitis posterior.
Die Therapie des Cogan-Syndroms ist aufgrund seiner Seltenheit viel
weniger gut standardisiert. Es gibt keine Therapiestudien, die
größte Fallübersicht auch mit Bezug auf die Therapie und
deren Ansprechen stammt aus dem Jahre 2017 von der französischen
Vaskulitis-Studiengruppe [8]. Wie bei
vielen akuten, die Organfunktion bedrohenden Vaskulitiden wird zunächst
hochdosiert und intravenös mit Glukokortikosteroiden (250 bis
1000 mg tgl. für 3 Tage) behandelt. Zur Remissionsinduktion sind
entweder Cyclophosphamid nach dem NIH Schema (intravenös
15 mg/kg KG alle 4 Wochen bzw.
750 mg/m2) oder hochdosiert Infliximab
(mindestens 5 mg/kg KG alle 4 Wochen i. v.) geeignet.
Die Daten der französischen Vaskulitis-Studiengruppe legen nahe, dass
Infliximab hier dem Cyclophosphamid bezüglich des Erhaltes der
audiovestibulären Funktion überlegen ist. Die Dauer der
Remissionsinduktion hängt vom klinischen Ansprechen ab. Die
Glukokortikosteroide werden reduziert und möglichst im Verlauf ganz
ausgeschlichen. Der Remissionserhalt erfolgt für mindestens 12 Monate
mit Azathioprin oder Methotrexat, bei Unverträglichkeiten kommen
alternativ auch Mycophenolat oder Leflunomid in Frage. Bei
Therapierefraktärität auf die vorgenannten kommt alternativ zur
Remissionsinduktion auch Tocilizumab in Frage, für das es einige
positive Fallberichte und Fallserien gibt [32]
[33]. Bei schwangeren
Patientinnen wurde auch Certolizumab pegol erfolgreich eingesetzt [34]. Leider kommt es in vielen
Fällen (20% bis 70%, je nach Art der
remissionsinduzierenden Therapie in der Französischen
Vaskulitis-Studiengruppe) trotz der Therapie zu einem Hörverlust, der
dann mit einem Cochlear Implant zumindest partiell ausgeglichen werden kann
[35]
[36].