Pneumologie 2022; 76(12): 908-923
DOI: 10.1055/a-1934-7962
Originalarbeit

Das Fach Pneumologie im Modellstudiengang der Medizinischen Fakultät Ostwestfalen-Lippe (OWL)[*]

Pneumology in the Model Degree Program of the Medical Faculty Ostwestfalen Lippe, Germany
Bernd Schönhofer
1   Universität Bielefeld, Medizinische Fakultät und Universitätsklinikum OWL, Evangelisches Klinikum Bethel, Universitätsklinik für Pneumologie
,
Mohamed Garhy
1   Universität Bielefeld, Medizinische Fakultät und Universitätsklinikum OWL, Evangelisches Klinikum Bethel, Universitätsklinik für Pneumologie
,
Anja B. Bittner
2   Universität Bielefeld, Medizinische Fakultät OWL
,
Thomas F. Frankewitsch
2   Universität Bielefeld, Medizinische Fakultät OWL
,
Rebecca Lätzsch
2   Universität Bielefeld, Medizinische Fakultät OWL
,
Wing-Kee Lee
2   Universität Bielefeld, Medizinische Fakultät OWL
,
Fritz Mertzlufft
3   Universität Bielefeld, Medizinische Fakultät und Universitätsklinikum OWL, Evangelisches Klinikum Bethel
,
Franziska M. Moser
2   Universität Bielefeld, Medizinische Fakultät OWL
,
Claudia Hornberg
2   Universität Bielefeld, Medizinische Fakultät OWL
› Institutsangaben
 

Zusammenfassung

An den Universitätskliniken in Deutschland ist das Fachgebiet „Pneumologie“ mit seiner besonderen Bedeutung häufig immer noch unterrepräsentiert – anders an der neu gegründeten Medizinischen Fakultät in Ostwestfalen-Lippe (OWL), an der eine frühzeitige Etablierung des Faches stattfindet. Damit verbunden ist die Aufgabe, die Pneumologie und internistische Intensivmedizin in Lehre, Krankenversorgung und Forschung in ganzer Breite zu vertreten und die Möglichkeit, in einem spannenden Umfeld den Aufbau der humanmedizinischen Fakultät aktiv mitzugestalten.

In diesem Artikel werden verschiedene relevante Facetten von jeweils unterschiedlichen Autor*innen aus medizin-theoretischer und klinischer Perspektive übersichtsartig dargestellt.

Im heutigen Evangelischen Klinikum Bethel (EvKB) hat die Lungenheilkunde eine lange Tradition. Bereits im Jahr 1927 wurde das erste Lungen- und Infektionshaus des Klinikums eröffnet. Die seit 2009 eigenständige „Klinik für Innere Medizin, Pneumologie und Intensivmedizin“ des EvKB wird die universitäre Klinik für Pneumologie innerhalb des Universitätsklinikum OWL.

Die frühzeitige Verankerung des Faches „Pneumologie“ im Modellstudiengang Medizin (Start Wintersemester 2021/22) trägt zur weiteren Sichtbarkeit und einer universitätsmedizinischen Ausrichtung bei. Das Fach „Pneumologie“ verfügt im Modellstudiengang im Verlauf des Studiums über 30 Unterrichtseinheiten, die sich auf zwei Studienabschnitte und verschiedene Unterrichtsformate verteilen. Die konkrete Festlegung der Lehrinhalte des 1. Studienabschnitts erfolgte in einer Modulkommission, die mit Vertreter*innen der beteiligen Fächer besetzt war.

Wissen zu den benötigten Grundlagen aus bspw. der Physiologie, Pathophysiologie, Anatomie und Pathologie wird den Studierenden im zeitlichen Vorfeld der Lehrveranstaltungen der Pneumologie vermittelt. Am Beispiel der Physiologie wird in diesem Artikel die Präsentation von Lerninhalten eines Grundlagenfaches erläutert.

Die Hälfte aller Unterrichtseinheiten zur Pneumologie des gesamten Studiums findet bereits im 2. Semester (erstmals im März und April 2022) statt, damit die Studierenden frühzeitig den klinischen Bezug der Lerninhalte erfahren. Besondere Schwerpunkte sind obstruktive Atemwegs- und Lungenerkrankungen sowie restriktive Lungenerkrankungen. Nach Vermittlung der Grundkenntnisse zur körperlichen Untersuchung der Lunge im „Skills Lab“ werden im Rahmen von Unterricht am Krankenbett unter kompetenter Supervision die wichtigsten pathologischen Befunde der Inspektion, Palpation, Auskultation und Perkussion bei Patienten mit den o. g. Erkrankungen erhoben.

Auch die Kommunikationsausbildung ist in die modulare Lehre des Studiengangs mit insgesamt mehr als 200 Unterrichtsstunden longitudinal integriert. Sie greift im Themenkomplex Kreislauf und Atmung in insgesamt acht Unterrichtsstunden fächerübergreifend und z. T. mit Simulationspersonen die Anamneseerhebung und Therapieberatung zu klassischen kardiopulmonalen Erkrankungen auf.

Aus der Perspektive der Studierenden stellt im Modellstudiengang die Vermittlung des kompakten fachübergreifenden und ineinandergreifenden Wissens zwischen den Grundlagenfächern und klinischen Fächern zum jeweiligen Organ eine Herausforderung dar, wobei die Vorteile aus heutiger Sicht überwiegen.


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Abstract

The specialist field of “pneumology” is still underrepresented in university clinics in Germany, but this is not the case at the newly founded medical faculty Ostwestfalen-Lippe (OWL) in Bielefeld. This is linked to representing pneumology and internal intensive care medicine in patient care, teaching and research across the board and the opportunity to actively help shape the development of the human medicine faculty in an exciting environment.

The early anchoring of the subject “Pneumology” in the model degree program of medical school in OWL (begin winter semester 2021/22) contributes to further visibility and a university medical orientation. In this overview various issues of Pneumology in the Model Degree Program are explored by basic scientists, clinical teachers, members of the medical faculty and a student.

In todayʼs Evangelisches Klinikum Bethel (EvKB), pulmonary medicine has a long tradition. The hospitalʼs first lung and infection center was opened in 1927. The EvKBʼs department for internal medicine, pneumology and intensive care medicine, which has been independent since 2009, is becoming a university clinic for pneumology within the medical faculty OWL. Relevant translational and interdisciplinary research can be intensified.

There are 30 “Pneumology” teaching units in the model degree program, which are divided into two study sections using different formats, such as lectures, seminars, hands on courses and skills lab. It is represented in particular in the module complex “Circulation and Respiration”. The content of the first phase of teaching was carried out by a module commission, with members representing the subjects involved in the module.

Knowledge of the basics from, for example, physiology, pathophysiology, anatomy and pathology are taught to the students in the run-up to the pneumology course. Using the example of physiology, the presentation of the learning content of a basic subject is elaborated in this article.

Half of all teaching units on pneumology of the entire course took place in the 2nd semester (in March and April 2022), so that students experienced the clinical relevance of the content at an early stage. There was a particular focus on obstructive airway and restrictive lung diseases. After imparting the basic knowledge of the physical examination of the lungs in the Skills Lab, the most important pathological findings in the above-mentioned diseases on inspection, palpation, auscultation and percussion are demonstrated and practised in patients as part of bedside teaching under supervision.

Communication training is also longitudinally integrated into the modular teaching, with a total of more than 200 teaching hours and is performed interdisciplinary. In the “Circulation and Breathing” module eight hours are devoted to this with simulated patients, the anamnesis and therapy advice on classic cardiopulmonary diseases. For the students, integrating the teaching of basic theory and its clinical application for each organ systems represents a challenge in the model degree program, the advantages outweigh from todayʼs perspective.


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Vorstellung des Modellstudiengangs der Medizinischen Fakultät OWL unter besonderer Berücksichtigung der Pneumologie

Erkrankungen der Lunge und der Atemwege nehmen im Verhältnis zu anderen Krankheiten der Inneren Medizin überproportional zu. Im Hinblick auf Morbidität und Mortalität sowie den direkten und indirekten Krankheitskosten, die sie verursachen, sind sie von großer Bedeutung [1]. Die Kosten z. B. für die Behandlung von COPD-Patient*innen sind deutlich höher als bisher angenommen. So konnte im Rahmen der deutschen COSYCONET-Studie gezeigt werden, dass die Hauptlast nicht nur aus der Inanspruchnahme der medizinischen Versorgung besteht, sondern insbesondere auch durch Arbeitsausfallzeiten und vorzeitigen Ruhestand [2] zustande kommt.

Medizinhistorisch betrachtet lag der Schwerpunkt der Pneumologie in Deutschland über lange Zeit fast ausschließlich in der Bekämpfung der Tuberkulose. In anderen Länder, v. a. in den USA hat sich die Pneumologie frühzeitig sowohl klinisch als auch wissenschaftlich immer stärker profiliert. So war das Fach Pneumologie in den meisten europäischen Ländern, wie auch in den USA und Kanada, bereits Mitte der 90er-Jahre an den Universitäten fest etabliert. Jede Universitätsklinik in den USA hatte eine eigenständige Abteilung für Pneumologie [3].

Erst in den letzten Jahrzehnten hat sich auch in Deutschland die Pneumologie weg von den Sanatorien für an Tuberkulose erkrankte Patient*innen hin zu den Universitätskliniken als zentrales Fachgebiet der Inneren Medizin entwickelt [4]. Auch die Zahl der pneumologischen Abteilungen in Krankenhäusern der Regel- und Maximalversorgung hat spürbar zugenommen [5]. Trotzdem wird die besondere Bedeutung des Fachgebietes Pneumologie immer noch nicht an allen Universitätskliniken gesehen. Dadurch besteht weiterhin eine mangelnde Repräsentanz an den universitätsmedizinischen Einrichtungen und den grundlagenorientierten Forschungseinrichtungen. Die Folgen sind Defizite im Hinblick auf Forschung und Lehre sowie im Wissen zur Pneumologie bei den Studierenden [5]. Die Anzahl der Lehrstühle auf dem Gebiet „Pneumologie“ bleibt vergleichsweise gering. Daher besteht die Gefahr, dass die Bedeutung der Pneumologie in Deutschland im internationalen Vergleich weiter abnimmt.

Dabei handelt es sich bei der Pneumologie um ein breit gefächertes Fachgebiet, das der zunehmenden Bedeutung von Erkrankungen der Atemorgane gerecht werden muss [4]. Heute haben gesundheitspolitisch und volkswirtschaftlich relevante Lungen- und Atemwegserkrankungen, wie z. B. Asthma bronchiale, chronische Bronchitis, COPD, Lungenentzündungen, idiopathische Lungenerkrankungen, Bronchialkarzinom und zuletzt im Rahmen der Pandemie die COVID-19-induzierten Lungenerkrankungen große Bedeutung. Ein zusätzlicher Schwerpunkt der Pneumologie hat sich in den vergangenen drei Jahrzehnten mit der Beatmungsmedizin entwickelt und dann auch zur Namensänderung der DGP im Jahr 2005 zu „Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin“ geführt. Zudem gehören wichtige Aufgaben im Bereich der Rauchprävention und der Prävention umwelt- und arbeitsplatzbedingter Lungenerkrankungen in das breite Spektrum der Pneumologie.

Die Medizinische Fakultät OWL wird mit der Berufung einer Universitätsprofessur für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Pneumologie zur Sichtbarkeit des Faches und einer universitätsmedizinischen Ausrichtung beitragen. V. a. auch im Bereich der Forschung bedarf es vermehrt multizentrischer, randomisierter Studien mit harten Endpunkten für eine evidenzbasierte Medizin und zudem eine fachspezifische Versorgungsforschung [5]. Die Forschung in themenbezogenen Netzwerken und Forschungsverbünden, auch zwischen den einzelnen Lehrstühlen, muss dazu stärker fokussiert werden.

Im Modellstudiengang Medizin der Medizinischen Fakultät OWL an der Universität Bielefeld, der seit dem Wintersemester 2021/22 angeboten wird, findet eine frühzeitige Verankerung der Inneren Medizin und des Schwerpunktfaches „Pneumologie“ statt. Der kompetenzorientierte Medizinstudiengang gliedert sich in einen ersten Studienabschnitt mit sechs und einen zweiten Studienabschnitt mit vier Fachsemestern. Von Beginn an werden dabei klinische Anteile intensiv in das Studium integriert. Am Ende des Studiums schließt sich als dritter Studienabschnitt das Praktische Jahr (PJ) an. Das Studium wird regulär mit dem Staatsexamen nach der Approbationsordnung für Ärzte (ÄApprO) abgeschlossen.

Das Medizinstudium an der Medizinischen Fakultät OWL bietet Studierenden eine fundierte Vorbereitung auf die komplexen Anforderungen ärztlichen Handelns: Studienstruktur und -ablauf des 1. und 2. Studienabschnittes sind in [Abb. 1] und [Abb. 2] dargestellt. Ärztliche Fähigkeiten und Fertigkeiten werden fächerübergreifend, themen- und organzentriert entlang ärztlicher Rollen und Kompetenzen, u. a. angelehnt an den Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalog Medizin (NKLM), vermittelt und mit einem frühzeitigen Kontakt zu Patient*innen verbunden. So kommen die Medizinstudierenden bspw. auch bereits im 2. Semester beim Unterricht am Krankenbett im Rahmen des Moduls „Kreislauf und Atmung“ mit Patient*innen der Pneumologie in Kontakt (siehe Kapitel „Lehrveranstaltungen im Fach Pneumologie“). Das Fachgebiet der Pneumologie der Medizinischen Fakultät OWL hat bspw. einen großen Anteil an der Ausgestaltung der Themenblöcke „Kreislauf und Atmung“ im ersten und zweiten Studienabschnitt.

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Abb. 1 Studienstruktur und -ablauf 1. Studienabschnitt Medizinische Fakultät OWL.
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Abb. 2 Studienstruktur und -ablauf 2. Studienabschnitt Medizinische Fakultät OWL.

Im Bielefelder interdisziplinären Medizincurriculum spielen kommunikative, interdisziplinäre und interprofessionelle Kompetenzen sowie Sensibilität für Diversitäts- und Genderaspekte in der Diagnostik und Therapie eine zentrale Rolle.

Der erste Studienabschnitt beginnt mit dem mehrwöchigen vorangestellten Modul „Einführung in das Medizinstudium“ und umfasst in seinem weiteren Verlauf elf fachübergreifende organspezifische Themenblöcke (siehe [Tab. 1]) sowie die drei longitudinalen Stränge, nämlich „Klinisches Denken und Handeln“, „Wissenschaftliches Denken“ und „Handeln und Interdisziplinäre Profilierung“.

Tab. 1

Themenblöcke des 1. und 2. Studienabschnitts.

Folgende Themenblöcke, die wissensbezogene Fachkompetenzen fokussieren, sind im Curriculum verankert:

Stütz- und Bewegungsapparat

Kreislauf und Atmung

Stoffwechsel und Verdauung

Urogenitalsystem

Blut und Immunsystem

Gehirn, Nerven und Psyche

Sinnesorgane

Regulation

Lebensanfang

Lebenswelten und Gesundheit

Lebensende

Alle Themenblöcke finden sowohl im ersten als auch im zweiten Studienabschnitt statt. Im Letzteren werden die Inhalte der Themenblöcke mit ansteigendem Kompetenzniveau im Sinne einer Lernspirale vertieft. Zudem beinhaltet der Abschnitt weitere Praxisphasen in unterschiedlichen Bereichen der ambulanten und stationären Versorgung, eine klinische Profilierung sowie die Fortsetzung der longitudinalen Stränge „Klinisches sowie Wissenschaftliches Denken und Handeln“.

Der longitudinale Strang „Klinisches Denken und Handeln“ stellt parallel zu den Themenblöcken die Handlungskompetenz der Studierenden in den Fokus. Hier werden v. a. praktische Fähigkeiten und Fertigkeiten ausgebildet, die für die ärztliche Berufsausübung wichtig sind, wie z. B. körperliche Untersuchungstechniken und kommunikative Kompetenzen. Somit soll frühzeitig eine Verknüpfung des in dem Themenblock erworbenen Wissens mit praktisch relevanten klinischen Anwendungsbereichen erreicht werden. Das Fach „Pneumologie“ bietet im ersten Studienabschnitt ein „Hands-on“-Seminar zum Leitsymptom „Dyspnoe“ an. Zudem wird auch fächerübergreifender Unterricht zwischen Pneumologie und arbeits- oder umweltmedizinischen Fragestellungen mit Patient*innen realisiert.

Der weitere longitudinale Strang „Wissenschaftliches Denken und Handeln“ ist ebenfalls durchgehend in das Bielefelder Curriculum integriert und dient dem Erwerb grundlegender wissenschaftlicher Arbeits- und Denkweisen, der Entwicklung medizinisch-wissenschaftlicher Fertigkeiten sowie insbesondere der Fähigkeiten, wissenschaftliche Informationen und ihre Quellen kritisch zu bewerten und diese im ärztlichen Handeln anzuwenden.

Im Modellstudiengang der Medizinischen Fakultät OWL wird den Studierenden zudem frühzeitig die Möglichkeit der Profilierung geboten. Im ersten Fachsemester wählen die Studierenden entsprechend ihren jeweiligen Stärken und Interessen eine von fünf medizinnahen interdisziplinären Profilierungen aus (nämlich: Diversität/Gesundheit und Versorgung, Medical Humanities, Molekulare Medizin, Psychologie/Sprache und Kommunikation, Technologische Transformation in der Medizin). Die Studierenden erwerben so je nach individueller Neigung themenbezogene wissenschaftliche Kompetenzen aus den Bereichen der Natur-, Technik-, Geistes- und/oder Sozialwissenschaften sowie die Fähigkeit zum interdisziplinären Arbeiten. Im zweiten Studienabschnitt schließt sich die klinische Profilierung an, in der die Studierenden sich für eine fachliche und praktische Vertiefung in einem der elf Themenblöcke entscheiden (siehe [Tab. 1]). Damit wird ihnen die Möglichkeit geboten, ihre Kompetenzen in einem bestimmten medizinischen Themenfeld interessengeleitet auszubauen, themenspezifische Expertise und praktische Erfahrungen in diesem Bereich zu sammeln. Interessierte für das Themengebiet der Inneren Medizin und das Schwerpunktfach Pneumologie können so frühzeitig ihr Wissen steigern.

Um Interesse für die klinische Pneumologie zu wecken, ist ein fundierter Kontakt der Medizinstudierenden, Ärzt*innen sowie des Spezial- und Assistenzpersonals mit den Inhalten der Lungen- und Bronchialheilkunde wichtig. Zukünftig sind weiterhin vermehrt qualifizierte pneumologische Einheiten an Schwerpunktkrankenhäusern und Universitätskliniken erforderlich, die selbstständige Forschung, Lehre und Krankenversorgung wahrnehmen [4]. Die Medizinische Fakultät OWL stellt sich mit der zeitnahen Berufung der Universitätsprofessur für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Pneumologie auf diesen Bedarf ein.


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Die Klinik für Pneumologie und internistische Intensivmedizin – Sicht des EvKB und Perspektiven im UK OWL

Historisches zu Bethel und EvKB

Im Jahr 1867 gründete die Innere Mission in Bielefeld eine Anstalt für Menschen mit epileptischen Erkrankungen [6] [7] und im Jahr 1871 erhielt ein neu erbautes Gebäude den Namen „Bethel“. Friedrich von Bodelschwingh der Ältere leitete die schnell wachsende Anstalt von 1872 bis zu seinem Tod 1910. Sein Einfluss prägte die Einrichtung so stark, dass sie später nach ihm benannt wurde [8].

Die von Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel (kurz: Bethel, bis 2009: von Bodelschwinghsche Anstalten Bethel) sind mit mehr als 20.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern das größte Sozialunternehmen in Europa und der größte Arbeitgeber in der Stadt Bielefeld [9]. Der Hauptsitz befindet sich im gleichnamigen Ortsteil Bethel in Bielefeld. Bethel ist eine diakonische Einrichtung, in der Menschen mit Behinderung, psychischen Beeinträchtigungen, Epilepsie, Alte und Pflegebedürftige, Kranke, Jugendliche mit sozialen Problemen und Wohnungslose betreut werden [8].

Seit über 100 Jahren gehört die Krankenhausarbeit zu den Kernaufgaben Bethels. Die wissenschaftliche Zusammenarbeit Bethels mit der ab 1961 in Rede stehenden neu anzusiedelnden Universität Bielefeld begann im Februar 1970. Heute profitieren Patientinnen und Patienten nicht nur von der großen Erfahrung der Betheler Krankenhäuser und Fachkliniken, sondern auch von den neuesten medizinischen Erkenntnissen, die – dank eigener akademischer Forschung (im § 2 der Bethel-Satzung verankert, [10]) sowie jahrelangem Status als akademisches Lehrkrankenhaus der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und Kooperationen mit renommierten Partnern – den aktuellen Stand der Wissenschaften abbilden. Neben den Akutkrankenhäusern gibt es auch spezielle medizinische Angebote für Menschen mit Behinderungen, demnächst auch eine im Neuaufbau befindliche Universitätsklinik für Inklusive Medizin. Außerdem engagiert sich Bethel für einen menschlichen Umgang mit dem Tod – sowohl in seinen Krankenhäusern als auch in der stationären und ambulanten Hospizarbeit.

So war das Haus Sarepta, das Mutterhaus der Diakonissen, seit seinem Bau Mitte der 1870er-Jahre ein Ort der Krankenversorgung, des Lernens und der Lehre. Im Jahr 1913 wurde das Haus Gilead als Allgemeinkrankenhaus und Ausbildungshaus für die Krankenpflege gegründet [8] und ist mit seinem jetzigen Standort „Gilead I“ die eigentliche Wurzel des heutigen EvKB [11].

Die Standorte dieses Maximalversorgers liegen mit 5 Häusern auf dem Campus Bethel im Bielefelder Stadtteil Gadderbaum. Ein weiterer großer Standort (ca. 600 Betten) liegt auf dem Campus „Johannesstift“ im Bielefelder Stadtteil Schildesche. Weitere ambulante Angebote sind im gesamten Stadtgebiet verteilt. Gemeinsam mit seinem Schwesterkrankenhaus, der Krankenhaus Mara gGmbH, einem Fachkrankenhaus für Behindertenmedizin und Epileptologie am Campus Bethel, vereint das Klinikum modernste Krankenhausversorgung mit dem über 155-jährigen Wertekanon der von Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel. Ein zentrales Anliegen des Stiftungskonzeptes von Bethel war schon sehr früh die Weiter- und Fortbildung und dies spiegelt sich übrigens auch in der Unterstützung der Gründung des Universitätsklinikums (UK) OWL wider.

Mit 1.755 Betten, über 5.000 Mitarbeitenden und 170.000 Patientinnen und Patienten, die jährlich in den insgesamt 30 Kliniken, Instituten, Fachabteilungen und Zentren behandelt werden, gehört das EvKB zu den 10 größten Krankenhäusern in NRW und ist als Campus Bielefeld-Bethel Teil des UK OWL [11] [12].

Die universitären Forschungsschwerpunkte Behinderung, Teilhabe, chronische Erkrankungen und assistive Technologien der medizinischen Fakultät OWL an der Universität Bielefeld [12] sind gewissermaßen die DNA von Bethel.

Die Lungenheilkunde hat eine lange Tradition im heutigen EvKB. Bereits 1927 wurde in unmittelbarer Nähe zum Haus Gilead I ein Lungen- und Infektionshaus eröffnet [8] [11]. Heute befindet sich die „Klinik für Innere Medizin, Pneumologie und Intensivmedizin“ organisatorisch im Fachbereich „Innere Medizin“, gemeinsam mit weiteren internistischen Kliniken (Schwerpunkte: Geriatrie, Gastroenterologie, Hämatologie/Onkologie/Stammzelltransplantation/Palliativmedizin, Kardiologie, Nephrologie und Diabetologie). Die Fachbereiche Pneumologie, internistische Intensivmedizin und Kardiologie im Haus Gilead I sind auf dem Campus Bethel, die Fächer Geriatrie, Gastroenterologie, Hämatologie/Onkologie/Stammzelltherapie/Palliativmedizin, Nephrologie und Diabetologie auf dem Campus Johannesstift. Neben den Fachbereichen zeichnet sich das EvKB durch verschiedene interdisziplinäre Organzentren aus.


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Pneumologie und internistische Intensivmedizin im EvKB

Lange existierte eine Sektion „Pneumologie“ innerhalb der allgemeinen Klinik für Innere Medizin (Chefarzt Prof. Dr. med. Rainer Kolloch, 1994–2010), in der sich alle wichtigen internistischen Fachdisziplinen befanden. Im Frühjahr 2009 wurde sie als eigenständige „Klinik für Innere Medizin, Pneumologie und Intensivmedizin“ etabliert (Chefarzt von 2009–2019: PD Dr. med. Christian-Ole Feddersen) [11].

Inzwischen führt die Klinik 52 Betten, zu denen auch die 16 Betten einer neu gebauten und 2019 bezogenen, technisch hochmodernen internistischen Intensivstation zählen.

In der Klinik arbeiten 20 ärztliche Vollkraftstellen (VK) mit dem Stellenschlüssel 1–4–15 (Chefarzt – Oberärzt*innen – Assistenzärtz*innen). In den Jahren 2019–2021 lag der Case Mix Index (CMI) zwischen 0,94 und 1,18.

Die Klinik für „Innere Medizin, Pneumologie und Intensivmedizin“ hat sich in den vergangenen Jahren kontinuierlich zu den folgenden klinischen Schwerpunkten weiterentwickelt: Pneumo-Onkologie, obstruktive Atemwegserkrankungen und Lungenemphysem, Erkrankungen mit chronisch ventilatorischer Insuffizienz (CVI), interstitielle Lungenerkrankungen, Infektiologie, Intensiv-, Beatmungs- und Schlafmedizin.

Die pneumologische interventionelle Endoskopie hat folgende Schwerpunkte: Diagnostik der Lungentumoren (inkl. EBUS-Technik), Stentimplantation, Lungenblutungen, interstitielle Lungenerkrankungen (in Kryo-Technik), Lungenvolumenreduktion und Thorakoskopie.

Thoraxsonografisch erfolgen kurzzeitige Anlagen von Thoraxdrainagen bei Pneumothorax und Pleuraergüssen, aber auch Platzierungen von längerfristig positionierten Kathetern, z. B. zur effizienten Symptomlinderung bei rezidivierenden malignen Pleuraergüssen). Bei thoraxwandnahen Tumoren erfolgt sonografisch gesteuert die Entnahme von histologischen Präparaten.

Zur Lungenfunktionsdiagnostik der Klinik gehören neben den Standardmethoden wie z. B. der Ganzkörperplethysmografie, Diffusionsmessung und Provokationstestung auch die Spiroergometrie, 6-Minuten-Gehtestung und Messung des exhalierten NO (Stickstoffmonoxid).

Im Schlaflabor werden an vier Polysomnografie-Messplätzen ca. 350–400 Messungen/Jahr mit dem Schwerpunkt komplexe schlafbezogene Atmungsstörungen und Initiierung und Kontrolle von nicht-invasiver Beatmung bei Patient*innen mit CVI durchgeführt.

Der Schwerpunkt „Pneumologie“ der Klinik ist stark interdisziplinär orientiert und Partner in folgenden Zentren bzw. Boards: Im Thoraxzentrum besteht eine enge Kooperation mit der zertifizierten Klinik für Thoraxchirurgie, z. B. im Emphysem-Board. Innerhalb des Tumorzentrums findet die wöchentliche interdisziplinäre Tumorkonferenz gemeinsam mit den Kliniken für Hämatologie-Onkologie-Stammzellentherapie-Palliativmedizin, Thoraxchirurgie, Radiologie, Institut für Pathologie und Klinik für Nuklearmedizin des EvKB sowie dem externen Partner der Klinik für Strahlentherapie statt. Die Klinik ist Mitglied des nationalen Netzwerks Genomische Medizin (nNGM). Innerhalb des onkologischen Zentrums befindet sich das Thoraxzentrum in der Transitionsphase zur Zertifizierung des Lungenkrebszentrums.

Schließlich besteht im ILD-Board (Interdisziplinäres Board für interstitielle Lungenerkrankungen) eine enge Kooperation mit den Kliniken für Radiologie und dem Institut für Pathologie.

Der Bereich internistische Intensivmedizin der Klinik befindet sich in einer 16 Betten führenden Intensivstation. Es besteht eine sehr gute und enge Kooperation mit der räumlich benachbarten Intensivstation der Universitätsklinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin, Transfusionsmedizin und Schmerztherapie, in der im Wesentlichen perioperative und interdisziplinäre Intensivmedizin betrieben wird. Darüber hinaus besteht eine enge Zusammenarbeit mit der IMC-Station (Intermediate Care) der Klinik für Kardiologie der Zentralen Notaufnahme und der Stroke Unit der Klinik für Neurologie.

Die internistische Intensivmedizin hat mehrere Schwerpunkte: Neben der intensivmedizinischen Betreuung von Patientinnen und Patienten mit kardiologischen, hämatologisch-onkologischen und immunkompromittierenden Erkrankungen wurde in den vergangenen Jahren die Beatmungsmedizin weiterentwickelt. Hierzu gehören moderne Beatmungstechniken, nicht-invasive Beatmung (NIV) und Respirator-Entwöhnung nach prolongierter Beatmung. In enger Zusammenarbeit mit der anästhesiologischen Universitätsklinik und der Klinik der Kardiologie werden zunehmend auch wieder extrakorporale Ersatzverfahren wie ECLA (extracorporeal lung assist) und ECLS (extracorporeal life support) eingesetzt. Initiierungen und Verlaufskontrollen im Schwerpunkt "außerklinische Beatmung" finden in der pneumologischen Normalstation statt. Schließlich ist bemerkenswert, dass im Schwerpunkt „Beatmungsmedizin“ drei Atmungstherapeut*innen tätig sind.


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Perspektivisches aus Sicht des EvKB und des UK OWL

Der Koalitionsvertrag der CDU-FDP-Regierung für Nordrhein-Westfalen 2017 stellte die Weichen für die Gründung der Medizinischen Fakultät der Universität Bielefeld und des Universitätsklinikums OWL [13], die aus externer Wahrnehmung eine Art Herzensangelegenheit des Ministeriums für Arbeit, Integration und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen unter Herrn Minister Karl-Josef Laumann und des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen unter Frau Ministerin Isabell Pfeiffer-Poensgen ist. Die Einrichtung des Medizinstudiengangs soll auch der Gewinnung von ärztlichem Nachwuchs, insbesondere für die Region OWL dienen. Dem Beschluss der Landesregierung folgend, soll ein besonderer Fokus des Studiengangs auf der Stärkung der ambulanten Medizin und insbesondere der Allgemeinmedizin und hausärztlichen Versorgung liegen.

Während etablierte universitätsmedizinische Einrichtungen in Deutschland z. T. seit Jahrhunderten existieren, galt es bzgl. der Medizinischen Fakultät an der Universität Bielefeld weder „das Rad neu zu erfinden“ noch anderswo gemachte Geburtsfehler zu wiederholen. Es besteht die realistische Chance, Maximalvorstellungen und Machbares so auszubalancieren, dass ein funktionstüchtiger Forschungs- und Lehrbetrieb innerhalb von 5 Jahren für alle belastbar und genehmigungsreif möglich ist. Dies gelingt seit 2018 über ein komplexes und aufwendiges öffentliches Auswahlverfahren (sog. Sondierung) in enger vertrauensvoller Zusammenarbeit aller zügig und konstruktiv, in großer zeitlicher Intensität unter Beteiligung der Kliniker, des Rektorates der Universität Bielefeld, der Gründungs-Dekanin der Medizinischen Fakultät (offiziell und öffentlich per Festakt eröffnet am 23.09.2021), zahlreicher Mitarbeitenden der assoziierten Institutionen und der Geschäftsführungen der drei Trägerhäuser. Aus der Sicht des EvKB geschieht dies mit herausragender Unterstützung und großem Weitblick des Vorstands der von Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel und des Aufsichtsrats des EvKB sowie der ärztlichen Direktion.

Der ehemalige Chefarzt der Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin, Transfusionsmedizin und Schmerztherapie des EvKB und langjährige ärztliche Direktor des EvKB übernahm anlässlich der Gründung einer Medizinischen Fakultät an der Universität Bielefeld die Leitung des wissenschaftlichen Direktorates und damit eine „Grenzgängerfunktion“ zwischen der neuen universitären Medizinwelt in Bielefeld und dem bestehenden Kosmos des Akademischen Lehrkrankenhauses der Maximalversorgung EvKB.

Seit dem 24.04.2020, dem offiziellen Startschuss für die Medizinische Fakultät OWL an der Universität Bielefeld [12], bildet der Campus Bielefeld-Bethel (EvKB und Krankenhaus Mara) gemeinsam mit dem Campus Klinikum Bielefeld und dem Campus Klinikum Lippe das UK OWL der Universität Bielefeld (auf der Basis der wissenschaftspolitischen Stellungnahme des Wissenschaftsrates) [14]. Die Klinik für Innere Medizin, Pneumologie und Intensivmedizin im EvKB erhielt dabei die Perspektive, im weiteren Verlauf zur universitären Klinik innerhalb des UK OWL aufgebaut zu werden.

Damit verbunden ist die Aufgabe, die Pneumologie und internistische Intensivmedizin in Forschung, Lehre und Krankenversorgung in ganzer Breite zu vertreten und die Möglichkeit, in einem spannenden Umfeld den Aufbau der humanmedizinischen Fakultät aktiv mitzugestalten. Die Ausschreibung mit der Denomination „Universitätsprofessur für Innere Medizin – Schwerpunkt Pneumologie (W3 bzw. W2 TT W3)“ ist zum 04.08.2022 erfolgt (bis zur Besetzung der Professur, die mit der Stelle als Chefärztin/Chefarzt am EvKB assoziiert ist, wird die Klinik in Form einer Vertretungsprofessur des derzeitigen Klinikleiters in der Fakultät abgebildet).

Basierend auf den bereits vorhandenen soliden Strukturen und Inhalten der Klinik bestehen die zukünftigen Aufgaben in der Erweiterung der klinischen Schwerpunkte in der Behandlung chronischer und onkologischer Lungenerkrankungen sowie der Intensiv- und Beatmungsmedizin. Es ist ein weiteres Ziel des Faches Pneumologie, sich beim Aufbau und der Fortentwicklung überregionaler Schwerpunktzentren für onkologische Patientinnen und Patienten und solche mit Erkrankungen der Lungengefäße einzubringen.

Die Klinikleitung ist maßgeblich in die weitere Planung und Umsetzung des Modellstudiengangs Humanmedizin (gemäß ÄApprO) sowie die Implementierung der „clinician“- und „advanced clinician scientist“-Programme involviert und hat die Möglichkeit, innovative Konzepte in der Lehre zu etablieren.

Neben den o. g. interdisziplinären Kooperationen ist die sehr enge Zusammenarbeit mit weiteren operativen und konservativen Fächern erforderlich, insbesondere mit der Universitätsklinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin, Transfusionsmedizin und Schmerztherapie. Die bereits vorhandene enge Vernetzung mit den Schwerpunkten Hämatologie, Onkologie, Immun- und Stammzellentherapie, Neurochirurgie, inklusive Medizin, den Kliniken des Perinatalzentrums (Level I) sowie dem unter Leitung der Universitätsklinik für Unfallchirurgie und Orthopädie (Klinikdirektor ist simultan auch der ärztliche Direktor des Hauses) stehenden überregionalen, zertifizierten Traumazentrum wird weiter intensiviert.

Als integraler Bestandteil des Tumorzentrums des EvKB ist die „Klinik für Innere Medizin, Pneumologie und Intensivmedizin“ inzwischen auch Mitglied des nationalen Netzwerks Genomische Medizin (nNGM) [15], woraus sich beachtliche Möglichkeiten in der Fortentwicklung schon bestehender translationaler und interdisziplinärer Forschung ergeben.

In der Intensivmedizin werden extrakorporale Herz-Lungen-Unterstützungsverfahren in Kooperation mit der Universitätsklinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin, Transfusionsmedizin und Schmerztherapie weiter implementiert und wissenschaftlich begleitet.

Auch ist vorgesehen, dass im Rahmen der intensivmedizinischen Betreuung von Patientinnen und Patienten mit onkologischen, hämatologischen und immunkompromittierenden Erkrankungen ein eigener wissenschaftlicher Schwerpunkt der Klinik liegen wird.

Die Vernetzung der Klinik für Innere Medizin, Pneumologie und Intensivmedizin mit den anderen Kliniken des UK OWL, anderen Fakultäten der Universität Bielefeld (u. a. Anatomie, Physik, Physiologie, Zellbiologie), den niedergelassenen Ärtz*innen in der Region und den der Fakultät inzwischen angeschlossenen derzeit 60 Lehrpraxen [12] ist z. T. schon etabliert und wird weiter intensiviert.

Für die Klinik für Innere Medizin, Pneumologie und Intensivmedizin ist die studentische Ausbildung als zukunftssichernde Maßnahme von elementarer Bedeutung. Die inzwischen seit 01.10.2021 von den Studierenden (zunächst 60, im Vollausbau ab 2025 dann 300 Studierende pro Jahr) in den unterschiedlichen Formaten der Lehrveranstaltungen erlebte starke Präsens der Pneumologie und die hier gebotene gute, praxisorientierte und innovative Ausbildung im UK OWL gehen direkt mit Synergien für die Personalakquise einher. Als konkretes Beispiel hierfür sei erwähnt, dass dem im Rahmen des Seminars zum Thema „Schlafbezogene Atmungsstörungen“ ausgesprochenen Angebot, sich als studentische Hilfskräfte im Schlaflabor der Klinik für Pneumologie bewerben zu können, spontan mehrere Studierende gefolgt sind.

Die Erfahrung zeigt, dass sich ein nicht zu vernachlässigender Anteil der Studierenden, die in der Klinik zuvor als studentische Hilfskräfte, im Rahmen von Famulaturen oder dem Praktischen Jahr eine gute Ausbildung in kollegialer Atmosphäre erhalten haben, später dort auch auf Stellen für Assistenzärzt*innen bewirbt.

Schließlich ist die frühe Ausbildung in der Klinik verbunden mit dem Kennenlernen einer idealerweise gelungenen interprofessionellen Zusammenarbeit (z. B. gemeinsam mit Pflegekräften, Physio- und Atmungstherapeuten im Bereich der pneumologischen Normalstation oder Intensivstation).

Wir sind davon überzeugt, dass sich die an der Medizinischen Fakultät in Bielefeld neu einzurichtende W3-Professur für das Fach in jeder Hinsicht für alle im UK OWL und in der Fakultät Beteiligten genauso bewähren wird wie für die Studierenden und die Patient*innen, auch im Geiste des „Repetitio est mater studiorum“.


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Planung und Vorbereitung der Lehrveranstaltungen in den Modulen zu Kreislauf und Atmung

Die Medizinische Fakultät OWL wurde im Rahmen eines Gründungsbeschlusses der Landesregierung NRW 2017 auf den Weg gebracht: „Vorbild für die damit beabsichtigte Ausbildung zusätzlicher Medizinerinnen und Mediziner ist das sog. ‚Bochumer Modell‘“ [16].

Dieses Modell beinhaltet, dass die Fakultät nicht nur einer Universitätsklinik zugeordnet wird, sondern die Lehre in der Verantwortung mehrerer Kliniken liegt und von der Fakultät koordiniert wird.

Entsprechend der generellen Entwicklungen in der medizinischen Ausbildung hin zur kompetenzorientierten Lehre [17] wird bei der grundsätzlichen Rahmenmodellierung der Schwerpunkt auf den „Erwerb klinischer Schlüsselkompetenzen“ gelegt [18] [19]. Hierzu wurde ein sog. „Z-Curriculum“ entwickelt [20], das neben medizinisch-theoretischen Fächern bereits sehr früh klinische Fächer mit in das Studienangebot integriert, damit die Studierenden einerseits den Wert der theoretischen Fächer besser wahrnehmen können (Warum lerne ich das eigentlich?) und andererseits dieses Wissen mit der klinischen Anwendung verfestigen.

„Kreislauf und Atmung“ ist der dritte Themenblock, den die Studierenden im Laufe ihres Studiums an der Medizinischen Fakultät OWL im 2. Fachsemester kennenlernen. Danach folgen Themenblöcke zu den weiteren Organsystemen wie Verdauungssystem, Urogenitalsystem etc. (siehe [Tab. 1]).

Der grundsätzliche Ablauf von Themenblöcken an der Medizinischen Fakultät OWL besteht im ersten Studienabschnitt aus einer Trias von 1. Theorie-Modul, 2. dem Modul „Klinisches Denken und Handeln“ (KDH) und 3. dem Modul „Wissenschaftliches Denken und Handeln“ (WDH), die – wie in [Abb. 1] dargelegt – gleichzeitig gelehrt werden. Die besondere Herausforderung besteht darin, diese drei Module inhaltlich so abzustimmen, dass das jeweilige Themenfeld von den Studierenden im Gesamtzusammenhang verstanden wird.

Die im ersten Studienabschnitt geschaffenen Wissensgrundlagen im Themenblock „Kreislauf und Atmung“ werden dann im 7. Semester wieder aufgegriffen und vertieft, wobei hier zusätzlich von den Studierenden die Klinische Profilierung zu Kreislauf und Atmung gewählt werden kann.

Ermittlung der Kontingente

Die Verteilung der Stunden der einzelnen Fächer im Gesamtcurriculum und damit auch der Pneumologie wurde anhand mehrerer Faktoren ermittelt. Im Vorfeld wurden in Arbeitsgruppen mit Mitgliedern der beteiligten Kliniken und Arztpraxen sowie Mitarbeiter*innen der Universität zu den Modulen Lernziele festgelegt. Ausgangspunkt waren hier die im NKLM 1.0 in der Fassung von 2015 (Medizinischer Fakultätentag 2015) [21] erfassten ärztlichen Konsultationsanlässe. Die Teilnehmenden wurden in diesem Kontext gebeten, konkrete Lehrinhalte und Lernziele festzulegen, die den Studierenden bis zum Examen zu vermitteln sind, um diesen Konsultationsanlässen gerecht zu werden. Dazu wurden auch die Angaben zu Fächern erhoben, die hierzu am besten geeignet sind.

Die Lernziele wurden schließlich inhaltlich ausgewertet, mit den übrigen – häufig abstrakt formulierten – Lernzielen des NKLM abgeglichen und eine erste Abschätzung über den Lehraufwand vorgenommen. Da dies allerdings zu pauschal erschien, wurden im nächsten Schritt reale Unterrichtspläne von Modellstudiengängen, die z. T. offen im Netz zu finden sind oder von anderen universitätsmedizinischen Standorten zur Verfügung gestellt werden, analysiert und die dortige Stundenverteilung ermittelt.

Ein weiterer wichtiger Anhaltspunkt, der in die Abschätzung der Verteilung der Stundenkontingente einging, bestand aus den Fachangaben in den öffentlich zugänglichen Informationen des IMPP (Institut für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen) zu den ärztlichen Prüfungen.

Die anschließend den medizin-theoretischen und klinischen Fächern zugeteilten Stunden wurden dann anhand der oben genannten Datenquellen abgeschätzt und über die Semester verteilt. Auf dieser Basis hatten die Mitglieder der Arbeitsgruppen die Möglichkeit, Tausch- und Optimierungsvorschläge einzubringen.

Vor diesem Hintergrund ergaben sich für das Fach „Pneumologie“ 30 Unterrichtseinheiten, die sich auf die verschiedenen Formate wie Vorlesungen, Seminare etc. verteilen. Davon wurde etwa die Hälfte der Unterrichtsstunden im ersten Studienabschnitt (erstmalig im März/April 2022) eingeplant, um den Anforderungen des Z-Curriculums gerecht zu werden.

An dieser Stelle sei angemerkt, dass die grundsätzliche Parität von Kardiologie und Pneumologie im Modellstudiengang der UK OWL bewusst auch schon in der Benennung des Moduls „Kreislauf und Atmung“ zum Ausdruck gebracht wird. Konkret wird in beiden Fächern die vergleichbare Anzahl von Lehrveranstaltungen in den unterschiedlichen Formaten angeboten.


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Festlegung der Inhalte

Die Lehrplanung, die die Inhalte der Unterrichtseinheiten festlegt, wird in den Modulkommissionen weiter bearbeitet. Hierzu werden für den Themenblock „Kreislauf und Atmung“ die Vertreter*innen der inhaltlich assoziierten Fächer eingeladen. Dies waren für die theoretischen Grundlagen Anatomie, Biochemie, Chemie, Physik, Physiologie und Pathophysiologie, für klinisch-theoretische und klinische Fachbereiche Allgemeine Pathologie, Allgemeinmedizin, Anästhesiologie/Intensivmedizin/Schmerzmedizin, Geriatrie, Kardiologie, Klinische Umweltmedizin, Pneumologie, Radiologie und für fachunabhängige Themenbereiche Interprofessionalität, Kommunikation und Skills Lab.

In einer wöchentlich stattfindenden 2-stündigen Zoom-Konferenz von Oktober 2021 bis April 2022 erfolgte die Schulung der Lehrenden der Modulkommission zum Thema „Kreislauf und Atmung“. Diese gemeinsamen Runden schafften auch die Option für die Vertreter*innen der beteiligten Fächer, sich näher kennen zu lernen und konkret über einzelne Unterrichtsstunden und deren Ablauf abzustimmen.

Curricula aus den 1980er-Jahren bestanden meist aus Vorlesungen, die das „Fach“ als Organisationsgrundlage beinhalteten. Viele Modellstudiengänge in der Medizin unterrichten seit etwa dem Jahr 2000 in Modulen, die z. B. organbezogen strukturiert werden und eine ganzheitliche Sicht auf das Organsystem und dessen Erkrankungen werfen. Ein Beispiel: Verschiedene Fachrichtungen wie Anatomie, Physiologie, Pathologie, Pneumologie usw. lehren gemeinsam zum Thema „Lunge“. Dabei sind Redundanzen zu vermeiden und Synergieeffekte anzustreben.

Daher musste die Modulkommission eine dem Studienniveau angepasste Themeneingrenzung vornehmen. Hier diente auch der NKLM 2.0 als wertvolle Informationsgrundlage. Die besondere Herausforderung bestand für die Teilnehmenden darin, sich auf der Basis folgender Fragen themenzentriert zu organisieren: Was wählt man zu diesem Zeitpunkt als Lernziel aus? Welches Fach übernimmt welchen Inhaltsanteil? Wo sind sinnvolle Überlappungen? Welche Reihenfolge der Lerninhalte muss daher gewählt werden? [22].

Zur Konkretisierung seien beispielhaft vier Fachbereiche genannt: Die Physiologie und Pathophysiologie wählte u. a. „Blutgase, Gasaustausch in der Lunge und Gastransport“ als zentrale Themen. Die Allgemeine Pathologie setzte sich als Schwerpunkte „Einführung in die Lungenpathologie“ und „Einführung in die Tumorpathologie anhand des Beispiels Lungenkarzinom“. Das Skills Lab führte u. a. eine Lehreinheit zu „Lunge – klinische Untersuchung Basiskurs“ durch. Die Allgemeinmedizin brachte sich mit dem Thema „Atemlos in der Nacht – ist es ein Infekt, oder was?“ ein.

In diese Abstimmungsphase wurde die Pneumologie eng und frühzeitig eingebunden. Unter Berücksichtigung der Themenschwerpunkte der Lehrveranstaltungen der Pneumologie führte dies teilweise auch dazu, dass die Grundlagenfächer ihre Schwerpunkte adaptierten, um so das auf die gewählten Themen zugeschnittene Basiswissen zu vermitteln.

Nachdem die Lehrinhalte über alle Fächer konsentiert waren, ergab sich die Logik des Ablaufs der einzelnen Veranstaltungen. Es wurden die Vorlesungen, Seminare, Praktika etc. so angeordnet, dass die Unterrichtsinhalte sinnvoll aufeinander aufbauten.

Zur Förderung der frühen klinischen Erfahrungen im Modellstudiengang OWL kamen die Studierenden bereits im 2. Fachsemester im Rahmen des „Unterrichts am Krankenbett“ mit pneumologischen Patient*innen in engen Kontakt.

Die Integration der klinischen Kurse z. B. des patient*innenbezogenen Unterrichts am Krankenbett stellt eine organisatorische Herausforderung dar. Die räumliche Trennung zwischen den Kliniken der Medizinischen Fakultät OWL (Standorte in Bielefeld und Detmold/Lippe) bedingt Fahrzeiten für die Studierenden und Lehrenden und ist daher ein nicht unerheblicher Planungsfaktor. Weiterhin muss der Unterricht so in den Klinikalltag eingebunden sein, dass es nicht zur Beeinträchtigung der Patient*innenversogung kommt. Es wurde eine Parallelisierung von patient*innenbezogenen Unterrichtseinheiten angestrebt, um geeignete Seminarstärken zu schaffen und Leerlaufzeiten für die Studierende zu minimieren.

Aber auch diese Herausforderung ließ sich durch das hohe Engagement der Mitarbeiter*innen der pneumologischen Klinik meistern, sodass der Unterricht am Krankenbett erfolgreich im Stundenplan integriert werden konnte.


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Vermittlung der Grundlagen am Beispiel der Physiologie

Das Wissen zu den Grundlagenfächern Physiologie, Pathophysiologie, Biochemie, Chemie und Physik, Anatomie und Pathologie wurde den Studierenden im Rahmen des Moduls „Kreislauf und Atmung“ im zeitlichen Vorfeld der Lehrveranstaltungen der Pneumologie vermittelt. Zur weiteren Verdeutlichung folgen Ausführungen zum Angebot der Physiologie.

In digitalen und Präsenz-Veranstaltungen haben die Studierenden die Physiologie der Lungenfunktion auf der Ebene von Molekülen, Zellen, Organen und Körperfunktionen erlernt. Durch die aktive Teilnahme der Studierenden („aktives Lernen“) anhand von Frage/Antwort-Situationen (Warum? Wieso? Wie erklärt man das? Ist das logisch?) und Umfragen (direkt in Zoom) konnte erfolgreich eine interaktive Atmosphäre geschaffen werden. Der kommunikative Austausch mit den Studierenden war so aufgebaut, dass sie die Argumente und Logik der vorgestellten Informationen und Konzepte nachvollziehen konnten. Weiterhin wurden unterschiedliche Medien (z. B. Videos, Animationen usw.) innerhalb der Lehrveranstaltung eingesetzt. Alle Unterrichtsmaterialien standen den Studierenden sogenannten im „LernRaum Plus“ zur Verfügung.

Vorlesungen (3 × 2 Unterrichtseinheiten à 60 Studierende)

Die Themen der drei Vorlesungstermine gliederten sich wie folgt auf: 1) Atmungsapparat und Atemmechanik, 2) Blutgase und 3) Atmungsregulation.
Wissen und Konzepte der Anatomie, Biochemie, Chemie und Physik sowie physiologische Konzepte und weitere Inhalte aus dem ersten Semester, wie Diffusion, Membrandurchlässigkeit und Regelkreise, wurden in die drei Vorlesungen integriert, um den Lerneffekt weiter zu steigern und den Stellenwert der theoretischen Fächer zu verdeutlichen.

In der ersten Vorlesung wurden die physiologischen Mechanismen zur Atemruhelage (Thorax/Lunge, Pleurablätter) als treibende Kraft für die Ventilation und Compliance präsentiert. Weiterhin sind die Funktionen des Surfactants und des Gasaustausches an der Alveole durch Diffusion thematisiert worden.

In der zweiten Vorlesung waren die Aufnahme, der Transport und die Abgabe der Blutgase das Hauptthema. Dazu gehörten zunächst die Lungendurchblutung, das Ventilations-Perfusions-Verhältnis und der Euler-Liljestrand-Mechanismus. Der Transport von Sauerstoff über Hämoglobin und der Transport von Kohlendioxid über Bicarbonat in der Blutbahn waren ebenfalls Inhalt der Vorlesung. Hierbei lag der besondere Fokus auf der Sauerstoff-Hämoglobin-Bindungskurve und deren Verschiebung in der Lunge und Peripherie sowie die Umwandlung von Kohlendioxid zu Bicarbonat in den Erythrozyten und Transport im Blutplasma. Die Vorlesung endete mit den Beschreibungen der Bohr- und Haldane-Effekte und der Störung bzw. Kompensation des Säuren-Basen-Haushalts über die Atmung.

Die dritte Vorlesung hatte den Fokus Wahrnehmung der Blutgase über zentrale und periphere Chemorezeptoren, Aktivierung von Mechanorezeptoren in der Lunge sowie Thoraxwand und Bewegungsapparat und dessen Einfluss auf das zentrale Atmungsregulationszentrum. Die Lokalisation und Mechanismen zur Wahrnehmung von Sauerstoff im peripheren Blut über die Glomuszelle sowie Kohlendioxid als wichtigster Regulator der zentralen Chemorezeptoren und der Bezug zur Pufferkapazität der extrazellulären Flüssigkeit im Gehirn und im Liquor cerebrospinalis kamen zur Sprache. Im Zusammenhang mit den Mechanorezeptoren wurde der Hering-Breuer-Reflex vermittelt und anschließend die atemregulierenden Neurone (stimulierende und hemmende) innerhalb des Atemzentrums im Hirnstamm und die Steuerung der Atemfrequenz und der Funktion des Herzens illustriert.


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Seminar (3 × 2 Unterrichtseinheiten à 20 Studierende)

Ziel des Seminars war es, Pathophysiologie und Symptome eines Krankheitsbildes auf der Basis des bereits vorahndenen Wissen zur Physiologie zu vermitteln. Der Inhalt des Seminares war sowohl inhaltlich als auch zeitlich mit den Vorlesungen abgestimmt. Das „allergische Asthma bronchiale“ diente als Beispiel einer obstruktiven Atemwegserkrankung. In einer Kasuistik hatte ein 10-jähriges Mädchen Luftnot während eines Spaziergangs im Wald. Sie wurde mit einem inhalativen β-2-Sympathomimetikum behandelt. Die Ergebnisse der Lungenfunktionsteste (verminderter maximaler exspiratorischer Luftstrom und FEV1%FVC nach Provokation) wurden besprochen. Auch erfuhren die Studierenden die Ergebnisse der IgE-Antikörper-Testung (erhöht) und einer Allergen-Testung (gegen Baumpollen positiv).

Zu Beginn der Veranstaltung erfuhren die Studierenden die Anamnese und bearbeiteten die dazugehörigen sieben Fragen in kleineren Gruppen z. T. mithilfe der Dozierenden. Auf der Basis von Fragen konnten die Studierenden die Krankheit des Mädchens identifizieren, die grundlegenden pathophysiologischen Änderungen durch das bereits erlernte Wissen über Physiologie vom 1. und 2. Semester wiedergeben und die Wahl der Therapie sowie mögliche physiologische Anpassungen erklären. Abschließend wurden die noch offenen Fragen der Gruppe in interaktiver Atmosphäre unter Moderation der Dozentin erläutert.

Die Hauptthemen des Seminars lauteten: Aktivierung der Mastzellen, Atmung/Atemwege, Entzündung und Kontraktion der glatten Muskulatur. Die beiden letztgenannten Themen wurden bereits im 1. Semester behandelt, was zur weiteren Vertiefung des Lernstoffes führte und den Studierenden die Verbindung zu anderen Krankheiten ermöglichte. Nicht selten kam es bei den Studierenden infolge spürbaren Erkenntnisgewinns zum „Wow-Effekt“.

Ein weiterer wichtiger didaktischer Punkt des Seminars war das Erlernen der für den ärztlichen Beruf notwendigen Kommunikation auf mehreren Ebenen: 1. die richtigen Begriffe bzw. Terminologie zu verwenden, 2. Ideen und Konzepte präzise zu artikulieren und zu präsentieren und 3. Konzepte sowohl ihren Kommilitonen als auch Fachexperten (Dozierenden) zu erklären und zu begründen.


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Praktikum (3 × 3 Unterrichtseinheiten à 20 Studierende)

Das sog. Lungenpraktikum fand nach den relevanten Vorlesungen statt und wurde mittels der digitalen „Lt/KuraCloud Plattform“ (Firma „ADInstruments“) in kleinen Gruppen von vier bis fünf Studierenden durchgeführt.

Nach einer kurzen Einführung, in der das theoretische Wissen aufgefrischt sowie der Aufbau des Praktikums und die Versuchsdurchführung erklärt wurden, kalibrierten die Studierenden zunächst die „Spirometrie“. Von einer Versuchsperson wurde ein Spirogramm erstellt, aus dem sich statische Parameter berechnen ließen. Schließlich wurden dynamische Parameter wie maximale Atemströme und forcierte Vitalkapazität mit dem Spirometer aufgezeichnet, ausgewertet und die Einsekundenkapazität berechnet.

Aufgrund der Schwierigkeit, während der Ausatmung die Glottis zu entspannen, wurde die Bedeutung des Retraktionsdruckes im Selbstversuch demonstriert. Dazu wurde die nicht-forcierte Ausatmung mit geöffneter Glottis bei verschiedenen Lungenvolumina aufgezeichnet, in einem Retraktionsdruck-Volumen-Diagramm dargestellt und der Retraktionsdruck berechnet. Zur besseren Orientierung wurde zusätzlich eine Tabelle mit repräsentativen Retraktionsdrücken zur Verfügung gestellt.

Weiterhin haben die Studierenden ihren eigenen Ausatmungsspitzenfluss mit einem Peak-Flow-Meter gemessen. Um eine obstruktive Atemwegserkrankung zu simulieren, wurde anschließend die Öffnung des Mundstücks mit Klebeband verschlossen, mit einem spitzen Gegenstand perforiert und abschließend der Peak-Flow gemessen.

Den Versuchen schloss sich ein Testat zu den durchgeführten Experimenten an. Die acht Fragen bestanden aus einer Mischung von Freitext, Multiple-Choice- und Bild-Zuordnungsfragen. Anschließend wurden die wesentlichen Inhalte des Praktikums diskutiert und die Studierenden hatten die Gelegenheit, noch bestehende Unklarheiten anzusprechen.

Die Lizenzen der digitalen Plattform erlauben unbegrenzten Zugang (auch von zuhause aus) zu den hinterlegten Modulen und Messwerten, um das Selbststudium zu erleichtern. Für die Studierenden, die nicht in Präsenz an dem Praktikum teilnehmen konnten, wurde ein Alternativarbeitsblatt angeboten. Es beinhaltete die Aufgaben, die Auswertungsübungen und das Testat. Die Leistung vom Praktikum (Durchführung der Experimente und erfolgreiches Testat) wurde zusammen mit den anderen theoretischen Fächern (Anatomie, Biochemie, Chemie, Physik) in einem Prüfungsportfolio gebündelt.


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Lehrveranstaltungen im Fach Pneumologie

Sammlung der Lernmaterialien

Zunächst haben Sichtungen und Sammlungen von Lernmaterialien stattgefunden. Im Rahmen dessen erfolgten die Anschaffungen der aus pneumologischer Sicht wichtigen Fachbücher zum Aufbau der Medizinischen Bibliothek der Universität Bielefeld.


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Logo für die Pneumologie mit Wiedererkennungswert

Jede erste Folie der Power-Point-Präsentationen im Fach „Pneumologie“ enthielt neben dem Thementitel und Namen des Dozenten das in [Abb. 3] dargestellte Logo, das für die Studierenden hohen Wiedererkennungswert hatte. Die Zeichnung stammt von Frau Andrea Schäfer, die seit mehr als 10 Jahren Fachärztin in der Klinik für Innere Medizin, Pneumologie und Intensivmedizin des EvKB ist und die leidenschaftlich Comics und Illustrationen zeichnet.

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Abb. 3 Logo für alle Lehrformate im Fach „Pneumologie“ in der UK OWL. Quelle: Andrea Schäfer

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Vorlesungen (2 × 1 Unterrichtseinheit à 60 Studierende)

Zwei Hauptvorlesungen (à 45 Minuten) im Fach Pneumologie wurden in Anwesenheit aller Studierenden einmal virtuell und in Präsenz gehalten. In der virtuellen Hauptvorlesung wurden die obstruktiven Lungenerkrankungen, d. h. COPD, Lungenemphysem und Asthma bronchiale behandelt. Die wichtigsten Lernziele waren hierbei die Vermittlung von Grundkenntnissen zu Pathomechanismen (Inflammation, Exazerbation), Diagnostik mit Lungenfunktion und Bildgebung sowie der Inhalationstherapie. Als Präsenzveranstaltung folgte in den Räumen der Medizinischen Fakultät OWL die Hauptvorlesung zum Themenfeld „Restriktive Lungenerkrankungen“. Hierbei wurde Grundlagenwissen zu den zwei wichtigen Krankheitsgruppen vermittelt: 1. den idiopathischen Lungenerkrankungen mit der Indexerkrankung idiopathische Lungenfibrose (IPF) und 2. den Erkrankungen mit Dysfunktion der Atmungsmuskulatur aus dem neuromuskulären Formenkreis, infolge von Thoraxwanddeformation und Adipositas permagna. Lernziele waren hierbei die Grundkenntnisse zu Pathomechanismen (Inflammation und Fibrosierung), Diagnostik (Lungenfunktion, Histologie, Bildgebung) und Therapie (Immunmodulation und antifibrotische Pharmaka).


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Seminare (3 × 3 Unterrichtseinheiten à 20 Studierende)

Insgesamt 9 Seminare zu 3 unterschiedlichen Themen des Faches Pneumologie fanden ebenfalls im Hauptgebäude der Medizinischen Fakultät statt und zeichneten sich v. a. durch Praxisnähe und interaktive Kommunikation zwischen dem Dozenten und den Studierenden aus.

Im Seminar „Pneumologische Kardinalsymptome“ wurden Husten, Auswurf und Hämoptysen thematisiert. Bzgl. des Hustens wurden Kenntnisse zu den afferenten und efferenten Leitungsbahnen in Verbindung mit dem Hustenzentrum sowie die physiologischen bzw. pathophysiologischen Aspekte vermittelt. In die Ausführungen zum Auswurf ging neben Einführung in das Grundwissen zu mikrobiologischen Aspekten die Beurteilung der Färbung als ein klinisches Kriterium bei der Indikationsstellung zur Antibiotikatherapie bei COPD ein. Schließlich wurde bzgl. der Hämoptysen die Differenzialdiagnostik der häufigsten zugrundeliegenden Erkrankungen (wie z. B. Lungentuberkulose und Bronchiektasen) erläutert.

Auf der Basis des in der Vorlesung für Physiologie vermittelten Grundwissens wurden im Seminar „Pathologische Blutgasanalyse, Ventilations- und O2-Sättigungsmuster“ Fallbeispiele zu Erkrankungen mit teil- und vollkompensierter respiratorischer Azidose, mit respiratorischer Alkalose infolge Hyperventilation sowie polysomnografische Messergebnisse bei CVI mit Erläuterung der transkutanen Messung von Sauerstoffsättigung und CO2 behandelt.

Im dritten Seminar wurden im Sinne eines perspektivischen Ausblickes auf spätere Lerninhalte die „Alveolarproteinose“ und die „Lymphangioleiomyomatose“ (LAM) in ihren Grundzügen vorgestellt.


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„Hands-on“: Leitsymptom „Dyspnoe“ (3 × 1 Unterrichtseinheit à 20 Studierende)

„Hands-on“-Kurse zum Leitsymptom Dyspnoe aus pneumologischer Sicht fanden im EvKB und dem Städtischen Klinikum Bielefeld statt. Am Standort EvKB wurden die Studierenden in diesem Format an vier Arbeitsplätzen, die jeweils durch Expert*innen aus der Klinik für Pneumologie besetzt waren, mit der Technik und den Devices, die diagnostisch, aber auch therapeutisch bei Erkrankungen, die mit dem Leitymptom „Dyspnoe“ einhergehen, vertraut gemacht. Zu den Bereichen Schlaflabor und Intensivmedizin wurden von Atmungstherapeut*innen die Funktionsweise von Beatmungsgeräten sowie die Zugänge für die invasive und nicht-invasive Beatmung demonstriert. An einem weiteren Arbeitsplatz erklärte eine Atmungstherapeutin die wichtigsten Prinzipien der Inhalations-Devices sowie die Technik des Peak-Flowmeters. Am dritten Demo-Platz thematisierte ein Facharzt der Klinik die Anlage von Thoraxdrainagen zur Therapie von Pleuraergüssen bzw. Pneumothorax. Schließlich bronchoskopierten die Studierenden unter Supervision eines Facharztes am Phantom ([Abb. 4]).

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Abb. 4 Die Studierenden bei der „Hands-on“-Bronchoskopie.

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Problemorientiertes Lernen (POL)

Im konkreten POL-Fall lag eine ambulant erworbene Pneumonie bei einem Patienten mit COPD vor. Auf der Basis der Symptome entwickeln die Studierenden Verständnis für komplexe Zusammenhänge in der Krankheitsentstehung und Konzepte für therapeutische Entscheidungen. Ziel dieses Formates ist es, unter Supervision auf der Basis des vorgegebenen Materials die Lernenden zum eigenständigen Studium in einem gruppendynamischen Prozess zu motivieren.


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Joint Venture der klinischen Umweltmedizin und der Pneumologie

In einem Joint Venture der klinischen Umweltmedizin und der Klinik für Pneumologie wurden in fünf Kleingruppen von jeweils sechs Studierenden nach kurzen Einführungs-Präsentationen zum jeweiligen Krankheitsbild unter Moderation von Fachärzt*innen ausführliche Interviews mit drei Patient*innen mit Atemwegs- und Lungenerkrankungen geführt, deren Ursache in der Inhalation von organischen und anorganischen Stäuben lag.

Ein 72-jähriger Patient litt nach 40 Jahren Asbestexposition im Berufsleben als Installateur unter Asbestose. Eine 43-jährige Patientin war an einer fortgeschrittenen, exogen allergischen Alveolitis (EAA) infolge langjährigen Kontaktes mit Wellensittichen (Vogelhalterlunge) erkrankt und ein 62-jähriger Patient mit effektiv therapiertem HIV und Asthma bronchiale litt unter einer allergischen broncho-pulmonalen Alveolitis (ABPA), die wahrscheinlich durch massiven Schimmelpilzbefall der Wände am Arbeitsplatz verursacht wurde.


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Unterricht am Krankenbett und Skills Lab

Dem Unterricht am Krankenbett (UaKD) in den beteiligten pneumologischen Kliniken ging eine 1-stündige Unterrichtseinheit zur körperlichen Untersuchung im Skills Lab der Medizinischen Fakultät voraus. Hierbei wurde mithilfe von Demo-Material aus dem Amboss-Programm (www.amboss.com) Basiswissen zur körperlichen Untersuchung des Thorax vermittelt.

Es schloss sich ein jeweils 3-stündiger UaKD in Kleingruppen mit jeweils sechs Studierenden in den drei beteiligten Kliniken (Klinikum Bielefeld, EvKB und Klinikum Lippe) an. Das wesentliche Ziel hierbei war es, den Studierenden die wichtigsten Befunde der Inspektion, Palpation, Auskultation und Perkussion direkt an Patient*innen mit den klassischen pneumologischen Krankheitsbildern Pneumonie, Pleuraerguss, COPD (mit und ohne Lungenemphysem) und Lungenfibrose zu vermitteln. Zusätzlich wurden zum jeweiligen Krankheitsbild die Lungenfunktion, Röntgen-Thorax, Thorax-Sonografie sowie Computertomografie demonstriert.


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Unterrichtsmaterial im Learning Management System „LernraumPlus“

Wie in allen Lehrfächern so wurden den Studierenden auch in der Pneumologie alle Präsentationen der Vorlesungen und Seminare im sog. „LernraumPlus“ des Learning Management Systems der Universität Bielefeld zur Verfügung gestellt. Hier ist das gesamte Unterrichtsmaterial der beteiligten Fächer den Studierenden auch nach Abschluss des Moduls weiter zugänglich.


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Abschließende Klausur und praktische Prüfung

Die abschließende Klausur deckt den Anteil der Vorlesungen und Seminare aus dem Theoriemodul ab, während die mündlich-praktische Prüfung Inhalte aus den klinischen Modulanteilen umfasst. Entsprechend der proportionalen Zuteilung aller am Modul „Kreislauf und Atmung“ beteiligter Fächer werden in der abschließenden Klausur aus dem Fach „Pneumologie“ zwei Multiple choice- und zwei offene Fragen gestellt.

Die mündlich-praktische Prüfung wird in zwei Teilprüfungen à acht Minuten absolviert. Dabei durchlaufen alle Studierenden einen Teilbereich, der auf Untersuchungstechniken von Herz und Lunge und einen Teilbereich, der schwerpunktmäßig kommunikative Kompetenzen fokussiert.

Die Prüfung zur Untersuchung des Thorax bestand im Sommersemester 2022 aus zwei Teilen, die jeweils einzeln bewertet wurden. Die Kompetenz der Studierenden zu Inspektion, Palpation, Auskultation und Perkussion des Thorax an einem Probanden wurde mit max. 5 Punkten bewertet. Im zweiten Teil der Prüfung folgten dann ebenfalls mit einer Zuteilung von max. 5 Punkten verknüpfte Fragen zu pathologischen Untersuchungsbefunden auf der Basis einer Vignette (entweder Pneumothorax oder Pneumonie).


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Stellenwert der Kommunikation

Wandel der ärztlichen Ausbildung

Wesentliche Reformbedarfe in der medizinischen Ausbildung wurden im Jahr 2017 durch die Bundesregierung im Masterplan Medizinstudium 2020 dargelegt [23]. Dieser bildet eine maßgebliche Grundlage für die Entwicklung einer neuen Ärztlichen Approbationsordnung, wie sie seit einigen Jahren diskutiert wird. Wichtige Ankerpunkte des Masterplans sind dabei u. a. die Stärkung der Wissenschaftlichkeit im Medizinstudium, die Förderung der ambulanten Medizin, insbesondere der Allgemeinmedizin sowie die Hervorhebung des Stellenwertes der professionellen Kommunikation in der Medizin: „Unser besonderes Augenmerk gilt der Arzt-Patienten-Kommunikation, die maßgeblich die Arzt-Patienten-Beziehung, den Behandlungserfolg und das Wohlbefinden der Patient*innen beeinflusst“ [23]: Die Bedeutung der longitudinalen Integration professioneller ärztlicher Kommunikation in medizinische Curricula ist in den letzten Jahren viel diskutiert worden (vgl. z. B. [24]) und führte zur Etablierung einer grundlegenden Kommunikationsausbildung an vielen Medizinstandorten in Deutschland [25].


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Kommunikationsausbildung im Modellstudiengang Medizin

Der Modellstudiengang Medizin der Medizinischen Fakultät OWL greift die Kommunikation über alle Fachsemester hinweg auf. Dabei erlauben die modulare Struktur und die bereits beschriebene Trias aus Theoriemodul, praktischer Anwendung und wissenschaftlichem Denken und Handeln (vgl. Kapitel „Planung und Vorbereitung der Lehrveranstaltungen in den Modulen zu Kreislauf und Atmung“) eine Anknüpfung der Kommunikationsausbildung an fachspezifische Inhalte und damit verbunden einen engen Praxisbezug. Dieses ist insbesondere wichtig, um die Bedeutung der Kommunikation nicht nur für die häufig als „kommunikative Fächer“ bezeichneten psychiatrischen und psychosomatischen Fachbereiche, sondern auch für die klassische somatische Medizin, wie z. B. die Pneumologie, zu verdeutlichen.

Die Kommunikationsausbildung im Modellstudiengang umfasst insgesamt mehr als 200 Unterrichtseinheiten, die von den Studierenden überwiegend in Form von Seminaren und im Kleingruppensetting absolviert werden. Dabei dienen die Seminare in erster Linie der Vorbereitung auf den Kleingruppenunterricht und fokussieren bspw. Kommunikationstechniken und deren basale Anwendung. Im Kleingruppenunterricht werden die so erworbenen Kommunikationskompetenzen in simulierten Patient*innen-Gesprächen vertieft und weiterentwickelt.


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Kommunikationsausbildung in den Modulen „Kreislauf und Atmung“

Im Themenbereich „Kreislauf und Atmung“ des ersten Studienabschnitts werden die Kommunikationsseminare anteilig mit je zwei Unterrichtsstunden von den Fächern Allgemeinmedizin, Anästhesiologie und Medizinische Psychologie und Soziologie gestaltet. Darüber hinaus finden zwei Unterrichtsstunden im Kleingruppenunterricht des Skills Labs mit Simulationspersonen statt.

Angepasst an das longitudinale Kommunikationscurriculum des Studiengangs werden in den Theorie-Modulen des Themenkomplexes „Kreislauf und Atmung“ die strukturierte Anamneseerhebung im Kontext der Organe Herz und Lunge sowie die gemeinsame Entscheidungsfindung erörtert. Die Abstimmung der Inhalte erfolgte zwischen den beteiligten Fachbereichen im Rahmen der Modulkommissionssitzungen (vgl. Kapitel „Planung und Vorbereitung der Lehrveranstaltungen in den Modulen zu Kreislauf und Atmung“) und in einem weiteren Planungstreffen.

In der Konsequenz erlernen Studierende die benötigten Kommunikationskompetenzen in aufeinander aufbauenden Lehrveranstaltungen verschiedener Fachbereiche. So legt bspw. die Medizinische Psychologie und Soziologie im Seminar „Gemeinsam entscheiden“ den Grundstein für ein fundiertes Handlungswissen zur Umsetzung von gemeinsamen Entscheidungsprozessen und zur Nutzung von dafür unterstützenden Materialien. Die Allgemein- und Familienmedizin thematisiert darauf aufbauend die kardiovaskuläre Risikoberatung und stellt ein digitales Entscheidungstool (arriba) vor. Das Team des Skills Labs ermöglicht den Studierenden im Anschluss die Umsetzung des in den Seminaren Gelernten im Rahmen einer simulierten Gesprächssituation zur kardiovaskulären Risikoberatung in der Hausarztpraxis.


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Prüfung kommunikativer Kompetenzen in den Modulen „Kreislauf und Atmung“

Entsprechend der Modulzuordnung erfolgt die Prüfung kommunikativer Kompetenzen im Themenbereich „Kreislauf und Atmung“ sowohl im Rahmen einer fächerübergreifenden schriftlichen Prüfung als auch im Rahmen einer mündlich-praktischen Prüfung gemeinsam mit den klinischen Fächern Kardiologie, Geriatrie und Pneumologie (vgl. Kapitel „Lehrveranstaltungen im Fach Pneumologie“ in diesem Beitrag).


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Perspektive der Kommunikationsausbildung im Modellstudiengang Medizin

Die Verzahnung der Ausbildung kommunikativer Kompetenzen mit dem Fachwissen zu somatischen Erkrankungen und der Anwendung in praxisnahen Fallbeispielen ist für die Erreichung der Kommunikationslernziele und für die Akzeptanz der Kommunikationsausbildung bei Studierenden essenziell. Während im klinischen Arbeiten selbstverständlich beides – die somatische Fachkompetenz und die Kommunikation mit Patient*innen und Teammitgliedern – Hand in Hand geht, stellt die Verknüpfung in der medizinischen Ausbildung noch immer eine Herausforderung dar. Der Modellstudiengang Medizin der Medizinischen Fakultät OWL hat zum Ziel, diese Trennung in der longitudinalen Verankerung der Kommunikation im Curriculum aufzulösen. Hierfür ist die konstruktive Zusammenarbeit zwischen den Fachbereichen von grundlegender Bedeutung und das Commitment auch der klassischen somatischen Fächer auf die Mitwirkung in der Kommunikationsausbildung stärkend für eine ganzheitliche medizinische Ausbildung.


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Sichtweise der Studierenden auf den Modellstudiengang in UK OWL

Beim Gedanken an das Medizinstudium erinnern sich im traditionellen Studium ausgebildete Ärzt*innen sicherlich an die großen und überfüllten Hörsäle aus ihrer eigenen Vergangenheit mit alteingesessenen Professor*innen, die in den ersten Semestern in geballter Form theoretisches Wissen vermittelten. Von der kräftezehrenden „Vorklinik“ und nach dann endlich bestandenem Physikum dem lange ersehnten Wechsel in die klinischen Fächer ist zu erfahren.

In Anbetracht des Modellstudiengangs sind konträre Positionen vorstellbar. So wird manch eine*r argumentieren bzw. fragen: „Das klassische Medizinstudium hat doch bisher gut funktioniert – warum brauchen wir einen Modellstudiengang?“ Andererseits stürzt eine*r sich voller Enthusiasmus in das neue Ausbildungskonzept und betont die Vorteile und Chancen, die damit verbunden sind.

Im Zentrum des Modellstudienganges steht die Verknüpfung der Theorie mit der Praxis. In einer idealen Arbeitswoche erlernen die Studierenden zunächst die anatomischen Gegebenheiten der Organe des jeweiligen Moduls, anschließend die damit verbundene Physiologie, die biochemischen Prozesse und pathologischen Veränderungen. Abschließend folgen dann in unterschiedlichen Formaten die Unterrichtseinheiten zu den zugrundeliegenden Krankheitsbildern.

Das Modul „Kreislauf und Atmung“ fand im 2. Semester des Modellstudiengangs an der Medizinischen Fakultät OWL statt und unterscheidet sich im Aufbau nicht grundlegend von anderen Modulen. Auch im Fach „Pneumologie“ wurde den Studierenden innerhalb von nur wenigen Wochen ein kompaktes Lernpaket vermittelt.

Trotz mancher Unterschiede in der Präsentationsform sind die Dozierenden sehr motiviert, ihre jeweiligen Lerninhalte möglichst interessant und verständlich zu vermitteln. Besonders deutlich wurde das, wenn sie ihre Vorträge mithilfe moderner, PC-basierter Formate, wie z. B. einem Quiz zur schnellen Verständniskontrolle, sehr abwechslungsreich gestalteten. In anderen Lehreinheiten vermittelten die Dozierenden das Wissen in sehr kommunikativer, entspannter und diskussionsfreudiger Art.

Die Präsentation von seltenen Erkrankungen im Fach „Pneumologie“ und die Bronchoskopie am Phantom unter Supervision beim „Hands-on“-Kurs schon so früh im Studium wirkte regelrecht stimulierend auf die Studierenden und haben Lust auf mehr gemacht.

Es lässt sich aber auch feststellen, dass im Modellstudiengang die Vermittlung des kompakten fachübergreifendes Wissens zwischen den Grundlagenfächern und klinischen Fächern zum jeweiligen Organ für die Studierenden eine Herausforderung darstellt.

Sicherlich der Startphase des Modellstudienganges in der UK OWL geschuldet, fiel es manchen Dozierenden noch schwer, ihr Thema dem Wissensniveau der Studierenden anzupassen, um sie nicht zu überfordern. Mit der gleichen Absicht ergab sich im Laufe des Moduls manchmal die Notwendigkeit, vom ursprünglich vorgesehenen/geplanten Lernziel abzurücken und Teilaspekte des Themas auf spätere Semester zu verschieben.

Mitnichten bedeutet die hier stattfindende Verknüpfung von Theorie und Klinik, dass der Modellstudiengang im Vergleich zum klassischen Medizinstudium weniger anspruchsvoll und aufwendig sei.

Besonders wertvoll erleben die Studierenden den Unterricht am Krankenbett. Bevorzugt ganztägig befinden sich Kleingruppen aus drei und sechs Studierenden in den teilnehmenden Kliniken in und außerhalb von Bielefeld.

Dabei werden sie bei Patient*innenkontakt von Fachärzt*innen in den Stationen und Ambulanzen begleitet, erhalten praktisch wichtige Hinweise zur Anamneseerhebung direkt am Patienten und die Möglichkeit, bei der sorgfältigen klinischen Untersuchung ohne Zeitdruck pathologische Befunde zu erheben.

Nicht selten gelingt so die Verknüpfung mancher in den Vorlesungen und Seminaren vermittelten Lerninhalte mit der praktischen Erfahrung während der körperlichen Untersuchung, was zu einem deutlichen Lernerfolg führt.

Als Beispiel seien auffällige Auskultationsbefunde über der Lunge genannt. Im Internet finden sich hierzu zwar Videos mit Tonaufzeichnungen, z. B. Giemen und Brummen bei obstruktiven Atemwegserkrankungen. In der Realität hörten sich diese pathologischen Geräusche bei Patient*innen mit exazerbierter COPD nicht selten völlig anders an. Diese Diskrepanz hat die Studierende beeindruckt.

Besonders lässt sich der im Modellstudiengang vollzogene Wandel des Medizinstudiums am Format „UaKD“, in dem die Studierenden bereits zu Beginn des Modellstudienganges ausgebildet werden, verdeutlichen. Dozierende begegnen dabei den Studierenden auf Augenhöhe, berücksichtigen den aktuellen Wissenstand und schaffen eine stressarme Lernatmosphäre – fern ab von vorurteilbehafteten Rollenbildern.


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Interessenkonflikt

Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Danksagung

Wir bedanken uns bei Herrn Dr. med. M. Brandes (Klinikum Lippe, Klinik für Pneumologie, Beatmungs- und Schlafmedizin) und Herrn Dr. med. B. Ruprecht (Städtisches Klinikum Bielefeld, Klinik für Pneumologie und Beatmungsmedizin) und deren Mitarbeiter*innen für ihre großzügig gewährte Unterstützung und Hilfe sowie den hervorragenden Unterricht am Krankenbett und bei Herrn Univ.-Prof. Dr. T. Vordemvenne (Ärztlicher Direktor des EvKB und Direktor der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie) für seine stets gewährleistete Unterstützung, Mithilfe und Beratung in allen Belangen, insbesondere für seine unermüdliche und kompetente Mitwirkung, Steuerung und Moderation für die Modulgestaltung, die Raumnutzung- und Ausstattung sowie sein hohes Engagement innerhalb der Gruppe der Lehrenden und für die Studierenden. Frau Sandra Gruß (Pressestelle EvKB) und Dr. Matthias Ernst (Geschäftsführung EvKB) sei gedankt für ihre zielführende Unterstützung bei der Recherche zur Historie der von Bodelschwingschen Anstalten Bethel und Frau Cornelia Schulze (Unternehmenskommunikation) für ihre professionelle Unterstützung bei der Textarbeit.

* Die einzelnen Kapitel wurden von folgenden Autor*innen verfasst:
Univ.-Prof. Dr. C. Hornberg und R. Lätzsch (Universität Bielefeld, Medizinische Fakultät OWL): Vorstellung des Modellstudiengangs der Medizinischen Fakultät OWL unter besonderer Berücksichtigung der Pneumologie
Prof. Dr. F. Mertzlufft (wissenschaftlicher Direktor, Universität Bielefeld, Medizinische Fakultät und Universitätsklinikum OWL, Evangelisches Klinikum Bethel) und Prof. Dr. B. Schönhofer (Universität Bielefeld, Medizinische Fakultät und Universitätsklinikum OWL, Evangelisches Klinikum Bethel, Universitätsklinik für Pneumologie): Die Klinik für Pneumologie und internistische Intensivmedizin – Sicht des EvKB und Perspektiven im UK OWL
Dr. T. Frankewitsch (Universität Bielefeld, Medizinische Fakultät OWL, Referat Studium und Lehre): Planung und Vorbereitung der Lehrveranstaltungen in den Modulen zu Kreislauf und Atmung
Prof. Dr. W.-K. Lee (Universität Bielefeld, Medizinische Fakultät OWL, Physiologie und Pathophysiologie von Zellen und Membranen): Vermittlung der Grundlagen am Beispiel der Physiologie
Prof. Dr. B. Schönhofer und M. Garhy (Universität Bielefeld, Medizinische Fakultät und Universitätsklinikum OWL, Evangelisches Klinikum Bethel, Universitätsklinik für Pneumologie): Lehrveranstaltungen im Fach Pneumologie
Dr. A. Bittner (Universität Bielefeld, Medizinische Fakultät OWL, Referat Studium und Lehre): Stellenwert der Kommunikation
F. Moser (Studierende, Universität Bielefeld, Medizinische Fakultät OWL): Sichtweise der Studierenden auf den Modellstudiengang in UK OWL



Korrespondenzadresse

Prof. Dr. Bernd Schönhofer
Universität Bielefeld, Medizinische Fakultät und Universitätsklinikum OWL
Evangelisches Klinikum Bethel, Universitätsklinik für Pneumologie
Burgsteig 13
33617 Bielefeld
Deutschland   

Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
14. November 2022

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Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany


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Abb. 1 Studienstruktur und -ablauf 1. Studienabschnitt Medizinische Fakultät OWL.
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Abb. 2 Studienstruktur und -ablauf 2. Studienabschnitt Medizinische Fakultät OWL.
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Abb. 3 Logo für alle Lehrformate im Fach „Pneumologie“ in der UK OWL. Quelle: Andrea Schäfer
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Abb. 4 Die Studierenden bei der „Hands-on“-Bronchoskopie.