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DOI: 10.1055/a-1963-7586
Granulomatose mit Polyangiitis und mikroskopische Polyangiitis
Granulomatosis with Polyangiitis and Microscopic PolyangiitisZusammenfassung
Die Granulomatose mit Polyangiitis (GPA) und mikroskopische Polyangiitis (MPA) sind zwei zur ANCA-assoziierten Vaskulitis (AAV) zählende Entitäten. Beiden Erkrankungen liegt eine systemische nekrotisierende Kleingefäßvaskulitis zugrunde, die jedes Organ betreffen kann. Bei der GPA ist zusätzlich eine in der Regel den Respirationstrakt betreffende extravaskuläre nekrotisierende granulomatöse Entzündung vorzufinden. Das klinische Bild wird in der Mehrzahl der Fälle durch ein pulmo-renales Syndrom mit alveolärer Hämorrhagie und rapid-progressiver Glomerulonephritis sowie weitere Organmanifestationen bestimmt. Bei der GPA imponiert zudem die fast regelhafte Mitbeteiligung des oberen Respirationstrakts. Die GPA ist mit Anti-Neutrophilen zytoplasmatischen Autoantikörpern (ANCA) mit einer Spezifität für die Proteinase 3 (PR3-ANCA) und die MPA für Myeloperoxidase (MPO-ANCA) assoziiert. Die immunsuppressive Therapie richtet sich nach der Krankheitsaktivität und Schwere der Organbeteiligung.
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Abstract
Granulomatosis with polyangiitis (GPA) and microscopic polyangiitis (MPA) are two entities of ANCA-associated vasculitis (AAV). Both diseases are characterised by systemic necrotising small-vessel vasculitis, which can affect any organ. In GPA, extravascular necrotising granulomatous inflammation, usually affecting the respiratory tract, is found in addition. In the majority of cases, the clinical presentation is dominated by a pulmonary-renal syndrome with alveolar haemorrhage and rapidly progressive glomerulonephritis. Other organ involvement is found as well. In GPA, the upper respiratory tract is commonly affected. GPA is associated with anti-neutrophil cytoplasmic autoantibodies (ANCA) with specificity for proteinase 3 (PR3-ANCA) and MPA with specificity for myeloperoxidase (MPO-ANCA). Immunosuppressive therapy depends on disease activity and the severity of organ involvement.
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Schlüsselwörter
ANCA - Vaskulitis - AAV - Granulomatose mit Polyangiitis - Mikroskopische PolyangiitisEinleitung
Die mit Anti-Neutrophilen zytoplasmatischen Autoantikörpern (ANCA)-assoziierte Vaskulitis (AAV) ist eine systemische nekrotisierende Kleingefäßvaskulitis, zu der die Granulomatose mit Polyangiitis (GPA), die mikroskopische Polyangiitis (MPA) und die – vergleichsweise seltenere – eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis (EGPA) zählen [1] [2] [3]. Im Fokus des vorliegenden Beitrags stehen neben klinischen und diagnostischen Aspekten die aktualisierten Management- und Therapieempfehlungen der Allianz der europäischen rheumatologischen Fachgesellschaften (European Alliance of Associations of Rheumatology, EULAR) zur Therapie der GPA und MPA [4].
Fallbericht
Eine 42-jährige Frau kam zur stationären Aufnahme mit chronischem Nasenlaufen, borkiger Rhinitis, intermittierenden Hämoptysen sowie zunehmender Abgeschlagenheit. In der Computer-Tomographie (CT)-Untersuchung des Thorax zeigten sich pulmonale Raumforderungen sowie eine kavernöse Struktur im linken Oberlappen mit Fistelung in die angrenzende Pleura ([Abb. 1]). In der Laboruntersuchung war eine CRP-Erhöhung von 29,3 mg/l und Leukozytose von 10.8×109/l auffällig. Eine bronchoalveoläre Lavage (BAL) und gezielte Kryobiopsie aus einem der Lungenherden schloss eine maligne oder infektiologische Ursache aus. Die Diagnose einer Granulomatose mit Polyangiitis (GPA) bestätigte sich mit dem serologischen Nachweis eines PR3-ANCA sowie dem histologischen Befund einer nekrotisierenden Kleingefäßvaskulitis und granulomatösen Entzündung in der Biopsie aus der Lunge sowie aus einer ergänzend erfolgten Biopsie aus der Nasenschleimhaut. Nach Ausschluss weiterer relevanter Organmanifestationen erfolgte eine remissionsinduzierende Therapie mit Rituximab und begleitender Glukokortikoid-Therapie.


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Definition, Epidemiologie und Mortalität
Die AAV betrifft vorwiegend kleine, intraparenchymal gelegene Gefäße. Mittelgroße Gefäße können in den Krankheitsprozess mit einbezogen sein. Da insbesondere bei der Glomerulonephritis nur eine geringe oder fehlende Immunkomplex-Ablagerung nachweisbar ist, wird die AAV als pauci-immune Vaskulitis bezeichnet. Im Gegensatz zur MPA kennzeichnet die GPA neben der Kleingefäßvaskulitis außerdem eine extravaskuläre granulomatöse Komponente, die hauptsächlich den oberen und/oder unteren Respirationstrakt betrifft. Die Namen und Definitionen von Vaskulitiden einschließlich der GPA und MPA sind in der revidierten Chapel Hill Consensus Conference (CHCC) Nomenklatur festgelegt worden ([Tab. 1]) [1]. Genetische Risikofaktoren, die granulomatöse Entzündung, Rezidivhäufigkeit, das Therapieansprechen auf Rituximab und die Mortalität korrelieren bei den AAV-Untergruppen besser mit einer Subklassifizierung entsprechend ihres ANCA-Zielantigenprofils, d. h. in eine Proteinase 3 (PR3)-AAV und Myeloperoxidase (MPO)-AAV, als mit der unter klinisch-pathologischen Gesichtspunkten erfolgenden Unterteilung in die GPA und MPA [5]. Die Subklassifizierung in eine PR3-AAV und MPO-AAV setzt den Nachweis von ANCA im Serum voraus. ANCA-negative GPA- und MPA-Fälle und die ANCA-negative und ANCA-positive EGPA sind in diese Subklassifizierung nicht eingeschlossen [3] [6].
ANCA-assoziierte Vaskulitis (AAV) |
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Granulomatose mit Polyangiitis (GPA) |
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Mikroskopische Polyangiitis (MPA) |
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Die AAV ist eine seltene Erkrankung mit einer weltweit regional unterschiedlichen jährlichen Inzidenz zwischen 20–50 pro 1 Million Einwohner und einer Prävalenz von 300–420 pro 1 Million Einwohner [3] [7]. Neuere Daten auf der Grundlage einer Auswertung von Versichertenangaben weisen eine jährliche Inzidenz der GPA von 34 und der MPA von 13 Fällen pro 1 Million Einwohner und eine Prävalenz von der GPA von 210 und der MPA von 46 Fällen pro 1 Million Einwohner in Deutschland aus [8]. Die GPA manifestiert sich typischerweise im Alter zwischen 45–65 Jahren, die MPA zwischen 55–75 Jahren. Frauen und Männer sind etwa gleich häufig betroffen [3]. Unbehandelt verläuft eine AAV bei den meisten Patienten in der Regel innerhalb eines halben Jahres tödlich und hat damit eine ähnliche Prognose wie eine unbehandelte akute Leukämie [9]. Trotz erheblicher Verbesserungen in der Diagnostik und Therapie bleiben die GPA und MPA chronische, häufig rezidivierende Erkrankungen mit einer erhöhten Vaskulitis- und Therapie-assoziierten Morbidität und Mortalität [3]. Während im ersten Jahr nach Diagnosestellung die aktive Vaskulitis und Infektionen die häufigste Todesursache darstellen, sind es in der Folge kardiovaskuläre und maligne Erkrankungen sowie Infektionen, gefolgt von Vaskulitis-Rezidiven [10]. Eine Metanalyse mit Auswertung von 10 Studien ergab ein 2,7-fach erhöhtes Sterberisiko für Patienten mit einer AAV (standardisierte Mortalitätsrate, SMR) [11].
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Ätiopathogenese
Der AAV liegt eine multifaktorielle Ätiopathogenese zugrunde [2] [3] [12] [13] [14]. In der ersten Genom-weiten Assoziationsstudie (GWAS) wurden Assoziationen von Einzelnukleotid-Polymorphismen der humanen Leukozytenantigene HLA-DP mit der PR3-AAV und HLA-DQ mit der MPO-AAV identifiziert. Außerdem wurden bei der PR3-AAV Einzelnukleotid-Polymorphismen im Bereich der PR3 und Alpha-1-Antitrypsin kodierenden PRTN und SERPINA1 Genloci nachgewiesen [15]. Darüber hinaus wurden epigenetische Faktoren, wie eine verminderte DNA-Methylierung bei der Regulation der MPO und PR3-Transkription mit der AAV in Verbindung gebracht [16]. Die zum Toleranzverlust gegenüber der von Neutrophilen und Monozyten exprimierten PR3 und MPO führenden Faktoren sind nicht abschließend geklärt, jedoch wird ein Einfluss von Infektionen und/oder anderen Umweltfaktoren sowie Störungen der Apoptose und anderer Zelltodformen von Neutrophilen vermutet [2] [12] [13] [14] [17] [18]. Voraussetzung für die GPA und MPA ist eine zum Toleranzverlust führende immunogene Präsentation der PR3 und MPO [18]. Eine intrinsische Dysregulation der Apoptose von neutrophilen Granulozyten mit erhöhter PR3 Membranexpression und deren Beseitigung durch Makrophagen (Efferozytose) mit konsekutiver Zytokinfreisetzung wurde bei der GPA in vitro und in vivo nachgewiesen [2] [17] [19]. Zudem induzieren Zytokine wie der Tumor-Nekrose-Faktor-alpha (TNF-α) und Interleukin (IL)-1 und das Anaphylatoxin C5a eine verstärkte Translokation von PR3 und MPO aus azurophilen Granula im Zellinneren auf die Zelloberfläche neutrophiler Granulozyten [2] [3] [12] [13] [14] [18]. Die ineffiziente Clearance von apoptotischen Neutrophilen führt zur sekundären Nekrose mit Freisetzung von Gefahrensignalen, sogenannten Damage-associated molecular patterns (DAMP) wie dem Chromatin-assoziierten Alarmin High-mobility group box 1 protein (HMGB1), das als endogenes Adjuvans zum Toleranzverlust durch immunogene Autoantigenpräsentation beiträgt [20] [21]. Schließlich werden durch ANCA-induzierte Nekroptose und NETose die Autoantigenpräsentation, Komplementfaktoraktivierung und Endothelschädigung noch weiter verstärkt [2] [3] [12] [18] [22]. In den entzündlichen Gewebsläsionen im oberen Respirationstrakt und der Niere spiegelt die Ausbildung von ektopen lymphatischen Strukturen mit in situ PR3-ANCA-produzierenden B-Zellen und Plasmazellen den Toleranzverlust und die Aufrechterhaltung der chronischen immunpathologischen Autoimmunantwort in ektopen lymphatischen Strukturen neben den sekundären lymphatischen Organen wieder [2] [12] [13] [14] [23]. Eine Dysbalance zwischen regulatorischen und Effektor-T-Zellen mit einer Vermehrung zirkulierender Effektor-T-Zellpopulationen mit einem erhöhten Anteil an zirkulierenden T-Helferzellen (Th) vom Typ 1 und Th17 und eine in situ Akkumulation von Effektor-T Zellen trägt zusammen mit der Ausbildung ektoper lymphatischer Strukturen zur Perpetuierung des Toleranzverlusts und der chronischen Entzündung bei [2] [3] [12] [13] [14].
PR3- und MPO-ANCA binden unter der Einwirkung von Zytokinen und dem Anaphylatoxin C5a an membranständige PR3 und MPO auf der Zelloberfläche von neutrophilen Granulozyten und induzieren in vitro und in vivo eine Adhäsion der Neutrophilen am Endothel. Zur vollständigen ANCA-induzierten Neutrophilenaktivierung ist die Bindung sowohl des Fab-Fragmentes als auch des Fc-Teils der ANCA erforderlich. Die ANCA-induzierte vorzeitige – und damit hoch pathologische – intravasale endothelnahe Aktivierung und Degranulierung der Neutrophilen mit Freisetzung von Enzymen und reaktiven Sauerstoffspezies führt zur Endothelschädigung, weiterer Leukozytenakkumulation und schließlich Organschädigung. [2] [3] [12] [13] [14] [18]. Ähnlich der Vaskulitisinduktion durch ANCA-aktivierte Neutrophile soll die extravaskuläre Granulomatose bei der GPA einer Hypothese zufolge durch eine extravaskuläre ANCA-induzierte Aktivierung und Degranulierung von im Gewebe ortsständigen Neutrophilen induziert werden [18]. Untersuchungen von Tiermodellen legen jedoch nahe, dass sich die Pathogenese der granulomatösen Läsion von der der Vaskulitis bei der GPA unterscheidet [24]. Bei der GPA gehen eine reduzierte Motilität der nasalen epithelialen Zilien, verminderte Produktion von humanem Beta Defensin-3 (hBD-3) und ein aberrantes Zytokin-Expressionsmuster nasaler Epithelzellen mit einer gestörten mukoziliären Clearance, mikrobiellen Dysbiose (Staphylococcus aureus, Haemophilus influenzae) einher und prädisponieren zur granulomatösen Entzündung im Respirationstrakt [2] [12] [13] [14] [25]. Die chronische nasale S. aureus Besiedlung ist mit der endonasalen Entzündungsaktivität und einer erhöhten Rezdivrate bei der GPA assoziiert [2] [3] [12] [13] [14] [26].
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Klinik und Diagnostik
Die Mehrzahl der Patienten mit einer GPA und MPA ist von einer Beteiligung des Respirationstrakts und/oder der Niere betroffen bis hin zur Entwicklung eines pulmo-renalen Syndroms mit pulmonaler Kapillaritis und alveolärer Hämorrhagie sowie rapid-progressiver Glomerulonephritis. Prodromi wie allgemeine Schwäche, Arthralgien und Myalgien – sowie bei der GPA Rhinitis und/oder Sinusitis – gehen dem pulmo-renalen Syndrom häufig Wochen bis Monate voraus. Aufgrund der systemischen Natur der AAV kann jedes Organ von der Erkrankung betroffen sein. Daher weisen die GPA und MPA neben bestimmten phänotypischen Eigenheiten wie die Neigung zu kavitierenden intrapulmonalen Läsionen bei der GPA eine Reihe von gemeinsamen klinischen Manifestationen und Merkmalen wie beispielsweise die häufige Mitbeteiligung peripherer Nerven mit Polyneuropathie oder Mononeuritis multiplex auf [2] [3] [13] [14] [27] [28]. Etwa 80–90% der Patienten mit einer GPA und MPA sind von einer generalisierten Erkrankung mit Organ- und lebensbedrohenden Manifestationen betroffen. Bei weniger als 10% der Patienten ist die Erkrankung als lokalisierte Form auf den oberen und/oder unteren Respirationstrakt beschränkt, insbesondere bei GPA, oder es liegt eine auf ein anderes Organ oder wenige andere Organe beschränkte limitierte Verlaufsform vor, beispielsweise als renal-limitierte, meist MPO-ANCA positive AAV oder als – ebenfalls meist MPO-ANCA positive – isolierte pulmonale interstitielle Lungenerkrankung bzw. Lungenfibrose [2] [3] [13] [14]. Eine Progression von einer lokalisierten GPA zu einer generalisierten GPA ist selten und wurde bei weniger als 10% der Patienten mit einer lokalisierten GPA beobachtet [29]. Bei der GPA sind der obere Respirationstrakt (granulomatös-nekrotisierende Rhinosinusitis und/oder Vaskulitis), die Lunge (granulomatös-nekrotisierende Entzündung und/oder neutrophile Kapillaritis mit hämorrhagischer Alveolitis), Nieren (fokal-segmental nekrotisierende pauci-immune Glomerulonephritis), Gelenke (Arthralgien, Arthritis), Augen (Episkleritis), Haut (leukozytoklastische Vaskulitis) und das periphere Nervensystem häufig betroffen [2] [3] [27] [30]. Rezidive treten bei der GPA häufiger als bei der MPA auf [31]. Prädilektionsorte bei der MPA sind vorwiegend die Nieren (nekrotisierende pauci-immune Glomerulonephritis) und Lunge (neutrophile Kapillaritis mit hämorrhagischer Alveolitis, bei ca. 10% Fibrose), gefolgt vom peripheren Nervensystem, der Skelettmuskulatur, dem Gastrointestinaltrakt und der Haut (leukozytoklastische Vaskulitis) [2] [3] [28] [30]. [Tab. 2] gibt die Häufigkeit verschiedener klinischer Manifestationen und von PR3- und MPO-ANCA bei der GPA und MPA wieder [3] [27] [28].
Organmanifestation |
Granulomatose mit Polyangiitis (GPA), n=445 |
Mikroskopische Polyangiitis (MPA), n=144 |
---|---|---|
Oberer Respirationstrakt |
91 |
2 |
Unterer Respirationstrakt |
65 |
52 |
Niere |
53 |
81 |
Muskuloskelettal |
62 |
83 |
Gastrointestinal |
4 |
5 |
Herz |
8 |
8 |
Haut |
7 |
18 |
Periphere Nerven |
42 |
42 |
ZNS |
11 |
4 |
PR3-ANCA |
>90 |
<5 |
MPO-ANCA |
<5 |
65 |
ANCA-negativ |
<5 |
>30 |
n=Zahl der in die Studie eingeschlossenen Patienten.
Die aktualisierten EULAR Management- und Therapieempfehlungen weisen darauf hin, dass AAV seltene, heterogene, potentiell Organ- und lebensbedrohende Erkrankungen sind, die eine multidisziplinäre Betreuung in Zentren mit hinreichender Vaskulitis-Expertise bzw. Zugang zu dieser Expertise erfordern [4]. Da die AAV rasch progredient verlaufen und zu schwerwiegenden Organschäden bis hin zum Tod führen kann, rechtfertigt der Verdacht auf das Vorliegen einer AAV eine umgehende zielgerichtete Diagnostik einschließlich des differentialdiagnostischen Ausschlusses konkurrierender oder zusätzlich vorliegender Erkrankungen wie Infektionen oder Tumorleiden. Abhängig von der klinischen Symptomatik soll ein gezieltes Organ-Staging und eine Aktivitätsbestimmung erfolgen. Hierzu gehören bei Erstmanifestation oder Rezidiv einer AAV eine vollständige körperliche Untersuchung einschließlich einer neurologischen Untersuchung, Labordiagnostik mit Bestimmung von Entzündungsparametern, Nierenretentionsparametern, Transaminasen und Cholestase-Parametern, ANCA und unter differentialdiagnostischen Aspekten ANA, dsDNS Antikörper, ENA, Anti-glomeruläre Basalmembran-Antikörper und Rheumafaktor, Komplementfaktoren C3 und C4 sowie abhängig von der Symptomkonstellation infektionsserologische Untersuchungen (Blutkulturen, HBV, HCV, HIV), eine Urindiagnostik einschließlich Urinsediment und Urinprotein-Analytik, EKG, Echokardiographie, Abdomen-Sonographie, Lungenfunktionsuntersuchung, Röntgen- oder CT-Thorax, Bronchoskopie und broncho-alveoläre Lavage (BAL), kraniale Magnetresonanz-Tomographie (MRT) einschließlich der Abbildung von Nasennebenhöhlen und Orbitae sowie Elektroneuro- und -myographie (ENG, EMG). Die weiterführende Diagnostik hängt von der klinisch führenden Beschwerdesymptomatik und den in Frage kommenden Differentialdiagnosen ab, wobei jedem Symptom nachgegangen werden soll. Zum Ausschluss einer paraneoplastischen Vaskulitis ist ggf. eine Tumorausschlussdiagnostik angezeigt. Die Diagnosestellung erfolgt in Zusammenschau der klinischen, laborchemischen, apparativen sowie bildgebenden und bioptischen Befunde [2] [3] [32].
Zur ANCA-Testung sollen entsprechend der 2017 revidierten internationalen Konsensus-Empfehlungen und der aktualisierten EULAR Management- und Therapieempfehlungen hochwertige antigenspezifische Immunoassays für die PR3- und MPO-ANCA Bestimmung im Blut als primäre Screening-Methode für Patienten mit begründetem Verdacht auf eine AAV eingesetzt werden [4] [33]. Bei AAV-Verdacht ist eine Immunfluoreszenz-Testung (IFT) auf Ethanol- und Formalin-fixierten Neutrophilen zur Detektion von ANCA mit zytoplasmatischer oder perinukleärer IFT (C-ANCA bzw. P-ANCA) nicht erforderlich, weil die Qualität der antigenspezifischen Enzyme-linked immunosorbent assays (ELISA) zur PR3- und MPO-ANCA Detektion verbessert und neue Technologien eingeführt wurden. Daher wird die IFT bei hinreichend hoher Vortest-Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer AAV, d. h. bei begründetem AAV-Verdacht wie beispielsweise das Vorliegen eines pulmo-renalen Syndroms als Screening-Test nicht mehr als Methode mit zusätzlichem Nutzen erachtet. Ein zweiter antigenspezifischer Immunoassay oder eine IFT kann bei initial negativen Ergebnissen bei Patienten mit hohem klinischem Verdacht auf eine AAV in Betracht gezogen werden, um die Sensitivität zu erhöhen oder um bei niedriger Antikörper-Konzentration die Spezifität zu erhöhen [33]. PR3-ANCA sind hochspezifisch mit dem Vorliegen einer GPA assoziiert. Sie werden bei generalisierter GPA in mehr als 90% der Fälle nachgewiesen, während bei der MPA in 60–70% der Fälle ein MPO-ANCA detektiert werden. Bei weniger als 5% der Patienten liegt ein divergentes klinisch-serologisches Profil vor mit Nachweis von MPO-ANCA bei GPA und vice versa PR3-ANCA bei MPA. Bei der seltenen, auf den Respirationstrakt beschränkten lokalisierten GPA wird ein ANCA-Nachweis im Blut nur in etwa der Hälfte der Fälle geführt. Ebenso gelingt die ANCA-Bestimmung bei einem Teil der auf ein oder wenige Organe limitierten AVV-Verlaufsformen seltener als bei der generalisierten AAV [2] [3] [5] [6] [33].
Eine histologische Diagnosesicherung soll durch eine Biopsie eines betroffenen Organs angestrebt werden. Die histologische Diagnosesicherung soll jedoch nicht zu einer Verzögerung des Therapiebeginns führen [4]. Biopsien aus dem HNO-Trakt weisen häufig unspezifische chronisch entzündliche Veränderungen auf. Transbronchiale Biopsien können ebenfalls diagnostisch wegweisend sein. Zur histopathologischen Trias der GPA zählen die extravaskuläre granulomatöse Entzündung, landkartenartige Nekrosen und die nekrotisierende Kleingefäßvaskulitis [2] [13] [14] [30]. In der Mehrzahl der Fälle sind jedoch nicht alle drei Kriterien in einer Biopsie vorhanden, insbesondere bei der lokalisierten GPA [29] [30]. Nierenbiopsien kommt insbesondere beim Vorliegen vergleichsweise spezifischer Veränderungen wie einer pauci-immunen, fokal-segmentalen nekrotisierenden Glomerulonephritis mit Halbmondbildung eine hohe diagnostische Bedeutung zu [2] [3] [13] [14] [30]. Die GPA und MPA weisen ähnliche histopathologische Veränderungen in der Niere auf. Bei der GPA ist die Zahl der normalen Glomeruli in der Regel jedoch höher als bei der MPA, und es liegt ein geringeres Ausmaß an Glomerulosklerose und interstitieller Fibrose vor. Dies erklärt die im Vergleich zur MPA höhere Rate in Bezug auf die Wiedererlangung der Nierenfunktion und Funktionsbesserung bei Patienten mit einer GPA [34]. Den Ergebnissen der Nierenbiopsie kommt zudem eine prognostische Aussagekraft hinsichtlich des Risikos einer terminalen Nierenerkrankung zu. Zur Risikoabschätzung für die Entwicklung einer terminalen Nierenerkrankung wurden verschiedene renale Scores entwickelt, wobei die renale Prognose vom Grad der Glomerulosklerose, interstitiellen Fibrose und tubulären Atrophie abhängt [34] [35] [36]. In Hautbiopsien kommt bei der GPA und MPA meist eine leukozytoklastische Vaskulitis zur Darstellung. Bei Neuauftreten einer Polyneuropathie oder Mononeuritis multiplex kann eine Nervenbiopsie zum Nachweis der zugrunde liegenden Kleingefäßvaskulitis beitragen [2] [3] [13] [14] [30]. Durch die Diagnostic and Classification Criteria in Vasculitis Study (DCVAS)-Gruppe wurden die 2022 American College of Rheumatology/European Alliance of Associations of Rheumatology (2022 ACR/EULAR)-Klassifikationskriterien für die GPA ([Tab. 3]) und MPA ([Tab. 4]) erarbeitet und für Studienzwecke validiert [37] [38].
Die Anwendung der Klassifikationskriterien setzt die Diagnose einer Vaskulitis kleiner oder mittelgroßer Gefäße voraus. Ähnliche Krankheitsbilder, die eine Vaskulitis imitieren, sollen vorab differentialdiagnostisch ausgeschlossen werden. |
|
Klinische Kriterien |
|
Nasale Beteiligung: Blutiger Schnupfen, Ulzerationen, Borken, Verstopfung, oder Septum-Defekt bzw. -Perforation |
+3 |
Knorpel Beteiligung (Entzündung des nasalen oder Ohr-Knorpels, Heiserkeit oder Stridor, endobronchiale Beteiligung, oder Sattelnasen-Deformität) |
+2 |
Schallleitungs- oder Innenohr-Schwerhörigkeit |
+1 |
Labor, Bildgebung und Biopsie-Kriterien |
|
Positiver Test auf C-ANCA oder PR3-ANCA |
+5 |
Pulmonale Noduli, Raumforderung, oder Kavitation in der thorakalen Bildgebung |
+2 |
Granulome, extravaskuläre granulomatöse Entzündung, oder Riesenzellen in der Biopsie |
+2 |
Entzündung, Verstopfung, oder Sekretion nasal/paranasale Sinus, oder Mastoiditis in der Bildgebung |
+1 |
Pauci-immune Glomerulonephritis in der Biopsie |
+1 |
Positiver Test auf P-ANCA oder MPO-ANCA |
-1 |
Blut-Eosinophilie ≥1×109/Liter |
-4 |
Die Punktzahl aus den 10 Items wird, soweit vorliegend, summiert. Für die Klassifikation als GPA ist eine Punktzahl von ≥5 erforderlich. |
Die Anwendung der Klassifikationskriterien setzt die Diagnose einer Vaskulitis kleiner oder mittelgroßer Gefäße voraus. Ähnliche Krankheitsbilder, die eine Vaskulitis imitieren, sollen vorab differentialdiagnostisch ausgeschlossen werden. |
|
Klinische Kriterien |
|
Nasale Beteiligung: Blutiger Schnupfen, Ulzerationen, Borken, Verstopfung, oder Septum-Defekt bzw. -Perforation |
−3 |
Labor, Bildgebung und Biopsie-Kriterien |
|
Positiver Test auf P-ANCA oder MPO-ANCA |
+6 |
Fibrose oder interstitielle Lungenerkrankung in der thorakalen Bildgebung |
+3 |
Pauci-immune Glomerulonephritis in der Biopsie |
+3 |
Positiver Test auf C-ANCA oder PR3-ANCA |
−1 |
Blut-Eosinophilie ≥1×109/Liter |
−4 |
Die Punktzahl aus den 6 Items wird, soweit vorliegend, summiert. Für die Klassifikation als MPA ist eine Punktzahl von ≥5 erforderlich. |
Der Birmingham Vasculitis Activity Score (BVAS, aktuelle Version: V3.0) wird als validiertes klinisches Tool zur Quantifizierung der Krankheitsaktivität bei Vaskulitiden wie der GPA und MPA herangezogen. Der BVAS V3.0 ist ein zusammengesetzter Score, der 56 klinische Merkmale aus 9 Organsystemen mit einer dem Schweregrad entsprechenden Punktzahl bewertet. Voraussetzung ist, dass die jeweilige Manifestation der aktiven Vaskulitis zuzuschreiben ist und konkurrierende Ursachen ausgeschlossen wurden. Bestimmte Items wie das Vorliegen einer alveolären Hämorrhagie, rapid-progressiven Glomerulonephritis oder Mononeuritis multiplex werden im BVAS V3.0 als Major-Items mit hoher Punktzahl den Minor-Items wie beispielsweise Arthralgien oder Myalgien mit niedrigerer Punktzahl gegenübergestellt. In Therapiestudien dient die Zahl an Major- und Minor-Items häufig der Definition der Krankheitsschwere und damit als ein wichtiges Einschlusskriterien. Die aktuelle BVAS-Version wertet außerdem, ob eine Manifestation neu ist oder sich verschlechtert hat, oder ob es sich um eine anhaltende Symptomatik handelt [39]. Die Krankheitsausdehnung kann mit dem Disease Extent Index (DEI) beschrieben werden mit Kennzeichnung der betroffenen Organsysteme nach der ELK-Klassifikation, wobei E für die englische Bezeichnung für den HNO-Trakt steht (Ear, Nose, Throat), L für Lunge (Lung), K für Niere (Kidney) und so weiter [40] [41]. Der Vasculitis Damage Index (VDI), schließlich, dient der Erfassung von Vaskulitis-bedingten Organschäden seit der Erstmanifestation der Vaskulitis. Als Schädigung wird hierbei eine länger als 3 Monate andauernde irreversible Veränderung definiert. Der VDI ist ein kumulativer Index mit einem ungewichteten Scoring-System mit 64 Items aus 11 Organsystemen [42].
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Therapie
Die Therapie von Patienten mit einer AAV sollte, wie oben im Abschnitt zur Diagnostik erwähnt, in Zentren mit hinreichender Vaskulitis-Expertise bzw. Zugang zu dieser Expertise und der Möglichkeit einer multidisziplinären Betreuung erfolgen [4]. Therapieziel ist das Erreichen einer klinischen Remission innerhalb von 3 Monaten, definiert als Abwesenheit von Krankheitsaktivität (BVAS V3.0=0), und eine Reduktion der täglichen Glukokortikoid-Dosis auf 5 mg Prednisolonäquivalent innerhalb von 4–5 Monaten unter einer stabilen Glukokortikoid-sparenden immunsuppressiven Therapie. Späte Remissionen, Frührezidive und refraktäre Verläufe gehen mit einer schlechteren Prognose einher [3]. Zur Remissionsinduktion bei Patienten mit einer Erstmanifestation oder einem Rezidiv einer GPA oder MPA mit Organ- und lebensbedrohenden Manifestationen raten die aktualisierten EULAR-Empfehlungen eine Kombination eines Glukokortikoids mit dem B-Zell-depletierenden Anti-CD20 Antikörper Rituximab oder dem zytostatischen Immunsuppressivum Cyclophosphamid an. Bei einem Rezidiv ist Rituximab der Vorzug zu geben ([Tab. 5]) [4]. Ob eine Kombinationstherapie mit Rituximab und Cyclophosphamid bei Patienten mit einer schweren Nierenbeteiligung und/oder anderen schweren Organmanifestationen der alleinigen Therapie mit Rituximab oder Cyclophosphamid überlegen ist, kann aufgrund unterschiedlicher Studiendesigns der hinsichtlich dieser Fragestellung relevanten Studien (RAVE, RITUXVAS, CycLowVas) nicht abschließend beurteilt werden [43] [44] [45]. Während Patienten mit einer schweren Nierenbeteiligung von der RAVE-Studie ausgeschlossen waren, erhielten Patienten mit schwerer Nierenbeteiligung in der RITUXVAS-Studie zusätzlich zur wöchentlichen intravenösen Rituximab-Gabe über 4 Wochen zum ersten und dritten Rituximab-Bolus eine intravenöse Cyclophosphamid-Infusion [43] [45]. In der RAVE-Studie war die Remissionsinduktion mit Rituximab über 4 Wochen einer oralen Cyclophosphamid-Therapie mit anschließender Azathioprin-Gabe bis zum Monat 18 nicht unterlegen [31] [44]. In der RITUXVAS-Studie wurden in beiden Therapiegruppen (intravenöse Rituximab/Cyclophosphamid-Kombination über 4 Wochen versus Cyclophosphamid-Infusion mit anschließender oraler Azathioprin-Gabe) gleiche Remissionsraten erzielt [43]. Die Evidenz für die Wirksamkeit der Rituximab-Therapie für die Therapie von schweren Krankheitsverläufen und Rezidiven einer GPA und MPA bezog sich zum Zulassungszeitpunkt 2013 also auf eine Studie, in der die Effektivität einer Rituximab/Cyclophosphamid-Kombinationstherapie – und nicht die alleinige Gabe von Rituximab oder Cyclophosphamid – bei Patienten mit schwerer aktiver Nierenbeteiligung und einer mittleren glomerulären Filtrationsrate zwischen 10–20 ml/min/1,73m2 im Vergleich zur Standardtherapie mit Cyclophosphamid und Azathioprin gezeigt wurde (RITUXVAS-Studie) [43] [46]. Die CycLowVas-Studie, bei der Patienten mit einer GPA und MPA ebenfalls eine Rituximab/Cyclophosphamid-Kombinationstherapie (zweimalige intravenöse Rituximab-Gabe plus 6-malige niedrig-dosierte Cyclophosphamid Gabe) erhielten, erlaubt aufgrund ihres monozentrischen Designs und dem historischen Vergleich der Ergebnisse mit früheren European Vasculitis Society (EUVAS)-Studien keine endgültigen Schlüsse hinsichtlich der Effektivität der Kombinationstherapie trotz der vergleichsweise niedrigeren Rezidivrate und niedrigerem Risiko für eine terminale Nierenerkrankung in der Nachbeobachtung dieser Studie [45].
EULAR Empfehlungen – 2022 Update |
Organ- oder lebensbedrohliche Erkrankung |
Nicht Organ- oder lebensbedrohliche Erkrankung |
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Empfohlen |
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Zu erwägen |
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Kann erwogen werden |
|
CYC=Cyclophosphamid, PLEX=Plasmaseparation, MMF=Mycophenolat Mofetil, MTX=Methotrexat, RTX=Rituximab.
Auf Grundlage der PEXIVAS-Studie wird nach einer möglichen initialen, hoch-dosierten intravenösen Methylprednisolon-Therapie (bis 1 g täglich für 3 Tage) die Gabe einer Glukokortikoid-Anfangsdosis von 50–75 mg Prednisolonäquivalent täglich empfohlen mit schrittweiser Dosisreduktion auf 5 mg Prednisolonäquivalent täglich nach 4–5 Monaten ([Tab. 5]) [4] [47]. Das reduzierte Glukokortikoid-Dosis Schema führt zu einer 50%-igen Reduktion der kumulativen Glukokortikoid-Dosis in diesem Zeitraum im Vergleich zur bisherigen Glukokortikoid-Standardtherapie bei gleicher therapeutischer Effektivität ([Tab. 6]) [47]. Die RITAZAREM-Studie zeigte eine ähnlich gute Wirksamkeit eines reduzierten Glukokortikoid-Dosis Schemas im Vergleich zur bisherigen Glukokortikoid-Standardtherapie in der Remissionsinduktion mit Rituximab bei einem Rezidiv einer GPA oder MPA [48]. Eine Plasmaseparation kann nach den aktualisierten EULAR Empfehlungen bei einer aktiven Glomerulonephritis ab einem Kreatinin-Wert>300 µmol erwogen werden [4]. In der Therapieleitlinie der amerikanischen Fachgesellschaft und Patientenorganisation (American College of Rheumatology, Vasculitis Foundation, ACR/VF) zur Therapie der AAV aus dem Vorjahr wird ein Routineeinsatz der Plasmaseparation ebenfalls nicht empfohlen [49]. Die bislang größte multizentrische randomisiert-kontrollierte Studie bei Patienten mit einer GPA oder MPA und schwerer Nierenbeteiligung infolge einer aktiven Glomerulonephritis mit einer geschätzten glomerulären Filtrationsrate (eGFR)<50 ml/min/1,73m2 zeigte keinen zusätzlichen Vorteil einer Plasmaseparation gegenüber dem Verzicht auf eine Plasmaseparation in der Remissionsinduktion im Hinblick auf die kombinierten primären Outcome-Parameter terminale Nierenerkrankung oder Tod (PEXIVAS-Studie) [47]. Die Subgruppen-Analyse ergab ebenfalls keinen zusätzlichen Vorteil der Plasmaseparation in Bezug auf verschiedene Altersgruppen, die Schwere der Nierenerkrankung, ANCA-Spezifität (PR3- versus MPO-ANCA), das Remissionsinduktions-Schema (Rituximab versus Cyclophosphamid) und hinsichtlich des Vorliegens einer alveolären Hämorrhagie [47]. In einer großen retrospektiven monozentrischen Studie aus der Mayo-Klinik wurde ebenfalls kein zusätzlicher Nutzen der Plasmaseparation in der Remissionsinduktion für die Outcomes terminale Nierenerkrankung oder Tod und alveoläre Hämorrhagie gezeigt [50]. Demgegenüber deutet eine Metaanalyse von 9 Studien einschließlich der PEXIVAS-Studie auf eine mutmaßliche Reduktion des Risikos für eine terminale Nierenerkrankung durch eine Plasmaseparation innerhalb des ersten Jahres nach Diagnosestellung hin. Die Risikoreduktion betrug bei Patienten mit einem moderaten bis hohen Risiko für eine terminale Nierenerkrankung (Kreatinin-Ausgangswert>300–500 µmol/l) 4,6% und bei Patienten mit einem hohen Risiko (Kreatinin-Ausgangswert>500 µmol/l) 16,0%. Gleichzeitig stieg das Risiko einer Infektion hierdurch in der Gruppe mit moderatem bis hohes Risiko um 8,6% und mit hohem Risiko um 13,5%. Die Mortalität wurde nicht durch eine Plasmaseparation gebessert und das Infektionsrisiko blieb nach dem ersten Jahr weiterhin erhöht, während die Risikoreduktion für eine terminale Nierenerkrankung nach dem ersten Jahr nicht mehr signifikant ausfiel [51]. Die Anzahl der notwendigen Behandlungen (numbers needed to treat, NNT) liegt für die Plasmaseparation in der Gruppe mit moderatem bis hohem Risiko bei 24, in der Gruppe mit hohem Risiko bei 7 [4]. Die Gabe des oralen allosterischen C5aR-Inhibitors Avacopan kann den aktualisierten EULAR Empfehlungen in Kombination mit einer remissionsinduzierenden Rituxmab- oder Cyclophosphamid-Therapie als Teil einer Glukokortikoid-sparenden Therapiestrategie erwogen werden ([Tab. 5]) [4]. In der ADVOCATE-Studie war die Avacopan-Gruppe der mit Prednison in ausschleichender Dosierung behandelten Gruppe in Kombination mit einer remissionsinduzierenden Rituximab- oder Cyclophosphamid-Therapie bei schwerer PR3- und MPO-AAV nach 26 Wochen hinsichtlich des primären Endpunkts Remission nicht unterlegen und zum Zeitpunkt der Woche 52 der Vergleichsgruppe sogar überlegen. Auch in Bezug auf die sekundären Endpunkte Rezidiv-freies Überleben, renale Funktionsbesserung und Lebensqualität war Avacopan der Glukokortikoid-Therapie überlegen. Gleichzeitig traten im Avacopan-Therapiearm weniger Glukokortikoid-assoziierte Nebenwirkungen auf. Einschlusskriterien der ADVOCATE-Studie waren unter anderem eine neu diagnostizierte und rezidivierende PR3- oder MPO-ANCA positive GPA oder MPA mit Vorliegen von mindestens einem Major BVAS-Item oder drei Minor BVAS-Items oder zwei renalen BVAS-Items und einer eGFR>15 ml/min/1,73m2 [52].
Woche |
Standardtherapie |
Reduzierte Dosis |
||||
---|---|---|---|---|---|---|
<50 kg |
50–75 kg |
>75 kg |
<50 kg |
50–75 kg |
>75 kg |
|
Bolus |
Bolus |
Bolus |
Bolus |
Bolus |
Bolus |
|
1 |
50 |
60 |
75 |
50 |
60 |
75 |
2 |
50 |
60 |
75 |
25 |
30 |
40 |
3–4 |
40 |
50 |
60 |
20 |
25 |
30 |
5–6 |
30 |
40 |
50 |
15 |
20 |
25 |
7–8 |
25 |
30 |
40 |
12,5 |
15 |
20 |
9–10 |
20 |
25 |
30 |
10 |
12,5 |
15 |
11–12 |
15 |
20 |
25 |
7,5 |
10 |
12,5 |
13–14 |
12,5 |
15 |
20 |
6 |
7,5 |
10 |
15–16 |
10 |
10 |
15 |
5 |
5 |
7,5 |
17–18 |
10 |
10 |
15 |
5 |
5 |
7,5 |
19–20 |
7,5 |
7,5 |
10 |
5 |
5 |
5 |
21–22 |
7,5 |
7,5 |
7,5 |
5 |
5 |
5 |
23–52 |
5 |
5 |
5 |
5 |
5 |
5 |
>52 |
Weitere Dosisreduktion nach lokaler Praxis- und Klinik-Gepflogenheit |
Bolus=0,5–1 g Methylprednisolon täglich über maximal 3 Tage.
Bei nicht Organ- oder lebensbedrohlicher GPA und MPA wird eine Kombination von Glukokortikoid mit Rituximab zur Remissionsinduktion empfohlen. Als Alternativen zur Rituxmab-Therapie sind Methotrexat oder Mycophenolat Mofetil zu erwägen ([Tab. 5]) [4]. In der RITAZAREM-Studie erwies sich die Rituximab-Therapie zur Remissionsinduktion bei einem AAV-Rezidiv in den verschiedenen Untergruppen mit und ohne Nierenbeteiligung oder HNO-Beteiligung als gleichermaßen effektiv. Auch bestand kein Unterschied zwischen den mit reduzierter Glukokortikoid-Dosis und den mit Standard-Glukokortikoid-Dosis in Kombination mit Rituximab behandelten Patienten in den Untergruppen [48]. In der RAVE-Studie war die Rituximab-Therapie zur Remissionsinduktion bei GPA und MPA im Vergleich zur Cyclophosphamid- und Azathioprin-Therapie in der Untergruppe der Patienten ohne Nierenbeteiligung gleichermaßen effektiv wie in der Untergruppe der Patienten mit leichter bis mittelschwerer Nierenbeteiligung gewesen [31]. Einschränkend ist hinzuzufügen, dass die Aussagekraft der genannten Subgruppenanalysen der RITAZAREM und RAVE Studien aufgrund einer möglicherweise nicht ausreichenden statistischen Teststärke (Power) als begrenzt einzuordnen ist [31] [48]. Im Vergleich zur RAVE- und RITAZAREM-Studie erhielten Patienten in der früheren NORAM-Studie, in der eine remissionsinduzierende MTX-Therapie mit Cylophosphamid bei nicht Organ- oder lebensbedrohlicher GPA und MPA verglichen wurde, eine höhere kumulative Glukokortikoid-Dosis [53]. Zur Remissionserhaltung wird eine Rituximab-Therapie für die Dauer von 24–48 Monaten empfohlen und anschließend gegebenenfalls in individueller Abwägung und Absprache mit dem Patienten fortgeführt. Als Alternativen kommt eine Therapie mit Azathioprin oder Methotrexat in Betracht ([Tab. 7]) [4]. In der MAINRITSAN-1 Studie erwies sich die über 18 Monate fortgeführte Gabe von Rituximab einer Azathioprin-Therapie in der Remissionserhaltung als überlegen [54]. Ein an die periphere B-Zell Zahl und ANCA-Konzentration angepasstes, individualisiertes Rituximab-Schema war im Hinblick auf das Rezidiv-freie Überleben gleich effektiv wie die nach einem festen Rituximab-Schema applizierte B-Zell depletierende Therapie mit Rituximab (MAINRITSAN-2 Studie). Zu beachten ist jedoch, dass das individualisierte Rituximab-Schema eine engmaschige, alle 3 Monate erfolgende Kontrolle der peripheren B-Zell Zahl und ANCA-Konzentration erfordert [55]. Bereits bei einer beginnenden peripheren B-Zell Repletion ab einer Zellzahl von>10/µl steigt das Rezidivrisiko nach einer Rituximab-Therapie, d. h. unterhalb des Normbereichs (90–600/µl), [56]. Eine über 48 Monate fortgeführte Remissionserhaltung mit Rituximab ermöglicht ein längeres Rezidiv-freies Überleben im Vergleich zur Patientengruppe, bei der die remissionserhaltene Therapie nach 18 Monaten beendet wurde (MAINRITSAN-3 Studie) [57].
EULAR Empfehlungen – 2022 Update |
Nach Remissionsinduktion mit RTX oder CYC |
---|---|
Empfohlen |
|
Sollte erwogen werden |
|
Kann erwogen werden |
|
AZA=Azathioprin, CYC=Cyclophosphamid, MTX=Methotrexat, RTX=Rituximab.
In der S1-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) zur Diagnostik und Therapie der AAV werden Empfehlungen gegeben zur Anpassung der Cyclophosphamid-Dosis an die renale Funktionsleistung und das Alter der Patienten, zur Vitamin-D-Substitution bei Glukokortikoid-Gabe, Schutzimpfungen, Erhalt der Fertilität und Familienplanung, Uroprotektion mit 2-Mercaptoethansulfonat-Natrium (Mesna) unter der Cyclophosphamid-Therapie, Pneumocystis jirovecii-Prophylaxe mit Cotrimoxazol bei Cyclophosphamid- und Rituximab-Therapie, sowie zur Erfassung von Risikofaktoren für Infektionen mittels der Bestimmung von Differentialblutbild und Immunglobulinspiegeln. Insbesondere bei erniedrigter Immunglobulin-Konzentration und Neigung zu klinisch relevanten Infektionen sollte eine Immunglobulinsubstitution in Erwägung gezogen werden [58].
Die GPA und MPA stellen aufgrund ihres chronisch-rezidivierenden Verlaufs, der heterogenen klinischen Präsentation mit in der Regel schweren Organ- und lebensbedrohenden Manifestationen und der Vaskulitis- und Therapie-assoziierten Morbidität und Mortalität eine klinische Herausforderung dar. Die aktualisierten EULAR Empfehlungen zum Management und Therapie der AAV geben eine Orientierungshilfe bezüglich der Therapieoptionen und -maßnahmen zur Remissionsinduktion und -erhaltung.
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Interessenkonflikt
SK erhielt Vortragshonorare von: AbbVie, BMS, Galapagos und Pfizer. SA gibt an, dass kein Interessenkonflikt im Hinblick auf diesen Artikel besteht. PL erhielt Forschungsförderungen von: BMBF, DFG, DGRh, Vifor Pharma, Beratungs- und Vortragshonorare von: BMS, GSK, Janssen, Roche, UCB und Vifor Pharma.
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Article published online:
21 November 2022
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Georg Thieme Verlag
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart,
Germany
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