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DOI: 10.1055/a-1979-5781
Axiale Spondyloarthritis – Update 2022 und Stellenwert der stationären Diagnostik und Behandlung für die Patientenversorgung
Die axiale Spondyloarthritis (axSpA) ist eine entzündliche Erkrankung der Wirbelsäule, die durch chronische Rückenschmerzen und langfristig durch Steifigkeit aufgrund von Knochenneubildung im Achsenskelett gekennzeichnet ist. Die Prävalenz der axSpA ist weltweit sehr unterschiedlich, in Deutschland liegt sie zwischen 0,8 und 1,2 %. Die ersten Symptome treten im Durchschnitt im Alter von 24–27 Jahren auf. Die mittlere Diagnoseverzögerung (Zeit von den ersten Symptomen bis zur Diagnose) bei der axSpA wird derzeit in Deutschland auf etwa 6 Jahre geschätzt. Eine verzögerte Diagnose ist mit einer höheren Krankheitsaktivität, einer schlechteren körperlichen Funktionsfähigkeit und einer fortschreitenden strukturellen Schädigung verbunden. Darüber hinaus werden Diagnoseverzögerungen auch mit einer Verschlechterung der Lebensqualität, Depressionen, Erwerbsfähigkeit und höheren Gesundheitskosten in Verbindung gebracht. Das Gelingen einer frühen Diagnose stellt nach wie vor eine große Herausforderung dar, da bei vielen Patienten mechanische Rückenschmerzen fälschlicherweise als ein frühes Zeichen einer axSpA fehlgedeutet oder auch im Allgemeinen Rückenschmerzen in einem jungen Alter nicht mit einer entzündlich-rheumatischen Erkrankung in Verbindung gebracht werden.
Neben den Charakteristika des Rückenschmerzes spielen auch das Vorhandensein extraartikulärer Manifestationen im Rahmen der Diagnoseabklärung eine Rolle. Allerdings weist kein klinisches Zeichen alleine eine ausreichend hohe diagnostische Aussagekraft auf. Im Rahmen der klinischen Erkennung der axSpA spielt jedoch die Kenntnis über den entzündlichen Rückenschmerz (eRS) eine wichtige Rolle. Der eRS wird durch das Auftreten von schleichend einsetzenden Rückenschmerzen, Morgensteifigkeit im unteren Rücken, Besserung der Rückenschmerzen bei Bewegung, keine Besserung oder Verschlechterung bei Ruhe, nächtliches oder frühmorgendliches Erwachen aufgrund von Rückenschmerzen und abwechselnden Gesäßschmerzen definiert. Die Wahrscheinlichkeit („Likelihood-Ratio“) für eRS mit der einer axSpA assoziiert zu sein liegt bei einem Faktor von 3–4. Geht man von einer Hintergrundprävalenz von 5 % für axSpA bei Patienten mit allgemeinen chronischen Rückenschmerzen in der Primärversorgung aus, wird durch das Vorhandensein von eRS die Wahrscheinlichkeit für axSpA um nur 10 % erhöht.
Aus klinischer Sicht können sich Patienten mit beiden axSpA-Formen mit den charakteristischen klinischen Merkmalen wie eRS, aber auch mit peripheren Symptomen wie Enthesitis oder Arthritis sowie extramuskuloskelettale Manifestationen wie anteriorer Uveitis, Psoriasis und chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen präsentieren. Darüber hinaus haben viele Patienten, insbesondere diejenigen, die eine genetische Prädisposition mit einem positiven Genstatus für das humane Leukozyten-Antigen (HLA)-B27 haben, eine positive Familienanamnese für SpA. Zu den Unterschieden zwischen den nr-axSpA- und AS-Formen gehören eine längere Krankheitsdauer, das entsprechende höhere Ausmaß an radiologischen Schäden und eine geringere Beweglichkeit der Wirbelsäule bei r-axSpA-Patienten.
Auf der Grundlage der Klassifizierungskriterien der Assessment of SpondyloArthritis international Society (ASAS) wird die axSpA in eine nichtröntgenologische (nr-axSpA) und eine röntgenologische (r-axSpA, früher als ankylosierende Spondylitis [AS] bezeichnet) Form unterschieden. Die r-axSpA ist die häufigste der beiden axSpA-Formen. Dies mag daran liegen, dass die Diagnose der nr-axSpA im klinischen Umfeld als schwieriger gilt, da moderne bildgebende Verfahren wie die Magnetresonanztomografie (MRT) für die frühzeitige Diagnose der axSpA zwar gut etabliert sind, aber auch unspezifische Läsionen am Achsenskelett miterfassen. Zeichen eines Knochenmarködems sind zwar für die nr-axSpA typisch, treten jedoch auch bei mechanisch und nicht unbedingt entzündlich bedingten Ursachen auf. Für die Erkennung des axSpA-bedingten Knochenmarködems ist die Lokalisierung des Knochenmarködems im zentralen (knorpeligen) Teil des Iliosakralgelenks entscheidend, im Gegensatz zu degenerativen Ursachen und mechanischer Belastung (sog. Knochenstress), bei denen das Knochenmarködem eher im ventralen (enthesealen) Gelenkbereich lokalisiert ist ([ Abb. 1 ]).
Erst seit Kurzem sind die internationalen Behandlungsempfehlungen für die axSpA aktualisiert worden. Eine wichtige Neuerung in dieser Aktualisierung ist die Aufnahme von Interleukin (IL)-17-Inhibitoren und Janus-Kinase (JAK)-Inhibitoren als Stufe der Behandlungseskalation nach Versagen von nichtsteroidalen Antirheumatika, neben den bereits etablierten Tumornekrosefaktor (TNF)-Inhibitoren. Ebenfalls neu ist auch das Hinzufügen des Hinweises, die Diagnose neu zu bewerten und auch das Vorhandensein von Komorbiditäten zu berücksichtigen, falls Patienten unter der Behandlung mit diesen Präparaten keine Remission oder kein gutes Ansprechen auf die Therapie erreichen. Darüber hinaus wurde die Bedeutung der Aufklärung über die Krankheit und der Information über die regelmäßige Durchführung physiotherapeutischer Maßnahmen hervorgehoben. Bereits in der Vergangenheit hatte sich gezeigt, dass solche Maßnahmen einen positiven Einfluss auf die Therapieresultate, einschließlich einer Verbesserung der Krankheitsaktivität, haben. Die Wirkung der Physiotherapie wird als am größten angesehen, wenn sie unter Aufsicht und in Gruppen durchgeführt wird.
Alle diese Maßnahmen sind vor allem im Rahmen einer multimodalen rheumatologischen Komplexbehandlung im stationären Rahmen vor allem bei Erstdiagnose und Auseinandersetzung der Patienten mit ihrer Erkrankung wichtig. Doch diese Art der Patientenaufklärung, Therapieeinleitung und Patientenbegleitung ist zeitaufwendig. Daher kommt den rheumatologischen Spezialkliniken sowie Zentren, die multimodale Komplexbehandlungen anbieten, eine besondere Verantwortung bezüglich der Grundlagen der Krankheitsbewältigung zu. Dabei sind vor allem die Grundlagen für einen langfristig günstigen Krankheitsverlauf aufgrund der komplexen Anamnese und intensiver persönlicher Auseinandersetzung von Seite der Patienten in der akutstationären Versorgung einschließlich einer Aufklärung anhand spezieller radiologischer Diagnostik wichtig. Diese Erkenntnis wurde zuletzt in 2 deutschen Arbeiten verdeutlicht, in denen nicht nur die Krankheitsaktivität, sondern auch die die globale Funktionsfähigkeit und Gesundheit von axSpA-Patienten mit dem international anerkannten ASAS Health Index (ASAS-HI) erfasst wurden [1], [2].
Zusammenfassend lässt sich aus den neuesten Entwicklungen im Bereich der axSpA sagen, dass durch adäquate und inzwischen international anerkannte Strategien zur Erkennung der Symptome und Interpretation von modernen Bildgebungsuntersuchungen eine Verkürzung der Zeit von den ersten Symptomen bis zur Diagnose möglich ist. Das Resultat einer frühen Diagnose und adäquater medikamentöser aber auch nicht medikamentöser Behandlung, wie sie im Rahmen einer stationär durchgeführten rheumatologischen multimodalen Komplextherapie empfohlen wird, kann den weiteren Verlauf nicht nur kurz, sondern auch mittel- und langfristig positiv beeinflussen. Somit werden die klinischen Beschwerden und die globale Funktionsfähigkeit dieser Patienten in einem jungen Alter signifikant verbessert. Das dient als Grundlage für eine Verbesserung der Gesundheit im Allgemeinen aber auch der Leistung im Alltag und Beruf.
Prof. Dr. Xenofon Baraliakos, Rheumazentrum Ruhrgebiet Herne, Ruhr-Universität Bochum
Priv.-Doz. Dr. Uta Kiltz, Rheumazentrum Ruhrgebiet Herne, Ruhr-Universität Bochum
Prof. Dr. Heinz-Jürgen Lakomek, Universitätsklinik für Geriatrie, Johannes Wesling Klinikum, Minden
Verantwortlich für den Inhalt
Prof. Dr. med. Heinz-Jürgen Lakomek
Geschäftsführer, Verband rheumatologischer Akutkliniken e. V. E-Mail: lakomek@vraev.de
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Literatur
- 1 Klemm P. et al Eur J Intern Med. 2021; 93: 42-49
- 2 Kiltz U. et al Z Rheumatol. 2022 Jul 28
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Publication History
Article published online:
09 May 2023
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Literatur
- 1 Klemm P. et al Eur J Intern Med. 2021; 93: 42-49
- 2 Kiltz U. et al Z Rheumatol. 2022 Jul 28