Einleitung
Lange galt die Lunge als sonografisch nicht zugängliches Organ, da es an der Gewebe-Luft-Grenze zur Totalreflexion und Spiegelung der Schallwellen kommt. Seit den 90er Jahren wuchs vor allem in der Erwachsenenmedizin das Wissen über die Nutzbarkeit der Lungenartefakte für die klinische Praxis rasant. Mittlerweile hat die Lungensonografie auch Einzug in die Pädiatrie und den Fachbereich der Neonatologie gefunden und birgt gerade bei dieser Patientengruppe ein großes, noch nicht vollständig erschlossenes Potenzial. Sie ermöglicht als strahlungsfreies bildgebendes Verfahren nicht nur eine Reduktion der kumulativen Strahlenexposition, sondern erweitert relevant die diagnostischen Möglichkeiten. Trotzdem wird die Lungensonografie noch nicht flächendeckend auf neonatologischen Stationen eingesetzt und weitere wissenschaftliche Arbeiten sind dringend notwendig, um die Evidenz zu verbessern. Der folgende Artikel soll die Möglichkeiten und Grenzen der Lungensonografie aufzeigen und die Grundlagen für einen sinnvollen Einsatz in der Neonatologie vermitteln.
Da in den wissenschaftlichen Publikationen zum Lungenultraschall (LU) in der Neonatalperiode vermutlich aus Gründen der Vereinfachung keine Differenzierung zwischen klassischen B-Linien und Kometenschweif-Artefakten erfolgt, werden diese auch hier unter dem Begriff B-Linien zusammengefasst.
Lernziele
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Erfassung der sonografischen Charakteristika von Transitorischer Tachypnoe und Atemnotsyndrom
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Erfassen der Möglichkeiten, aber auch der Grenzen der Lungensonografie bei der Eingrenzung von Differenzialdiagnosen der respiratorischen Insuffizienz
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Erfassung der lungensonografischen Auffälligkeiten bei Lungenunreife und bronchopulmonaler Dysplasie
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Erfassen der sonografischen Merkmale von Atelektasen/Dystelektasen sowie einer Pneumonie
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Verständnis der lungensonografischen Merkmale des Pneumothorax
Transitorische Tachypnoe und Atemnotsyndrom
Transitorische Tachypnoe und Atemnotsyndrom
Pathophysiologisch steht bei der Transitorischen Tachypnoe (TTN) der durch verzögerte Resorption bedingte, erhöhte interstitielle Flüssigkeitsgehalt der Lunge im Vordergrund. Daher manifestiert sich die TTN sonografisch durch vermehrt darstellbare B-Linien. Abhängig von der Krankheitsschwere können gut separierte oder konfluierende B-Linien bis hin zur beidseitigen weißen Lunge nachgewiesen, aber keine relevanten Konsolidierungen dargestellt werden [1]
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[4]
[5]
[6]
[7]. Bei der Erstbeschreibung galt der Nachweis von verdichteten oder konfluierenden B-Linien in den Unterfeldern, bei nur wenigen B-Linien in den Oberfeldern als wichtigstes sonografisches Kriterium für die TTN ([Abb. 1a, ]
[Tab. 1]). Den scharfen Übergang bezeichneten Copetti et al. als „Double-Lung-Point“ ([Abb. 1a]), [8]. Dieser lässt sich aber nach aktueller Studienlage bei weniger als 50 % der Patienten mit klinischer Diagnose einer TTN sowie teilweise erst in der Rekonvaleszenz nachweisen [1].
Abb. 1 Transitorische Tachypnoe und Atemnotsyndrom. a Parasternaler Longitudinalschnitt bei einem Frühgeborenen der 36. SSW mit transitorischer Tachypnoe (TTN) nach primärer Sectio caesarea (FiO2 0,25 unter nicht invasiver Atemunterstützung). Im Ultraschall präsentiert sich das klassische Bild einer TTN mit Double-Lung-Point (Pfeilkopf). In den Oberfeldern stellen sich wenige B-Linien, in den Unterfeldern konfluierenden B-Linien dar. Der scharfe Übergang wird als Double-Lung-Point (Pfeilkopf) bezeichnet. b Paravertebraler Longitudinalschnitt bei einem Frühgeborenen der 27. SSW mit Atemnotsyndrom (FiO2 0,75 unter nicht invasiver Atemunterstützung). Es zeigt sich eine ubiquitär weiße Lunge ohne darstellbare A-Linien. In der subpleuralen Region stellt sich ein echoarmes Band mit echoreichen Luftreflexen dar, welches konsolidiertem Lungengewebe entspricht.
Tab. 1
Übersicht möglicher Differenzialdiagnosen bei respiratorischer Insuffizienz nach sonografischem Leitbefund [1]
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[32]
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[34]
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[36]
[37]
[38]
[39].
Zu beachten ist, dass vor allem bei extrem Frühgeborenen, aber auch bei reiferen Frühgeborenen, häufig Mischbilder auftreten.
Leitbefund: vermehrte B-Linien
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A-Linien/B-Linien
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Pleuralinie
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Konsolidierungen
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Besonderheiten
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Transitorische Tachypnoe
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Vermehrte B-Linien, bis hin zur weißen Lunge bds.
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Überwiegend unauffällig
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Keine relevanten Konsolidierungen, d. h. Ausdehnung < 0,5 cm
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Ggf. Double-Lung-Point
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Atemnotsyndrom
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Bilaterale, homogen verteilte, meist konfluierende B-Linien
Meist bilateral weiße Lunge
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Verdickt, irregulär, grob- oder feinkörnig verändert
Veränderungen reichen häufig über die Region der Pleuralinie hinaus
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Ausdehnung abhängig von der Krankheitsschwere
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Leitbefund abhängig von der Krankheitsschwere
Ggf. sichtbarer Lungenpuls
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„Lungenunreife“
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Vermehrte B-Linien als klassischer Befund bei unreifer Lunge
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Variabel
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Variabel
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Zu erwartender Befund abhängig vom Grad der Lungenunreife (SSW, postnatales Alter) und vom aktuellen Sauerstoffbedarf
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Interstitielles Lungenödem, z. B. durch Überwässerung, PDA, Herzinsuffizienz etc.
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Homogen verteilte, vermehrte, ggf. konfluierende B-Linien
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Eher unauffällig
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Eher keine
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Leitbefund: vermehrte B-Linien und Konsolidierungen
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A-Linien/B-Linien
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Pleuralinie
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Konsolidierungen
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Besonderheiten
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Atemnotsyndrom
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Bilaterale, homogen verteilte, meist konfluierende B-Linien
Meist bilateral weiße Lunge
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Verdickt, irregulär, grob- oder feinkörnig verändert
Veränderungen reichen häufig über die Region der Pleuralinie hinaus
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Ausdehnung abhängig von der Krankheitsschwere
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Leitbefund abhängig von der Krankheitsschwere
Ggf. sichtbarer Lungenpuls
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Bronchopulmonale Dysplasie
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Vermehrt B-Linien häufig ausgehend von Pleurapathologien oder Konsolidierungen
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Irregulär, ggf. grob fragmentiert
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Multiple Mikrokonsolidierungen, häufig in Kombination mit ausgedehnteren Konsolidierungen (Tiefe > 0,5 cm)
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Mit zunehmender Reife werden die sonografischen Auffälligkeiten dezenter
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Interstitielle/atypische Pneumonie
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Vermehrte, diffus verteilte B-Linien
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Irregulär, verdickt,
fragmentiert
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Diffuse Mikrokonsolidierungen
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Mekoniumaspirationssyndrom
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Diffuse, inhomogen verteilte B-Linien
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Irregulär, verdickt,
fragmentiert
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Diffuse Konsolidierungen
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Nebeneinander betroffener und unauffälliger Areale
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Neonatales ARDS
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Diffuse, inhomogen verteilte B-Linien
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Irregulär verdickte,
fragmentierte Pleuralinie
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Diffuse Konsolidierungen, deren Tiefe und Ausdehnung zusammen mit der Krankheitsschwere zunehmen
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Nebeneinander betroffener und unauffälliger Areale
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Leitbefund: Konsolidierung
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A-Linien/B-Linien
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Pleuralinie
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Konsolidierungen
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Besonderheiten
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Atelektase
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Keine A-Linien im Bereich der Atelektase
Ggf. von den Rändern der Atelektase ausgehende B-Linien
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Pleura visceralis direkt darstellbar
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Überwiegend luftfreie Konsolidierung
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Glatte Begrenzung bei Atelektase eines ganzen Lungenlappens
Bei ausgedehnter Atelektase Mittellinienverlagerung zur Seite der Atelektase möglich
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Dystelektase
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Keine A-Linien im Bereich pleuranaher Dystelektasen
Von den Rändern der Dystelektase ausgehende B-Linien
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Im Bereich der Dystelektase fehlend oder fragmentiert
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Konsolidierung mit viel bronchialer und ggf. alveolärer Restluft
Unregelmäßige tiefe Ränder
Dynamisches Aerobronchogramm möglich
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Nur an die Pleura angrenzende Dystelektasen darstellbar
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„Typische“ Pneumonie/Lobärpneumonie
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Keine A-Linien im Bereich pneumonischer Infiltrate
Konsolidierung, umgeben von vermehrten B-Linien
Restliche Lunge variabel
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Im Bereich des pneumonischen Infiltrates fehlend oder fragmentiert
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Unterschiedliche Restluftverteilung
Dynamisches Aerobronchogramm typisch
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Meist unregelmäßige tiefe Ränder
Ggf. Begleiterguss
Abszedierung: inhomogenes, rundliches Areal mit fehlender Perfusion
Nur an die Pleura
angrenzende Prozesse darstellbar
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Lungenembolie
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Von den Rändern der Konsolidierung(en) ausgehende B-Linien
Restliche Lunge variabel
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Im Bereich der Embolie unterbrochen
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Eher Mikrokonsolidierung(en) ohne Restluft
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Fehlende Durchblutung innerhalb der Konsolidierung(en)
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Lungensequester
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Keine A-Linien im Bereich des Sequesters
Restliche Lunge variabel
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Im Bereich des Sequesters unterbrochen
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Luftfreie Konsolidierung
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Begrenzung glattrandig
Binnenstruktur homogen, inhomogen oder zystisch
Aortale Blutversorgung
Nur bei Kontakt zur Pleura darstellbar
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Kongenitale zystisch-adenomatoide Malformation der Lunge (CCAM)
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Ggf. von den Rändern von Konsolidierungen ausgehende B-Linien
Insgesamt variabel
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Variabel
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Konsolidierung als einziges Merkmal möglich
Mikrokonsolidierungen mit davon ausgehenden B-Linien als einziges Merkmal möglich
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Binnenstruktur homogen, inhomogen oder zystisch
Ggf. reduziertes/fehlendes Pleuragleiten
Bei belüfteten Zysten sonografische Erfassung ggf. nicht möglich
Bei großen Malformationen Mittellinienverlagerung zur Gegenseite möglich
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Leitbefund: Fehlendes oder vermindertes Pleuragleiten
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A-Linien/B-Linien
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Pleuralinie
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Konsolidierungen
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Besonderheiten
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Pneumothorax
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Im Bereich des Pneumothorax klare, deutliche A-Linien
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Im Bereich des Pneumothorax glatt, unauffällig
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Im Bereich des Pneumothorax keine
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Kein Pleuragleiten
Bei partiellem Pneumothorax Nachweis des Lungenpunktes
Kein Lungenpuls im M-Mode
Barecode-/Stratosphere-Sign im M-Mode
Ventral deutliche Spiegelung der Rippenknorpel
Bei Spannungspneumothorax ggf. Mittellinienverlagerung zur Gegenseite
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(Massive) Überblähung
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Mehr A-Linien als eigentlich zu erwarten
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Variabel
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Konsolidierungen möglich
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Abhängig vom Schweregrad reduziertes bis fehlendes Pleuragleiten
Sonografische Erfassung aktuell aber nicht sicher möglich
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Fehlintubation,
Tubusobstruktion, Tubusdislokation
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Rasch reduzierte bzw. fehlende A-Linien und zunehmende B-Linien
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Rasch Veränderungen der Pleuralinie
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Zunehmende Konsolidierungen
Bei bullösem Emphysem werden die Minderbelüftungen verzögert sichtbar
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Beidseits fehlendes oder deutlich verringertes Pleuragleiten
Pleuragleiten zur Bestimmung der Tubuslage nur bei fehlender Spontanatmung sicher nutzbar
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Einseitige endobronchiale Intubation
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In nicht belüfteten Arealen rasch reduzierte bzw. fehlende A-Linien und zunehmende B-Linien
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In nicht belüfteten Arealen rasch Veränderungen der Pleuralinie
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Rasche Ausbildung von Konsolidierungen in nicht belüfteten Arealen
Bei bullösem Emphysem werden die Minderbelüftungen verzögert sichtbar
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Fehlendes Pleuragleiten in nicht belüfteten Arealen
Regelrechtes Pleuragleiten in belüfteten Arealen
Pleuragleiten zur Bestimmung der Tubuslage nur bei fehlender Spontanatmung sicher nutzbar
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Bullae
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Variabel
Ggf. gut darstellbare A-Linien im Bereich pleuranaher Bullae
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Variabel
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Begleitende Mikrokonsolidierungen möglich (insbesondere bei begleitendem interstitiellem Emphysem)
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Bei großen, pleuranahen Bullae reduziertes/fehlendes Pleuragleiten in diesem Bereich möglich
Sonografische Erfassung aktuell aber nicht sicher möglich
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Vermehrte B-Linien sind in der Lungensonografie klassischerweise durch den Nachweis von mehr als 2 B-Linien pro Interkostalraum im Längsschnitt definiert. In der Neonatologie wird diese Definition um das Auftreten von 2 oder mehr nebeneinanderliegenden Interkostalräumen mit konfluierenden B-Linien in jedem untersuchten Lungenareal ergänzt [6]. Da im Rahmen der postnatalen Adaptation auch lungengesunde Früh- und Neugeborene vermehrt B-Linien aufweisen, hat der Nachweis vermehrter B-Linien in den ersten Lebenstagen nur bei gleichzeitiger pulmonaler Symptomatik eine klinische Relevanz [9].
Beim Atemnotsyndrom (ANS) führt die mangelhafte Produktion des oberflächenaktiven Surfactantproteins zu einer unzureichenden Herabsetzung der Oberflächenspannung mit Alveolarkollaps und zur Ausbildung von Atelektasen. Zudem führen Hypoxie und unphysiologisch hohe Eröffnungsdrücke zu Läsionen der Alveolarepithelien und zum Übertritt eines fibrinösen Exsudates in die Alveolen, mit Bildung hyaliner Membranen [10]
[11]. Das Krankheitsbild wird also nicht nur durch einen erhöhten interstitiellen Flüssigkeitsgehalt, sondern auch durch Minderbelüftungen und entzündliche Reaktionen der unreifen Lunge geprägt. Sonografisch ist das ANS deshalb durch bilaterale, homogen verteilte, konfluierende B-Linien, eine verdickte, irregulär grob oder feinkörnig veränderte Pleuralinie und Konsolidierungen charakterisiert ([Abb. 1b, ]
[Video 1], [Tab. 1]). Bei höhergradigem ANS zeigt sich zudem im bewegten Bild ein sichtbarer Lungenpuls ([Video 1]), [1]
[4]
[5]
[6]
[7]
[12]. Die wichtigsten Merkmale des ANS in Abgrenzung zur TTN stellen der Nachweis von Konsolidierungen sowie das Fehlen unauffälliger Areale dar ([Abb. 1b, ]
[Video 1], [2a]). Mit zunehmender Schwere des ANS nehmen die Konsolidierungen an Ausdehnung und Tiefe zu [2].
Video 1 Atemnotsyndrom. Longitudinalschnitt von dorsal bei einem Vierlingsfrühgeborenen der 27. SSW mit Atemnotsyndrom (FiO2 0,40 unter invasiver Beatmung). Sonografisch zeigt sich eine weiße Lunge mit grobkörniger, irregulärer Pleuralinie. Diese Veränderungen reichen bis etwa 0,3–0,4 cm in die Tiefe und entsprechen minderbelüftetem Lungengewebe. Im bewegten Bild ist zudem ein sichtbarer Lungenpuls zu erkennen.
Video 2 Persistierende pulmonalarterielle Hypertonie (PPHN). a Ventraler Longitudinalschnitt bei einem Frühgeborenen der 34 + 0 SSW in der 5. Lebensstunde bei einem Sauerstoffbedarf von 90 % unter nicht invasiver Atemunterstützung. Es zeigen sich gut darstellbare A-Linien bei regulärem Pleuragleiten. Zudem sind einzelne, überwiegend separierte, basal minimal konfluierende B-Linien zu erkennen, welche sich synchron zum Pleuragleiten bewegen. Dieser altersentsprechende lungensonografische Befund macht bei einem Sauerstoffbedarf von 90 % eine primär pulmonal bedingte Oxygenierungsstörung unwahrscheinlich. Echokardiografisch konnte der Verdacht auf eine PPHN bestätigt werden. Bei zunehmender Oxygenierungsstörung wurden zeitnah eine endotracheale Intubation und maschinelle Beatmung erforderlich. b Kontrollsonografie am 7. Lebenstag bei einem Sauerstoffbedarf von 50 %, bei weiterhin bestehender PPHN unter invasiver Beatmung. Es zeigen sich dicht gedrängte, homogen verteilte B-Linien bei kaum darstellbaren A-Linien. Zudem sind einzelne auf die subpleurale Region begrenzte Mikrokonsolidierungen erkennbar. Die Befundverschlechterung lässt sich am ehesten durch die mehrtägige invasive Beatmung bei bestehender Lungenunreife erklären. Einen weiteren Faktor könnte ein persistierender Ductus arteriosus mit Kreuzshunt und Lungenüberflutung darstellen.
Eine Differenzierung der beiden Krankheitsbilder gelingt in der klinischen Praxis nicht immer eindeutig. Vor allem bei reiferen Frühgeborenen treten Mischbilder auf. Eine schwere, persistierende TTN kann zudem eine sekundäre Surfactant-Inaktivierung mit Alveolarkollaps und Ausbildung von Konsolidierungen bewirken, sodass eine Differenzierung zwischen TTN und mildem ANS auch klinisch nicht immer mit ausreichender Sicherheit gelingt [2]
[13]
[14]. Unter Berücksichtigung der sonografischen Aspekte von TTN und ANS entwickelten verschiedene Arbeitsgruppen semiquantitative Lungenultraschall-Scores (LUS) zur Objektivierung des visuellen Eindruckes ([Abb. 2]) [2]
[12]
[15]
[16]
[17]
[18]. Scoring-Systeme ermöglichen eine bessere Vergleichbarkeit lungensonografischer Befunde, machen die Interpretation unabhängiger von der Erfahrung des Untersuchers und ermöglichen so die Integration des LU in klinische Algorithmen. Aktuelle Studien belegen eine enge Korrelation zwischen sonografischem Lungenbefund, der Schwere neonataler Lungenerkrankungen und Parametern der Oxygenierung. LUS zeigen deshalb einen hohen Vorhersagewert für das Versagen einer nicht invasiven Atemunterstützung sowie eine spätere Surfactant-Applikation [2]
[12]
[15]
[17]
[18]
[19]
[20].
Abb. 2 Semiquantitativer Lungenultraschall-Score (LUS) nach Brat et al. In Rückenlage erfolgt für jedes Lungenareal (insgesamt 6 Lungenareale bei 3 Arealen je Seite: vorne oben, vorne unten, lateral) die Bewertung nach einem Punktesystem (0–3 Punkte je Areal). Die einzelnen Punkte werden zu einer Gesamtpunktzahl addiert. a Score 0: Unauffälliges Areal mit gut darstellbaren A-Linien. b Score 1: Areal mit durchschnittlich mehr als 2 gut abgrenzbaren B-Linien pro Interkostalraum. Dies gilt auch für inhomogene Lungenareale, welche sowohl Regionen mit konfluierenden B-Linien als auch unauffällige Abschnitte aufweisen. Bei sehr kleinen Frühgeborenen mit einem geringen Durchmesser der Interkostalräume muss der Gesamteindruck berücksichtigt werden. c Score 2: Areal mit konfluierenden B-Linien, mit oder ohne Mikrokonsolidierungen. d Score 3: Areal mit ausgedehnten Konsolidierungen mit einer Tiefe > 0,5 cm.
Der in den meisten Studien verwendete Score wurde 2015 von Brat et al publiziert ([Abb. 2]). Durch Implementierung dieses Scores in die Stationsrichtlinien zur Surfactant-Therapie konnte bei einem Cut-Off-Wert > 8 in nachfolgenden Interventionsstudien eine deutlich frühere Surfactant-Gabe bei niedrigerer inspiratorischer Sauerstoffzufuhr ohne Steigerung der Anwendungsrate erreicht werden [16]
[21]. Der Score nach Brat et al wurde in vielen Studien von verschiedenen Arbeitsgruppen abgewandelt angewendet. Die Modifikationen betreffen dabei sowohl die untersuchten Lungenareale als auch die Definitionen der einzelnen Punktwerte, was eine Berechnung von Cut-Off-Werten in Metaanalysen erschwert. Trotz abweichender Scoring-Systeme konnte übereinstimmend eine gleichgerichtete Korrelation zwischen dem Gesamtscore und der für eine ausreichende Oxygenierung notwendigen inspiratorischen Sauerstoffzufuhr nachgewiesen werden. Mit steigender Punktzahl verschlechtert sich also die Gasaustauschkapazität der Lunge, woraus sich ein direkter Zusammenhang zwischen sonografischem Befund und der Schwere einer Lungenschädigung ableiten lässt. Lungensonografische Scoring-Systeme stellen die Zukunft sonografisch gesteuerter, individualisierter Therapieregimes dar – eine weitere Vereinheitlichung und Anpassung an unterschiedliche Reifegrade wäre allerdings für einen flächendeckenden Einsatz wünschenswert.
Die Korrelation zwischen der Höhe eines pulmonal bedingten Sauerstoffbedarfs und dem sonografischen Befund hilft zudem, bei persistierend hoher postnataler Sauerstoffzufuhr eine überwiegend pulmonale von einer extrapulmonalen Ätiologie zu differenzieren. Stimmen Sauerstoffbedarf und sonografischer Befund nicht überein, müssen andere, auch extrapulmonale Ursachen, wie z. B. eine persistierende pulmonalarterielle Hypertonie ([Video 2a]), ein Vitium cordis und natürlich ein Pneumothorax ([Video 3]) sowie eine Überblähung in die differenzialdiagnostischen Überlegungen einbezogen werden.
Video 3 Pneumothorax. Ventraler Longitudinalschnitt bei einem Frühgeborenen der 30 + 4 SSW mit einem Sauerstoffbedarf von 60 % unter nicht invasiver Atemunterstützung. Im bewegten Bild zeigen sich gut darstellbare A-Linien bei fehlender Darstellung des Pleuragleitens. Bei genauer Betrachtung entsprechen die Bewegungen unterhalb der Gewebe-Luft-Grenze lediglich Spiegelungen der Bewegungen der Thoraxwandstrukturen oberhalb der Gewebe-Luft-Grenze. Es lassen sich keine B-Linien darstellen.
Bronchopulmonale Dysplasie
Bronchopulmonale Dysplasie
Über die weitere Entwicklung lungensonografischer Pathologien Frühgeborener ist weit weniger bekannt als über die frühe postnatale Phase. Erst seit 2021 steigt die Zahl der Publikationen zu diesem Thema merklich an.
Im weiteren Verlauf bestimmen zunehmend multifaktorielle Einflussgrößen – wie der Zeitpunkt einer suffizienten Surfactant-Synthese, der Flüssigkeitsstatus, ein persistierender Ductus arteriosus sowie pulmonale Entzündungsreaktionen durch Sauerstoffexposition, maschinelle Beatmung oder Sepsis – den sonografischen Lungenbefund ([Video 2b]). Der gleichgerichtete Zusammenhang zwischen respiratorischer Insuffizienz und LUS setzt sich kontinuierlich fort, sodass stets eine Korrelation zwischen dem sonografischen Lungenstatus und einer bestehenden Oxygenierungsstörung besteht ([Abb. 3], [4], [5]) [22]
[23]. Der lungensonografische Befund zeigt neben der unabhängig vom Gestationsalter bestehenden Korrelation mit Parametern der Oxygenierung stets auch eine Abhängigkeit vom Grad der Lungenunreife, welche vom Gestationsalter bei Geburt und dem postnatalen Lebensalter bestimmt wird [22]
[23]. Typischerweise verschlechtert sich der LUS innerhalb der ersten Lebenswoche ([Abb. 3], [4], [Video 2b]), um sich anschließend fortwährend zu verbessern. Bei Frühgeborenen mit sich entwickelnder bronchopulmonaler Dysplasie (BPD) persistieren hingegen parallel zum Sauerstoffbedarf auch die pathologischen Phänomene im LU ([Abb. 5], [6]). Veränderungen der Pleuralinie mit diffusen Mikrokonsolidierungen und davon ausgehenden vertikalen Reverberationsartefakten sowie Konsolidierungen treten dabei in den Vordergrund ([Abb. 4], [5], [6]). Ausgedehnte Konsolidierungen sind dabei typischerweise in den dorsalen Lungenfeldern lokalisiert ([Abb. 4]), sodass diese im weiteren Verlauf in die sonografische Beurteilung mit einbezogen werden sollten. Mit zunehmender Reife und sinkendem Sauerstoffbedarf zeigt sich zwar auch bei Patienten mit bronchopulmonaler Dysplasie eine Verbesserung des lungensonografischen Befundes ([Abb. 5]), bei Frühgeborenen mit moderater und schwerer BPD persistieren die pathologischen Veränderungen aber über 36 + 0 SSW hinaus ([Abb. 6, ]
[Tab. 1]), [23]
[24]
[25]
[26]
[27]
[28]. Der LU stellt deshalb für die sich entwickelnde oder manifeste BPD ein vielversprechendes, zusätzliches, bettseitiges, bildgebendes Verfahren zur Überwachung der pulmonalen Situation und einen möglichen Parameter zur Therapiesteuerung dar.
Abb. 3 Typische Lungenultraschallbefunde bei extrem Frühgeborenen mit Oxygenierungsstörung in den ersten Lebenstagen. a+b Parasternaler Longitudinalschnitt bds. bei einem Drillingsfrühgeborenen (2. Drilling, GG 375 g) von 22 + 6 SSW am 3. Lebenstag (FiO2 0,28–0,30 unter invasiver Beatmung, Surfactantgabe unmittelbar postnatal). a Rechts ventral zeigt sich eine überwiegend intakte Pleuralinie. Es präsentieren sich Areale mit einzelnen, gut separierten B-Linien mit noch vereinzelt darstellbaren A-Linien, neben Arealen mit konfluierenden B-Linien ohne darstellbare A-Linien. b Links ventral stellen sich bandförmige, auf die subpleurale Region begrenzte Konsolidierungen dar, welche das Bild einer irregulär fragmentierten Pleuralinie hervorrufen. Die unregelmäßigen, tiefen Ränder der Minderbelüftungen sind Ausgangspunkte vertikaler, konfluierender Wiederholungsechos. Auch retrokardial sind Mikrokonsolidierungen erkennbar. Der sonografische Befund legt eine bessere Belüftung der rechten als der linken ventralen Lunge nahe. Nebenbefundlich zeigt sich ein kleiner, nicht relevanter Perikarderguss. c+d Parasternaler Longitudinalschnitt rechts sowie Longitudinalschnitt auf Höhe der vorderen Axillarlinie links bei einem Drillingsfrühgeborenen (3. Drilling, GG 330 g, Surfactantgabe unmittelbar postnatal) von 22 + 6 SSW am 3. Lebenstag (FiO2 0,30–0,32 unter invasiver Beatmung). In beiden Schnittebenen zeigen sich konfluierende B-Linien ohne darstellbare A-Linien. Der lungensonografische Befund passt zu der extremen Lungenunreife mit milder bis moderater Oxygenierungsstörung.
Abb. 4 Verschlechterung des lungensonografischen Befundes bei steigendem Sauerstoffbedarf. Folgeuntersuchung (der gleichen Patienten wie in [Abb. 3a, b]) am 8. Lebenstag, bei respiratorischer Verschlechterung im Rahmen einer fokalen intestinalen Perforation (FiO2 0,60 unter invasiver Beatmung). Ventral rechts zeigen sich einzelne Mikrokonsolidierungen sowie überwiegend konfluierende B-Linien bei kaum darstellbaren A-Linien (a). Ventral links zeigt sich das Bild einer sonografisch weißen Lunge mit bandförmiger Minderbelüftung der subpleuralen Region und retrokardialen Mikrokonsolidierungen (b). Der Hauptbefund findet sich allerdings beidseits dorsolateral mit neu aufgetretenen, tieferen Konsolidierungen mit positivem Aerobronchogramm (c).
Abb. 5 Typische sonografische Befunde im weiteren stationären Verlauf bei einem extrem Frühgeborenen mit anhaltender Oxygenierungsstörung. a+b Sonografische Untersuchung eines Frühgeborenen der 23 + 3 SSW (GG 410 g) im Alter von 8 Wochen, bei respiratorischer Globalinsuffizienz (FiO2 0,95–1,0 unter invasiver Beatmung). Es stellen sich ubiquitär ausgedehnte Konsolidierungen (Atelektasen/Dystelektasen) sowie vermehrte B-Linien dar. Hier abgebildet sind ein ventraler Querschnitt im Bereich des rechten Oberlappens (a) sowie ein rechtsseitiger, paravertebraler Longitudinalschnitt (b). Die Konsolidierungen reichen bis in tiefe Regionen der Lunge (Tiefe > 1 cm), umfassen mehrere Interkostalräume und zeigen nur in den tiefen Arealen etwas hyperechogene Restluft. Die tiefen Ränder stellen sich irregulär dar und sind Ausgangspunkte vertikaler Artefakte. c+d Kontrolluntersuchung nach 12 Tagen bei gebesserter respiratorischer Situation (FiO2 0,35 unter CPAP-Atemunterstützung). Es sind keine größeren Minderbelüftungen mehr darstellbar. Allerdings zeigen sich ubiquitär kleine, auf die subpleurale Region beschränkte Mikrokonsolidierungen (Minderbelüftungen), welche vor allem ventral das Bild einer grob fragmentierten, irregulären Pleuralinie hervorrufen. Die Minderbelüftungen sind Ausgangspunkte überwiegend gut separierter B-Linien. In Arealen mit nur wenigen vertikalen Artefakten sind reguläre A-Linien darstellbar. Dieser Befund persistierte bei schwerer BPD parallel zum Sauerstoffbedarf über die 36 + 0 SSW hinaus.
Abb. 6 Schwere bronchopulmonale Dysplasie. Sonografische Untersuchung der Lunge bei einem Zwillingsfrühgeborenen der 24 + 6 SSW (GG 700 g) mit schwerer bronchopulmonaler Dysplasie bei 36 + 0 SSW (FiO2 0,42 unter High-flow). a+b Ventral stellen sich multiple, kleine, pleuranahe Minderbelüftungen dar, welche das Bild einer grob fragmentierten, irregulären Pleuralinie bedingen. Von diesen Minderbelüftungen gehen vertikale Artefakte aus, in freien Arealen sind A-Linien darstellbar. c+d Dorsal stellen sich beidseits Minderbelüftungen dar, welche teilweise > 0,5 cm in die Tiefe und über mehrere Interkostalräume reichen. Von den Minderbelüftungen gehen vertikale Artefakte aus, in freien Arealen sind A-Linien darstellbar.
Einige Arbeiten belegen zudem einen Vorhersagewert sonografischer Scoring-Systeme für die Entwicklung einer moderaten oder schweren BPD bereits zwischen dem 7. und 14. Lebenstag [23]
[24]
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[26]
[27]
[28]. Ob die Lungensonografie dabei klinischen Scoring-Systemen überlegen ist und welche Bedeutung lungensonografische Pathologien für die pulmonale Langzeitprognose haben, sollte Gegenstand zukünftiger Studien sein.
Atelektasen und Dystelektasen
Atelektasen und Dystelektasen
Bei den Lungenkonsolidierungen im Rahmen einer sich entwickelnden oder manifesten BPD handelt es sich teilweise um Atelektasen (nicht belüftete Lungenareale) und teilweise um Dystelektasen (minderbelüftete Lungenareale) ([Abb. 3b], [4], [5], [6], [7]). Diese können auch im Rahmen anderer Erkrankungen und vor allem bei invasiv beatmeten Patienten mit respiratorischer Insuffizienz nachgewiesen werden. Dabei können sonografisch bereits kleinste, pleuranahe Mikroatelektasen durch unzureichende Atmung oder unzureichendes Beatmungsvolumen mit hoher Sensitivität detektiert und die enthaltene Restluftverteilung genau beurteilt werden ([Abb. 3b], [4], [Video 4], [Tab. 1]), [29]. Mithilfe des LU kann eine Lagerungsbehandlung deshalb besser gesteuert werden als mittels konventionellem a. p.-Röntgenbild. Zudem können mit dem Ultraschall Minderbelüftungen seriell und strahlungsfrei kontrolliert werden ([Abb. 7], [Video 4]).
Abb. 7 Atelektase. Dorsale Atelektase bei einem Zwillingsfrühgeborenen der 23 + 4 SSW (GG 490 g) im Alter von 4 Wochen, bei respiratorischer Globalinsuffizienz (FiO2 0,85 unter invasiver HFO- Beatmung). In Rückenlage (nach Umlagerung) stellen sich dorsal beidseits ausgedehnte Minderbelüftungen, umgeben von konfluierenden B-Linien dar. Im Longitudinalschnitt zeigt sich rechts eine Längsausdehnung der Konsolidierung von Lungenspitze bis Lungenbasis bei einer Tiefe > 1 cm (a). Im Querschnitt stellt sich der Hauptbefund unmittelbar paravertebral dar (b). In beiden Ebenen sind nur wenige, hyperechogene Luftreflexe darstellbar. Durch Rückenlage und Rekrutierungsmanöver war im Tagesverlauf eine Reduktion der Sauerstoffzufuhr bis minimal 40 % möglich. Das Frühgeborene konnte im weiteren Verlauf bei nur milder BPD ohne zusätzlichen Sauerstoffbedarf nach Hause entlassen werden.
Video 4 Verbesserung der Lungenbelüftung durch Rekrutierungsmanöver. Fortsetzung der Untersuchung von [Abb. 6]. a Clip nach 10–15-minütiger Bauchlage (FiO2 0,80 unter invasiver HFO-Beatmung). Als Hinweis auf freie zuführende Atemwege und eine beginnende Belüftungsverbesserung zeigt sich sonografisch bereits etwas mehr Restluft im Oberfeld. b Nach 2-minütiger Erhöhung des MAP um 2 mmHg stellt sich sonografisch eine zunehmende Wiederbelüftung der atelektatischen Bereiche dar. In den mittleren Abschnitten ist in 3 Interkostalräumen eine Pleuralinie mit davon ausgehenden B-Linien und wieder erkennbaren A-Linien darstellbar. Ob es in diesen Arealen bereits zu einer lokalen Überblähung gekommen ist, kann allein sonografisch nicht beurteilt werden. In den noch minderbelüfteten Abschnitten sind innerhalb der Konsolidierungen mehr Luftreflexe zu erkennen. Synchron zur sonografischen Befundverbesserung konnte der Sauerstoffbedarf von 80 % auf 60 %, und im weiteren Tagesverlauf auf 40 % reduziert werden.
In der Erwachsenenmedizin wird der LU deshalb auch zur Beatmungsoptimierung und Peep-Steuerung eingesetzt [30]. Nach eigenen Erfahrungen zeigen sich auch in der Neonatologie nach Beatmungsoptimierung mit rückläufigem Sauerstoffbedarf Verbesserungen des sonografischen Befundes ([Abb. 7], [Video 4]). Wird der LU als Hilfsmittel zur Beatmungsoptimierung genutzt, sollte dem Anwender allerdings bewusst sein, dass zwar pleuranahe Minderbelüftungen sehr sensitiv detektiert und kontrolliert werden können, eine Lungenüberblähung sonografisch aber nicht sicher erfasst werden kann. Zudem sprechen nicht alle Minderbelüftungen auf Rekrutierungsmanöver an. Da bei neonatologischen Patienten mit chronischen Lungenschäden eine inhomogene Lunge mit einem Nebeneinander von überblähten und minderbelüfteten Arealen typisch ist, muss dies beim Einsatz des LU zur Peep- oder Beatmungssteuerung stets berücksichtigt werden, um eine zusätzliche Verschlechterung lokaler Überblähungen zu vermeiden.
Pneumonie
Auch eine Pneumonie mit entzündlichem Infiltrat stellt sich sonografisch als Konsolidierung, umgeben von vermehrten B-Linien dar ([Abb. 8], [Tab. 1]). Bei Lungengesunden mit erhöhten Entzündungszeichen, typischer Klinik und sonografisch nachweisbarer ausgedehnter Konsolidierung kann die Verdachtsdiagnose einer Pneumonie allein sonografisch bestätigt werden ([Abb. 8]), [31]. Sonografische Kriterien zur Differenzierung zwischen Pneumonie und Atelektase sind in der Neonatologie nicht mit ausreichender Spezifität anwendbar ([Abb. 8], [Video 5]). Einige Autoren sehen beispielsweise fehlende Restluft im Bronchialsystem als Kennzeichen für eine Atelektase und ein dynamisches Aerobronchogramm als Kriterium für ein pneumonisches Infiltrat ([Abb. 8], [Video 5]). Die Minderbelüftungen bei sauerstoffpflichtigen Frühgeborenen zeichnen sich aber typischerweise durch mehr oder weniger ausgeprägte bronchiale und alveoläre Restluft aus, dystelektatische Konsolidierungen überwiegen gegenüber Atelektasen ([Video 5b]). Wie [Video 5b] demonstriert, kann in dystelektatischen Regionen gelegentlich auch ohne entzündliche Genese ein dynamisches Aerobronchogramm dokumentiert werden. Bei einer neonatalen Pneumonie kommt es zudem rasch zu einer begleitenden Sekretobstruktion, sodass ein dynamisches Aerobronchogramm hier nicht zwangsläufig zu beobachten ist ([Abb. 9]). Eine Pneumonie kann also allein sonografisch nicht ausreichend sicher von einer für Frühgeborene mit Sauerstoffbedarf typischen Dystelektase differenziert werden. Hier ist die richtige Interpretation nur in Zusammenschau mit dem klinischen Bild sowie dem Verlauf möglich. Pneumonien können im Verlauf aber sehr gut sonografisch kontrolliert und mögliche Komplikationen wie eitrige Ergüsse oder eine Abszedierung frühzeitig erkannt werden [32]
[33].
Abb. 8 Pneumonie. 3 Monate altes ehemaliges Frühgeborenes der 27. SSW mit Dyspnoe, neu aufgetretenem Sauerstoffbedarf und erhöhten Entzündungsparametern. a Im dorsalen Längsschnitt zeigen sich links inhomogen verteilte B-Linien, welche von den Rändern einer kleinen Konsolidierung (entzündliche Minderbelüftung) ausgehen (Pfeil). Die restliche Lunge zeigt eine reguläre Pleuralinie und gut darstellbare A-Linien. b Im Längsschnitt stellt sich im rechten dorsalen Oberlappen eine große, echoarme Minderbelüftung (pneumonisches Infiltrat) mit bäumchenartiger, hyperechogener Restluft im Bronchialsystem (Pfeile) dar. Zusammen mit der Klinik kann die Diagnose einer Pneumonie gestellt werden.
Video 5 Pneumonie und Dystelektase mit dynamischem Aerobronchogramm. a Fortsetzung der Untersuchung von [Abb. 7]. Bei genauer Betrachtung sind im Video atemsynchrone Bewegungen der Luftreflexe innerhalb der Konsolidierung (pneumonisches Infiltrat) darstellbar. b Frühgeborenes der 22 + 6 SSW mit respiratorischer Verschlechterung im Rahmen einer intestinalen Perforation bei Strangulationsileus (FiO2 0,60 unter invasiver Beatmung). Im lateralen Querschnitt stellt sich eine dorsale, echoarme Minderbelüftung (Dystelektase) mit dynamischem Aerobronchogramm dar. In verschiedenen Bereichen der kleinen Atemwege sind atemsynchrone Bewegungen der Luftreflexe zu erkennen.
Abb. 9 Pneumonie. Frühgeborenes der 24 + 1 SSW mit respiratorischer Verschlechterung am 35. Lebenstag, mit der Notwendigkeit zur sekundären Intubation, zähem Trachealsekret und CRP-Erhöhung auf 6 mg/dl (FiO2 0,80 unter invasiver Beatmung). Im dorsalen Längs- sowie Querschnitt stellt sich eine ausgedehnte Lungenkonsolidierung mit wenig intrabronchialer Restluft dar. Das Lungengewebe zeigt eine leberähnliche Echotextur (Hepatisation) bei inhomogener Echogenität. Zusammen mit der Klinik wurde der Befund als Pneumonie gewertet.
Pneumothorax
Bei respiratorischer Insuffizienz im Früh- und Neugeborenenalter stellt der Pneumothorax (PTX) immer eine wichtige Differenzialdiagnose dar, weshalb dieser vor allem bei akuter respiratorischer Verschlechterung stets als Ursache ausgeschlossen werden muss. Der LU ermöglicht auch im Notfall eine schnelle Diagnosestellung unmittelbar am Patientenbett und zeigt sich in Studien in Sensitivität und Spezifität der radiologischen Standarddiagnostik durch bessere Detektion kleiner Luftmengen (ventraler Pneumothorax) überlegen [34]
[35]. Dabei erlaubt der LU die Detektion minimaler intrapleuraler Luftmengen und sollte wegen seiner diversen Vorteile die Röntgen-Thorax-Aufnahme als Goldstandard der PTX-Diagnostik in der Neonatologie ersetzen.
Ein PTX entsteht durch Eindringen von Luft in den Pleuraspalt. Führt der PTX zu einem Totalkollaps der Lunge, berühren sich die beiden Pleurablätter nicht mehr. Bei partiellem PTX sammelt sich die Luft lageabhängig am höchsten Punkt der Pleurahöhle. Je nach Ausdehnung des PTX liegen Pleura visceralis und Pleura parietalis noch in mehr oder weniger großen Arealen aneinander ([Video 6], [7]). Die freie Luft unterhalb der Pleura parietalis führt sonografisch ebenfalls zur Darstellung einer zarten, hyperechogenen Linie an der Gewebe-Luft-Grenze mit multiplen horizontalen Reverberationsartefakten ([Abb. 10], [Video 3], [6], [7]). Andere für die Lunge typische Ultraschallartefakte können dagegen nicht detektiert werden ([Abb. 10], [Video 3], [6], [7]). Der PTX ist somit sonografisch durch fehlendes Pleuragleiten, fehlende Darstellung von B-Linien und Konsolidierungen, die Darstellung des sog. Lungenpunktes, an dem sich Pleura visceralis und Pleura parietalis voneinander trennen, und die fehlende Darstellbarkeit des Lungenpulses im M-Mode gekennzeichnet ([Abb. 10], [11], [Video 1], [6]–[8], [Tab. 1]), [6]
[34].
Video 6 Pneumothorax. Dorsaler Längsschnitt bei einem Frühgeborenen der 27 + 1 SSW (FiO2 0,30 unter binasalem CPAP). Im Bereich der beiden kranialen Interkostalräume lässt sich kein reguläres Pleuragleiten darstellen. Im untersten Interkostalraum hingegen ist angrenzend an die Leber eine regelrechte atemsynchrone Verschiebung der Pleuralinie gegen die Strukturen der Thoraxwand nachweisbar. In diesem Bereich kann bei genauer Betrachtung der Gewebe-Luft-Grenze der Lungenpunkt erkannt und die Diagnose eines partiellen Pneumothorax gestellt werden.
Video 7 Stufendiagnostik zur Beurteilung der Ausdehnung eines Pneumothorax. a Längsschnitt auf Höhe der vorderen Axillarlinie links bei einem extrem Frühgeborenen mit einem Sauerstoffbedarf von 50 % am 2. Lebenstag und sonografischem Verdacht auf einen Pneumothorax (gleicher Patient wie in [Abb. 3c, d]). Es sind weder ein reguläres Pleuragleiten noch B-Linien oder Konsolidierungen nachweisbar. b Der Längsschnitt im Bereich der hinteren Axillarlinie links zeigt eine minderbelüftete Lunge mit bandförmigen, auf die subpleurale Region beschränkten Minderbelüftungen, davon ausgehenden konfluierenden vertikalen Reverberationsartefakten und einem sichtbaren Lungenpuls. c Im lateralen Querschnitt kann der Lungenpunkt zwischen mittlerer und hinterer Axillarlinie abgebildet werden. Es handelt sich also um einen partiellen Pneumothorax mit Trennung der beiden Pleurablätter im Bereich zwischen mittlerer und hinterer Axillarlinie. Bei weiter steigendem Sauerstoffbedarf war zeitnah eine Drainageanlage erforderlich.
Abb. 10 Pneumothorax links. Pneumothorax bei einem Frühgeborenen der 24. SSW (FiO2 0,35 unter invasiver Beatmung). Lateraler interkostaler Querschnitt links. Ventral Darstellung multipler Reverberationsartefakte, dem Pneumothorax entsprechend. Laterodorsal zeigen sich hingegen flächige Mikrokonsolidierungen und davon ausgehende B-Linien. Der Lungenpunkt (Pfeil) befindet sich auf Höhe der mittleren Axillarlinie.
Abb. 11 Pneumothorax im M-Mode. Gegenüberstellung des Seashore-Signs bei regulärem Pleuragleiten (a) und des Barcode-Signs bei Pneumothorax (b) im M-Mode. a Das reguläre Pleuragleiten verursacht eine verschwommene oder grobkörnige Darstellung der dorsal gelegenen Wiederholungsechos. Zudem bildet sich pulssynchron der Lungenpuls (Sternchen) durch eine Erschütterung der Pleuralinie (Pfeilkopf) und damit der dorsalen Echos ab. b Bei fehlendem Pleuragleiten bei Pneumothorax stellen sich sowohl oberhalb als auch unterhalb der Gewebe-Luft-Grenze (Pfeilkopf) gerade Linien dar. Es ist kein Lungenpuls zu erkennen.
Video 8 Pneumothorax und transitorische Tachypnoe. a Parasternaler Längsschnitt bei einem Frühgeborenen der 35. SSW mit Dyspnoe und mildem Sauerstoffbedarf unter CPAP-Atemunterstützung. In den Oberfeldern sieht man wenige einzelne B-Linien, in den Unterfeldern konfluierende B-Linien mit kleinen Minderbelüftungen und sichtbarem Lungenpuls. In allen Bereichen ist ein reguläres Pleuragleiten darstellbar. Damit handelt es sich bei dem abrupten Übergang um den für die TTN typischen Double-Lung-Point. b Parasternaler Längsschnitt bei einem Frühgeborenen der 31 SSW mit unvollständig drainiertem Pneumothorax. Auf den ersten Blick ähnelt der sonografische Befund dem in a dargestellten Double-Lung-Point der TTN. Bei genauer Betrachtung ist aber kranial dieses Punktes kein Pleuragleiten zu erkennen. Die Bewegungen unterhalb der hyperechogenen Gewebe-Luft-Grenze entsprechen Spiegelungen der Bewegungen der Thoraxwandstrukturen. Es handelt sich also um den Lungenpunkt bei partiellem Pneumothorax.
Beim sauerstoffpflichtigen Früh- und Neugeborenen ist der PTX eine sonografische Blickdiagnose. Dabei sind es vor allem die fehlenden B-Linien, bei gleichzeitig sehr gut darstellbaren A-Linien, welche den Untersucher beim ersten Aufsetzen des Schallkopfes auf den höchsten Punkt des Thorax an einen PTX denken lassen ([Video 1], [7a]). Das wichtigste sonografische Kriterium des PTX bleibt dennoch das fehlende Pleuragleiten, da ansonsten Fehldiagnosen auftreten können. Deshalb ist stets eine genaue Beurteilung der Pleuralinie im bewegten Bild bei Verwendung eines hochauflösenden Linearschallkopfes und einer geringen Eindringtiefe vorzunehmen ([Video 6]). Im M-Mode zeigt sich durch das fehlende Pleuragleiten beim Pneumothorax nicht das typische Seashore-Sign, sondern das pathognomische Barecode- oder Stratosphere-Sign ([Abb. 11]), [6]
[34].
Die Beurteilung des Pleuragleitens kann durch starke Atemanstrengung des Patienten bei Dyspnoe erschwert werden ([Video 8b]). Der M-Mode bietet hier keine Vorteile, da die Bewegungsartefakte die Differenzierung zwischen Seashore-Sign und Barecode-Sign einschränken und den sicheren Nachweis des fehlenden Lungenpulses unmöglich machen können. Besteht kein beidseitiger PTX, kann der Seitenvergleich im medianen Querschnitt helfen, das einseitig fehlende Pleuragleiten sicher zu erkennen. Kann zusätzlich zum fehlenden Pleuragleiten der Lungenpunkt gefunden werden, gilt der PTX als bewiesen ([Abb. 10], [Video 6], [7]), [6]. Am Lungenpunkt führt die intrapleurale Luft zu einer Trennung der beiden Pleurablätter. Auf der Seite des PTX fehlt das Pleuragleiten, jenseits des Lungenpunktes lässt sich reguläres Pleuragleiten meist in Kombination mit B-Linien oder Konsolidierungen darstellen ([Abb. 6], [7]). Bei Unsicherheit kann die Lageabhängigkeit der intrapleuralen Luft und damit des Lungenpunktes zur Absicherung genutzt werden.
Sonografisch kann keine Aussage zur Distanz zwischen Pleura visceralis und Pleura parietalis gemacht werden. Mithilfe des Lungenpunktes können aber die Grenzen des PTX erfasst und seine Ausdehnung beurteilt werden ([Video 7a–c]), [36]. Dies ermöglicht wiederholte, strahlungsfreie Verlaufskontrollen. In Rückenlage scheint der Bezug des Lungenpunktes zur mittleren Axillarlinie eine Differenzierung zwischen einem kleinen „ventralen“ Pneumothorax und einem behandlungspflichtigen Pneumothorax zu ermöglichen. Letztendlich sollte sich die Entscheidung zur Drainageanlage aber immer auch am klinischen Zustand des Patienten orientieren.
Lassen sich bei gut darstellbaren A-Linien weder B-Linien, subpleurale Pathologien, noch reguläres Pleuragleiten nachweisen und kann kein Lungenpunkt nachgewiesen werden, handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um einen Totalkollaps der Lunge bei PTX. Bei Zweifeln – und wenn es die Zeit erlaubt – kann diese Diagnose durch den fehlenden Lungenpuls im M-Mode bestätigt werden ([Abb. 9b]), [6]. Zudem kann manchmal in Rückenlage die vollständig kollabierte Lunge weit dorsal dargestellt werden.
Die wichtigste sonografische Differenzialdiagnose zum PTX in der Neonatalperiode stellt das Bild einer TTN mit Double-Lung-Point dar ([Video 8]). Es ist unbedingt darauf zu achten, den Lungenpunkt des PTX sicher vom Double-Lung-Point der TTN abzugrenzen ([Video 8]). Das wichtigste Unterscheidungsmerkmal stellt dabei das bei der TTN allseits regulär nachweisbare Pleuragleiten dar ([Video 8]). Auch extrapulmonale Ursachen eines hohen Sauerstoffbedarfs mit unauffälliger Lungendarstellung müssen differenzialdiagnostisch in Betracht gezogen werden. Es ist stets zu berücksichtigen, dass nach Pleurodese oder bei pleuralen Adhäsionen anderer Ursache die Beurteilung des Pleuragleitens nicht mehr sicher für die PTX-Diagnostik genutzt werden kann. Auch bei einem bestehenden Hautemphysem ist eine Beurteilung der dorsal gelegenen Strukturen nicht mehr möglich. Beim Hautemphysem oder Mediastinal-PTX befindet sich das artefaktauslösende Gas in der Ebene von Haut bzw. Mediastinum, sodass die exakte Lokalisation eine Abgrenzung von intrapleuraler bzw. intrapulmonaler Luft ermöglicht.
Weitere Differenzialdiagnosen
Weitere Differenzialdiagnosen
Bei akuter respiratorischer Insuffizienz kann der LU im klinischen Kontext auch bei anderen Pathologien helfen, in einem „Rule-in-Rule-out“-Verfahren rasch bettseitig mögliche Differenzialdiagnosen einzugrenzen. Einen Überblick über die wichtigsten neonatologischen Differenzialdiagnosen soll [Tab. 1] vermitteln [1]
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Schlussfolgerungen
Der LU stellt in der Neonatologie ein hervorragendes bildgebendes Verfahren zur bettseitigen, seriellen Beurteilung pulmonaler Pathologien, zur Eingrenzung von Differenzialdiagnosen und zur Erkennung von Komplikationen dar. Der enge Zusammenhang zwischen klinischem und sonografischem pulmonalen Status legt eine direkte Visualisierung der zugrunde liegenden pathologischen Veränderungen mittels Ultraschall nahe. Dies macht den LU im klinischen Zusammenhang zu einem idealen Monitoring-Werkzeug. Bei Integration in die Stationsroutine als Point-of-Care-Verfahren kann nicht nur eine deutliche Reduktion der kumulativen Strahlenexposition, sondern auch eine Verbesserung der Behandlungsqualität erreicht werden. Bei differenzialdiagnostischen Überlegungen müssen klinische Symptome, Laborbefunde und sonografisches Bild stets zusammen betrachtet werden. Eine möglichst vollständige Erfassung der Lungenoberfläche verbessert dabei vor allem im späteren Verlauf die diagnostische Sicherheit. In der Neonatologie spielen aber auch relevante Lungenpathologien, welche aktuell nicht ausreichend sicher mit dem Ultraschall detektiert werden können, eine Rolle. Dazu zählen insbesondere die Lungenüberblähung und das pulmonale interstitielle sowie bullöse Emphysem. Dieser Limitationen sollte sich der Anwender stets bewusst sein und zur Klärung dieser Fragestellungen weitere bildgebende Verfahren hinzuziehen. Vielleicht können zukünftig innovative sonografische Verfahren wie spezielle Perfusionsdarstellungen, kontrastmittelverstärkter Ultraschall (CEUS), Gewebedoppler und Elastografie die bestehenden Lücken schließen und die diagnostische Sicherheit des LU weiter verbessern.