Schlüsselwörter refraktive Chirurgie - Anästhesie (topisch, peribulbär) - Astigmatismus - intraoperative Aberrometrie - Intraokularlinse (IOL) - Katarakt
Einleitung
Die Kataraktchirurgie ist heute de facto immer auch refraktive Chirurgie. Das Erreichen einer Zielrefraktion, die dem Patienten eine teilweise oder – so sich dieser für ein fortgeschrittenes
IOL-Design (Intraokularlinse) wie eine multifokale (MIOL) oder EDOF-IOL (EDOF: extended depth of focus) entscheidet – fast vollständige Brillenunabhängigkeit verschafft, ist ein fester
Bestandteil der Operationsplanung und vielfach auch der Erwartungshaltung der Patienten. Realisiert wird dieses Ziel indes nicht immer: Nach einer großen schwedischen Statistik liegen nach
Kataraktoperation 72,2% der operierten Augen innerhalb von ± 0,5 dpt um die Zielrefraktion [1 ]. Als Standardmethoden für die präoperative Biometrie sind die
partielle Kohärenz-Interferometrie, die Swept-Source-optische-Kohärenztomografie (SS-OCT) und die optische Niedrig-Kohärenz-Reflektometrie etabliert [2 ], [3 ]. Jedoch liegen, je nach Berechnungsformel, nur etwa ¾ der Patienten in einem Bereich von ± 0,5 dpt um die Zielrefraktion [4 ]. Hier könnte
die Technologie der intraoperativen Aberrometrie ergänzend eine weitere Optimierung ermöglichen.
Die Wellenfront-Aberrometrie hat seit vielen Jahren überwiegend im Bereich der refraktiven Laserchirurgie Anwendung gefunden. Wellenfrontmessungen wurden genutzt, um eine genauere und
individuellere Behandlung zu planen. Auch in der Kataraktchirurgie kommt diese Technologie zunehmend zum Einsatz. Implantationen von Premiumlinsen (die o. g. IOL mit Sonderfunktion wie
EDOF-IOL, MIOL, torische IOL) steigen kontinuierlich an [5 ]. Ein wesentliches Problem sind, je nach Ausprägung der Katarakt, schwankende refraktive Indexe der
kristallinen Linse [6 ], [7 ]. Zu den neueren Ansätzen zählt die intraoperative Wellenfrontmessung, mit der einige der Fehlerquellen der
klassischen Biometrie, die auf Achsenlängenmessung, natürlicher Linse und Keratometrie beruhen, theoretisch überwunden werden können [8 ].
Derzeit verfügbare Systeme zur intraoperativen Aberrometrie
Für den intraoperativen Einsatz während der Kataraktoperation sind spezielle Voraussetzungen der Geräte notwendig. Der geringe Messabstand zum Auge, die Größe und das hohe Gewicht von bis
zu 15 kg der älteren Systeme verhindern eine Montage am Mikroskop im OP. Daher mussten die Gerätehersteller hier neue Wege gehen.
Die [Tab. 1 ] und [2 ] bieten einen Überblick über die derzeit verfügbaren Systeme. Das ORA-System (Alcon, USA) setzt ein
Talbot-Moiré-Interferometer ein und transformiert das Bildmuster in den Frequenzbereich. Beim I-O-W-A-Wellenfrontmessgerät (Eyesight&Vision GmbH, Nürnberg) scannt ein Laserstrahl die
Kornea ab, was einem sequenziellen Tscherning-Messprinzip entspricht ([Abb. 1 ]). Beim HOLOS-IntraOp-System (Clarity Medical Systems, USA) wiederum wird durch
eine Blende ein sequenzieller Hartmann-Shack-Sensor realisiert. Alle 3 Geräte können an die Biomhalterung des Mikroskops montiert werden ([Abb. 2 ]).
Tab. 1 Verfügbare intraoperative Aberrometer.
Gerät
Schnittstelle
Messbereich (dpt)
Anwendung
Zulassung
Quelle: Herstellerangaben
ORA
Panel-PC mit Internetanschluss Kabelverbindung zum Wellenfrontsensor
− 5 – + 20
Refraktion aphakes und pseudophakes Auge
2010 FDA
2012 CE
I-O-W-A
berührungslose Steuerung,
3-D-Einspiegelung ins Mikroskop,
PC-Anbindung nicht erforderlich
− 8 – + 25
Markierung Zylinderachse
2013 CE
HOLOS
Panel-PC mit Kabelverbindung zum Sensor
− 10 – + 30
limbale und korneale relaxierende Inzisionen (LRI und CRI)
2014 FDA
Tab. 2 Produkteigenschaften intraoperativer Aberrometer.
ORA
I-O-W-A
HOLOS
Echtzeit
+
+
+
aus 40 Bildern (4 s)
+
+
Durchmesser optische Zone
keine Angabe
einstellbar 3 – 6 mm
keine Angabe
Arbeitsabstand
150 – 200 mm
150 – 175 mm
150 – 200 mm
Bedienung Touchpad
+
+
+
Gestensteuerung/Fußpedal
–
+
–
Abb. 1 Messprinzip des I-O-W-A-Systems.
Abb. 2 I-O-W-A-Montage an das OP-Mikroskop.
ORA-System (Alcon, USA)
Dieses intraoperative Wellenfront-Aberrometer wurde ursprünglich entwickelt, um die Astigmatismuskorrektur während der Kataraktchirurgie sowie refraktive Hornhautchirurgie wie arkuate
Hornhautinzisionen oder limbale relaxierende Inzisionen (LRI) zu unterstützen. Die Messungen erfolgen zwar in Echtzeit, müssen jedoch über eine sichere Internetverbindung an den Server
gesendet werden. Dort werden sie mit den präoperativ übermittelten Biometriedaten sowie der errechneten effektiven Linsenposition (ELP) verglichen. Durch Nutzung einer serverseitigen
IOL-Datenbank kann die Brechkraft der optimalen IOL berechnet werden [9 ].
HOLOS IntraOp (Clarity Medical Systems, Pleasanton, CA, USA)
Beim HOLOS-System ähnelt die Messung dem ursprünglichen Hartmann-Shack-Sensor. Allerdings werden einzelne Bereiche der Wellenfront sequenziell analysiert. Die Stellung eines
2-D-Mikroscannerspiegels regelt, welcher Teil der Wellenfront durch eine Blende auf einen Positionsdetektor (PSD) abgebildet wird. Die Verschiebung des Lichtflecks auf dem PSD ist ein Maß
für die lokale Fehlsichtigkeit des Auges. Diese Refraktionswerte werden in Echtzeit in Sphäre, Zylinder und Zylinderachse umgerechnet [10 ].
I-O-W-A-System (Eyesight&Vision GmbH, Nürnberg)
Bei dem I-O-W-A-Wellenfrontmessgerät scannt ein 2-dimensionaler Mikroscannerspiegel das Auge flächendeckend mit einem dünnen Laserstrahl in ca. 40 ms. Ein Bildpunkt auf der Retina verlässt
als reflektierter Strahl den Apex des Auges und wird auf einen PSD abgebildet. Die daraus gewonnenen Informationen über die Wellenfront (die Refraktionsmessung in Form von Sphäre, Zylinder
und Achse) wird dem Chirurgen über ein Display in das Mikroskop eingeblendet.
Dadurch wird in Echtzeit das Ablesen des sphärischen Wertes sowie die Ausrichtung einer torischen IOL ermöglicht. Die Refraktionswerte werden im Sekundentakt aktualisiert. Ein Vorteil
besteht darin, dass keine Datenweitergabe an einem zentralen Server erfolgt und damit Datenschutz gewährleistet ist.
Die Anforderungen für den intraoperativen Einsatz während der Kataraktoperation erfüllen alle 3 Geräte. Das I-O-W-A- und das HOLOS-Gerät sind im Gegensatz zum ORA-System in der Lage, die
Wellenfront für unterschiedlich große optische Zonen zu messen. I-O-W-A und HOLOS wären aufgrund ihres Messprinzips auch in der Lage, die Aberrationen höherer Ordnung zu berechnen. Durch die
Transformation des Bildmusters in den Frequenzbereich kann das ORA-System zwar erkennen, dass Aberrationen höherer Ordnung das Punktemuster verzerren. Die Aberrationen höherer Ordnung lassen
sich allerdings nur durch den Vergleich mit Referenzmustern von diversen Kalibrierobjekten bestimmen (laut Herstelleraussage).
Ziel dieser Arbeit war es – neben einer Vorstellung dieser Technologie – den Einsatz und Funktionsweise dieses neuen Aberrometriegerätes im chirurgischen Alltag zu evaluieren.
Material und Methoden
Das intraoperative Aberrometriegerät I-O-W-A wurde bei allen Patienten im Operationsalltag an 2 Zentren als Double-Pass-Verfahren konsekutiv eingesetzt. Es wurde der Einsatz des Prototyps im
Standard-OP-Setting evaluiert. Es wurden Augen von konsekutiven Patienten am jeweiligen OP-Programm unilateral inkludiert. Bei der Phakoemulsifikation wurde die Stopp-and-Chop-Technik und bei
der Entfernung der Rinde eine bimanuelle Irrigations-Aspirations-Technik angewendet. Die Hauptinzision der Hornhaut wurde als posterior limbale selbstabdichtende Tunnelinzision von 2,5 mm
Breite durchgeführt. Weiterhin wurden 2 Parazentesen jeweils 90° entfernt von der Hauptinzision platziert. Die Validierung von Messergebnissen im Vergleich zu den bereits vorhandenen
präoperativen Messmethoden und Kalkulationsformeln wurde untersucht. Die möglichen Einflüsse auf die Messgenauigkeit, Reproduzierbarkeit der Messungen sowie die Vorhersagegenauigkeit der
Zielrefraktion wurden untersucht. Dabei wurden die Ergebnisse der intraoperativen Messungen mit den subjektiven Refraktionswerten 6 Wochen postoperativ verglichen.
Besonderer Wert wurde im Rahmen dieser Studie darauf gelegt, festzustellen, bei wieviel Prozent der Augen die Messung durchführbar war, wie lange die Messung gedauert hat und ob die Messungen
reproduzierbar waren. Weiterhin haben wir untersucht, wie die Handhabung des Gerätes sowie die Lernkurve beim Einsatz im chirurgischen Alltag waren und ob Komplikationen beobachtet wurden.
Darüber hinaus wurden Faktoren ermittelt, die die Messung beeinflusst haben sowie für die Vorhersagegenauigkeit der postoperativen Zielrefraktion relevant waren. Es wurde auch untersucht, ob
die Messungen valide waren bez. Vorhersagefähigkeit der Zielrefraktion. Und schließlich führten wir einen Vergleich der Messungen mit diesem neuen Gerät mit bereits bewährten präoperativen
Messmethoden in Kombination mit IOL-Kalkulationsformeln durch.
Wir führten die intraoperative Aberrometrie mit dem I-O-W-A-System bei 87 Augen durch, bei denen wir die Vorhersagegenauigkeit unter Tropfanästhesie untersuchten. In einem anderen Kollektiv
wurde die Erreichung der Zielrefraktion in Abhängigkeit der IOL-Brechkraft untersucht. Hierbei wurde analysiert, ob eine systematische Abweichung zu ermitteln ist. Dafür wurde präoperativ die
Brechkraft der zu implantierenden IOL bei insgesamt 42 Patienten biometrisch mit dem NIDEK-AL-Scan oder dem IOLMaster ermittelt. In 15 Augen wurde eine Alcon SN60AT, in 27 Augen eine 1stQ
Basis Z hydrophilic-IOL eingesetzt. Direkt nach der IOL-Implantation wurde die Refraktion des pseudophaken Auges intraoperativ mit dem I-O-W-A-Aberrometer gemessen. Diesen intraoperativ
erhobenen Refraktionswerten wurden die subjektiven, mehr als 6 Wochen postoperativ ermittelten Nachuntersuchungsergebnisse gegenübergestellt und daraus Korrekturfaktoren ermittelt.
Ergebnisse
Bei allen Patienten konnte eine Messung mit IOWA unter den üblichen Bedingungen der Kataraktchirurgie durchgeführt und dabei ein Messergebnis erzielt werden. Die Handhabung des Gerätes erwies
sich als unkompliziert. Es wurden keine durch den Einsatz des Gerätes entstandenen Komplikationen beobachtet.
Es zeigte sich eine steile Lernkurve bei der Bedienung des Gerätes. Bei den ersten 10 Patienten hat die Messung pro Auge jeweils bis zu 1 min gedauert. Bei der Untersuchung der nachfolgenden
Augen betrug die Dauer der intraoperativen Messung mit dem Aberrometer maximal 30 s. In der Anfangsphase war es mehrfach zu einem Kontakt des Chirurgen mit dem Messgerät gekommen, was auf die
leicht reduzierte Arbeitsdistanz zurückzuführen ist. Durch das sterile Abdecken des Gerätes mit einer Schutzfolie konnte dieses Problem behoben werden.
Weiterhin erwies es sich als wichtig, jegliche Deformation des Bulbus zu verhindern. Der Druck des Lidsperrers auf den Bulbus führte wiederholt zu Abweichungen der Messwerte. Auch eine gute
Benetzung der Augenoberfläche sowie gute Ausrichtung des Auges konnte als relevant für zuverlässige und reproduzierbare Messungen identifiziert werden.
Die intraoperativ ermittelten Werte zeigten eine hohe Stabilität der Messung; bei wiederholten Messungen über bis zu 20 s waren die Werte des sphärischen Äquivalents de facto gleich ([Abb. 3 ]). Bei unserer Evaluierung des Einflusses der zur Anästhesie gewählten Methode zeigte sich eine deutliche Tendenz zu genaueren Messergebnissen bei topischer
Anästhesie im Vergleich zur retrobulbären bzw. peribulbären Anästhesie. Bei einigen IOL-Designs lagen unter dieser Form der Schmerzausschaltung 100% der operierten Augen binnen einer halben
Dioptrie um die Zielrefraktion. Mit der peribulbären Anästhesie war aufgrund der von dieser verursachten, wenn auch leichten, Bulbusverformung nur eine geringere Vorhersagegenauigkeit möglich.
Die Ergebnisse der Messungen unter Tropfanästhesie sind in [Abb. 4 ] dargestellt.
Abb. 3 Wiederholte Messungen zeigen die Stabilität der Messergebnisse mit dem I-O-W-A-System.
Abb. 4 Unter topischer Anästhesie konnte bei einigen IOL-Typen eine Vorhersagegenauigkeit von bis zu 100% erreicht werden.
Als weiterer wichtiger Faktor zur Verbesserung der Vorhersagegenauigkeit stellten sich IOL-typische Korrekturfaktoren heraus. Sowohl das IOL-Design als auch die optischen Eigenschaften der
Kunstlinse beeinflussen die Genauigkeit der intraoperativen Aberrometrie. Diese zeigten eine deutliche Abhängigkeit vom implantierten IOL-Typ und von der präoperativ mit dem IOLMaster 500
gemessenen Biometrie des Auges. So lag bei der 1stQ-Linse im Median eine Abweichung von − 1,1 dpt, bei der Alcon-IOL eine Abweichung im Median von − 0,2 dpt vor. Die Ergebnisse dieser
Messungen zeigen die [Abb. 5 ] und [Abb. 6 ].
Abb. 5 Abweichung von intra- und postoperativer Refraktion sowie Korrekturfaktor für 1stQ Basis Z.
Abb. 6 Abweichung von intra- und postoperativer Refraktion sowie Korrekturfaktor für Alcon SN60AT.
Für die 1stQ-Linse ermittelten wir einen Korrekturfaktor von y = 0,0266 x + 0,5843, für die Alcon-IOL einen Korrekturfaktor von y = − 0,0667 x + 1,4799. Mithilfe dieser Korrekturfaktoren kann
die Vorhersagegenauigkeit der Zielrefraktion künftig verbessert werden. Auch in diesem Kollektiv zeigte sich eine höhere Refraktionsgenauigkeit in den 15 Augen, die unter topischer Anästhesie
operiert worden waren. Alle Augen erreichten einen Refraktionswert, der maximal 0,75 dpt von der Zielrefraktion entfernt lag. Mit dem I-O-W-A-System konnten wir eine gute Korrelation – mit
einer Pearson-Korrelation von r = 0,96 – der präoperativ berechneten Refraktion mit der intraoperativen Messung am aphaken Auge zeigen ([Abb. 7 ]).
Abb. 7 Gute Korrelation der intraoperativ ermittelten mit den präoperativ (mit dem IOLMaster) gemessenen Werten.
Diskussion
Die neuen Technologien für intraoperative Wellenfrontmessung haben das Potenzial, den Anteil der Patienten zu erhöhen, die nach Linsenchirurgie die vorgegebene Zielrefraktion erreichen.
Die Wellenfrontmessung basiert, wie die meisten Methoden zur Messung der monochromatischen Aberrationen des menschlichen Auges, auf der Strahlverfolgung, dem sog. Raytracing. Man
unterscheidet dabei das „Single-Pass“- und das „Double-Pass“-Verfahren. Beim Single-Pass-Verfahren nach Tscherning durchläuft das einfallende Licht das Auge nur einmal und der Patient
beschreibt die eigenen okularen Aberrationen. Moderne objektive Messmethoden, die seit 1999 in der refraktiven Laserchirurgie eingesetzt werden, sind ausschließlich „Double-Pass“-Verfahren. In
diesem Fall wird das von der Retina reflektierte Licht außerhalb des Auges von einem Sensor vermessen. Weil hierbei der Messstrahl das optische System Auge ein 2. Mal passiert, können sich die
Aberrationen verstärken. Um das zu verhindern, muss entweder die Eintritts- oder Austrittspupille in ihrer Größe beschränkt werden [11 ].
In dieser Publikation soll die neue Methode der intraoperativen Aberrometrie anhand erster eigener klinischer Erfahrungen vorgestellt werden, wobei die Ziele der Erhebung die Treffsicherheit
im Vergleich zur präoperativen Biometrie sowie die Ermittlung eines etwaigen Einflusses von Anästhesieverfahren und dem Gebrauch des Lidsperrers sind.
Intraoperative Aberrometrie: ihr Potenzial für die klinische Anwendung
In der klinischen Praxis sind die Vorzüge der intraoperativen Aberrometrie vielfältig:
Mit der Methode können die präoperativ erhobenen Biometriedaten intraoperativ validiert werden.
Die Vorder- und Rückseite der Kornea werden kombiniert gemessen.
Chirurgisch induzierte Änderung der Hornhautbrechkraft können sofort erkannt bzw. verifiziert werden.
Der Zugang ist auch bei klinischen Befunden möglich, die sich einer genauen präoperativen Messung oft entziehen, wie z. B. mature Katarakte, Fälle von Keratokonus, Augen nach LASIK,
Keratoplastik und anderen Eingriffen.
Die IOL-Berechnung aufgrund intraoperativer Daten ist mit vielen Formeln wie Haigis, Hoffer und Holladay möglich.
Die Zylinderachse wird intraoperativ markiert.
Die Refraktionsüberprüfung gegen Ende der Operation am nunmehr pseudophaken Auge erlaubt – so notwendig – eine finale Korrektur wie das Drehen einer torischen IOL oder
(schlimmstenfalls) einen IOL-Austausch.
Die Entwicklung neuer Technologien zur zuverlässigen intraoperativen Messung der Gesamtbrechkraft des Auges kann helfen, die Abweichung von der postoperativen Zielrefraktion nach
Kataraktoperation und in der refraktiven Linsenchirurgie zu reduzieren. Die intraoperative Aberrometrie kann als ein chirurgisches Refraktometer betrachtet werden, das es dem Chirurgen
erlaubt, während des Eingriffs und nach Entfernung der natürlichen Linse eine Refraktionsbestimmung vorzunehmen und die präoperativ biometrisch ermittelte Brechkraft der zu implantierenden
IOL zu überprüfen – und bei grober Abweichung ggf. eine andere Kunstlinse zu implantieren [12 ]. Nach dem Implantationsvorgang kann an dem nunmehr pseudophaken
Auge eine erneute Messung vorgenommen werden, um ein eventuelles Restrefraktionsdefizit nachzuweisen.
In der wahrscheinlich größten bisherigen Untersuchung zu dieser insgesamt noch sehr neuen und noch entwicklungsfähigen Technologie an mehr als 30 000 Augen konnte ein deutlich niedrigerer
absoluter Vorhersagefehler (prediction error) bei der intraoperativen Aberrometrie gegenüber der präoperativen Planung dokumentiert werden [13 ]. Allerdings haben
einige andere Autoren keine derartig deutlichen Unterschiede gefunden [14 ], [15 ]. In diesen Arbeiten waren aber die Kollektive
deutlich kleiner.
In Augen, die aufgrund eines Astigmatismus mit einer torischen IOL versorgt werden, kann in diesem Stadium die optimale Ausrichtung der Achse überprüft werden. Die exzellente
Vorhersagbarkeit gerade bei torischen IOL konnten Blaylock et al. in einer Publikation an 151 Augen von 106 Patienten belegen. In diesem Kollektiv hatten 89,4% der Augen unter Verwendung der
intraoperativen Aberrometrie ein sphärisches Refraktionsdefizit von 0,5 dpt und nur 85,4% auf der Basis der präoperativen Planung. Einen unkorrigierten Fernvisus von 0,10 logMAR oder besser
hatten postoperativ 124 Augen (82,1%) und einen solchen von 0,00 logMAR oder besser wiesen 90 Augen (59,6%) auf [12 ].
Eine Echtzeitmessung der Gesamtrefraktion des Auges noch während der Operation kann eine unmittelbare Korrektur in der gleichen Sitzung ermöglichen und dadurch zur Kosten- und
Risikoreduktion beitragen. Die intraoperative Messung und Anpassung der Zylinderstärke sowie die genauere Positionierung einer torischen Intraokularlinse ermöglicht eine Unabhängigkeit von
der Bulbuszyklorotation. Des Weiteren könnte diese Technologie eine deutliche Verbesserung der refraktiven Ergebnissen in komplizierten Situationen wie z. B. Zustand nach refraktiver
Hornhautchirurgie, Cataracta matura oder Glaskörpereinblutung ermöglichen.
Es sind jedoch noch einige potenzielle Einschränkungen der Messgenauigkeit zu beachten: Ein wichtiger Punkt ist, dass die Brechkraft des Auges während der Operation stark schwanken kann.
Dabei spielen die Bulbusdeformierung durch den Lidsperrer ([Abb. 8 ]), die Benetzung der Hornhautoberfläche sowie eine mögliche, durch die Operation bedingte
Bulbushypotonie eine Rolle [16 ]. Ferner können ein Hornhautepithelödem sowie eine Stromaquellung (diffus oder sektorförmig) eine signifikante Änderung der
Refraktion verursachen, auch wenn sie so diskret sind, dass sie vom Operateur unter dem Mikroskop nicht erkannt werden können.
Abb. 8 Der vom Lidsperrer ausgeübte Druck auf den Bulbus kann die Messergebnisse der intraoperativen Aberrometrie beeinflussen.
Der Einfluss der Anästhesiemethode und des IOL-Designs
Bei unseren eigenen Untersuchungen ging es speziell darum, die Genauigkeit der Aberrometrie bei verschiedenen Anästhesiearten und in Abhängigkeit von 2 IOL-Designs zu untersuchen. Hierbei
stellte sich heraus, dass die Genauigkeit bei der topischen Anästhesie am größten war. Der Grund dafür liegt u. E. in einer klinisch möglicherweise dezenten, die Messgenauigkeit aber
signifikant beeinflussenden Bulbusverformung durch die peribulbäre Injektion eines Lokalanästhetikums.
Ferner konnten wir feststellen, dass verschiedene IOL-Modelle zum Erreichen einer bestmöglichen Vorhersagegenauigkeit der Zielrefraktion unterschiedliche Korrekturfaktoren benötigen. Diese
Daten werden mit einer zu erwartenden zunehmenden Verbreitung der intraoperativen Aberrometrie auch für andere IOL-Typen ermittelt werden; eine eigene Studie dazu steht kurz vor der
Einreichung. Auf das Messergebnis und damit auf einen evtl. zu applizierenden Korrekturfaktor haben verschiedene Parameter theoretisch und offenbar auch in der klinischen Praxis einen
Einfluss. Hierzu gehören die Asphärizität der IOL, chromatische Aberrationen sowie der Entfaltungsprozess der IOL.
Grundsätzlich muss in der intraoperativen Aberrometrie bei allen Messungen eine richtige Zentrierung auf die optische Achse gewährleistet sein, da es sonst zu deutlichen Abweichungen kommen
kann. Eine gute Mitarbeit des Patienten unter Tropfanästhesie bzw. sorgfältige Kontrolle durch den Operateur bei Intubationsnarkose oder peribulbärer Anästhesie spielen daher eine wichtige
Rolle bei einer zuverlässigen Messung. So erlaubt das I-O-W-A-System eine Überprüfung der Fixation des Patienten durch Purkinje-Bilder ([Abb. 9 ]), die im
OP-Mikroskop als konzentrisch angeordnet erscheinen müssen. Freilich bedarf diese Überprüfung einer adäquat benetzten Augenoberfläche (z. B. mittels BSS), da bei trockener Hornhaut die
Purkinje-Bilder verschwimmen können, was in der Aberrometrie in einer zu niedrigen Messung des sphärischen Äquivalents resultieren kann.
Abb. 9 Mit den Purkinje-Bildern wird die optimale Ausrichtung in der Sehachse kontrolliert.
Diese Technologie kann durch eine Modifikation und Verkleinerung des Prototyps in Operationsmikroskope und auch teilweise in die Phakoemulsifikationsgeräte integriert werden. Dadurch kann
die Reduktion des Arbeitsabstandes durch das Aberrometer verhindert werden, was während der Operation störend wirken könnte. Die intraoperative Messung der Gesamtrefraktion und Aberration
des Auges bieten neue Möglichkeiten, die eine Erreichung der Zielrefraktion bei der modernen Linsenchirurgie erhöhen könnte. Zurzeit sind diese Technologien noch nicht in der Lage, die
präoperative Biometrie und IOL-Kalkulationsmethoden vollständig zu ersetzen. Es ist indes eine neue Technologie, deren volles Potenzial bei Weitem noch nicht ausgenutzt ist und die für
Operateure und Patienten in der Katarakt- und refraktiven Linsenchirurgie noch einiges erwarten lässt.
Diese Evaluation der ersten Erfahrungen mit der Technologie hat natürlich einige Limitationen: Unsere Fallzahl ist sehr klein und es gab zwar eine Trainingskohorte, jedoch keine
Validierungskohorte. Die von uns ermittelten Korrekturfaktoren müssen in Zukunft an einer größeren prospektiven Kohorte validiert werden.
Fazitbox
Bereits bekannt:
Die Echtzeit-Refraktionsmessung im Rahmen der Operation bietet einen deutlichen Vorteil in der Ergebnisoptimierung.
Die intraoperative Aberrometrie, für die es zurzeit 2 unterschiedliche Geräte gibt, zeigt in den meisten Evaluationen eine deutlich geringere Abweichung von der Zielrefraktion als die
präoperative Biometrie.
Neu beschrieben:
In dieser Publikation soll die neue Methode der intraoperativen Aberrometrie anhand erster eigener klinischer Erfahrungen vorgestellt werden, wobei die Verbesserung der Erreichung von
Zielrefraktion sowie Ermittlung von etwaigen Einflüssen auf die Messmethode untersucht wird.
Unter den gängigen Anästhesieverfahren ist die topische Lokalanästhesie gegenüber der peribulbären Injektion für die intraoperative Aberrometrie vorzuziehen, da mit ihr nach unseren
Untersuchungen eine höhere refraktive Genauigkeit erreicht wird.
Durch zusätzliche IOL-typische Korrekturfaktoren kann die Vorhersagegenauigkeit erhöht werden.