IV Leitlinie
1 Allgemeine Hinweise zur SARS-CoV-2-Pandemie
Die SARS-CoV-2-Pandemie unterliegt mit neu auftretenden Virusvarianten und Infektionswellen einer nicht vorhersehbaren Dynamik. Vermutlich wird die durch SARS-CoV-2 ausgelöste Erkrankung
COVID-19 in der aktuellen oder ähnlichen Verlaufsform über den pandemischen Zustand hinaus eine Herausforderung bleiben. Daher sind neben den hier getroffenen Empfehlungen für Schwangere,
Wöchnerinnen, Stillende und Neugeborene ergänzende Quellen zur Behandlung von betroffenen Personen sowie zum Umgang mit der Infektion zu beachten, die neue Erkenntnisse berücksichtigen.
Insbesondere sei hierzu auf folgende Quellen hingewiesen:
Empfehlungen des RKI zu Hygienemaßnahmen im Rahmen der Behandlung und Pflege von Patienten mit einer Infektion durch SARS-CoV-2: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Hygiene.html
Erweiterte Hygienemaßnahmen im Gesundheitswesen im Rahmen der COVID-19-Pandemie: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/erweiterte_Hygiene.html
Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG): https://www.gesetze-im-internet.de/ifsg/index.html#BJNR104510000BJNE002305116
§ 28a Besondere Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19)
§ 28b Bundesweit einheitliche Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) bei besonderem Infektionsgeschehen,
Verordnungsermächtigung
§ 28c Verordnungsermächtigung für besondere Regelungen für Geimpfte, Getestete und vergleichbare Personen
S2e-Leitlinie AWMF-Register-Nr. 053-054 „SARS-CoV-2/Covid-19 Informationen und Praxishilfen für niedergelassene Hausärztinnen und Hausärzte“ [1 ].
S3-Leitlinie AWMF-Register-Nr. 113/001 „Empfehlungen zur stationären Therapie von Patienten mit COVID-19“ [2 ].
Darüber hinaus wurde versucht, die Leitlinie möglichst kurz und lesbar zu halten. Die Evidenzlage einiger Aspekte der Leitlinie wird daher in Teilen ausführlicher in den durch die DGGG und
DGPM ausgearbeiteten „Empfehlungen zu SARS-CoV-2/COVID-19 in Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett – Update November 2021“ behandelt und zusammengefasst [3 ].
Diese Informationen finden sich auch auf der Website der DGGG und DGPM zusammen mit regelmäßig neu veröffentlichten Empfehlungen und Statements, welche die aktuelle Pandemielage und neue
Erkenntnisse berücksichtigen.
Verantwortung für eine ausgeglichene Belastung im Gesundheitswesen
Im Zuge der Pandemie kam es zu einer länderspezifischen Abstimmung der Versorgungsstruktur im Gesundheitswesen. Viele Länder haben eine dezentrale Behandlungsstruktur für
SARS-CoV-2-positive/an COVID-19 erkrankte Menschen vorgesehen, um die Ressourcen des Gesundheitssystems optimal auslasten zu können. In Bezug auf die Versorgung geburtshilflicher
Patientinnen ist die Leitliniengruppe der Auffassung, dass geburtshilfliche Kriterien zur Verortung stationärer Krankenhausbehandlung in die unterschiedlichen Versorgungsstufen diesem
Sachverhalt ausreichend Rechnung tragen [4 ], [5 ]. Es gibt keine Hinweise darauf, dass eine (asymptomatische oder mild
verlaufende) SARS-CoV-2-Infektion der Schwangeren allein eine Zuweisung in spezielle Zentren notwendig macht, die eine maximale Versorgungsstruktur einschließlich neonatologischer
Intensivbehandlung vorhält. Es liegt in der Verantwortung jeder ambulanten und stationären Versorgungseinheit, ihren Beitrag für die Betreuung SARS-CoV-2-positiver Patientinnen zu leisten
und Strukturen entsprechend anzupassen.
2 Infektionsprävention
Schwangere Frauen haben ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf von COVID-19 im Vergleich zu nicht schwangeren Frauen im gleichen Alter. In infektionspräventiver Sicht herausfordernd
sind vor allem asymptomatisch infizierte Frauen, welche die Klinik aufsuchen. Geburtshilfliche und neonatologische Abteilungen stellen somit einen besonders sensiblen Bereich in
Einrichtungen des Gesundheitswesens dar, in dem Maßnahmen zum Schutz von Mitpatientinnen und -patienten sowie des Behandlungspersonals in interdisziplinärer und interprofessioneller
Zusammenarbeit getroffen werden müssen. Neben einer ausreichenden räumlichen Belüftung und allgemeinen Hygienemaßnahmen, wie die Händedesinfektion, sind das Tragen eines MNS durch Personal
und Patientin und das Screening auf Infektionserreger wirksame Maßnahmen zum Schutz aller beteiligten Kontaktpersonen [1 ], [2 ], [6 ], [7 ]. Im Folgenden soll auf geburtsspezifische Aspekte im klinischen Setting im Kontext einer pandemischen
Situation eingegangen werden.
2.1 Tragen eines Mund-Nase-Schutzes (MNS)
Konsensbasierte Empfehlung 2.E1
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Bei Vorstellung in der Klinik soll ein MNS getragen werden.
Konsensbasierte Empfehlung 2.E2
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Bei negativem Testergebnis und klinischer Symptomfreiheit typischer COVID-19-Symptome soll der Gebärenden ermöglicht werden, den MNS nicht zu tragen.
Konsensbasierte Empfehlung 2.E3
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Bei ausstehendem oder positivem Testergebnis oder COVID-19-typischen Symptomen soll die Gebärende einen MNS tragen.
Konsensbasierte Empfehlung 2.E4
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Das bei der Geburt anwesende Personal und weitere anwesende Personen sollen einen MNS tragen.
Effekt eines MNS auf die Virustransmission
Die Risikoreduktion der Transmission durch das Tragen eines MNS wurde als hoch eingestuft [8 ]. Das Tragen eines MNS (OR 0,11; 95%-KI 0,03 – 0,39;
p < 0,001) durch das Personal, das Tragen von Handschuhen (OR 0,39; 95%-KI 0,29 – 0,53; p < 0,001) und das Tragen von Kitteln (OR 0,59; 95%-KI 0,48 – 0,73; p < 0,001) reduzierte
die Transmissionsrate [9 ]. Das beidseitige Tragen eines MNS zweier Kontaktpersonen reduziert in einem Setting von Gesundheitspersonal einer
US-amerikanischen Studie zufolge die Transmissionsrate weiter (25,6% zu 12,5%) [10 ]. Im Rahmen der Deutschen Scenario-Studie wurde der Effekt
verschiedener Schutzmaßnahmen zur Prävention einer Infektion des Personals bei der Betreuung einer Geburt modelliert. Beim Tragen einer FFP2-Maske wird demnach bei hochinfektiöser
Patientin das Risiko einer Infektion für Hebammen von 30% auf 7% reduziert. Zusätzliche aktive Belüftung des Raumes verringert das Risiko weiter auf 0,7%. Das Tragen eines MNS durch die
Gebärende führt zu einer weiteren Risikoreduktion auf 0,3% [11 ]. Die Leitliniengruppe sieht die Geburt, insbesondere die Austrittsphase, als eine
aerosolbildende Situation an, in der eine relevante Exposition und damit ein relevantes Transmissionsrisiko für das betreuende Personal besteht.
2.2 Testen und Screening auf SARS-CoV-2
Konsensbasierte Empfehlung 2.E5
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Jede Patientin soll während der Pandemie vor einer Behandlung in einer Einrichtung des Gesundheitswesens (ambulant oder stationär) nach Symptomen und Anamnese auf
SARS-CoV-2-Infektionsrisiken befragt werden.
Konsensbasierte Empfehlung 2.E6
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Eine diagnostische Testung soll erfolgen, wenn aufgrund von Anamnese, Symptomen oder Befunden und unabhängig vom Impfstatus ein klinischer Verdacht besteht, der mit einer
SARS-CoV-2-Infektion (COVID-19) vereinbar ist.
Konsensbasierte Empfehlung 2.E7
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Ein Screening auf SARS-CoV-2 soll bei jeder stationären Aufnahme oder Aufnahme zur Geburt entsprechend den Empfehlungen des RKI und der Nationalen Teststrategie sowie
Verordnungen auf Landesebene erfolgen.
Konsensbasierte Empfehlung 2.E8
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Vor elektiven Eingriffen, wie z. B. einer geplanten Kaiserschnittentbindung, Cerclage oder Geburtseinleitung sollte das Resultat eines SARS-CoV-2-Tests vor Aufnahme
vorliegen.
Nationale Teststrategie
Das RKI veröffentlicht regelmäßig Updates der Nationalen Teststrategie, die es im Rahmen der Pandemie in Einrichtungen des Gesundheitswesens zu beachten gilt: „Eine Testung im
stationären oder ambulanten Bereich ist grundsätzlich indiziert, wenn aufgrund von Anamnese, Symptomen oder Befunden ein klinischer Verdacht besteht, der mit einer SARS-CoV-2-Infektion
(COVID-19) vereinbar ist.“ Empfohlen wird zudem, „Patientinnen grundsätzlich vor (Wieder-)Aufnahme sowie vor ambulanten Operationen […] mit einem Nasen-Rachen-Abstrich auf
SARS-CoV-2-PCR-Test zu testen. […] Eine Diagnostik sollte unter Berücksichtigung der epidemischen Situation durchaus niederschwellig indiziert werden.“ (Stand 01.11.2021) [12 ]
Spezielle Aspekte in Einrichtungen zur Betreuung von Schwangeren
Einrichtungen, die schwangere Frauen, Gebärende und ihre Neugeborene betreuen, stellen aus infektionspräventiver Sicht einen besonders sensiblen Bereich dar. Als junge gesunde und
mitunter asymptomatisch infizierte Frauen ist deren Identifikation wichtig, um Schutzmaßnahmen für das Personal, Mitpatientinnen und ihre Familien zu ergreifen. Eine nosokomiale
Infektion z. B. durch Mitpatientinnen in der Klinik mit nachfolgenden Quarantänemaßnahmen erschwert den Zugang zur medizinischen Versorgung durch nachsorgende Hebammen und Arztpraxen.
Ungeachtet des häufig asymptomatischen Verlaufs haben Schwangere dennoch insbesondere in der zweiten Schwangerschaftshälfte ein erhöhtes Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf [13 ] und sollen daher besonders geschützt werden.
Prävalenz von SARS-CoV-2-Infektion in der Schwangerschaft
Es besteht kein höheres Risiko für eine SARS-CoV-2-Infektion unter Schwangeren. Screeninguntersuchungen bestätigen eine Prävalenz analog der Gesamtbevölkerung in Bezug auf regionale und
zeitliche Verläufe [14 ], [15 ], [16 ], [17 ], [18 ], [19 ], [20 ], [21 ], [22 ], [23 ], [24 ]. Es bestehen jedoch Hinweise für ein höheres Infektionsrisiko unter bestimmten Patientinnengruppen
in Abhängigkeit von der Ethnizität [25 ], [26 ], [27 ], [28 ], [29 ], [30 ] oder dem sozioökonomischen Status [31 ], [32 ]. Eine populationsbasierte britische Kohortenstudie (3527 SARS-CoV-2-Infektionen unter 342 080 Schwangeren) zeigte, dass eine SARS-CoV-2-Infektion häufiger bei Frauen auftrat,
die jünger und erstgebärend waren, nichtweißen ethnischen Gruppen angehörten, in benachteiligten Gebieten wohnten oder Komorbiditäten aufwiesen [33 ].
Zudem scheint die Infektionsprävalenz mit dem Gestationsalter zu steigen [34 ], [35 ]. In Klinik-Registern dominiert die
Anzahl infizierter Schwangerer im 3. Trimenon mit 83% (UKOSS) bzw. 64,3% (CRONOS) aller registrierten Schwangeren [36 ], [37 ].
Symptomatische versus asymptomatische Patientinnen
Der überwiegende (bis zu 89%) Anteil der bei stationärer Aufnahme zur Entbindung positiv getesteten Frauen war Untersuchungen aus New York, London und Connecticut zu Folge
asymptomatisch [38 ], [39 ], [40 ]. Unter den 1148 in Großbritannien stationär betreuten
schwangeren Frauen mit SARS-CoV-2-Infektion zwischen März und August 2020 lag der Anteil der asymptomatischen Patientinnen bei 37% [36 ]. Dies deckt sich
mit Daten aus den deutschen Kliniken des CRONOS-Registers bis zum 01. Oktober 2020, bei denen ebenso 37% der Frauen asymptomatisch waren [37 ].
CRONOS (Stand 24. August 2021): Unter den 785 Frauen mit Infektion um den errechneten Geburtstermin ab 37 + 0 SSW beträgt die Rate der asymptomatischen Frauen 55,6% (437/785; fehlende
Informationen zu Symptomen bei 23 Frauen). Bei 657 Frauen wurden die Umstände des positiven SARS-CoV-2-Tests dokumentiert. Unter den 354 asymptomatischen Frauen wurden 306 (86,4%) durch
ein Screening in der Klinik erkannt.
3 Monitoring der infizierten Schwangeren
3.1 Allgemeine geburtshilflich-gynäkologische Betreuung
Konsensbasierte Empfehlung 3.E9
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
In der Betreuung einer SARS-CoV-2-infizierten Schwangeren sollte vom geburtshilflichen Standard und den Vorgaben der Mutterschaftsrichtlinien nicht abgewichen werden.
Konsensbasiertes Statement 3.S1
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Bei der Planung von elektiven Vorsorgeterminen und Untersuchungen ist zu erwägen, diese bis zur Aufhebung der Isolation/Ende der Kontagiosität der Schwangeren zu
verschieben.
3.2 Symptombasierte Betreuung
3.2.1 Die asymptomatisch oder mild erkrankte Schwangere
Konsensbasierte Empfehlung 3.E10
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Die asymptomatische infizierte oder mild erkrankte Schwangere soll nach dem Standard der an anderer Stelle für Nichtschwangere empfohlenen Leitlinien betreut werden.
Auf die Gefahr einer akuten Dekompensation soll hingewiesen werden.
Hinweis: Es wird explizit auf die Empfehlungen der S2e-Leitlinie „SARS-CoV-2/Covid-19 Informationen und Praxishilfen für niedergelassene Hausärztinnen und Hausärzte“ (Stand
02/2022) [1 ] verwiesen.
3.2.2 Die moderat erkrankte Schwangere
Konsensbasierte Empfehlung 3.E11
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Bei Symptomen mit deutlicher Allgemeinzustands-Beeinträchtigung und/oder erhöhtem Risiko zusätzlich zur Schwangerschaft (insbesondere ungeimpfte Schwangere und Schwangere mit
z. B. Adipositas, Diabetes, Hypertonie, chronische Lungenerkrankungen) soll überprüft werden, ob die Indikation zur Verordnung einer Krankenhauseinweisung vorliegt.
Hinweis: Es wird explizit auf die Empfehlungen der S2e-Leitlinie „SARS-CoV-2/Covid-19 Informationen und Praxishilfen für niedergelassene Hausärztinnen und Hausärzte“ (Stand
02/2022) [1 ] verwiesen.
3.2.3 Die schwer erkrankte Schwangere
Konsensbasiertes Statement 3.S2
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Bei der stationären Behandlung einer Patientin wegen COVID-19 in der Schwangerschaft oder im Wochenbett gilt die S3-Leitlinie „Empfehlungen zur stationären Therapie von
Patienten mit COVID-19“ unter besonderer Berücksichtigung geburtshilflicher Aspekte.
Konsensbasierte Empfehlung 3.E12
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Bei stationärer Aufnahme
sollen Vitalparameter erhoben werden (Blutdruck, Herz- und Atemfrequenz und Sauerstoffsättigung). Neben den Vitalparametern soll
auch eine Labor- und Urindiagnostik erfolgen.
Konsensbasierte Empfehlung 3.E13
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Die initiale Labordiagnostik sollte folgende Parameter umfassen und bedarfsgerecht regelmäßig kontrolliert werden: Differenzialblutbild, CRP, LDH, AST/ALT, Kreatinin,
sowie D-Dimere, Prothrombinzeit, aktivierte partielle Thromboplastinzeit (aPTT), Fibrinogen und Urindiagnostik (Proteinurie/Albuminurie, Hämaturie, Leukozyturie).
Konsensbasierte Empfehlung 3.E14
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Bei respiratorischer Insuffizienz oder Verdacht auf Lungenembolie sollen ergänzend bildgebende Verfahren eingesetzt werden. Dies kann den Einsatz von Verfahren mit
ionisierenden Strahlen (z. B. Röntgen/CT) notwendig machen.
Konsensbasierte Empfehlung 3.E15
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Eine Messung der Vitalparameter und Sauerstoffsättigung soll erfolgen und die Indikation zur Überführung auf eine Intensivstation regelmäßig überprüft werden. Ziel bei
akuter hypoxämischer respiratorischer Insuffizienz bei COVID-19 ist eine adäquate Oxygenierung sicherzustellen. Es soll eine SpO2 ≥ 94% angestrebt werden.
Ambulante Betreuung mit SARS-CoV-2-Infektion/COVID-19
Bei zunehmender Symptomatik, subjektiver Verschlechterung oder abnormen Vitalparametern ist die stationäre Überwachung empfohlen. Als Instrument zur objektiven Einschätzung und
Handlungsempfehlung kann der Modified Early Obstetric Warning Score „MEOWS“ oder ähnliche Scoring-Systeme der Notfallversorgung hilfreich sein ([Tab. 5 ]). Publizierte Erfahrungswerte bestehen in Zusammenhang mit COVID-19 nicht.
Tab. 5 Modified Early Obstetric Warning Score (MEOWS), übersetzt aus [41 ].
MEOW Score
3
2
1
0
1
2
3
MEOWS 0 – 1: normal
MEOWS 2 – 3: stabil , ärztliche Vorstellung am selbigen Tag
MEOWS 4 – 5: instabil , umgehende ärztliche Vorstellung
MEOWS ≥ 6: kritisch , sofortige Notfallversorgung
SpO2 (%)
≤ 85
86 – 89
90 – 95
≥ 96
Atemfrequenz (/min)
< 10
10 – 14
15 – 20
21 – 29
≥ 30
Puls (/min)
< 40
41 – 50
51 – 100
101 – 110
110 – 129
≥ 130
systolischer RR (mmHg)
≤ 70
71 – 80
81 – 100
101 – 139
140 – 149
150 – 159
≥ 160
diastolischer RR (mmHg)
≤ 49
50 – 89
90 – 99
100 – 109
≥ 110
Diurese (ml/h)
0
≤ 20
≤ 35
35 – 200
≥ 200
Neurologie
agitiert
wach
Reaktion auf verbale Stimuli
Reaktion auf Schmerz
keine Reaktion
Temperatur (°C)
≤ 35
35 – 36
36 – 37,4
37,5 – 38,4
≥ 38,5
3.3 Peripartale Überwachung bei Infektion
Konsensbasierte Empfehlung 3.E16
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Bei einer SARS-CoV-2-infizierten Schwangeren soll unter der Geburt eine kontinuierliche Überwachung einschließlich der Messung der Sauerstoffsättigung durchgeführt und
eine SpO2 ≥ 94% angestrebt werden. Es wird in diesem Zusammenhang explizit auf die Empfehlungen im Kapitel 5 „Geburt“ hingewiesen.
In Bezug auf die peripartale Überwachung der Schwangerschaft wird auch auf die Empfehlung zur Geburt und dem geburtshilflichen Management in Kapitel 5 „Geburt bei
COVID-19-/SARS-CoV-2-positiver Frau“ hingewiesen.
3.4 Betreuung nach einer SARS-CoV-2-Infektion
In Bezug auf die weitere Überwachung der Schwangerschaft nach einer SARS-CoV-2-Infektion siehe Empfehlung 4.3 „Betreuung der Schwangerschaft nach einer SARS-CoV-2-Infektion“.
In Bezug auf Post-COVID wird auf die entsprechende S1-Leitlinie „S1-Leitlinie Post-COVID/Long-COVID“ (AWMF-Register Nr. 020/027) verwiesen [42 ].
4 Überwachung des Fetus
4.1 Allgemeine Überwachung bei SARS-CoV-2-Infektion
Konsensbasierte Empfehlung 4.E17
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Bei SARS-CoV-2-Infektion soll das fetale Monitoring die aktuellen nationalen Richtlinien und Leitlinien der Fachgesellschaften zu Ultraschall, Doppler und CTG und
biochemischen Analysen berücksichtigen.
Die Überwachung der Schwangerschaft und des Ungeborenen von Müttern mit (akuter) SARS-CoV-2-Infektion folgt den allgemeinen Richtlinien und Leitlinien abhängig von der jeweiligen
Schwangerschaftswoche [43 ], [44 ], [45 ], [46 ], [47 ], [48 ]. Die Einrichtung von Infektsprechstunden kann hierbei die Umsetzung in der Arztpraxis erleichtern [49 ]. Es sollten zudem die jeweils gültigen und dem Standard entsprechenden pränataldiagnostischen Methoden angeboten werden [43 ], [50 ], [51 ], [52 ], [53 ], [54 ], [55 ], [56 ], [57 ]. Bei der Planung von elektiven
Untersuchungen ist zu erwägen, diese bis zur Aufhebung der Isolation/Ende der Kontagiosität der Schwangeren zu verschieben. Dies muss vor dem Hintergrund der Risikoeinschätzung gerade in
der Zeit der Pandemie, bei der der Zugang zur Gesundheitsversorgung mitunter erschwert sein kann [58 ], individuell abgewogen werden.
4.2 Überwachung des Fetus bei COVID-19
Konsensbasierte Empfehlung 4.E18
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Eine maternale Überwachung bei der schwer an COVID-19 erkrankten Schwangeren ist entscheidend für die Prognose des Fetus. Bei Anzeichen einer maternalen Verschlechterung
(drohende Beatmung oder ECMO) soll die Überwachung intensiviert werden. Es soll mit einer akuten respiratorischen Dekompensation gerechnet werden und Maßnahmen zur
zeitnahen Entbindung des Ungeborenen sollen diskutiert werden.
Konsensbasiertes Statement 4.S3
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Es besteht keine Evidenz für ein optimales fetales Monitoringregime bei SARS-CoV-2-infizierten Schwangeren. Es besteht keine Evidenz dafür, dass ein intensiviertes fetales
Monitoring das fetale Outcome verbessert.
Eine Besonderheit der SARS-CoV-2-Infektion ist die akute pulmonale Dekompensation, die auch bei Schwangeren mit zuvor unauffälligem Schwangerschaftsverlauf beobachtet wurde [59 ], [60 ]. Zur fetalen Überwachung in der Lebensfähigkeit sollten CTG-Kontrollen sowie Wachstums-, Doppler- und
Fruchtwasserkontrollen zum Ausschluss einer Plazentainsuffizienz mit Entwicklung einer FGR durchgeführt werden [61 ], [62 ].
4.3 Betreuung der Schwangerschaft nach einer SARS-CoV-2-Infektion
Konsensbasierte Empfehlung 4.E19
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Bei einer Schwangeren, die stationär aufgrund von COVID-19 aufgenommen und/oder behandelt wurde, sollte nach Genesung ein fetales Assessment durchgeführt werden: z. B.
fetale Biometrie, fetal arterieller und venöser Doppler, maternaler Doppler (Aa. uterinae), Untersuchung auf infektionsassoziierte erkennbare fetale Schäden, insbesondere
zerebrale Zeichen der Hypoxie/des Schlaganfalls/porenzephale Zysten.
Konsensbasierte Empfehlung 4.E20
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
In Abhängigkeit von der Schwangerschaftswoche bei SARS-CoV-2-Infektion sollen individualisierte weitere Untersuchungen in Bezug auf das erhöhte Risiko für die Entwicklung
einer Präeklampsie/FGR/Vaskulitis und Frühgeburt erfolgen (z. B. ETS bzw. Feindiagnostik).
Belastbare Daten, in welchen Zeitabständen welches klinische Monitoring erfolgen soll, existieren nicht. Das RCOG empfiehlt für Schwangere, die sich von einer SARS-CoV-2-Infektion mit
leichten, mäßigen oder gar keinen Symptomen und ohne Hospitalisierung erholt haben, eine unveränderte Schwangerenvorsorge nach der Zeit der Selbstisolation [63 ]. Bei schwereren Verläufen birgt die maternale Hypoxie das Risiko der fetalen hypoxischen Schädigung [59 ], [60 ].
Daher sollte am Ende einer stationären Behandlung wegen COVID-19 oder nach schwerer maternaler Erkrankung ein fetales Assessment durchgeführt werden, das die klinischen Umstände und
Ausprägungen der COVID-19-Situation der Schwangeren berücksichtigt.
Abhängig von der Symptomausprägung der SARS-CoV-2-Infektion/COVID-19 ist das Risiko schwangerschaftsassoziierter Erkrankungen wie eine Präeklampsie [33 ], [64 ] – [69 ] und der Frühgeburt erhöht [15 ], [68 ], [69 ], [70 ], [71 ], [72 ], [73 ], [74 ] In verschiedenen Studien wird von einer erhöhten Totgeburtenrate [33 ], [68 ], [75 ] und plazentare Veränderungen wie einer intervillösen Inflammation, fokaler vaskulärer Villiitis und Thromben in fetalen
Gefäße [76 ], [77 ], [78 ], [79 ], [80 ] berichtet. Allerdings sind diese häufig unspezifischen Veränderungen nicht universell nachweisbar [80 ], [81 ].
5 Geburt bei COVID-19-/SARS-CoV-2-positiver Frau
5.1 Begleitperson unter Geburt
Konsensbasierte Empfehlung 5.E21
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Der auf SARS-CoV-2 negativ (mindestens Antigen-Schnelltest nicht älter als 24 h) getesteten Gebärenden sowie symptomfreien Gebärenden mit noch unklarem Infektionsstatus (z. B.
ausstehender PCR-Test) soll eine Begleitperson unter Geburt ermöglicht werden.
Konsensbasierte Empfehlung 5.E22
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Bei der auf SARS-CoV-2 positiv getesteten oder COVID-19-symptomatischen Gebärenden ist aus Infektionsschutzgründen unter der Geburt keine Begleitperson zu empfehlen. Ist dies im
Individualfall doch notwendig (z. B. bei mangelnder Kommunikationsmöglichkeit mit der Gebärenden) soll die Begleitperson genesen bzw. ausreichend gegen SARS-CoV-2 geimpft
sowie SARS-CoV-2 negativ getestet sein. Die Begleitperson soll geeignete Schutzausrüstung erhalten und Schutzmaßnahmen einhalten.
Konsensbasierte Empfehlung 5.E23
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Eine anwesende Begleitperson soll asymptomatisch und frei von einer SARS-CoV-2-Infektion sein (mindestens ein negativer SARS-CoV-2-Antigen-Test nicht älter als 24 h vor
Betreten des Kreißsaals). Sie soll den Raum der Gebärenden möglichst nicht verlassen und sich an geltende Hygienevorschriften wie beispielsweise das Tragen eines MNS
halten.
5.2 Geburtseinleitung und Überwachung der Geburt
Konsensbasierte Empfehlung 5.E24
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Eine SARS-CoV-2-Infektion oder COVID-19-Erkrankung allein soll keine Entbindungsindikation darstellen.
Konsensbasierte Empfehlung 5.E25
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Bei Vorliegen relevanter mütterlicher respiratorischer oder allgemeiner Beeinträchtigungen sollte die Indikation für eine Entbindung vor dem Hintergrund des
Schwangerschaftsalters sowie dem Schweregrad der mütterlichen Beeinträchtigung regelmäßig überprüft werden. Dies impliziert die Durchführung einer regelmäßigen und engmaschigen
klinischen Überwachung von Mutter und Kind einschließlich fetaler Vitalitätskontrollen sowie interdisziplinärer Visiten der beteiligten Disziplinen in der Betreuung von Mutter
und Kind.
Konsensbasierte Empfehlung 5.E26
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Alle bei der Geburt möglicherweise beteiligten Fachdisziplinen und Professionen (ärztlich, pflegerisch, Hebammen, Geburtshilfe, Anästhesie, Pädiatrie etc.) sollen
frühzeitig über eine bevorstehende Geburt einer Schwangeren mit SARS-CoV-2-Infektion oder COVID-19-Erkrankung informiert werden, um im Notfall entsprechende Schutzmaßnahmen
wirksam umsetzen zu können.
5.3 Geburtsmodus bei SARS-CoV-2
Konsensbasierte Empfehlung 5.E27
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Der Geburtsmodus sollte auch bei bestehender SARS-CoV-2-Infektion oder COVID-19-Erkrankung nach geburtshilflichen Kriterien gewählt werden.
Konsensbasiertes Statement 5.S4
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Neben dem maternalen Gesundheitszustand und der angenommenen Infektiosität sind bei der Entscheidung zum Geburtsmodus auch logistische, räumliche und personelle Voraussetzungen
in der Klinik zu berücksichtigen.
Konsensbasierte Empfehlung 5.E28
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Bei klinischer Verschlechterung des Zustands der Schwangeren während des Spontanentbindungsversuches sollte ein Wechsel des Geburtsmodus erwogen werden.
5.4 Analgetische Verfahren unter Geburt
Konsensbasierte Empfehlung 5.E29
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Bei SARS-CoV-2-Infektion oder COVID-19-Erkrankung soll bei Wunsch nach Analgesie frühzeitig ein neuraxiales Analgesieverfahren (z. B. eine Epiduralanalgesie) angeboten
werden.
Konsensbasierte Empfehlung 5.E30
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Bei SARS-CoV-2-Infektion oder COVID-19-Erkrankung sollte der Einsatz von Lachgas (N2 O) vor dem Hintergrund einer vermehrten Aerosolbildung zugunsten
verfügbarer Alternativen wie zum Beispiel neuraxialer Analgesieverfahren vermieden werden.
Konsensbasierte Empfehlung 5.E31
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Aufgrund der potenziell atemdepressiven Wirkung soll bei Anwendung von Opioiden, im Speziellen Remifentanil, eine kontinuierliche Überwachung SARS-CoV-2-positiver
Patientinnen (1 : 1-Betreuung) einschließlich der Sauerstoffsättigung gewährleistet sein und eine SpO2 ≥ 94% angestrebt werden.
6 Neugeborene: Rooming-in, Stillen und Testen
Konsensbasierte Empfehlung 6.E32
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Ein Rooming-in und Bonding bei einer SARS-CoV-2-positiv getesteten/an COVID-19 erkrankten Mutter sollte unter Einhaltung adäquater Hygienemaßnahmen unterstützt werden.
Konsensbasierte Empfehlung 6.E33
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Das Stillen soll bei SARS-CoV-2-positiven/an COVID-19 erkrankten Müttern unterstützt werden. Spezielle Hygienemaßnahmen sollten eingehalten werden. Wenn der
Gesundheitszustand der Mutter oder des Kindes Stillen nicht zulässt, sollte eine Ernährung mit abgepumpter Muttermilch angestrebt werden.
Konsensbasiertes Statement 6.S5
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Eine Testung der Muttermilch auf SARS-CoV-2-Viren ist nicht erforderlich.
Konsensbasierte Empfehlung 6.E34
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Ein allgemeines Screening asymptomatischer Neugeborener ohne neonatalogischen Versorgungsbedarf von Müttern mit SARS-CoV-2-Infektion/COVID-19-Erkrankung soll nicht
erfolgen.
Konsensbasierte Empfehlung 6.E35
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Eine Testung auf SARS-CoV-2 bei einem Neugeborenen ohne neonatologischen Versorgungsbedarf kann erfolgen z. B. wenn eine Kontagiosität der Mutter anzunehmen ist. Der
SARS-CoV-2-Test soll mittels nasopharyngealem RT-PCR-Test durchgeführt werden.
Konsensbasiertes Statement 6.S6
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Wenn ein Test zum Ausschluss einer intrauterinen Transmission erfolgen soll, dann sollte dieser innerhalb von 24 h postnatal durchgeführt werden. Zu berücksichtigen ist, dass
aufgrund einer transienten Kontamination durch maternale Sekrete eine Testung unmittelbar nach der Geburt zu falsch positiven Ergebnissen führen kann.
Konsensbasierte Empfehlung 6.E36
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Ein Neugeborenes mit neonatologischem Versorgungsbedarf soll bei mütterlichem peripartalen SARS-CoV-2-Nachweis/Kontagiosität der Mutter, unabhängig von neonatalen
und maternalen Symptomen, mittels RT-PCR-Test auf SARS-CoV-2 bei Aufnahme untersucht werden. Im Rahmen des stationären Aufenthaltes auf der neonatologischen Intensiv- oder
Peripherstation sollte die PCR-Testung am 3. und 5. Behandlungstag aufgrund der Inkubationszeit von durchschnittlich 4 – 5 Tagen wiederholt werden. Die Isolationsdauer
sollte von Fall zu Fall mit dem lokalen Hygieneteam abgestimmt werden.
Eine vertikale Transmission von SARS-CoV-2 kann antenatal, intranatal oder postnatal erfolgen [82 ]. Intrauterin erscheint die Transmission zu jedem Zeitpunkt
der Schwangerschaft möglich [82 ], [83 ], [84 ], wurde jedoch bislang nur in Einzelfallberichten
bei schwerer mütterlicher Erkrankung beschrieben [85 ], [86 ], [87 ]. Eine Transmission auf das
Neugeborene während der Geburt durch maternale Aerosole oder fäkale Kontamination des Geburtskanals ist bei akuter mütterlicher SARS-CoV-2-Infektion (14 Tage vor bis 2 Tage nach der Geburt,
sehr selten auch bei länger zurückliegendem Infektionszeitpunkt) möglich [82 ], [88 ], [89 ], [90 ].
Die Fachgesellschaften, die diese Empfehlungen abgestimmt haben, befürworten ausdrücklich sowohl den unmittelbaren Mutter-Kind-Kontakt sowie das Stillen unter adäquaten Hygienemaßnahmen
[3 ], [91 ], [92 ], [93 ], [94 ], [95 ]. [Tab. 6 ] fasst diese zusammen.
Tab. 6 Hygienemaßnahmen.
Hygienemaßnahmen beim Rooming-in/Stillen für SARS-CoV-2-positive Mütter
Tragen eines MNS bei engem Kontakt (Bonding, Stillen)
Schleimhautkontakt vermeiden: z. B. kein Küssen
Händehygiene (Desinfektion oder Waschen mit Seife für mind. 20 s) vor dem Kontakt mit dem Neugeborenen
Brusthygiene vor dem Stillen
1,5 Meter Abstand bei gemeinsamer Unterbringung in einem Zimmer (z. B. zwischen Zustellbett des Neugeborenen und dem Bett der Mutter) ODER mobile Trennwand
beim Abpumpen:
Pasteurisieren der Milch nicht notwendig
Verabreichen der Milch falls möglich durch SARS-CoV-2-negative (Begleit-)Person
Der Mutter sollte eine eigene Milchpumpe zugeordnet werden.
Eine generelle Testung aller Neugeborenen SARS-CoV-2-positiver Mütter bringt keinen gesicherten Benefit [96 ], [97 ]. Neonatale
SARS-CoV-2-Infektionen verlaufen fast ausschließlich unproblematisch [86 ], [93 ], [98 ] und
häufig (nach einer Metaanalyse mit 176 Neugeborenen zu 45%) asymptomatisch [86 ]. Eine SARS-CoV-2-Testung kann aber beispielsweise aus epidemiologischen
Gesichtspunkten erfolgen oder um Isolationsmaßnahmen aufzuheben. Analog zu Erwachsenen oder Kindern ist hierzu ein am Respirationstrakt (nasopharyngeal, oropharyngeal, nasal) durchgeführter
Abstrich für einen RT-PCR-Test geeignet [91 ], [95 ], [98 ]. Es gibt keine weiteren spezifischen
Laborparameter für eine SARS-CoV-2-Infektion. Leukopenie, Lymphozytopenie und Thrombozytopenie wurden beobachtet, ebenso wie eine Transaminasenerhöhung; CRP und Procalcitonin sind beim
Neugeborenen in der Regel normwertig [99 ]. Bei neonatalen Symptomen sind Differenzialdiagnosen zu erwägen und ggf. abzuklären [95 ].
Ein im März 2020 in Zusammenarbeit von DGPI, DGPM und DGGG publizierter möglicher Versorgungsalgorithmus der Neugeborenen von akut SARS-CoV-2-positiv getesteten Müttern hat sich im Verlauf
der Pandemie bewährt und ist in [Abb. 1 ] dargestellt [91 ].
Abb. 1 Möglicher Versorgungsalgorithmus Neugeborener akut SARS-CoV-2-positiv getesteter Mütter in Abhängigkeit vom Erkrankungsstatus der Mutter und des Kindes. [rerif]
7 Thromboseprophylaxe
Konsensbasierte Empfehlung 7.E37
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Zur Indikation der VTE-Prophylaxe in der Schwangerschaft/im Wochenbett bei SARS-CoV-2-Infektion/COVID-19 sollen folgende Parameter berücksichtigt werden:
Dynamik der Krankheitssymptomatik (asymptomatisch, mild, schwer)
Betreuungssituation (ambulant vs. hospitalisiert)
Individuelles VTE-Risiko (vorbestehende/erworbene Faktoren)
Konsensbasierte Empfehlung 7.E38
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
In der ambulanten Betreuungssituation sollen Schwangere mit asymptomatischer SARS-CoV-2-Infektion ohne weitere VTE-Risikofaktoren keine Antikoagulation
erhalten.
Konsensbasiertes Statement 7.S7
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Literatur: [63 ], [100 ]
Für die ambulante Betreuung kann zusätzlich zu den oben genannten Empfehlungen zur individuellen VTE-Risikobewertung ein Punktesystem herangezogen werden (z. B. Langversion der
Leitlinie 015/092 auf der Webseite der AWMF oder Green Top Guideline 37a). Hier bildet sich eine SARS-CoV-2-Infektion im Punkt „systemische Infektion“ ab, wenn auch zum Zeitpunkt
der Erstellung der Punktesysteme eine SARS-CoV-2-Infektion noch nicht antizipierbar war.
Konsensbasierte Empfehlung 7.E39
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Alle Schwangeren mit SARS-CoV-2-Infektion/COVID-19 sollen bei Hospitalisierung und über die Dauer des symptomatischen Verlaufs in Abwesenheit von Kontraindikationen
eine medikamentöse Thromboembolieprophylaxe erhalten.
Konsensbasierte Empfehlung 7.E40
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Wenn die Indikation zur Thromboembolieprophylaxe gestellt wurde, soll diese mit niedermolekularem Heparin (NMH) durchgeführt werden.
In der intensivmedizinischen Behandlungssituation kann auf unfraktioniertes Heparin zurückgegriffen werden.
Thrombozytenaggregationshemmer sollten nicht zur Thromboembolieprophylaxe eingesetzt werden.
Konsensbasierte Empfehlung 7.E41
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Eine aufgrund von COVID-19 indizierte Thromboseprophylaxe sollte bis Symptomende weitergeführt werden.
Konsensbasiertes Statement 7.S8
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Für die Fortführung einer Thromboseprophylaxe wegen COVID-19 allein über den symptomatischen Zeitraum hinaus besteht keine Evidenz.
Unabhängig von einer SARS-CoV-2-Infektion ist das Risiko venöser Thromboembolien (VTE) in einer Schwangerschaft erhöht, steigt mit zunehmenden Schwangerschaftsalter an und erreicht in den
ersten 2 Wochen nach der Geburt seinen Höhepunkt. Im Vergleich zu nicht schwangeren Frauen ist das Risiko im 1. und 2. Trimenon um mehr als das 2-Fache, im 3. Trimenon um das 9-Fache und in
den ersten 2 bis 6 Wochen nach Entbindung um das 60- bis 80-Fache erhöht [101 ], [102 ].
Schwangerschaftsunabhängig kann es besonders bei schweren Verläufen von COVID-19 zur Entwicklung systemischer Mikroangiopathien und Thromboembolien kommen [103 ], [104 ]. Direkte Daten zum Risiko venöser Thromboembolien mit SARS-CoV-2/COVID-19 in der Geburtshilfe sind begrenzt, deuten aber auf ein
zusätzlich erhöhtes Risiko bei infizierten Schwangeren im Vergleich zu nicht infizierten Schwangeren hin (0,2 vs. 0,1%; aOR 3,4, 95%-KI 2,0 – 5,8) [105 ], [106 ], [107 ], [108 ].
Die Indikation zur VTE-Prophylaxe in der Schwangerschaft/Wochenbett bei SARS-CoV-2-Infektion/COVID-19 ist kumulativ begründet durch 3 Parameter:
Dynamik der Krankheitssymptomatik: asymptomatisch, mild, moderat, schwer, kritisch
Betreuungssituation: ambulant oder hospitalisiert
individuelles VTE-Risiko: vorbestehende und erworbene Risikofaktoren
Die Entscheidung über die Fortsetzung der VTE-Prophylaxe bei Schwangeren oder postpartalen Patientinnen bei Entlassung soll individuell getroffen werden, unter Berücksichtigung zusätzlich
vorhandener VTE-Risikofaktoren und dem geburtshilflichen Verlauf. COVID-19 als transienten Risikofaktor annehmend, erscheint eine Fortsetzung der medikamentösen VTE-Prophylaxe über den
Zeitraum bestehender COVID-Symptomatik sinnvoll.
In Bezug auf die Entscheidung zur Antikoagulation im stationären Setting sei auch auf die AWMF-Leitlinie „S3-Leitlinie – Empfehlungen zur stationären Therapie von Patienten mit COVID-19“
verwiesen [2 ].
Die Empfehlungen zur VTE-Prophylaxe in Abhängigkeit der individuellen Betreuungssituation unter Berücksichtigung spezifischer Risikofaktoren zu den jeweiligen geburtshilflichen Zeitpunkten
sind in [Abb. 2 ] zusammengefasst [3 ].
Abb. 2 Empfehlung zur VTE-Prophylaxe bei SARS-CoV-2-Infektion/COVID-19 in Schwangerschaft und Wochenbett in Abhängigkeit der Situation, Symptomatik und individueller
Risikofaktoren (aus [3 ]). [rerif]
Ein detailliertes schematisches Scoring-System zur Entscheidung über die Gabe einer Antikoagulation bei Schwangeren und Wöchnerinnen wurde durch das Royal College of Obstetrics and
Gynaecology in der Green Top Guideline 37a veröffentlicht [100 ]. Hier bildet sich eine SARS-CoV-2-Infektion als transienter Risikofaktor im Punkt
„systemische Infektion“ ab, wenn auch zum Zeitpunkt der Erstellung der Punktesysteme eine SARS-CoV-2-Infektion noch nicht antizipierbar war. Eine Darstellung der Scoring-Systeme kann in der
Langfassung der Leitlinie eingesehen werden.
8 Medikamentöse Therapie bei SARS-CoV-2-Infektion
8.1 Kortikosteroide in der Anwendung bei SARS-CoV-2-Infektion
8.1.1 Systemische antenatale Kortikosteroidgabe aus fetaler Indikation
Konsensbasierte Empfehlung 8.E42
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
SARS-CoV-2-infizierte Schwangere sollen bei klinischer Verschlechterung (z. B. drohende Intubation/ECMO) zwischen 23 + 5 und 34 + 0 SSW eine antenatale Steroidgabe aus
fetaler Indikation erhalten (2 × 12 mg Betamethason Celestan intramuskulär (i. m.) im Abstand von 24 h), alternativ kann diese auch mit Dexamethason (i. m.) 4 × 6 mg alle 12 h
erfolgen.
Die Frage, ob Betamethason bezüglich COVID-19 dem Dexamethason äquivalent ist, kann derzeit nicht beantwortet werden.
8.1.2 Systemische Kortikosteroidapplikation zur Behandlung von COVID-19
Konsensbasierte Empfehlung 8.E43
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Bei Indikationsstellung zu einer Kortikosteroidtherapie der Mutter aufgrund der maternalen COVID-19-Symptomatik soll gleichzeitig die Indikation zur antenatalen
Steroidgabe aus fetaler Indikation geprüft werden.
Konsensbasierte Empfehlung 8.E44
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Für SARS-CoV-2-infizierte Schwangere sollen die identischen Indikationen zur Gabe von Kortikosteroiden analog zu Nichtschwangeren zur Anwendung kommen.
Konsensbasierte Empfehlung 8.E45
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Werden bei SARS-CoV-2-infizierten Schwangeren Kortikosteroide im Rahmen der AWMF S3 LL113-001 verabreicht, soll erwogen werden, Dexamethason durch Prednisolon oder
Hydrocortison zu ersetzen, da diese weniger plazentagängig sind und geringere Nebenwirkungen am Fetus aufweisen (6 mg Dexamethason/24 h oral/i. v. ≙ 40 mg Prednisolon/24 h oral
≙ 2 × 80 mg Hydrocortison/24 h i. v.)
8.1.3 Inhalative Kortikosteroide
Die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin e. V. empfiehlt in der S2e-Leitlinie „SARS-CoV-2/Covid-19 Informationen und Praxishilfen für niedergelassene
Hausärztinnen und Hausärzte“, „Patientinnen und Patienten mit SARS-CoV-2-Infektion und Risiko für einen schweren Verlauf kann eine Budesonid-Inhalation (2 × 800 µg/d für 7 – 14 Tage) zur
Senkung dieses Risikos angeboten werden (Off-Label-Therapie)“ [1 ].
8.2 Antivirale bzw. COVID-19-spezifische Medikamente
In Bezug auf Therapieschemata und medikamentöse Behandlungsoptionen wird auf die S3-Leitlinie AWMF-Register-Nr. 113/001 „Empfehlungen zur stationären Therapie von Patienten mit COVID-19“
[2 ] sowie auf die Stellungnahmen „Antivirale Arzneimittel zur Therapie von COVID-19“ [109 ] und „COVID-19
Präexpositionsprophylaxe“ [110 ] der Kommission „Nutzenbewertung von Arzneimitteln“ verwiesen. Die Empfehlungen sind der RCOG Guideline „Coronavirus
(COVID-19) Infection in Pregnancy“ [63 ] sowie der „Therapeutics and COVID-19: living guideline“ der WHO [111 ] entliehen und
werden in [Tab. 7 ] zusammengefasst.
Tab. 7 COVID-19-spezifische Medikamente in der Schwangerschaft.
COVID-19-spezifisches Medikament
Datenlage/Empfehlung zur Verwendung
Sotrovimab, Casirivimab/Imdevimab, Tixagevimab/Cilgavimab (neutralisierende monoklonale Antikörper)
Keine Assoziation mit erhöhtem Risiko für ungünstigen Schwangerschaftsausgang. Limitierte Datenlage, daher keine abschließende Bewertung zulässig [63 ], [111 ], [112 ], [113 ], [114 ], [115 ], [116 ], [117 ].
Remdesivir (Virostatikum)
Empfehlung zur Vermeidung in der Schwangerschaft durch die WHO und RCOG. Gabe des Medikaments kann jedoch aufgrund geringer Raten von Adverse Events klinischer Verschlechterung
erwogen werden [63 ], [111 ], [118 ], [119 ].
Tocilizumab (Interleukin-6-Rezeptor-Antagonist)
Begrenzte Datenlage. Keine Hinweise auf teratogene oder fetotoxische Eigenschaften [63 ], [111 ], [120 ], [121 ], [122 ], [123 ].
Molnupiravir (Virostatikum)
Sollte nicht verabreicht werden [111 ].
Nirmatrelvir/Ritonavir (Paxlovid, Proteaseinhibitoren)
Keine Daten zur Anwendung in der Schwangerschaft. Nur bei eindeutig potenziellem Nutzen verwendbar [124 ], [125 ].
9 Impfen in der Schwangerschaft
Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt allen ungeimpften Personen im gebärfähigen Alter dringend die Impfung gegen COVID-19, sodass ein optimaler Schutz vor dieser Erkrankung bereits
vor Eintritt einer Schwangerschaft besteht. Noch ungeimpften Schwangeren wird die Impfung mit 2 Dosen eines COVID-19-mRNA-Impfstoffs im Abstand von 3 – 6 Wochen (Comirnaty) ab dem
2. Trimenon empfohlen. Wenn die Schwangerschaft nach bereits erfolgter Erstimpfung festgestellt wurde, sollte die Zweitimpfung erst ab dem 2. Trimenon durchgeführt werden. Darüber hinaus
empfiehlt die STIKO ungeimpften Stillenden die Impfung mit 2 Dosen eines mRNA-Impfstoffs im Abstand von 3 – 6 Wochen (Comirnaty) (Stand 16.09.2021). Ebenso gelten die Empfehlungen zu
Booster-Impfungen für Schwangere (Stand 15.02.2022) [126 ], [127 ]. Es wird in diesem Zusammenhang auf die sehr ausführliche
„Begründung der STIKO zur Impfung gegen COVID-19 von Schwangeren und Stillenden“ verwiesen [128 ].
Die Leitliniengruppe schließt sich dieser Empfehlung der STIKO an.