Die meisten von uns kennen die Situation nach einem Inversionstrauma: In den ersten
Tagen können wir kaum richtig auftreten und humpeln meist durch die Gegend.
Je weiter die Heilung der Verletzung voranschreitet, desto geringer werden die
Beschwerden und desto belastbarer wird die verletzte Region. Der Verlauf der
Rehabilitation ist in etwa vorhersehbar und es gibt einen recht klaren Zusammenhang
zwischen der Progression der Belastbarkeit und dem Heilungsverlauf.
Aber was tun, wenn Beschwerden nicht mehr im direkten Zusammenhang mit einer
Gewebeverletzung stehen? In diesem Fall bleiben der humpelnde Gang und die Symptome
bestehen, obwohl das Gewebe diesen Schutz in diesem Ausmaß nicht mehr
benötigen würde. Die Gründe für das Persistieren von
Beschwerden sind vielseitig und wahrscheinlich u. a. auch auf einer
verhaltensorientierten Ebene zu suchen [1]. Daher
wird seit längerer Zeit vorgeschlagen, dass auch
Physiotherapeut*innen verhaltensorientierte Therapieansätze in ihre
Interventionen miteinfließen lassen [2].
Dabei geht es beispielsweise nicht um das Training an sich, sondern vielmehr um das
Verhalten der Patient*innen während und nach einer
Aktivität.
Welche Faktoren mitunter dazu führen können, dass Beschwerden
länger persistieren als es zu erwarten wäre, beschreiben Christoph
Schwertfellner und Jonas Weber in ihrem Einführungsartikel. Neben der
theoretischen Aufarbeitung werden in dieser Ausgabe drei anwendbare Modelle
für das klinische Setting in der Rehabilitation bei chronischen
muskuloskelettalen Beschwerden vorgestellt: Graded Activity, Exposure in vivo und
Graded Balance. Ich freue mich wirklich sehr, dass wir dafür ein
internationales Expert*innenteam gewinnen konnten, die jeweils ihre
Expertise nicht nur in einem Vertiefungsartikel, sondern auch anhand von
Praxisbeispielen vermitteln.
Freuen Sie sich auf Artikel von der australischen Physiotherapeutin Martina Egan Moog
zu Graded Activity, den belgischen Forscher*innen Prof. Dr. Liesbet de Baets
und Prof. Dr. Thomas Matheve zu Exposure in vivo und der Begründerin des
Graded Balance Modells Prof. em. Dr. Monika Hasenbring zusammen mit Kollegin Dr.
Claudia Levenig.
Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen und hilfreiche
Denkanstöße für den ein oder anderen Patienten.
Ihr Sebastian Löscher