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DOI: 10.1055/a-2013-4963
Das Wohlstandssyndrom oder Tödliches Quartett
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Leserinnen, liebe Leser,
irgendwie ist es schon verrückt – im wahrsten Sinne des Wortes „ver-rückt“: Während weltweit immer mehr Menschen – aktuell über 800 Millionen, mit steigender Tendenz – unter Hunger und Unterernährung leiden, steigt seit mehr als 20 Jahren die Häufigkeit eines Symptomenkomplexes an, der auf ein „zu gutes Leben“, sprich auf Wohlstand zurückzuführen ist: das Metabolische Syndrom.
Unter diesem Komplex aus Adipositas, Insulinresistenz bzw. Diabetes mellitus, Fettstoffwechselstörung und arterieller Hypertonie leiden in Deutschland mittlerweile etwa 30–35 % der Bevölkerung, in den USA sind es bereits über 40 %. Und stetig werden es mehr.
Ursache für die Entwicklung dieser Kombination ist das „duo fatale“ aus Bewegungsmangel und hyperkalorischer Ernährung. Während in den letzten rund 125 Jahren die Kalorienzufuhr pro Person und Tag in Deutschland durchschnittlich von etwa 2700 auf 3300 kcal gestiegen ist, hat der Kalorienverbrauch gleichzeitig von etwa 3100 auf 2000 kcal abgenommen. Diesem Auseinanderdriften von Bedarf und Zufuhr ist es letztlich zu verdanken, dass sich aus einer genetischen Disposition für Zucker- und Fettstoffwechselstörungen die gefährlichste Risikokonstellation für alle Arten von Zivilisationskrankheiten entwickelt.
Infolge der übermäßigen Zufuhr von Kalorien insbesondere in Form von Fetten und kurzkettigen Kohlenhydraten einerseits und der gleichzeitigen Verringerung des Substrat- und Energieumsatzes und damit der Skelettmuskulatur und Mitochondrien andererseits kommt es über die Entwicklung einer nichtalkoholischen Fettleber und Insulinresistenz zu endothelialer Dysfunktion, unterschwelligen Entzündungen („silent inflammation“), oxidativem Stress, zur Bildung von verzuckerten Eiweißen („advanced glycation end products“) und zu hormonellen Störungen. Die Folge sind Arteriosklerose, arterielle Hypertonie und die Entstehung von koronarer Herzkrankheit, Herzinfarkt und Schlaganfall, aber auch psychischer und maligner Erkrankungen, speziell durch die hormonellen Dysbalancen.
Dabei wäre der Weg aus diesem Dilemma gar nicht so schwer. Bereits vor 14 Jahren konnte die Zwischenauswertung der European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition (EPIC)-Potsdam-Studie mit über 23 000 Bundesbürgern über 8 Jahre zeigen, dass schon vier (relativ) einfache Lebensstilfaktoren derart große gesundheitliche Auswirkungen haben, dass nicht nur einer großen Anzahl von Menschen sehr viel Leid erspart bliebe, sondern auch unser gesamtes Gesundheitssystem erheblich entlastet würde:
Rauchverzicht, mindestens 3,5 Std. Bewegung pro Woche (gerade mal 30 Minuten pro Tag), ein BMI von unter 30 kg/m2 (das heißt, Übergewicht ist noch erlaubt, nur Adipositas sollte vermieden werden) und etwas gesündere Ernährung, mehr Gemüse, Obst und Vollkornprodukte und dafür weniger Fleisch und Wurst.
Mit diesen eigentlich recht einfachen Maßnahmen ließen sich ganze 93 % der Diabeteserkrankungen, 81 % der Herzinfarkte, 50 % der Schlaganfälle und immerhin noch 36 % der Krebserkrankungen vermeiden – unglaublich eindrucksvolle Ergebnisse, wie ich meine. Offensichtlich nicht eindrucksvoll genug, um unser Gesundheitswesen aufzurütteln und eine nachhaltige Veränderung – weg von immer mehr Medikamenten und medizinischen Interventionen und hin zu besseren Verhaltensweisen – zu führen.
Was genau mittels Ernährung, Bewegung, orthomolekularen Maßnahmen oder auch Yoga speziell bei diesem fatalen Krankheitskomplex erreicht werden kann und wie man das am besten anstellt, ist Inhalt unseres aktuellen Heftes, für das ich Ihnen wie viel Freude beim Lesen und neue Erkenntnisse und Anregungen wünsche.
Herzlichst Ihr
Peter W. Gündling
Publication History
Article published online:
13 June 2023
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