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DOI: 10.1055/a-2017-1043
Rechtsticker
Notvertretungsrecht bei Ehepaaren
Ab dem 01.01.2023 werden Eheleute kraft Gesetzes (§ 1358 BGB n. F.) zu Stellvertretern in sämtlichen „Angelegenheiten der Gesundheitssorge“, d. h. auch für Therapieentscheidungen nahe dem Lebensende. Einer vorausgehenden Bevollmächtigung von Patientenseite (Gesundheitsvollmacht) bedarf es dann nicht mehr zwingend. Um den Missbrauch dieses Notvertretungsrechts des Ehemenschen zu vermeiden, wurden bestimmte Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Der Teufel steckt aber bekanntlich im Detail. Voraussetzung ist, dass die vertretene Eheperson aufgrund Bewusstlosigkeit oder Krankheit ihre Angelegenheiten der Gesundheitssorge nicht besorgen kann. Der Arzt hat das Vorliegen der Voraussetzung und des Zeitpunkts schriftlich zu bestätigen, damit der Ehemensch seine Vertretungsbefugnis gegenüber allen mit der Behandlung befassten Personen „nachweisen“ kann. Allerdings steht die Vertretungsbefugnis unter dem Vorbehalt, dass die Eheleute nicht getrennt leben, keine Betreuung eingerichtet haben oder eine Vorsorgevollmacht existiert oder gar ein Widerspruch gegen die Wahrnehmung der Interessen durch den Ehemenschen in das Zentrale Vorsorgeregister eingetragen ist (§ 1358 Abs. 3 BGB n. F.). Die Vertretungsbefugnis ist vom Arzt festzustellen. Er muss sich im Rahmen einer Selbsterklärung des Ehemenschen schriftlich versichern lassen, dass das „Ehegattenvertretungsrecht“ wegen der aktuellen Erkrankung der geehelichten Person bislang nicht ausgeübt wurde und nach seiner Kenntnis kein Ausschlussgrund vorliegt. Zwar sollen den Arzt eigentlich keine spezifischen Prüfungs- und Nachforschungspflichten betreffen, jedoch dürften bei berechtigten Zweifeln Obliegenheitspflichten auf den Plan treten, die eine zivil- wie strafrechtliche Haftung nicht ausschließen. Im Zweifel ist beim zuständigen Betreuungsgericht die Bestellung eines Betreuers anzuregen, denn die Überprüfungspflicht des Arztes hinsichtlich der Angaben des vertretungswilligen Ehemenschen eröffnet ein weites Feld der situativen Unsicherheit und zwingt zur sorgfältigen Dokumentation!
Publication History
Article published online:
20 April 2023
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Georg Thieme Verlag KG
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