Präambel
Der zwischen dem GKV-Spitzenverband, Berlin, der Deutschen Krankenhausgesellschaft
e. V., Berlin, und der kassenärztlichen Bundesvereinigung, Berlin, geschlossene Vertrag
(Gültigkeit ab 1. Januar 2023) nach § 115b Abs. 1 SGB V beinhaltet einheitliche Rahmenbedingungen
für „Ambulantes Operieren, sonstige stationsersetzende Eingriffe und stationsersetzende
Behandlungen im Krankenhaus – (AOP-Vertrag)“.
Der AOP-Vertrag zielt darauf ab, auf der Basis des § 39 SGB V nicht notwendige vollstationäre
Krankenhausbehandlungen zu vermeiden, eine patientengerechte und wirtschaftliche Versorgung
zu sichern und hierbei die Kooperation zwischen vertragsärztlichem Bereich und Krankenhausbereich
zu verbessern, einschließlich der gemeinsamen Nutzung von Operationskapazitäten im
Krankenhaus.
Mit der Neufassung des AOP-Vertrages 2023 nehmen die Vertragsparteien die Umsetzung
des gesetzlichen Auftrages aus dem MDK- Reformgesetz vom 14. Dezember 2019 auf. Die
Umsetzung soll bis zum 31. Dezember 2023 abgeschlossen sein.
Im § 2 (Zugang der Patienten zu Leistungen nach § 115 b SGB V) des AOP-Vertrages wird
ausgeführt, dass aus dem in Anlage 1 des Vertrages beigefügten „Katalog ambulant durchführbarer
Operationen, sonstiger stationsersetzender Eingriffe und stationsersetzender Behandlungen“
nicht die Verpflichtung hergeleitet werden kann, dass die dort aufgeführten Eingriffe
ausschließlich ambulant zu erbringen sind.
So ist der Krankenhausarzt gemäß Vertrag verpflichtet, „in jedem Einzelfall zu prüfen,
ob Art und Schwere der beabsichtigten Leistung unter Berücksichtigung des Gesundheitszustandes
des Patienten die ambulante Durchführung nach den Regeln der ärztlichen Kunst mit
den zur Verfügung stehenden Möglichkeiten erlauben. Zugleich muss sich der verantwortliche
Arzt vergewissern und dafür Sorge tragen, dass der Patient nach Entlassung aus der
unmittelbaren Betreuung des behandelnden Arztes auch im häuslichen Bereich sowohl
ärztlich als gegebenenfalls auch pflegerisch angemessen versorgt wird. Die Entscheidung
ist zu dokumentieren“.
Nach § 7 des Vertrages (Unterrichtung des weiterbehandelnden Vertragsarztes) ist der
weiterbehandelnde Vertragsarzt obligat zu unterrichten über die Diagnose, die Therapieangaben,
die angezeigten Rehabilitationsmaßnahmen sowie die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit.
Schließlich sei noch der § 8 genannt (Allgemeine Tatbestände, bei deren Vorliegen
die stationäre Durchführung von Leistungen gemäß Anlage 1 erforderlich sein kann [Kontextfaktoren])
hinsichtlich in der nachstehend aufgeführten Stellungnahme der DGRh und des VRA gegenüber
der DGIM.
In 4 Unterpunkten nimmt der § 8 des AOP-Vertrages Stellung zu allgemeinen Tatbeständen
(im folgenden Kontextfaktoren), welche in der Anlage 2 des Vertrages aufgelistet sind.
Mithilfe dieser Kontextfaktoren soll die stationäre Durchführung einer Leistung nach
§ 3 begründet werden, welche sonst regelhaft ambulant erbracht werden könnte. Bei
Vorlage entsprechender vertretbarer medizinischer Gründe kann aber selbst bei Vorliegen
mehrerer Kontextfaktoren jede Leistung auch ambulant erbracht werden.
Bestehen medizinische Gründe außerhalb der Kontextfaktoren oder soziale Gründe, die
eine Versorgung des Patienten in der Häuslichkeit nicht sicherstellen und dadurch
der medizinische Behandlungserfolg gefährdet ist, sind diese Gründe bei einer stationären
Leistung nach Anlage 1 im Einzelfall darzustellen. Zu den in der vorliegenden Präambel
beschriebenen § 2, 7 und 8 des AOP-Vertrages (insgesamt 24 Paragrafen) geben die Deutsche
Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) und der Verband der Rheumatologischen Akutkliniken
(VRA) nachfolgende Stellungnahme ab.
Unterstützende und fachbezogene Stellungnahme gegenüber der DGIM
Basierend auf der getroffenen Abstimmung und dem Beschluss in der von der Deutschen
Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) durchgeführten virtuellen Konferenz am 8. März
2023 mit Vertretern verschiedener medizinischer Fachgesellschaften, Deutsche Gesellschaft
für Ernährung (DGE), Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK), Deutsche Gesellschaft
für Rheumatologie (DGRh), Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG), Deutsche Gesellschaft
für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS), Deutsche Gesellschaft
für Innere Medizin (DGIM), ist eine gemeinsame Positionierung der DGIM und weiterer
internistischer Fachgesellschaften zu dem vorliegenden AOP-Vertrag vereinbart worden.
Die DGRh wurde, wie auch alle anderen internistischen Fachgesellschaften, nicht in
die Vertragsgestaltung eingebunden. Die medizinische Fachexpertise und Jahrzehnte
lange Erfahrung in der stationären Versorgung von Menschen mit internistischen Erkrankungen
fanden bisher keine Berücksichtigung bei der Vertragsschließung zwischen dem Spitzenverband
der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV), der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG)
und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV).
In dem im § 2 und § 7 des AOP-Vertrages aufgeführten jeweiligen Handlungsrahmen des
Krankenhausarztes werden verpflichtende Forderungen hinsichtlich der ambulanten Versorgung
der Patienten genannt. Diese sollten einer juristischen Überprüfung zugeführt werden
auch mit dem Ziel, inwieweit die Haftpflichtversicherer eines jeweiligen Krankenhausträgers
in diesen Fällen die Haftung übernehmen.
Die in der Anlage 1 aufgeführten ambulanten Leistungen gemäß § 115 b SGB V mit insgesamt
3089 OPS-Kodes weisen im Schwerpunkt chirurgisch-therapeutische Maßnahmen/Interventionen
auf. Zudem sind hier einzelne Interventionen aufgelistet, die auch internistische
Fachgesellschaften betreffen, wie zum Beispiel die Schwerpunkte Kardiologie und Gastroenterologie.
Im Rahmen der virtuellen Konferenz der DGIM am 8. März 2023 bestand bei den anwesenden
Vertretern einzelner Fachgesellschaften darüber Konsens, dass fachbezogene Stellungnahmen
durch die jeweilige Fachgesellschaft erfolgen sollten. Für die Rheumatologie ist in
diesem Zusammenhang kein stationsersetzender Eingriff oder stationsersetzende Handlung
in der Anlage 1 des AOP-Vertrages aufgeführt.
Jedoch in Kenntnis der Tatsache, dass die in Anlage 2 aufgelisteten Kontextfaktoren
am 1. Januar 2023 die G-AEP-Kriterien als Grundlage für die Beurteilung der Notwendigkeit
stationärer Behandlungen aus dem Jahr 2004 abgelöst haben, betrifft dies durchaus
auch die sachgerechte akutstationäre Versorgung von Menschen mit rheumatischen Erkrankungen.
Neben dem wichtigen Schulterschluss aller internistischen Fachrichtungen hinsichtlich
der gemeinsamen Stellungnahme die Kritikpunkte des AOP-Vertrages betreffend, gilt
es die Ambulantisierung im deutschen Gesundheitswesen mit einer hohen qualitativen
Versorgung umzusetzen.
Wie von den bei der Konferenz anwesenden Vertretern der Fachgesellschaften bereits
benannt, sehen wir gravierende Mängel bei den bisher definierten Kontextfaktoren,
wie auch die unzureichende/fehlende Berücksichtigung sozialer Faktoren, die bei den
G-AEP-Kriterien noch sachgerecht aufgeführt waren. Die DGRh fordert daher gemeinsam
mit der DGIM die zukünftige gesundheitspolitische Einbindung bei der Vertragsgestaltung
mit sachgerechter Anpassung der Kontextfaktoren.
Denn nur unter Berücksichtigung der medizinischen und wissenschaftlichen Fachexpertise
der internistischen Fachgesellschaften können die Vertragsparteien den geplanten zweiten
Umsetzungsschritt zum 1. Januar 2024 dem gesetzlichen Auftrag gemäß § 115 SGB V sachgerecht
vollständig umsetzen, insbesondere hinsichtlich einer vollständigen Überarbeitung
des AOP-Vertrages und einer Erweiterung des AOP-Kataloges um Leistungen mit komplexerer
Regelungserfordernis.
Der Ankündigung, dass die Vertragsparteien die Anwendung der Kontextfaktoren bis spätestens
zum 31. Dezember 2024 evaluieren und auf dieser Grundlage eine Weiterentwicklung der
Kontextfaktoren vornehmen, sollte von den internistischen Fachgesellschaften entgegengetreten
werden. Denn die vorliegenden Kontextfaktoren sind unvollständig und sollten daher
zum Beispiel in den nachstehend aufgeführten Punkten möglichst schnell ergänzt werden:
Die Liste von stationär durchgeführten OPS-Kodes muss erweitert werden
-
Die Liste von stationär zu behandelnden Diagnosen (ICD-10-Kodes) muss erweitert werden
(hier ist nicht eine entzündlich rheumatische Erkrankung genannt wie z. B. aus dem
Spektrum der Kollagenosen und Vaskulitiden oder den autoinflammatorischen Erkrankungen,
die im aktiven Stadium mit schweren Funktionseinbußen, Fieber, Schmerzen und drohendem
Organverlust einhergehen können. Es fehlen weitere Diagnosen wie zum Beispiel Demenz
und Koagulopathien).
-
Die Operationalisierung über Pflegegrad und Barthel-Index sind als Eckpunkte nicht
ausreichend für eine sachgerechte Bewertung der Notwendigkeit einer stationären Versorgung
(hier müssen z. B. auch schwere motorische, schmerzbedingte bzw. kognitive Funktionseinschränkungen
berücksichtigt werden).
-
Die alleinige Berücksichtigung der unteren Altersgrenze (bis zur Vollendung des ersten
Lebensjahres) ist nicht ausreichend.
Die demografische Entwicklung in Deutschland führt zu einem deutlichen Anstieg der
akutstationären Versorgung von Menschen oberhalb des 70. Lebensjahres mit Multimorbidität
und Frailty. In der vorliegenden Version des AOP-Vertrages können mit den hier bisher
aufgeführten Kontextfaktoren die G-AEP-Kriterien nicht sachgerecht abgebildet werden.
Die durch viele internistische Erkrankungen ausgelösten Krankheitszustände wie auch
Krankheitslasten sind bei Hinzuziehung der G-AEP- Kriterien viel korrekter und sachgerechter
abgebildet als es bislang im AOP-Vertrag der Fall ist. Hier erfüllen viele Unterpunkte
bereits den Status eines Kontextfaktors auch ohne die Kombination mit weiteren Unterpunkten.
Auch soziale Faktoren (mangelnde häusliche Versorgung bei auch nur vorübergehend unzureichender
Selbstversorgungsfähigkeit, unzumutbare Transportwege bei nur wohnortfern durchzuführenden
speziellen Behandlungen) fehlen unseres Erachtens im AOP-Vertrag bzw. der Anlage 2.
Eine Korrektur um diese allgemeinen, nicht fachspezifischen Kontextfaktoren würde
helfen, die Rate an Fehlbelegungsprüfungen durch den Medizinischen Dienst, auch für
stationäre Behandlungen in der Inneren Medizin, nicht ausufern zu lassen.
(Stellungnahme vom 16.03.2023)
Prof. Dr. Heinz-Jürgen Lakomek, Geschäftsführer der VRA
Prof. Dr. Christof Specker, Präsident der DGRh
Verantwortlich für den Inhalt
Prof. Dr. med. Heinz-Jürgen Lakomek
Geschäftsführer, Verband rheumatologischer Akutkliniken e. V.
E-Mail: lakomek@vraev.de