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DOI: 10.1055/a-2039-3017
„Hilflosigkeit, das Abgeben jeglicher Selbstverantwortung und Selbstbestimmtheit“ – eine qualitative Auswertung von traumatisierenden Geburtserlebnissen in Relation zum Geburtsmodus
“Helplessness, Giving up of Any Self-Responsibility and Self-Determination” – a Qualitative Evaluation of Traumatizing Birth Experiences in Relation to Birth Mode- Zusammenfassung
- Abstract
- Einleitung
- Material und Methodik
- Ergebnisse
- Diskussion
- Schlussfolgerung
- Literatur
Zusammenfassung
Hintergrund Eine Geburt verbindet emotionale Herausforderungen mit individuellen Ängsten. Unerwartete Geburtsverläufe können Stressreaktionen bis hin zu posttraumatischen Belastungsstörungen auslösen.Ziel der Studie Das Ziel der Studie war die qualitative Beschreibung von belastend wahrgenommenen Geburtserlebnissen und gewünschten Maßnahmen nach traumatisierenden Geburtserlebnisse.Methodik Es wurde eine inhaltsanalytische Auswertung von 117 Freitextantworten zu belastenden Geburtserlebnissen und gewünschten Maßnahmen anhand von Kategorien und Häufigkeiten in Relation zum Geburtsmodus vorgenommen.Ergebnisse Fünf Themen wurden herausgearbeitet: (1) Belastende Erfahrungen aufgrund von Ängsten um das Kind und die Trennung vom Kind vor allem nach einer Notsectio, (2) als unzulänglich erfahrene Kommunikation nach operativ vaginalen Geburten und sekundären Sectiones, (3) Gefühle von Versagen und Schuld nach allen ungeplanten Geburtsmodi, (4) Hilflosigkeit aufgrund des erlebten Kontrollverlustes und Ausgeliefertsein nach einer Notsectio sowie (5) Subjektiv ungünstige Versorgung durch mangelnde Empathie oder fehlende Betreuung. Als gewünschte Maßnahmen wurden genannt: unmittelbare Nachbesprechungen des Geburtserlebens mit dem beteiligten Personal sowie das Angebot professioneller psychologischer Unterstützung.Schlussfolgerung Frauenzentrierte Kommunikation insbesondere bei ungeplanten Geburtsverläufen und Nachbesprechungen von belastenden Geburtsverläufen sind bedeutsame Maßnahmen zur Stärkung des mütterlichen Wohlbefindens und der psychischen Gesundheit. Sie können einen positiven Einfluss auf die Entwicklung einer gesunden Mutter-Kind-Beziehung nehmen.
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Abstract
Background Childbirth is combined with emotional challenges and individual anxiety. Unexpected birth experiences can trigger stress reactions and even post-traumatic stress disorders. Aim of the study The aim of the study was the qualitative evaluation of stressful perceived birth experiences and desired interventions.Methods A content-analytic evaluation of 117 free-text answers was conducted regarding stressful birth experiences and desired interventions using categories and frequencies in relation to birth mode.Findings Five themes emerged from the structured free text analysis: 1) Stressful experiences describing fear concerning the child and separation from the child after an emergency caesarean section; 2) Inadequate communication after an operative vaginal birth and unplanned caesarean section; 3) Feelings of failure and guilt after unplanned birth modes; 4) Helplessness with loss of personal control and the feeling of being at the mercy after an emergency caesarean section; 5) Inadequate support due to the absence of empathy or insufficient care. Expected interventions include immediate debriefing and professional psychological support.Conclusion Women-centered communication during childbirth and debriefing of stressful birth experiences are significant interventions for strengthening maternal well-being and mental health. They can have a positive impact on the development of a healthy mother-child relationship.
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Einleitung
Die Geburt eines Kindes ist für die werdende Mutter eine emotionale Herausforderung, die mit individuellen Erwartungen an ein positives Geburtserlebnis verbunden ist. Diese kann sich vor allem dann nicht erfüllen, wenn ungeplante, aber notwendige Maßnahmen den Geburtsverlauf verändern. Die emotionale Vulnerabilität der Mutter wird in Akutsituationen bei der professionellen Versorgung häufig nicht wahrgenommen. Wenn Hilflosigkeit und das Gefühl des Ausgeliefertseins das mütterliche Geburtserleben dominieren, kann eine psychische Belastungsreaktion und im schwerwiegendsten Fall eine posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) daraus resultieren [1]. Bereits in den 1990er Jahren rückte diese Thematik in den Fokus [2]. Geburtshilfliche Variablen [3], Risikofaktoren [4] und der Einfluss des Geburtsmodus [5] wurden evaluiert und ergaben eine Prävalenz von traumatischen Geburtserlebnissen bis hin zu posttraumatischen Stressreaktion für bis zu 85% der betrachteten Fälle [6]. Eine PTBS kann bei 4% aller werdenden Mütter und in bis zu fast 19% in Risikokollektiven auftreten [7]. Die Diagnostik der PTBS erfolgt nach dem Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders DSM V [8], definiert als „unmittelbare persönliche Erfahrung mit einem Ereignis, das mit dem tatsächlichen oder drohenden Tod oder schweren Verletzungen oder einer Bedrohung der körperlichen Unversehrtheit von sich selbst oder anderen einhergeht”. Bereits 1994 wurde die Geburt als ein mögliches auslösendes Ereignis für eine PTBS mit aufgenommen [9], der englische Begriff der posttraumatic stress disorder (PTSD) um den Zusatz childbirth-related PTSD (CB-PTSD) ergänzt [7]. Die betroffenen Mütter reagieren mit extremer Angst, Depression und Hilflosigkeit. Typisch sind sich aufdrängende Erinnerung oder Alpträume und eine wahrgenommene Isolation von der Familie [10]. Zur Diagnostik posttraumatischer Stressreaktionen bis hin zu einer child birth related PTSD wurden validierte Fragebögen wie der Impact of Events Scale Questionnaire (IES-R) [11] [12] oder der City Birth Trauma Scale [13] [14] entwickelt. Konkrete Auslöser oder Mechanismen sind bisher kaum untersucht, obwohl posttraumatische Stressreaktionen oder eine PTBS langfristigen Einfluss auf die Mutter-Kind-Beziehung oder die Partnerschaft haben [15] und die Wahl des künftigen Geburtsmodus beeinflussen können [16] [17].
Ein relevanter Risikofaktor für posttraumatische Belastungsreaktionen ist der Geburtsmodus. Ungeplante Entbindungsmodi wie eine Notsectio oder vaginal operative Geburt sind häufiger mit einer PTBS und postpartalen Depression (PPD) assoziiert [18] [19]. Aktuelle systematische Reviews liefern hierzu eine Übersicht der Datenlage, allerdings mit einem überwiegendem Anteil an quantitativen Studien [1] [20]. Die quantitative Auswertung der Daten aus validierten und standardisierten Instrumenten lässt dabei jedoch kaum Raum für die individuelle Erzählung wahrgenommener Belastungen [21]. Aus diesem Grund erfolgte in der vorliegenden Studie eine gesonderte Auswertung von traumatisierenden Geburtserlebnissen in Relation zum Geburtsmodus aus subjektiver Perspektive anhand qualitativer Freitexte im Rahmen einer Fall-Kontroll-Studie, bei der ergänzend zukünftig gewünschte Maßnahmen zur besseren Verarbeitung traumatischer Erlebnisse und deren Implementierung in den geburtshilflichen Alltag erfragt wurden.
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Material und Methodik
Retrospektive Fall-Kontrollstudie
In einer retrospektiven Fallkontrollstudie wurde die Traumatisierung in Relation zum Geburtsmodus quantitativ ausgewertet. 139 Frauen, die eine Notsectio erhalten hatten, wurden als Fallgruppe sowie jeweils 139 Frauen als drei Kontrollgruppen (sekundäre Sectio, operativ vaginale Geburt (Vakuumextraktion) und Spontangeburt) befragt. Die Stichprobe umfasste insgesamt 556 Mütter. Die Datenerhebung erfolgte an einer Universitätsfrauenklinik in der Abteilung für Geburtshilfe eines Perinatalzentrums Level I in den Jahren 2014 bis 2019. Der Befragungszeitraum deckte somit fünf Jahre ab. Ausschlusskriterien waren Mehrlingsgeburten, elektive Sectiones und Frühgeburten<34 Schwangerschaftswochen. Zur Verringerung unkontrollierbarer Faktoren wurde zu jeder erfolgten Notsectio die zeitlich nächstgelegene Geburt mit Hilfe der fortlaufenden Geburtennummern für die Kontrollgruppen ausgewählt. Die Teilnehmerinnen erhielten postalisch die Fragebögen unter Anwendung der standardisierten und validierten Messinstrumente City Birth Trauma Scale Fragebogen (CBiTS) und Impact of Events Scale Questionnaire (IES-R) [11] [13]. Jedoch muss angenommen werden, dass viele Anschreiben nicht zugestellt werden konnten, da die Geburten bereits bis zu fünf Jahre zurücklagen. Da das Forschungsdesign keine vorherige Kontaktaufnahme und anschließendes Erinnerungsschreiben vorsah (aufgrund eingeschränkter Ressourcen) ist die Rücklaufquote mit 22% relativ gering ausgefallen. Die Studie erfolgte in Übereinstimmung mit der Deklaration von Helsinki mit Genehmigung der Ethikkommission Ulm (Antragsnummer 184/20). Die Auswertung der Daten erfolgte pseudonymisiert. Zusätzlich beinhaltete die Befragung zwei offene Fragen zum subjektiven Erleben und zu gewünschten Maßnahmen, die in Freitextfeldern beantwortet werden konnten ([Tab 1]).
Fragentext |
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Bitte beschreiben Sie mit Ihren eigenen Worten mögliche belastende Erfahrungen bei der Geburt. |
Bitte beschreiben Sie mit Ihren Worten, welche Maßnahmen Sie sich nach der Geburt gewünscht hätten oder welche Maßnahmen Sie erhalten haben, um das Geburtserlebnis zu verarbeiten. |
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Qualitative Auswertung der Freitextantworten
Patientenkollektiv
Die Rücklaufquote betrug 22% (n=126) wobei der Rücklauf in der Gruppe der Frauen mit Notsectiones (n=32; 23%), Teilnehmerinnen mit sekundären Sectiones (n=38; 27%) und Frauen mit operativ vaginalen Geburten (n=36; 25%) höher war als in der Gruppe der Frauen mit Spontangeburten (n=20; 14%). Die Freitextantworten wurden von allen 32 Frauen, die eine Notsectio erhalten hatten, ausgefüllt. Von den Frauen, die eine vaginal operative Geburt erlebt hatten, haben zwei die offenen Fragen nicht beantwortet, von den Frauen mit sekundären Sectiones waren es sechs und bei der Gruppe der Spontangebärenden hat eine Teilnehmerin das Freitextfeld offengelassen. Insgesamt konnten von 126 rückgesendeten Fragebögen 117 Freitextantworten ausgewertet werden. Die Charakteristika der Teilnehmerinnen in Abhängigkeit vom Geburtsmodus sind in [Tab 2] aufgeführt.
Notsectio (NS; n=32) |
Sekundäre Sectio (SS; n=38) |
Operativ-vaginale Geburt (OVG, n=36) |
Spontangeburt (SG; n=20) |
|
---|---|---|---|---|
Alter (Median) |
32 |
34 |
31 |
32,5 |
min |
26 |
26 |
25 |
26 |
max |
43 |
43 |
40 |
39 |
Parität |
||||
Erstgebärende |
24 (66,7%) |
26 (68,4%) |
29 (80,6%) |
11 (55%) |
Mehrgebärende |
8 (33,3%) |
12 (31,6%) |
7 (19,4%) |
9 (45%) |
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Datenanalyse
Alle handschriftlichen Freitextantworten wurden pseudonymisiert, wörtlich transkribiert und unter Angabe des jeweiligen Geburtsmodus als Worddokumente in die Qualitative Daten Software MAXQDA2020 übertragen. Die Auswertung wurde in einem mehrstufigen Prozess mit der Methode der qualitativen Inhaltsanalyse (QCA) [22] durchgeführt. Im ersten Schritt wurden Satzteile oder einzelne Wörter zu übergeordneten Kategorien und Themen eingeordnet. Anschließend wurden Hauptthemen und Kategorien im Kontext zu den Geburtsmodi zusammengefasst und nach ihren Häufigkeit ausgewertet.
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Ergebnisse
In [Tab 3] sind die Themen und die zugeordneten Kategorien in ihrer Häufigkeit zum Geburtsmodus dargestellt. Die Themen beinhalten belastende Erfahrungen während der Geburt mit den Kategorien „Angst um das Kind“ sowie „Trennung vom Kind“. Das Thema unzulängliche Kommunikation deckt die Kategorien „Alleinsein nach dem Aufwachen“ und „unzureichende Kommunikation mit dem Personal“ sowie „fehlende Kommunikation mit dem Vater“ ab. Unter dem Thema Versagen und Schuldgefühle sind die Kategorien „verpasstes Geburtserlebnis“ und „Vorwürfe und Bedauern“ zusammengefasst. Das Thema Hilflosigkeit beinhaltet die Kategorien „Ausgeliefert sein und Fremdbestimmung“ und „Kontrollverlust“. Zu subjektiv ungünstige Versorgung wurden die Kategorien „mangelnde Empathie“ und „fehlende Betreuung“ zugeordnet. Zu Maßnahmen wurden Aussagen zugeordnet, die sich auf erhaltene oder gewünschte Maßnahmen beziehen.
Themen |
Kategorien |
NS (n=32) |
SS (n=38) |
OVG (n=36) |
SG (n=20) |
---|---|---|---|---|---|
Belastende Erfahrung |
Angst um das Kind |
8 (25%) |
5 (13,2%) |
7 (19,4%) |
1 (5%) |
Trennung vom Kind |
2 (6,3%) |
0 (0%) |
3 (8,3%) |
1 (5%) |
|
unzulängliche Kommunikation |
Alleinsein nach dem Aufwachen |
5 (15,6%) |
0 (0%) |
0 (0%) |
0 (0%) |
Unzureichende Kommunikation mit Personal |
7 (21,9%) |
15 (39,5%) |
12 (33,3%) |
3 (15%) |
|
Fehlende Kommunikation mit dem Vater |
5 (15,6%) |
1 (2,6%) |
1 (2,8%) |
0 (0%) |
|
Versagen und Schuldgefühle |
Verpasstes Geburtserlebnis |
6 (18,8%) |
3 (7,9%) |
6 (16,7%) |
1 (5%) |
Vorwürfe und Bedauern |
5 (15,6%) |
5 (13,2%) |
3 (8,3%) |
0 (0%) |
|
Hilflosigkeit |
Ausgeliefert sein und Fremdbestimmung |
9 (28,1%) |
6 (15,8%) |
3 (8,3%) |
4 (20%) |
Kontrollverlust |
2 (6,3%) |
0 (0%) |
5 (13,9%) |
3 (15%) |
|
Subjektiv ungünstige Versorgung |
Mangelnde Empathie |
6 (18,8%) |
11 (28,9%) |
4 (11,1%) |
5 (25%) |
Fehlende Betreuung |
1 (3,1%) |
0 (0%) |
1 (2,8%) |
6 (30%) |
|
Maßnahmen |
Maßnahmen erhalten |
0 (0%) |
0 (0%) |
0 (0%) |
1 (5%) |
Maßnahmen gewünscht |
17 (53,1%) |
17 (44,7%) |
21 (58,3%) |
4 (20%) |
Legende: NS: Notsectio, OVG: operativ vaginale Geburt, SG: Spontangeburt, SS: sekundäre Sectio.
Belastende Erfahrungen
Angst um das Kind, die belastende Trennung nach der Geburt sowie das Nichtwissen über den Zustand des Kindes wurden vor allem von Frauen, die eine Notsectio oder eine vaginal operative Entbindung erlebt hatten, als extrem belastend empfunden. Die Frauen berichteten, dass sie unmittelbar vor der Notsectio zwar realisierten, dass es ein akutes Problem gibt, sie jedoch unter dem Zeitdruck keine Erklärungen mehr erhalten konnten.
„Die Angst, ob alles gut wird und man das eigene Kind lebend sieht, bevor man das Bewusstsein verliert“ (TN 14 mit Notsectio)
Die Befragten mussten sich in absoluter Ungewissheit über den weiteren Geburtsverlauf und mit der Angst vor dem eigenen gesundheitlichen Zustand und dem des ungeborenen Kindes auf teils völlig fremde Personen verlassen. Die Frauen berichten auch von der Sorge, selbst zu Schaden zu kommen und nicht mehr für das geborene Kind da sein zu können.
Nach der Notsectio wurde vor allem die lange Zeitspanne bis zur Information über den Ausgang der Geburt und den Verbleib des Kindes als außerordentlich belastend beschrieben. Häufig waren auch die Partner allein gelassen und wurden nicht zeitnah über den Zustand von Frau und Kind informiert.
„Das Gefühl beim Aufwachen war schockierend. Ist das wirklich passiert? Der Bauch weg, das Kind weg, was ist los?“ (TN 61 mit Notsectio)
Die Trennung vom Kind wurde auch nach einer vaginalen operativen Geburt als sehr schmerzhaft und belastend empfunden. Einige Frauen beschrieben, dass ihnen das Kind bei vollem Bewusstsein unmittelbar nach der Geburt weggenommen wurde. Auch in diesem Fall wurde die Zeitspanne bis zur Information über das Wohlergehen des Kindes als lange und belastend wahrgenommen.
„Als mein Kind dann auf der Welt war, wurde es gleich rausgetragen – ich hatte in dem Moment so große Angst“ (TN 95 mit operativ vaginaler Geburt)
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Unzulängliche Kommunikation
Vor allem bei den ungeplanten Geburtsmodi wurde die Thematik der unzulänglichen Kommunikation häufiger benannt als bei Frauen mit Spontangeburten. Die Frauen fühlten sich nicht wahrgenommen oder berichteten, dass sie Informationen zu Untersuchungen und deren Ergebnissen erst spät bekamen:
„Nach 3 Tagen ohne Schlaf sanken plötzlich die Herztöne meines Sohnes ab, das ganze Zimmer war plötzlich voller Menschen, die hektisch an mir arbeiteten, aber keiner sprach mit mir“ (TN 51 mit sekundärer Sectio)
„Direkt nach der Geburt wurde unser Baby zu weiteren Untersuchungen zu Ärzten außerhalb des Kreißsaals gebracht. Über den Verlauf und das Ergebnis der Untersuchungen wurden wir erst nach einiger Zeit informiert“ (TN 95 mit operativ vaginaler Geburt)
Neben fehlenden Informationen über das Wohlergehen des Kindes wurde sehr häufig die fehlende Aufklärung über die ungeplanten Maßnahmen während der Geburt kritisiert. Dadurch wurde bei einigen Teilnehmenden Gefühle von Kontrollverlust und Ausgeliefertsein ausgelöst. Bei den Bemühungen zur späteren Verarbeitung des Geburtserlebnisses suchten die Frauen häufig Antworten in Operations- oder Geburtsberichten.
Als Extremsituation wurde auch das Aufwachen nach einer Vollnarkose, meist nach einer Notsectio beschrieben. Obwohl viele Personen anwesend waren, die die medizinische Routineversorgung gewährleisteten, berichteten die betroffenen Frauen davon, sich sehr allein gelassen gefühlt zu haben.
„Ich war von lauter Menschen umringt, sehe eine Maske mit der Betäubung auf mich zukommen. Die nächste Erinnerung ist: ich wache an einem fremden Ort alleine auf“ (TN 21 mit Notsectio)
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Versagen und Schuldgefühle
Durch die Abweichung vom gewünschten und erwarteten Geburtsverlauf empfanden viele Frauen Schuldgefühle. Musste die natürliche Geburt durch eine ungeplante Maßnahme wie eine sekundäre Sectio oder vaginal operative Intervention beendet werden, berichteten viele Teilnehmerinnen vom Gefühl, versagt zu haben. Sie litten unter Selbstzweifeln, weil sie glaubten, sich falsch verhalten zu haben oder Schuld daran zu tragen, dass eine natürliche Geburt nicht möglich war. Gefühle persönlichen Scheiterns sowie die Sorge, für eine Schädigung des Kindes verantwortlich zu sein, wurden beschrieben.
„Anschließend beschäftigte mich der Gedanke, dass ich etwas falsch gemacht hatte und die Geburt nicht auf natürlichem Wege geschafft hatte“ (TN 92 mit Notsectio)
„Das Gefühl versagt zu haben, weil eine natürliche Geburt nicht möglich war“ (TN 26 mit sekundärer Sectio)
Zusätzlich fehlte vielen Frauen nach einer ungeplanten Beendigung der Geburt das initial gewünschte Geburtserlebnis. Gerade wenn eine Vollnarkose notwendig war, hatten die Frauen keine Erinnerung und den Eindruck, den Moment der Geburt verpasst zu haben. Die Wahrnehmung der Geburt wurde in den Freitexten als „unwirklich“ und „distanziert“ beschrieben. Frauen berichteten von der Angst, dass sich dies negativ auf die Beziehung zu ihrem Kind auswirken könnte.
„So alleine gelassen habe ich mich noch nie gefühlt. Daher konnte ich anfangs mit meiner Tochter auch erstmal nichts auf meinem Arm anfangen, weil ich völlig aufgelöst war, als ich endlich bei meinem Mann war. Ich habe sehr viel geweint deswegen, auch Monate später noch.“ (TN 66 mit Notsectio)
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Hilflosigkeit
Das Gefühl der Hilflosigkeit und des Ausgeliefertseins wurde vor allem von Frauen beschrieben, die eine ungeplante Intervention erlebt hatten. Sie berichteten vom Verlust jeglicher Selbstbestimmtheit und Kontrolle, das zum Gefühl der Machtlosigkeit beitrug. Sie fühlten sich ausgeliefert und hatten Angst vor den ihnen unbekannten Maßnahmen, die für das medizinische Personal zur täglichen Routine gehörten. Die Situation löste bei ihnen das Gefühl von Ausgeliefertsein und Angst gegenüber Unbekanntem aus.
„Hilflosigkeit, das Abgeben jeglicher Selbstverantwortung und Selbstbestimmtheit“ (TN 21 mit Notsectio)
„Kontrollverlust, da man nur bedingt Einfluss auf die Geburt nehmen kann“ (TN 4 mit vaginal operativer Geburt)
„Das Gefühl der Machtlosigkeit und ausgeliefert sein“ (TN 107 mit sekundärer Sectio)
Frauen, die mit psychischen Vorbelastungen in eine für sie unkontrollierbare Geburtssituation gingen, beschrieben ein besonderes Risiko für traumatische Belastungen.
„Dadurch wurde ich sehr müde, schwindelig und fast ohnmächtig – Gefühl des Kontrollverlustes. Sehr schlecht, da ich seit vielen Jahren an einer Angststörung leide. Gefühle: Angst, Panik-ein Albtraum“ (TN 16 mit vaginal operativer Geburt)
Die Geburtserfahrung schien bereits überwundene Belastungen wieder hervorzurufen beziehungsweise zu verstärken.
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Subjektiv ungünstige Versorgung
Mangelnde Empathie und fehlende Betreuung wurden unter dem Thema subjektiv ungünstige Versorgung eingeordnet. Der Mangel an erfahrener Empathie wurde häufig von Frauen beschrieben, die per sekundärer Sectio entbunden werden mussten. Sie erlebten bewusst, dass die Geburt nicht so verlief wie geplant und waren weder auf die unerwarteten Interventionen vorbereitet noch fühlten sie sich ausreichend in die Entscheidungen zur Intervention einbezogen. Die Frauen wurden mit der bereits getroffenen Entscheidung konfrontiert und nahmen die Reaktionen als zurückweisend wahr, wenn sie ein Mitspracherecht einforderten.
„Fehlende Informationen, lange Wartezeiten nach Entscheidung, dass ein Kaiserschnitt notwendig sei. Leitender Arzt hat mich gewissermaßen bedroht, dass mein Kind sterbe, wenn kein Kaiserschnitt stattfindet. Das war sehr belastend“. (TN 35 mit sekundärer Sectio)
„Die oben gemeinte (zuvor als unempathisch beschriebene) Hebamme ist oft der Auslöser eines solchen Flash-backs, weil sie gesagt hat: „Wenn es ihnen nicht passt, dann können sie jetzt verschwinden und ihr Kind allein bekommen“ (TN 94 mit Notsectio)
Nach einer Sectio erlebten die Frauen mangelnde Empathie und Betreuung auf der Wochenstation. Sie nahmen ein Stigma war, weil sie keine vaginale Geburt „geschafft“ hatten und hatten den Eindruck, dass das Personal von ihnen dieselbe rasche Rekonvaleszenz wie von einer Frau nach vaginaler Geburt erwartete.
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Maßnahmen
Neben der Angabe von möglichen belastenden Erfahrungen während der Geburt wurden die Frauen auch nach erhaltenen und gewünschten Maßnahmen zur Verarbeitung von traumatisierenden Erlebnissen befragt. Lediglich eine von 117 Frauen hat an dieser Stelle eine erhaltene Maßnahme, die sie als hilfreich empfand, beschrieben – die Besichtigung des Kreißsaales einige Zeit nach der Geburt.
Im Gegensatz dazu beschrieben vor allem Frauen, die einen ungeplanten Geburtsmodus erlebt haben, welche Maßnahmen sie sich gewünscht hätten. Häufig war dies eine Nachbesprechung der Geburt mit der anwesenden Hebamme und den anwesenden Ärzt:innen zur Aufarbeitung des Geschehens unmittelbar nach der Geburt. Viele Frauen hatten offene Fragen und wünschten sich rückblickend eine Aufklärung über die Notwendigkeit der ungeplanten Maßnahmen. Sofern eine Nachbesprechung nach einem ungeplanten Geburtserlebnis stattfand, war diese häufig auf die Erklärung notwendiger medizinischer Versorgung fokussiert.
„Ein oder mehrere Gespräche mit einem Psychologen wären hilfreich. Leider gab es oder gibt es so etwas nicht. Aus medizinischer Sicht und auch das Personal und die Betreuung waren wunderbar, aber die professionelle Aufarbeitung und Nachsorge fehlt vollständig. Die einzige Maßnahme ist dieser Fragebogen, der mir schon sehr hilft. Ich habe das Gefühl, die Geburt ist emotional noch abgespalten“ (TN 107 mit sekundärer Sectio)
Häufig wurde der Wunsch nach einer professionellen Unterstützung durch einen Psychologen oder eine Psychologin geäußert, um die eigene negative Wahrnehmung beziehungsweise Traumatisierung besser zu verarbeiten und dem Risiko einer langfristigen posttraumatischen Belastungsreaktion vorzubeugen.
„Ich hätte mir gewünscht, dass ich mehrmals mit dem bei der Geburt anwesenden Arzt reden könnte und auch mit der Hebamme und schon in der Klinik mit einem Psychologen“ (TN 89 mit Notsectio)
„Nicht nur ein aufklärendes Gespräch, sondern zusätzlich auch ein aktives Erfragen meines Zustandes. Da ich selbst traumatisiert war, mir dessen aber zu dem Zeitpunkt nicht bewusst war, konnte ich nicht das Gespräch führen, dass ich eventuell gebraucht hätte“. (TN 66 mit Notsectio)
Neben der zeitnahen Besprechung wünschten sich viele Frauen die Möglichkeit, das Erlebte in einem zeitlichen Abstand nochmals ambulant aufzuarbeiten.
„Gespräche mit meiner Hebamme zu Hause taten sehr gut. Vielleicht wären Sprechzeiten im Krankenhaus gut.“ (TN 75 mit Spontangeburt)
„Es hätte ein Gespräch meiner Meinung nach wenig Erfolg gehabt (direkt nach der Geburt), doch nach zirka 3 Monaten wäre ein Gespräch vielleicht hilfreich gewesen.“ (TN 88 mit vaginal operativer Geburt)
Einen großen Stellenwert zur Nachbesprechung nahm bei vielen Frauen die Nachsorgehebamme ein, die jedoch häufig nicht alle Details zum Ablauf der Geburt kannte.
„Es wäre schön gewesen, hierzu mit jemandem zu sprechen. Meine Nachsorgehebamme war ein großer Trost, aber sie war ja nicht dabei.“ (TN 69 mit sekundärer Sectio)
Auch hier kommt ein Bedauern zum Ausdruck: Die Frauen hätten gerne eine aktive Aufarbeitung geschafft. Die Unterstützung, die sie dafür gebraucht hätten, haben sie jedoch nicht erhalten.
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Diskussion
Mit dem Geburtserlebnis werden sehr individuelle, jedoch häufig überhöhte Erwartungen verbunden. Der Ablauf einer Geburt ist meist unplanbar und von vielfältigen, überwiegend nicht beeinflussbaren Faktoren abhängig. Durch ungeplante und belastend empfundene Maßnahmen erleben bis zu 44% der betroffenen Frauen eine meist kurzfristige und selbstlimitierende affektive Störung [23]. Je größer die Diskrepanz zwischen dem Geburtsverlauf und den vorherigen Erwartungen der Frau, desto stärker kommt es zu einer längerfristigen Stressreaktion [24] [25]. Abhängig von Vulnerabilität und Schwere der traumatisierenden Erfahrung, können bis zu 19% der Frauen eine längerfristige sogenannte childbirth-related PTSD (CB-PTSD) entwickeln [7]. Mit Hilfe von standardisierten Fragebögen lassen sich diese Belastungsreaktionen erfragen und eine CB-PTSD diagnostizieren [11] [13]. Für präventive Maßnahmen und effektive Interventionen sollten vor allem ursächliche Faktoren berücksichtigt werden. Die in dieser Studie durchgeführte qualitative Befragung nach Auslösern für eine Traumatisierung in Relation zum Geburtsmodus bietet hierzu einen individualisierten Einblick im Rahmen einer qualitativen inhaltsanalytische Auswertung. Zu den Auslösern bzw. Faktoren zählen die in [Abb. 1] wiedergegebenen Themen: Belastende Erfahrungen, unzulängliche Kommunikation, Versagen und Schuldgefühle sowie Hilflosigkeit und subjektiv ungünstige Versorgung.
Zu den häufigsten belastenden Erfahrungen zählt die Angst um sich selbst und um das Kind. Dies wird insbesondere von Frauen berichtet, die einen ungeplanten Geburtsmodus erlebt haben. Diese Angst kann sich bis zur Todesangst steigern, die Geburt nicht zu überleben [26]. Davon berichten in der vorliegenden Studie auch Frauen, die aufgrund einer langen Geburtsdauer per vaginal operativer Geburt oder sekundärer Sectio entbunden wurden. Diese Situationen werden als lebensbedrohlich empfunden und lösen eine überwältigende Angst davor aus, sich selbst zu verlieren, [27], obwohl medizinisch betrachtet eine sichere und professionelle Versorgung gewährleistet ist. Die Angst um das Kind und vor der Trennung durch die Verlegung des Kindes auf die Intensivstation gehören auch zu belastenden Erfahrungen und werden als Risikofaktoren für posttraumatische Belastungsreaktionen beschrieben. Über 25% der Mütter und auch Väter entwickeln in dem Zusammenhang eine akute Stresssymptomatik [9]. Diese Trennungen wurden insbesondere nach Notsectiones sowie nach operativ vaginalen Geburten von den befragten Frauen als traumatisch beschrieben. Eine unmittelbare Information und offen zugewandte Kommunikation mit anschließender Aufarbeitung können zur Abfederung beitragen. [28] [29].
Eine unzulängliche Kommunikation ist in der vorliegenden Untersuchung in vielen Fällen berichtet worden. Die Frauen gaben an, nicht oder nur spät über den Verbleib und den Zustand des Kindes informiert worden zu sein. In einer Evaluation für Qualitätsmerkmale in der Betreuung von Frauen während einer Notsectio wird dies als geforderte Maßnahme betont [30], die im geburtshilflichen Alltag in den meisten Fällen jedoch nicht umgesetzt wird. Vor allem bei ungeplanten Interventionen berichten die Frauen häufig über mangelnde Aufklärung über die notwendigen Maßnahmen und fehlendes Einbeziehen in den Entscheidungsprozess, was insbesondere Frauen nach einer sekundären Sectio kritisierten. Der werdende Vater wird meist nicht wahrgenommen und auch nach ungeplanten Maßnahmen wie einer Notsectio nicht ausreichend über den Zustand und Verbleib seiner Frau und des Kindes informiert.
Viele Frauen bekommen auch nach der Geburt wenig Informationen über die Gründe, den Ablauf und die möglichen Konsequenzen des ungeplanten Geburtsmodus [31]. Das Einbeziehen in Entscheidungsprozesse während der Geburt ist aber ein wesentlicher Faktor für die Zufriedenheit mit dem Geburtserlebnis [32]. Frauen wollen vor allem von der betreuenden Hebamme und den anwesenden Ärzt:innen über den Geburtsverlauf informiert und in Entscheidungen mit eingebunden werden [33].
Darüber hinaus empfindet ein substanzieller Anteil an Frauen nach Sectiones und vaginal operativen Geburten Versagen und Schuld [31] [34]. Das fehlende positive Geburtserlebnis verstärkt dies für die Frauen in der vorliegenden Studie zusätzlich. Häufig stellen sie sich die Frage, ob sie den Verlauf durch anderes Verhalten hätten beeinflussen können oder durch einen Fehler die Gesundheit des Kindes gefährdet haben. Zufriedenheit mit dem Geburtserlebnis ist jedoch wesentlich abhängig ist von der Beurteilung der eigenen Performance während der Geburt [35] [36]. Wut und Ärger über den unerwünschten Geburtsverlauf können sich später auch nach innen richten und zu negativen Emotionen wie Selbstvorwürfen führen [10]. Insbesondere das Wochenbett ist bedeutsam für die Entstehung einer sicheren Mutter-Kind-Bindung, die über die zukünftige Entwicklung des Kindes entscheidet [37]. Gefühle von Schuld, Selbstvorwürfen und die Gefahr psychischer Probleme können dazu führen, dass diese Bindung gestört wird und sich entsprechende negative Konsequenzen für die Entwicklung der Familie ergeben [38] [39]. Die Prävention negativer Geburtsereignisse sowie die schnelle Aufarbeitung und Bewältigung der daraus resultierenden Gefühle erhält vor diesem Hintergrund eine noch größere undnachhaltige Bedeutung. Einen wesentlichen Einfluss kann hierauf eine sichere und einfühlsame Kommunikation nehmen.
Die Zufriedenheit mit dem Geburtserlebnis ist auch mit der wahrgenommenen Kontrolle verbunden. Ein hohes Maß an Selbstkontrolle führt zu einer größeren Zufriedenheit mit dem Geburtserlebnis. [40]. Ungeplante Maßnahmen ohne eine angemessene Aufarbeitung lösen häufig das Gefühl des Ausgeliefertseins und des Kontrollverlustes aus und sind damit wesentliche Risikofaktoren für eine posttraumatische Belastungsreaktion [41].
Unter dem Thema subjektiv ungünstige Versorgung wurde von den Frauen vor allem ein Mangel an Empathie und eine fehlende Betreuung beschrieben. Frauen erwarten während der Geburt die Versorgung und Unterstützung vor allem durch die Hebamme und wünschen eine kontinuierliche Betreuung während der Geburt [33]. Die Einstellung und Unterstützung durch medizinisches Personal hat einen großen Einfluss auf die Zufriedenheit mit dem Geburtserlebnis [32]. Diese wirkt sich auch nachhaltig auf eine langfristige positive Erinnerung an die Geburt aus [42]. So berichten vor allem Frauen von mangelnder Empathie und einer Stigmatisierung, die Geburt nicht geschafft zu haben, die per sekundärer Sectio entbunden werden mussten. Sie fühlen sich mit weniger Empathie behandelt als Frauen, die eine Notsectio erlebt haben. Dies kann Gefühle der Schuld und des Versagens als Mutter auslösen und dadurch die Entwicklung der Familie beeinflussen [43].
Neben der Frage nach belastenden Ereignissen wurden die Frauen auch nach erhaltenen und gewünschten Maßnahmen nach der Geburt befragt. Im Vergleich zur Spontangeburt wünschten sich viele Frauen nach einem ungeplanten Geburtsmodus Gespräche mit der Hebamme und den anwesenden Ärzt:innen entweder unmittelbar nach der Geburt oder psychologische Unterstützung und ein Gesprächsangebot im zeitlichen Abstand zur Geburt. Die Frauen möchten vor allem detaillierte Informationen über den Ablauf, die Notwendigkeit und die Konsequenzen der Maßnahmen erhalten. Aktives Zuhören, Reflektion der eigenen Emotionen und die Korrektur von eventuellen Missverständnissen können folglich zu einem besseren Verständnis führen und wirken so fehlerhaften Annahmen entgegen [33]. Eine Nachbesprechung kann sich auch präventiv bei beginnenden posttraumatischen Belastungsreaktionen auswirken. Übersichtsarbeiten liefern hierzu zwar häufig keine statistisch signifikanten Ergebnisse, aber die subjektive Bewertung der Frauen nach einer postpartalen Nachbesprechung ist überwiegend positiv und die klinische Bedeutsamkeit auf narrativer Ebene vorliegend [44] [45].
Um die geforderten Maßnahmen implementieren zu können, müssen aber auch strukturelle Möglichkeiten dafür geschaffen werden. Hierzu zählen unter anderem eine 1:1 Betreuungssituationen während der Geburt durch die Hebamme für eine kontinuierliche Betreuung, die Einstellung von geschultem Personal (z. B. Psycholog:innen) für die Nachsorge, sowie die Möglichkeit Nachbesprechungen im Rahmen einer hebammengeleiteten Sprechstunde abzurechnen.
Limitationen der vorliegenden Auswertung sind eine kleine und selektive finale Stichprobe in den einzelnen Gruppen. Die Vergleichbarkeit der Gruppen ist nur bedingt gegeben, da gewisse Merkmale wie z. B. die Parität keinen Eingang in die Betrachtung fand und weitere peripartale Komplikationen wie höhergradige Dammrissverletzungen, verstärkte Nachblutung und sekundär operative Eingriffe wie manuelle Plazentalösung nicht kontrolliert werden konnten. Vorbestehende Depressionen oder Geburtsangst (fear of childbirth) wurden nicht abgefragt und könnten die Wahrnehmung beeinflusst haben, da diese sich auf das Geburtserleben und die Anpassung an die Zeit nach der Geburt auswirken [46]. Weiterhin ist eine qualitative Inhaltsanalyse immer subjektiv. Obwohl Maßnahmen ergriffen wurden, um die Auswertung möglichst objektiv zu halten, kann dies nicht komplett ausgeschlossen werden.
Die untersuchten Themen und Kategorien bieten jedoch wichtige Einblicke in die Erfahrungen der teilnehmenden Frauen. Die Anonymität der Befragung im Rahmen von Freitexten beinhaltet größere Freiheit als persönlich abgefragte Eindrücke. Eine weitere Stärke der vorliegenden Studie ist der qualitative Ansatz, der je nach Geburtsmodus individuelle belastende Erfahrungen abfragt und somit zu einem besseren Verständnis für traumatisierende Auslöser führt. Der Befragungszeitraum, der bis zu fünf Jahre nach der Geburt stattfand, schließt die belastenden Reaktionen sicher mit ein, während zeitnahe Befragungen diese häufig noch nicht abdecken [42].
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Schlussfolgerung
Die individuellen und persönlichen Erwartungen an die Geburt werden vor allem von unerwarteten Geburtsverläufen beeinträchtigt. Das Einbeziehen in alle notwendigen Maßnahmen bei ungeplanten Geburtsmodi durch eine effektive und frauenzentrierte bzw. elternzentrierte Kommunikation sowie die Aufarbeitung des Geburtsgeschehens sind essenziell. Ist dies in der zeitkritischen Akutsituation nicht möglich, sollte so zeitnah wie möglich nach der Geburt eine Nachbesprechung mit dem beteiligten Team angeboten werden und darüber hinaus ein psychologisches Unterstützungsangebot erfolgen. Dies führt neben der Prävention einer posttraumatischen Belastungsreaktion auch zu einer nachhaltigen Stärkung der Mutter-Kind-Beziehung und kann Einfluss auf zukünftige Geburten nehmen.
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Ungeplante Geburtsverläufe sind sowohl ein Risikofaktor für posttraumatische Belastungsreaktionen als auch Schuldgefühle und Vorwürfe mit negativen Auswirkungen auf die Mutter-Kind-Beziehung.
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Die Zufriedenheit über den Geburtsverlauf ist stark durch die Wahrnehmung der Selbstkontrolle und Einbindung in Entscheidungen geprägt. Fehlende Informationen durch mangelnde Kommunikation verstärken Gefühle des Kontrollverlustes und des Ausgeliefertseins.
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Nach ungeplanten Geburtsverläufen wie einer sekundären Sectio, Notsectio oder vaginal operativen Geburt ist der Wunsch nach Maßnahmen zur Aufarbeitung deutlich häufiger vertreten als nach einer Spontangeburt (20% vs. 50%).
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Ein Maßnahmenkatalog nach subjektiv traumatisierenden Geburtsverläufen sollte deshalb in der Nachbetreuung etabliert werden und die strukturellen Voraussetzungen dafür geschaffen werden.
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Interessenkonflikt
Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Danksagung
Die Autor:innen bedanken sich bei allen Frauen, die bereit waren, an der Studie teilzunehmen und ihre persönlichen Erfahrungen und Wünsche offen mitzuteilen.
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Publication History
Received: 18 November 2022
Accepted after revision: 10 February 2023
Article published online:
15 March 2023
© 2023. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany
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