Die Untersuchung insbesondere von Kleinkindern nach Trauma gestaltet sich häufig schwierig. Sie können noch keine exakte Schmerzlokalisation angeben. Auch die Klinik ist selten eindeutig. Es wird in der Regel die komplette Extremität geschont und auch die körperliche Untersuchung ergibt kein eindeutiges Ergebnis. Die Patienten schreien unabhängig von der Stelle, an der gedrückt wird. Es bedarf sehr großer Erfahrung und viel Fingerspitzengefühl, unter diesen Bedingungen die Lokalisation des Schmerzmaximums herauszuarbeiten.
Standardmäßig werden in der Traumadiagnostik Röntgenaufnahmen der betroffenen Körperregion in 2 Ebenen, eventuell ergänzt durch Spezialaufnahmen, angefertigt. In den oben beschriebenen Situationen, in denen klinisch nicht geklärt werden kann, welcher Skelettabschnitt verletzt ist, kann dies bedeuten, dass mehrere Skelettabschnitte mittels Röntgenaufnahmen untersucht werden müssen. In der Mehrzahl der Fälle vor allem bei Kleinkindern werden im Ergebnis keine Frakturen gefunden [1]. Mit zunehmender Qualität der Ultraschallgeräte wurden in den letzten 20 Jahren zahlreiche Studien zur Fraktursuche im Ultraschall durchgeführt. Dabei konnte gezeigt werden, dass Frakturen im Ultraschall mit zu Röntgenaufnahmen vergleichbar hoher Sensitivität von 92,9–94 % und Spezifität von 92–99,5 % detektiert werden können [1]
[2]. Ähnlich gute Ergebnisse konnten auch eine Metaanalyse bei Point-of-Care-Ultraschall oder Untersuchungen in der Notaufnahme bei Frakturen der langen Röhrenknochen mit Sensitivitäten von 64,7–100 % und Spezifitäten von 79,2–100 % zeigen [3]
[4]
[5]. In dieser Arbeit soll der Stellenwert der Sonografie in der Abklärung von Frakturen bei Kindern und Jugendlichen anhand der aktuellen Literatur besprochen werden.
Infolge der sehr unterschiedlichen Impedanzen von Weichteilgewebe (Muskel 1,66 × 106 Ns/m3) und Knochen (6,0 × 106 Ns/m3) werden 50 % der Schallwellen an der Knochenoberfläche reflektiert. Hinzu kommt eine sehr hohe Schallabsorption innerhalb des Knochens, bei 3,5 MHz 99,7 % und bei 7,0 MHz 100 % in 1 cm Tiefe. Dies hat zur Folge, dass im Ultraschall lediglich die Knochenoberfläche als echoreiche Linie dargestellt werden kann, die Strukturen innerhalb des Knochens bleiben dem Ultraschall verborgen. Durch Verwendung von hochfrequenten Linearschallköpfen von mindestens 9–15 MHz kann die Knochenoberfläche aber mit hoher Auflösung untersucht werden.
Die Frakturlinie stellt sich im Ultraschall als kortikale Unterbrechung dar, aufgrund des linienförmigen Verlauf kann sie von einem Gefäßkanälchen differenziert werden. Eine Dislocatio ad latus führt im Ultraschallbild zu einer kortikalen Stufe, eine kindliche Wulstfraktur zu einem typischen kortikalen Wulst. Eine Dislocatio ad axim resultiert im Ultraschall in einer kortikalen Knickbildung. Bei einem stark klaffendem Frakturspalt lässt sich auch sonografisch weit in den Knochen hineinsehen. Vorsicht ist an den Metaphysenenden geboten. Hier zeigen sich sonografisch meist kleine Stufen, die nicht mit Frakturen verwechselt werden dürfen ([Abb. 1]). In Zweifelsfällen kann problemlos die Gegenseite sonografisch untersucht werden.
Abb. 1 Sonografische Untersuchung des Radius von volar im Längsschnitt mit kleiner metaphysärer Stufe (Pfeil), die nicht mit einer Fraktur verwechselt werden darf.
Auch die Begleitverletzungen sind sonografisch sicher detektierbar. Das regelhaft vorhandene umgebende Weichteilhämatom stellt sich als diffuse Echogenitätsanhebung des umgebenden Weichteilgewebes dar. Größere Hämatome können zum Bild eines im akuten Stadium noch echoarmen Weichteiltumors um die Fraktur führen. Das bei intraartikulären Frakturen immer begleitende Hämarthros resultiert im Ultraschall in einem nicht echofreien Erguss im betroffenen Gelenk.
Bei der sonografischen Abklärung von Frakturen ist auf eine exakte Schallkopfführung zu achten. Ein Verkippen des Schallkopfes kann kortikale Unterbrechungen oder kortikale Verbiegungen und damit Frakturen vortäuschen. Verletzungen von Knorpelstrukturen, z. B. Rippenknorpel oder bei Kindern knorplige Anteile der Epiphysen und Apophysen entgehen der Röntgendiagnostik. Im Gegensatz dazu lassen sich auch Knorpelverletzungen im Ultraschall vergleichbar sicher wie Knochenverletzungen nachweisen.
Idealerweise wird der zu untersuchende Röhrenknochen sonografisch aus den 4 möglichen Richtungen – ventral, dorsal, medial, lateral – untersucht. Mit diesem Vorgehen können Frakturen nicht nur sehr sensitiv nachgewiesen oder ausgeschlossen, sondern auch recht sichere Aussagen über Frakturtyp und Frakturstellung getroffen werden [6].
Schädelfrakturen ([Abb. 2]): Bei der Abklärung von Schädelfrakturen ist es essenziell, dass insbesondere bei starkem Haarbewuchs ausreichend Ultraschallgel verwendet wird. Die Ultraschalluntersuchung muss über den Rand des Frakturhämatoms hinaus ausgedehnt werden, da Hämatome entsprechend der Schwerkraft nach kaudal absacken können. Ferner muss die Untersuchung aus verschiedenen Schallrichtungen erfolgen. Verläuft die Schallebene parallel zur Frakturlinie, können Fissuren dem Nachweis entgehen. Darüber hinaus benötigt der Untersucher Kenntnis über Lage und Verlauf der Suturen, um eine Verwechslung mit Frakturlinien zu vermeiden.
Abb. 2 Kalottenfraktur rechts parietal im Ultraschall mit Konturunterbrechung und diskreter Stufe (Pfeil), darüber erkennbar ein größeres echoarmes Galeahämatom (*).
Unter Beachtung dieser Prinzipien erzielt die Sonografie im Nachweis von Kalottenfrakturen eine sehr hohe Sensitivität von 91 % und Spezifität von 96 % [7]
[8]. Für die Abklärung von unkomplizierten Kalottenfrakturen ohne therapeutische Konsequenzen ist die sonografische Untersuchung allein ausreichend [9]. Röntgenaufnahmen des Schädels zur Frakturabklärung sind obsolet, außer bei Verdacht auf Kindesmisshandlung [10]. Komplexe Kalottenfrakturen und Impressionsfrakturen werden ebenfalls sicher in der Sonografie erkannt und anschließend einer CT-Untersuchung zugeführt [11]. Supraorbitale Frakturen und Schädelbasisfrakturen sind für eine suffiziente sonografische Untersuchung nicht zugänglich und werden sensitiver in der CT diagnostiziert [9].
Klavikulafrakturen ([Abb. 3]): Die sonografische Untersuchung der Klavikula erfolgt von ventral und kranial, gegebenenfalls zusätzlich von ventrokranial. Gelegentlich kann ein zusätzliches Abfahren der Klavikula im Querschnitt hilfreich sein. Mit diesem Vorgehen erweist sich die Sonografie im Nachweis von Frakturen der Röntgenuntersuchung als überlegen, die Sensitivität der Sonografie liegt bei 91 % (Röntgenaufnahmen 77 %) und die Spezifität bei 93 % (Röntgenaufnahmen 100 %) [12]. Auch bei negativem Röntgenbefund und klinischen Zeichen besteht die Indikation zur zusätzlichen sonografischen Abklärung [13]. Da Frakturen bei Kindern ein gutes Korrekturpotential aufweisen, benötigen sonografisch nachgewiesene Frakturen keine Kontrolle durch Röntgenaufnahmen [14]. Mehrere Studien konnten zeigen, dass die sonografische Untersuchung keine zusätzlichen Schmerzen verursacht [14]
[15].
Abb. 3 Klavikulafraktur im Ultraschall mit deutlicher Stufe (Pfeil), in den angrenzenden Weichteilen diffuses echoreiches Hämatom.
Proximale Humerusfrakturen: Eine standardisierte Untersuchung des proximalen Humerus wird im Ultraschall in Längsschnitten von ventral, lateral und dorsal bei angelegtem, innenrotiertem Arm und zusätzlich von ventral bei angelegtem Arm in Neutralposition (Unterarm nach ventral gerichtet) durchgeführt [16]
[17]. Dabei ist darauf zu achten, dass die Kortikalis auf ganzer Bildbreite abgebildet und die Epiphysenfuge miterfasst wird ([Abb. 4]). Auch für die Diagnose der proximalen Humerusfraktur erzielt die Sonografie eine sehr hohe Sensitivität von 94 % und Spezifität von 100 % [18]
[19]
[20]. Studien haben gezeigt, dass die Achsabweichung in der Sonografie exakter als auf Röntgenaufnahmen bestimmt werden kann [19]
[20]. Kann sonografisch eine Fraktur diagnostiziert werden, werden anschließend Röntgenaufnahmen erforderlich, um eine pathologische Fraktur auszuschließen [16]
[17]
[19]
[20]. Kann sonografisch eine Fraktur ausgeschlossen werden, müssen keine Röntgenaufnahmen angefertigt werden [16]
[17]. Aufgrund möglicher intraartikulärer Frakturen ist die Sonografie bei über 12-Jährigen nur als zusätzliche Methode geeignet [18].
Abb. 4 a Proximale Humerusschaftfraktur im Ultraschall a mit kleiner Stufe (Pfeil) und angrenzendem diffusem, echoreichem Hämatom. b Röntgenbild der Fraktur (b).
Ellenbogenfrakturen: Die meisten Studien zur sonografischen Diagnostik von Ellenbogenfrakturen überprüfen den Nachweis bzw. Ausschluss eines Gelenkergusses anhand eines dorsalen Längsschnittes über der Fossa olecrani. Als Korrelat findet sich auf Röntgenaufnahmen ein positives dorsales Fettpolsterzeichen. Dies gelingt sonografisch mit einer Sensitivität von 97–100 % und einer Spezifität von 90 % [21]
[22]. Wird ein Gelenkerguss nachgewiesen, sind Röntgenaufnahmen zur korrekten Frakturklassifikation indiziert [16]
[17]. Liegt kein Gelenkerguss vor, ist eine Fraktur unwahrscheinlich [16]
[17]
[23]. Daher ist die Sonografie bei geringem klinischem Verdacht ein geeignetes Verfahren zum Frakturausschluss [24]. Allerdings muss dabei berücksichtigt werden, dass bei undislozierter proximaler Radiusfraktur und beim Chassaignac oft kein Gelenkerguss entsteht. Auch der Epicondylus ulnaris liegt partiell extraartikulär, sodass bei unvollständiger Fraktur unter Umständen auch kein Gelenkerguss auftritt [25].
Aufgrund der komplexen anatomischen Verhältnisse am Ellenbogengelenk ist es sonografisch sehr schwierig oder gar unmöglich, den exakten Frakturtyp und den Frakturverlauf zu erfassen ([Abb. 5]). Insbesondere ein Einstrahlen der Fraktur in die Gelenkfläche kann der Sonografie entgehen, da die Gelenkflächen sonografisch nur unvollständig einzusehen sind. Daher werden bei Patienten ab 13 Jahren immer Röntgenaufnahmen notwendig. Allerdings kann der Ultraschall Knorpel darstellen, auf Röntgenbildern ist er nicht erkennbar. So zeigt sich die Sonografie bei Verletzungen der knorpligen Anteile des Ellenbogens, vor allem Kondylen, Epikondylen und Radiusköpfchen vor Auftreten der Epiphysenkerne, dem Röntgen überlegen. Bei minimal dislozierter Condylus-radialis-Fraktur kann im transversalen Ultraschall die Stabilität der Fraktur bestimmt werden [26].
Abb. 5 a Condylus-radialis-Fraktur mit deutlicher Stufe (Pfeil) im Ultraschall a und ausgedehntem diffusem, echoreichem Weichteilhämatom. b Konsekutives, echoreiches Hämarthros (Pfeil) im Ultraschall (b). c Röntgenbild im anteroposterioren Strahlengang (c).
Distale Unterarmfrakturen: Sehr gut anhand wissenschaftlicher Studien ist die sonografische Diagnostik der distalen Unterarmfrakturen dokumentiert ([Abb. 6]). Die sonografische Untersuchung erfolgt idealerweise am Radius von volar, radial und dorsal, an der Ulna von volar, ulnar und dorsal, sogenannter „Wrist SAFE Algorithmus“ [27]. Die Sonografie erzielt dabei für den Nachweis von distalen Unterarmfrakturen sehr hohe Sensitivitäten von 92–100 % und Spezifitäten von 88–100 % [28]
[29]
[30]
[31]. Benötigt eine sonografisch diagnostizierte distale Unterarmfraktur keine Reposition und keine operative Therapie, reicht die Sonografie als alleiniges bildgebendes Verfahren aus [27]. In allen anderen Fällen werden zusätzlich Röntgenaufnahmen benötigt. Mit diesem Vorgehen können 81 % der Röntgenbilder vermieden werden. Allerdings können ab dem 14. Lebensjahr intraartikuläre Frakturen entstehen, die sonografisch nicht mehr ausreichend diagnostiziert werden können. Daher müssen ab diesem Alter distale Unterarmfrakturen generell einer Röntgenuntersuchung zugeführt werden [27].
Abb. 6 a Distale Unterarmfraktur. Sonografie der Ulna von ulnar mit diskreter Wulstbildung (Pfeil, a) und von dorsal mit Konturunterbrechung und geringer Stufe (Pfeil, b) sowie des Radius von dorsal mit deutlicherer Stufe (Pfeil, c) und radial mit Einstauchung und Wulstbildung (Pfeil, d). e Röntgenbilder dorsovolar e und seitlich f, Frakturen durch Pfeile markiert.
Mittelhandfrakturen: Die Ossa metacarpalia werden sonografisch von dorsal und volar unter Verwendung von ausreichend Ultraschallgel untersucht. Frakturen können sonografisch mit einer Sensitivität von 90–97 % und einer Spezifität von 93–95 % diagnostiziert werden [32]. Dabei können auch radiologisch okkulte Frakturen nachgewiesen werden. Die palmare Abkippung des Köpfchens, dessen Ausmaß entscheidend für die Therapie ist, kann im Ultraschall genauer als auf Röntgenaufnahmen gemessen werden.
Rippenfrakturen: Zu diesem Bereich gibt es bisher nur wenige Studien. Die sonografische Untersuchung erfolgt am größten Druckschmerz in Längsrichtung der Rippe. Die benachbarten Rippen sollten ebenfalls in die Untersuchung einbezogen werden. Dabei zeigt sich die Sonografie den Röntgenuntersuchungen überlegen mit einer Sensitivität von 97 % gegenüber 77 % in Röntgenuntersuchungen und einer Spezifität von 94 % gegenüber 100 % [12]
[33]. Bei fehlendem Frakturnachweis auf Röntgenaufnahmen können sonografisch in 25–40 % der Fälle dennoch Frakturen detektiert werden [34]
[35]
[36]. Auch Frakturen im Rippenknorpel können sonografisch in 69 % der Fälle nachgewiesen werden [37].
Sternumfrakturen: Hier liegen nur einzelne Studien mit kleinen Fallzahlen vor. Das Sternum wird im Ultraschall in sagittaler und transversaler Richtung untersucht ([Abb. 7]). Die Sonografie erzielt eine Sensitivität von 91 % (Röntgenaufnahmen 77 %) und eine Spezifität von 93 % (Röntgenaufnahmen 100 %) [12].
Abb. 7 a Sternumfraktur im Längsschnitt a und Axialschnitt b mit jeweils erkennbarer Stufe (Pfeile).
Distale Unterschenkelfrakturen ([Abb. 8]): Die distale Tibia und Fibula werden sonografisch von ventral, dorsal und medial/lateral untersucht. Für den Nachweis von Frakturen wird eine Sensitivität von 96–100 % und eine Spezifität von 93–97 % beschrieben [38]
[39]. Die Frakturen lassen sich jedoch sonografisch nicht ausreichend klassifizieren, sodass bei einem Frakturnachweis eine gezielte Röntgenuntersuchung angeschlossen werden muss [17]. Bei einem sonografischen Frakturausschluss werden aber keine Röntgenaufnahmen erforderlich.
Abb. 8 a Distale Tibiaschaftfraktur. Sonografie im Längsschnitt von medial a mit diskreter Stufe (Pfeil) und angrenzend diffusem, echoreichem Weichteilhämatom. b Röntgenbild anteroposterior b, Fraktur durch Pfeil markiert.
Mittelfußfraktur: Für diese Region weisen die Studien teilweise nur sehr kleine Fallzahlen auf. Vergleichbar zu den Mittelhandknochen werden die Ossa metatarsalia in Längsrichtung von dorsal, plantar und am 1. bzw. 5. Strahl von medial bzw. lateral im Ultraschall untersucht. Für den Frakturnachweis werden Sensitivitäten von 80–97 % und Spezifitäten von 76–100 % erreicht [40].
Frakturen der langen Röhrenknochen ([Abb. 9]): Standardmäßig sollte die sonografische Untersuchung in Längsrichtung von ventral, medial, dorsal und lateral erfolgen. Dabei werden Sensitivitäten von 90–96 % und Spezifitäten von 86–100 % erzielt [3]
[5].
Abb. 9 a Humerusschaft-Spiralfraktur. Sonografischer Längsschnitt von lateral a mit deutlicher Stufe (Pfeil) und von volar b mit deutlicher Stufe und Achsknick (Pfeil). d Röntgenbild anteroposterior (c) und seitlich (d).
Erfolgt die sonografische Untersuchung wie empfohlen von ventral, dorsal, medial und lateral, kann auch die Dislokation zuverlässig erfasst werden [6]. Eine erforderliche Reposition kann mit einer Sensitivität von 100 % und einer Spezifität von 85–97 % identifiziert werden [3]
[5]. Eine adäquate Reposition wird sonografisch mit einer Sensitivität von 94–100 % und einer Spezifität von 56–100 % bestätigt [4]
[5]. Auch die inadäquate Reposition wird mit einer Sensitivität von 100 % und einer Spezifität von 92–93 % nachgewiesen [41].
Nach Frakturen der langen Röhrenknochen wird die Kallusbildung im Ultraschall sensitiv detektierbar ([Abb. 10]). Sie wird deutlich vor dem Nachweis auf Röntgenaufnahmen erkennbar [42]. Kallus weist dabei sonografisch im Vergleich zum gesunden Periost einen höheren Vaskularisationsgrad auf. Die Sonografie wird dabei als mögliche Alternative zu Röntgenaufnahmen für die Untersuchung der Frakturheilung genannt [43]. Allerdings wird kaum jemand für eine alleinige sonografische Abklärung den Gips bei einer im Gips ruhig gestellten Fraktur entfernen wollen.
Abb. 10 a Sonografischer Längsschnitt einer Humerusschaftfraktur a mit Stufe (Pfeil), Achsknick und diffusem, echoreichem Weichteilhämatom. b 3 Wochen später im Ultraschall deutliche, irreguläre Auftreibung durch Kallus (b).
Die Ultraschalluntersuchung bei einem verunfallten Patienten kann in der für den Patienten angenehmsten Position, unter Umständen auf dem Arm der Mutter, erfolgen. Sie kann in schmerzarmer Schonhaltung durchgeführt werden und erfordert nur geringe Stellungswechsel. Durch den Schallkopf muss kein großer Druck ausgeübt werden und es kann Kühlungsgel eingesetzt werden. So ist es nicht verwunderlich, dass mehrere Studien der Ultraschalluntersuchung deutlich geringere Schmerzen als bei der Röntgenuntersuchung bescheinigen [14]
[17]
[27]
[31]. Da bei Röntgenaufnahmen exakte a. p. und seitliche Aufnahmen gefordert werden, ist dies mit oft sehr schmerzhafter Lagerung und unangenehmen Stellungswechseln verbunden.
Wird die sonografische Untersuchung als Point-of-Care-Ultraschall (POCUS) durchgeführt, so ist sie deutlich kürzer im Vergleich zur Röntgenuntersuchung [14]
[24]
[27]
[31]. Für die sonografische Abklärung einer distalen Unterarm- oder Ellenbogenfraktur wird ein Zeitbedarf von 2 bis maximal 5 Minuten angegeben [24]
[27]
[31]. Geht die Untersuchung allerdings über den reinen POCUS hinaus, so kann deutlich mehr Zeit erforderlich werden. Dies trifft insbesondere zu, wenn die Lokalisation der Fraktur unklar oder der Patient unkooperativ ist. Auch eine genauere Beurteilung der Fraktur, wie z. B. die Charakterisierung einer Ellenbogenfraktur, benötigt in der Regel mehr Zeit.
Das Verfahren der sonografischen Frakturdiagnostik kann schnell erlernt werden. Neben Ausbildung und Erfahrung in der Fraktursonografie müssen auch Kenntnisse über den Untersuchungsgang und die Dokumentation erworben werden. Mehrere Studien konnten demonstrieren, dass Unterarmfrakturen bereits nach kurzem Training sicher im Ultraschall diagnostiziert werden können [27]
[30]
[44].
Aus einem Ultraschallbild allein werden weder Untersuchungsregion noch -ebene ersichtlich. Essenziell ist ein Bilddokumentation nach einem definierten Standard-Untersuchungsgang, der dann auch von Nichtuntersuchern sicher nachvollzogen werden kann. Werden distale Unterarmfrakturen entsprechend des Wrist SAFE Algorithmus dokumentiert, ist die Bilddokumentation sicher überprüfbar und eine Anwendung von AssistenzärztInnen möglich [27]. Allerdings wird die Bilddokumentation komplexer Sachverhalte schwierig. Röntgenbilder in 2 senkrecht aufeinander stehenden Ebenen liefern eine 3D-Information von der Fraktur. Diese ist in der Ultraschalluntersuchung nur über die Real-time-Untersuchung zu erzielen und damit oft nur durch den Untersucher selbst nachvollziehbar. Inwieweit diese Informationen aus einem Videoloop oder einem 3D-Ultraschall zu entnehmen sind, bleibt durch zukünftige Studien zu klären.
Die Sonografie besitzt gegenüber der Röntgenuntersuchung mehrere Vorteile. Sie gestattet eine überlagerungsfreie Darstellung der Knochen in verschiedenen Ebenen, während es sich beim Röntgenbild immer um ein Summationsbild handelt. In Zweifelsfällen kann in der Sonografie ein Vergleich mit der Gegenseite durchgeführt werden. Es handelt sich um eine dynamische Untersuchung in Real time, bei der neben Bildinformationen auch klinische Informationen wie z. B. die Detektion des Schmermaximums gewonnen werden können. Die Sonografie liefert zusätzliche Informationen wie Weichteilverletzungen, Gelenkergüsse, Hämatome und Knorpelverletzungen. Es ist ein Verfahren ohne Röntgenstrahlung und die Diagnostik kann problemlos vor Ort durchgeführt werden. Domänen der Röntgendiagnostik werden offene Verletzungen, offensichtliche Fehlstellungen, vermutete Gefäß- und Nervenbeteiligungen, Refrakturen und der Verdacht auf intraartikuläre und intraossäre Läsionen sowie pathologische Frakturen bleiben [17].
Problematisch wird die sonografische Frakturdiagnostik immer dann, wenn die Abklärung über den reinen Frakturnachweis bzw. -ausschluss hinausgeht. Daraus kann unter Umständen eine zeitintensivere Untersuchung resultieren, die ärztliches Personal bindet. Das übersteigt in der Regel die ärztlichen Kapazitäten und die Vergütung der Leistungen ist dann inadäquat. Je nach Komplexität der Fraktur kann eine adäquate Dokumentation schwierig oder unmöglich werden, da 3D-Informationen nur unzureichend in Bildern festgehalten werden können.
Bisher ist die Sonografie in der Frakturdiagnostik nur ein additives Verfahren. Sie ist aber eine sichere Methode zum Frakturnachweis und -ausschluss. Dislokationen können sonografisch ebenfalls sicher nachgewiesen werden. Der Untersucher benötigt eine entsprechende Expertise und bestimmte Geräteanforderungen müssen erfüllt werden. Mittlerweile gibt es erste Empfehlungen zur alleinigen sonografischen Frakturdiagnostik wie bei Schädel-, Klavikula- und nicht dislozierten distalen Unterarmfrakturen.