ergopraxis 2023; 16(06): 44-46
DOI: 10.1055/a-2045-9259
Perspektiven

In elf Etappen zur optimalen Selbstorganisation – Zeitmanagement

Lisa Holtmeier
 

Die To-do-Liste wird länger statt kürzer und das Ablagefach scheint sich wie von selbst zu füllen: Können Therapeut*innen zaubern? Es scheint so. Einige bräuchten mehr als 24 Stunden pro Tag, höre ich oft, doch das hat noch niemand hingezaubert bekommen. Begleiten Sie mich auf einer kleinen Wandertour: Die Route führt uns in elf Etappen auf einen Berg und zurück ins Tal. Der Weg ist gespickt mit nützlichen Hinweisen und Tricks, wie Sie besser mit Ihrer Zeit zurechtkommen – ganz ohne größeres Zeitkontingent.


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Der Weg ist weit und der (Arbeits-)Berg ist hoch – aber am Ende lockt die Belohnung: Wanderschuhe ausziehen, durchatmen, ausruhen und sich für das Erreichte loben. Quelle: © S. Schaaf/Thieme

Das frustrierende Gefühl, wieder nicht alles geschafft zu haben, obwohl man stundenlang beschäftigt war; die Arbeit, die kein richtiges Ende nimmt, und immer neue Aufgaben, die dazukommen: Das kann ganz schön stressen und setzt tagtäglich viele Menschen unter Druck.

Viele Praxisinhaber*innen wünschen sich ausreichend Zeit, um an neuen Projekten zu arbeiten oder „einfach ihrer ganz normalen Arbeit“ nachkommen zu können. Doch das „daily business“ übermannt sie. Wie Sie die Lage in den Griff bekommen – ohne Zauberei, aber vielleicht mit ein paar Tricks –, erfahren Sie auf unserer gemeinsamen Reise. Lassen Sie uns zusammen die Alpen überqueren und dabei insgesamt elf Stationen durchlaufen. Ziehen Sie sich bequeme Wanderschuhe an und packen Sie ausreichend Proviant ein. Wenn Sie so weit sind, geht es los.

Station 1: die Zwei-Minuten-Regel

Egal wie gut Sie den Tag geplant haben, es kommt ständig irgendwas dazwischen, oder? Diese vielen kleinen Zwischenfälle können die sorgfältig vorbereitete To-do-Liste ganz schön zerpflücken. Und schon ist er dahin, der schöne Plan.

Orientieren Sie sich an der Zwei-Minuten-Regel. Ist die Aufgabe innerhalb von zwei Minuten zu erledigen, dann machen Sie es ruhig sofort. Sobald es länger als zwei Minuten dauert, schreiben Sie es auf oder geben Sie die Aufgabe weiter.

Ein „Umweg“ von zwei Minuten ist beim Wandern in der Regel kein Problem, dauert es länger, könnte es für alle Beteiligten anstrengend werden.


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Station 2: Eat the frog

Wir überqueren einen kleinen Bach. Sie nehmen das Quaken der Kröten wahr und genießen den Ausblick, den Sie von der kleinen Holzbrücke haben. Sie sind an der zweiten Station „eat the frog“ angelangt. „Eat the frog“ meint, zuerst die unangenehmste Aufgabe zu erledigen, sonst schieben Sie diese immer weiter auf. Ihr Unterbewusstsein wird es Ihnen danken, denn andernfalls „schleppen“ Sie diese unerledigte, unangenehme Aufgabe durch den Tag, durch die Nacht und schlimmstenfalls durch die Woche. Oftmals stellt es sich als gar nicht so schlimm heraus, wie vorerst angenommen.


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Station 3: die 10-10-10-Methode

Sie kommen an einer Weggabelung an. Die Frage ist, für welchen Weg Sie sich entscheiden: rechts oder links? Auch in Ihrem (Praxis-)Alltag sind Sie ständig gefordert, Entscheidungen zu treffen. Diese Entscheidungen bestimmen über Ihre Zeit und den weiteren Weg. Ein kleiner Trick, der Ihnen dabei behilflich sein kann, Entscheidungen zu treffen, ist die 10-10-10-Methode. Die Frage, die Sie sich vor der Entscheidung stellen, lautet: „Was sind die Konsequenzen meiner Entscheidung in zehn Minuten, zehn Monaten und in zehn Jahren?“


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Station 4: die ABC-Methode

Den Berg in der Ferne können Sie bereits erahnen, denn der Nebel schwindet durch die mehr und mehr aufsteigende Sonne. Bevor Sie sich auf den Weg machen, den Aufgabenberg oder die Arbeitsalpen zu erklimmen, empfiehlt es sich, die nötigen Vorkehrungen zu treffen. In diesem Fall lauten sie: Prioritäten setzen. Es ist nicht alles gleich wichtig, auch wenn es sich manchmal so anfühlt, und es muss auch nicht alles sofort erledigt werden.

Erledigen Sie nur wichtige UND dringende Aufgaben sofort.

Unterteilen Sie deshalb die Aufgaben in A-, B- und C-Aufgaben. A-Aufgaben sind sehr wichtig, haben einen hohen Wert, sind meistens auch dringend, können nicht delegiert werden und nehmen den größten Teil Ihrer Arbeitszeit ein. B-Aufgaben sind durchschnittlich wichtig und oft nicht so dringend. Diese Aufgaben können teilweise delegiert oder terminiert werden und sollten nicht mehr als eine Stunde Zeit in Anspruch nehmen. Zu guter Letzt gibt es noch C-Aufgaben. Diese haben den geringsten Mehrwert und kosten meistens sehr viel Zeit, dazu gehören zum Beispiel Telefonate oder den Materialschrank aufzuräumen.


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Station 5: die ALPEN-Methode

Jetzt kommt ein ganz schöner Anstieg. In kürzester Zeit erklimmen wir gemeinsam ein großes Gebirge: Die Vielzahl an unterschiedlichen Aufgaben kommt Ihnen vielleicht auch manchmal vor wie die Besteigung der Alpen. Damit sind wir auch schon bei der nächsten Methode – der ALPEN-Methode.

Aufgaben aufschreiben – zunächst notieren Sie alle anfallenden Aufgaben.

Länge abschätzen – jetzt schätzen Sie die ungefähre Länge pro Aufgabe ein.

Pufferzeiten einplanen – verplanen Sie nicht die gesamte Zeit, die Ihnen zur Verfügung stehen würde. Richten Sie Pufferzeiten ein. Denn Sie wissen genauso gut wie ich, dass der Arbeitsalltag immer ein paar Überraschungen bereithält.

Entscheidungen treffen – priorisieren Sie nun die Aufgaben. Nutzen Sie hier gern die ABC-Methode – und treffen Sie eine Entscheidung, welche Aufgabe Sie als Erstes erledigen wollen.

Nachkontrolle – kontrollieren Sie nun abschließend, ob Ihr Plan wirklich zu realisieren ist (ganz ohne zusätzliche Zaubertricks und heimliche Helferlein). Die Nachkontrolle können Sie auch am Ende des Tages machen. Was haben Sie erfolgreich erledigt und was verteilen Sie auf die anderen Tage?


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Station 6: die Kanban-Methode

Nun haben Sie den Arbeitsberg erklommen. Sie haben bereits sehr viel erlebt und erledigt. Vielleicht gibt es noch offene Aufgaben. Jetzt möchte ich Sie allerdings dazu einladen, den Ausblick zu genießen und kurz innezuhalten.

Das Kanban-Board kann Ihnen dabei helfen, einen Überblick zu behalten. Fertigen Sie hierfür eine Tabelle mit drei Spalten an. Die erste Spalte sind Ihre „To-dos“, die zweite Spalte ist für „Dos“ also Dinge, die „in Bearbeitung“ sind, und die dritte Spalte steht für „Done“, diese Dinge sind erledigt. Sie können dieses Board digital oder physisch mittels Post-its nutzen.

Praxisprofi-Tipp: Die Kanban-Methode eignet sich auch super, um Entscheidungen oder Aufgaben, die aus Teamsitzungen hervorgegangen sind, zu strukturieren und sichtbar zu machen.


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Station 7: Fokus-Zeit

Die Landschaften auf dieser Wanderung sind wunderschön und der Blick ins Tal ist wirklich fabelhaft. Es ist an der Zeit, diesen Ausblick ungestört zu genießen. Legen Sie Ihr Smartphone aus der Hand und kommen Sie voll und ganz im Moment an.

Die gleiche Empfehlung möchte ich Ihnen für Ihren Alltag aussprechen: Auch hier sollten Sie Fokus-Zeiten einrichten. In dieser Zeit bleibt die Tür zu, das Handy in der Tasche und das E-Mailprogramm ausgeschaltet. Kommunizieren Sie Ihre Fokus-Zeit an Ihre Mitmenschen – erst dann kann Rücksicht darauf genommen werden – und planen Sie die Zeit konkret: zum Beispiel 45 Minuten Fokus-Zeit. Sie können dafür auch einen Wecker stellen, um die Zeit sichtbarer zu machen. Nutzen Sie diese Fokus-Zeit für eine konkrete Aufgabe.


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Station 8: kleinschrittige To-dos

Nun geht es wieder bergab. Um nicht zu stürzen, empfiehlt es sich, kleine, aufmerksame Schritte zu machen. Gleiches gilt bei der Gestaltung der Aufgaben und To-dos.

Die Aufgaben werden oft viel zu groß verfasst und es wird schnell frustrierend, wenn Sie wieder eine Aufgabe nicht erledigt haben. Dabei bestehen die meisten Aufgaben – wie beispielsweise die Abrechnung – aus einzelnen kleinen Handlungsschritten, während auf der To-do-Liste oft nur „Abrechnung“ vermerkt ist. Wesentlich motivierender ist es, Aufgaben zu zerlegen, da Sie im Anschluss gleich mehrere Teilaufgaben abhaken können. Außerdem wird es Ihnen helfen, Erreichtes sichtbarer zu machen. Schreiben Sie Teilaufgaben auf Ihre To-do-Liste.


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Station 9: Recycling

Leider stellen Sie auf der Wanderung fest, dass ab und zu Müll am Wegesrand zu finden ist. Sie wissen, dass es wichtig ist, Müll entsprechend zu entsorgen und im besten Fall natürlich zu trennen.

Ihre Aufgaben möchten auch getrennt werden. Packen Sie dafür die zusammengehörigen Aufgaben in Blöcke, sodass Ihr Gehirn thematisch nicht ständig hin- und herspringen muss. Darunter leiden die Konzentration und auch Ihr Zeitkontingent, denn es braucht Zeit, bis Sie sich in die neue Aufgabe eingefunden haben. Planen Sie Aufgaben zusammen, die thematisch zusammenpassen.


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Station 10: die Timeboxing-Methode

So wie Sie Ihre Wanderroute planen, so sollten Sie auch Ihre Zeit planen. Die Routenplanung hilft Ihnen dabei, abschätzen zu können, wie lange Sie für die entsprechende Route brauchen. Anhand dessen können Sie erkennen, dass wir uns bereits an der vorletzten Station befinden.

Planen Sie Ihre Aufgaben in Zeitboxen. Das sogenannte Timeboxing verhilft Ihnen zu mehr Struktur im Alltag. Nehmen Sie sich beispielsweise zuerst 15 Minuten, um alle E-Mails zu lesen. Planen Sie die nächsten 15 Minuten, um diese zu beantworten. Die nächsten 45 Minuten können Sie dann für die Überprüfung der Heilmittelverordnungen nutzen.

Auch wenn Sie kurzfristig durch einen Terminausfall zu mehr Zeit kommen, planen Sie diese. Eine der größten Frustrationsfallen ist der Versuch, in dieser „freien“ Zeit so viele Aufgaben wie möglich abzuarbeiten. Dieser Versuch endet meistens nicht mit Zufriedenheit. Nehmen Sie sich etwas Konkretes für die Zeit vor. Mit der Zeit werden Ihre Einschätzungen, was in der Zeit zu schaffen ist, realistischer.


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Station 11: belohnen und ausruhen

Nun sind wir auch schon am Ende der Reise angekommen. Ziehen Sie in Ruhe Ihre Wanderstiefel aus, setzen Sie den Rucksack ab, nehmen Sie Platz und gönnen Sie sich gern Ihr Lieblingsgetränk. Lassen Sie dabei die Eindrücke der Reise Revue passieren.

Ausruhen, Erreichtes sichtbar machen, reflektieren und belohnen – all das sollte neben Zeitmanagement, Optimierungsideen und Alltagsstress nicht fehlen. Planen Sie Pausen zum Durchatmen und Seele-baumeln-Lassen ein. Machen Sie sich bewusst, was Sie an diesem Tag oder in dieser Woche geschafft haben. Belohnen Sie sich für Ihre Anstrengungen und Bemühungen. Auch wenn manche Tage oder Wochen vielleicht anders laufen, als sie es sich wünschen würden, sind sie trotzdem würdig, anerkannt und belohnt zu werden. Auch wenn Sie womöglich keine Wahl haben und viele Aufgaben erledigen müssen, sollten Sie es trotzdem nicht als selbstverständlich hinnehmen. Erkennen Sie sich und Ihre tagtäglichen Aufgaben an.

Ich wünsche Ihnen eine gute Reise, kommen Sie gesund an!

Lisa Holtmeier


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Autorin

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Lisa Holtmeier ist Ergotherapeutin BSc., Gründerin von WORDSEED, Kommunikationscoach und Podcasterin. Sie hält Vorträge, gibt Fortbildungen und coacht Praxen im Bereich der internen und externen gesunden Kommunikation. Kommunikation wird in ihrer Arbeit als betriebliche Gesundheitsförderung eingesetzt. WORDSEED: Worte säen – Gesundheit, Zufriedenheit und Motivation ernten. E-Mail: durchstarter@wordseed.de

Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
02. Juni 2023

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Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany

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Lisa Holtmeier ist Ergotherapeutin BSc., Gründerin von WORDSEED, Kommunikationscoach und Podcasterin. Sie hält Vorträge, gibt Fortbildungen und coacht Praxen im Bereich der internen und externen gesunden Kommunikation. Kommunikation wird in ihrer Arbeit als betriebliche Gesundheitsförderung eingesetzt. WORDSEED: Worte säen – Gesundheit, Zufriedenheit und Motivation ernten. E-Mail: durchstarter@wordseed.de
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Der Weg ist weit und der (Arbeits-)Berg ist hoch – aber am Ende lockt die Belohnung: Wanderschuhe ausziehen, durchatmen, ausruhen und sich für das Erreichte loben. Quelle: © S. Schaaf/Thieme