Aktuelle Dermatologie 2023; 49(05): 201-202
DOI: 10.1055/a-2050-8850
Interview

Die Tropendermatologie kann glücklich machen

Prof. Christiane Bayerl im Gespräch mit Prof. Peter Elsner
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Prof. Peter Elsner

Warum haben Sie die Dermatologie als Fachgebiet gewählt?

Die Wahl der Dermatologie war bei mir eher ein glücklicher Zufall. Eigentlich wollte ich Neurologe werden wegen der intellektuellen diagnostischen Herausforderungen in diesem Fachgebiet, die mich als Student faszinierten, und war dafür auch durch eine grundlagenwissenschaftliche Promotion in der Membranphysiologie gut vorbereitet. Nach meinem Wehrdienst als Truppenarzt verzögerte sich dann die schon zugesagte Assistenzarztstelle an der Würzburger Klinik für Neurologie. In der Zwischenzeit "ereilte" mich eine Anfrage aus der Uni-Hautklinik, an der ich mein PJ gemacht hatte, ob ich nicht Assistent werden möge. Ich sagte zu, eigentlich nur für eine Zwischenstation. Als jedoch einige Monate später die Neurologen anriefen und fragten, ob ich jetzt anfangen wolle, hatte ich mich bereits in die Dermatologie verliebt, und diese Liebe ist bis heute nicht gerostet.

Sie haben in Ihrer Karriere viel erreicht. Worauf sind Sie besonders stolz?

Ich habe meine Aufgabe als dermatologischer Ordinarius immer im Sinne von Otto Braun-Falco verstanden: Eine in Krankenversorgung und Forschung breit aufgestellte Klinik leiten mit eigenen Labors für Dermatopathologie, Allergologie, Mykologie und Andrologie, was eine optimale Voraussetzung für Translation schafft und dadurch für Patienten und Mitarbeiterinnen hoch attraktiv ist. Die Jenaer Uni-Hautklinik konnte ich zu einer solchen Klinik entwickeln und dies- allen Widerständen zum Trotz- bis zu meinem Ausscheiden aufrechterhalten. Besonders stolz bin ich aber darauf, dass ich mich in den letzten Jahrzehnten meiner Klinikleitung aktiv in die Tropendermatologie einbringen konnte. Dass wir junge Kollegen aus dem subsaharischen Afrika und aus Sri Lanka als Stipendiaten für unsere Klinik gewinnen und sie langfristig fördern konnten, war mir eine große Freude, gerade auch wegen der erfüllenden menschlichen Begegnungen. Auch meine Teaching-Aufenthalte in Moshi, Colombo und Mbarara werde ich nie vergessen: Die Lernfreude und Begeisterung der jungen Kolleginnen in den Ländern des Globalen Südens sind beeindruckend.

Von wem haben Sie besonders viel gelernt?

Mein erster Chef, Helmut Röckl, war kein großer Kommunikator, aber ein exzellenter Kliniker. Als sein Privatassistent durfte ich mir von ihm viel abschauen. Mein erster Oberarzt, Albert A. Hartmann, hat mir die dermatologische Mikrobiologie beigebracht und mich unglaublich gefördert und- vor allem- selbst machen lassen. Mein Mentor an der UCSF San Francisco, Howard Maibach, hat mir eine neue Welt der internationalen Kooperation in der Dermatologie eröffnet. Und mein zweiter Chef in Deutschland, Günter Burg, hat mich als seinen Oberarzt an das Unispital Zürich mitgenommen, wo ich höchst produktive und schöne Jahre verbringen durfte. Ich bin allen genannten und vielen weiteren tollen Kolleginnen und Kollegen, die ich hier nicht alle aufzählen kann, zu höchstem Dank verpflichtet. Sie haben alle auch einen akademischen Stil gepflegt, den ich sehr geschätzt und auch selbst gelebt habe, der aber in dieser Zeit der Ökonomisierung an den Unikliniken leider ausstirbt.

Wo sehen Sie die Zukunft der Dermatologie?

Unser Fachgebiet hat in den letzten Jahrzehnten gewaltige Fortschritte erfahren sowohl im molekularen Verständnis der Pathogenese von Hautkrankheiten, in der molekularen Diagnostik als auch in der zielgerichteten Therapie. Diese Fortschritte werden weitergehen und ergänzt werden durch informatische Techniken- denken Sie an künstliche Intelligenz in der Bildverarbeitung, aber auch der Verarbeitung komplexer Krankheitsinformationen zur Optimierung individualisierter Therapien. Wer bereit ist, sich ständig weiterzubilden, wird auch in Zukunft seinen Patienten eine exzellente Dermatologie anbieten können.Ich mache mir aber Sorgen um unsere Womanpower- unser Fachgebiet ist für viele nicht mehr so attraktiv wie früher, was sich in den Bewerberzahlen an den Kliniken niederschlägt. Und damit laufen wir in eine Versorgungskrise gerade in ländlichen Regionen, die auch die Teledermatologie nicht kompensieren kann. Es wird große Anstrengungen für attraktive Arbeitsbedingungen und vor allem mehr Wertschätzung von der Politik brauchen, um unser gewohntes gutes Versorgungsniveau in der Fläche aufrechterhalten zu können.

Was raten Sie jungen Kollegen?

Ich rate mit unserem Weimarer Philosophen Friedrich Nietzsche: "Werde, der du bist!" Finden Sie heraus, wer Sie sind, und werden Sie es! Sind Sie Kliniker, gehen Sie zu den besten Klinikern im In- und Ausland und lernen Sie von ihnen die dermatologische Klinik von Grund auf. Sind Sie Wissenschaftlerin, und dazu ermutige ich Sie ausdrücklich, arbeiten Sie bei den Koryphäen unseres Faches! Eine tolle Forschungsgruppe in den USA ist nach wie vor eine gute Adresse.Kommen Sie zurück nach Deutschland: Dann werden Sie Klinikchef/in, wir brauchen starke Führungspersönlichkeiten, und nehmen Sie sofort den Kampf auf mit den Kaufleuten in Ihrer Verwaltung, die uns Ärzte kleinhalten wollen. Wir sind aktuell in einer Zeitenwende, und die Chance besteht, dass wir Mediziner nach langem Niedergang endlich wieder die Überhand gegen die Ökonomen gewinnen.Letzter guter Rat: Schließen Sie eine Rechtsschutzversicherung ab und suchen Sie sich einen hochschulrechtlich erfahrenen Anwalt. Dann werden Sie diesen Kampf gewinnen und Forschung, Lehre und Krankenversorgung so erfolgreich verbinden können, wie wir uns dies alle wünschen.



Publication History

Article published online:
12 May 2023

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