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DOI: 10.1055/a-2060-0755
Aktuelle Trends in der Beugesehnenchirurgie – Ergebnisse einer nationalen Online-Umfrage
Current Trends in Flexor Tendon Surgery: Results of a National Online Survey- Zusammenfassung
- Abstract
- Einleitung
- Material und Methoden
- Ergebnisse
- Diskussion
- Zusammenfassung
- Schlussfolgerung
- Literatur
Zusammenfassung
Innerhalb der letzten 50 Jahre hat sich eine Trendwende in der Beugesehnenchirurgie vollzogen. Nach Einführung der 2-Strang-Kernnaht wurde in den 90igern die 4-Strang-Technik, später sogar die 6-Strang-Technik propagiert. Die vorliegende Studie wertet eine Online Umfrage unter den DGH Mitgliedern zur eingesetzten Nahttechnik von Beugesehnenverletzungen Zone 2 aus. Ziel war es, ein realistisches Bild der aktuellen nationalen Versorgungsrealität in Deutschland zu ermitteln.
Material und Methoden Mittels Online-Umfrage, welche per Email-Link an alle DGH Mitglieder ausgesandt wurde, wurden 7 Fragen zur aktuell durchgeführten Nahttechnik bei Beugesehnenverletzungen der Hand in Zone 2 gestellt. Es haben insgesamt 155 DGH Mitglieder aus Deutschland an der Umfrage teilgenommen.
Ergebnisse 155 Bögen wurden vollständig beantwortet und in die Auswertung eingeschlossen. Die Teilnehmer zeigten einen ausgeglichenen Anteil an Unfallchirurgen, Plastischen Chirurgen und ausschließlich handchirurgisch tätigen Chirurgen. Immerhin 53% der Teilnehmer favorisieren eine 4-Strang-Naht. 21% führen noch immer bevorzugt eine 2-Strang-Naht, 10% eine 6-Strang-Naht durch. Die Technik nach Kirchmayr-Kessler oder Modifikation davon wird von 52% der Teilnehmer angewandt, 6% setzen die Technik nach M-Tang, und 10% eine „andere Technik“ ein. 98% der Teilnehmer bejahten die Frage nach einer zusätzlichen zirkulären epitendinösen Adaptationsnaht. In Bezug auf das Nahtmaterial variierten die Meinungen stärker: 68% verwenden einen resorbierbaren, monofilen Faden wie z. B. PDS. Knapp ein Viertel (23%) nutzen einen nicht resorbierbaren monofilen Faden wie z. B. Prolene. Die Frage, ob eine Anpassung der Nahttechnik aufgrund neuer Studien innerhalb der letzten 7 Jahre stattgefunden habe, bejahten 40%.
Schlußfolgerung Die Beugesehnenchirurgie hat sich durch intensive Forschungsentwicklungen in den letzten Jahren erheblich verändert. Während lange Jahre die 2-Strang-Naht das Maß aller Dinge darstellte, konnten wir zeigen, dass viele handchirurgisch tätige Kollegen in Deutschland ihre Nahttechnik zur Versorgung von Beugesehnenverletzungen in Zone 2 modernisiert haben. Aktuell wird eine 4-Strang-Naht mit monofilem, resorbierbaren Nahtmaterial zuzüglich einer zirkulären Adaptationsnaht von der Mehrheit der befragten DGH Mitglieder bevorzugt. Die momentan auf den Jahrestagungen und Kongressen viel diskutierte Naht nach M-Tang wird lediglich von 6% der Befragten eingesetzt. Unsere Ergebnisse legen somit nahe, dass der wissenschaftliche Diskurs einen wesentlichen Einfluss auf die Wahl der chirurgischen Technik und das Nahtmaterial hat, wenngleich die Versorgungsrealität der aktuellen theoretischen Diskussion erst mit einigen Jahren Verspätung folgt.
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Abstract
Summary Within the last 50 years, there has been a change in trend in flexor tendon surgery. After the introduction of the 2-strand technique, the 4-strand technique was propagated in the 1990s. In order to obtain a status quo of which technique is used in Germany and if the gold standard of the 4-strand suture has changed in favour of a 6-strand suture, we conducted an online survey among members of the DGH (“Deutsche Gesellschaft für Handchirurgie”, German Society for Hand Surgery) on the suture technique of flexor tendon injuries zone 2.
Material and Methods An online survey was conducted and sent out by email to all DGH members. The questionnaire included 7 questions. Participants accessed the survey via a link.
Results 155 hand surgeons from Germany participated in the survey. All of them answered the questionnaire in full and all questionnaires were included in the evaluation. The main question of how many strands are currently used for core suturing was answered as follows: 21% (n=32) of the 155 participants (TN) stated that they use a 2-strand suture, 53% used (n=82) a 4-strand suture and 10% used a 6-strand suture. Regarding techniques, 81 TN used the Kirchmayr-Kessler technique or a modification of it, 9 TN used the M-Tang technique, and 15 TN indicated “other technique”. The question about the application of an epitendinous suture was overwhelmingly answered with “yes”. Here, 98.2% agreed. Only with regard to the suture material, different opinions were found. 68% (n=106) use an absorbable monofilament suture (such as PDS). Just under a quarter (23%, n=36) use a non-absorbable monofilament suture (such as Prolene).
Conclusion Flexor tendon surgery has changed considerably due to intensive advances in research during the last decades. It was interesting to note in our survey that German hand surgeons have adapted their suture technique within the last years based on the results of the literature. Our results clearly show that convincing scientific data has an influence on the choice of surgical technique and that discussions about new techniques, e. g. in the context of annual meetings, may well stimulate the auditorium to rethink.
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Schlüsselwörter
Beugesehnenchirurgie - Kernnahttechnik - Zone 2 Verletzung - 4-Strang-Naht - M-Tang Naht - Kirchmayr-KesslerEinleitung
Die Häufigkeit von Beugesehnenverletzungen wird auf 30–42 pro 100.000 Personen geschätzt [1]. Verletzungen in Zone 2 sind mit einer Inzidenz von 35% mit am häufigsten [2]. Meist sind sie Folge einer auf den ersten Blick banalen Schnitt- oder Stichverletzung [1] [3]. Die Mehrheit dieser Verletzungen betrifft die nicht dominante Hand [4]. Die Zone 2 galt lange Zeit als „no man‘s land“, später als „not everyone’s land“, was impliziert, dass eine qualitativ hochwertige Versorgung einer Verletzung der Sehne in dieser anatomischen Situation eine nicht unerhebliche Herausforderung darstellt [5]. Ursächlich hierfür ist die räumliche Nähe der oberflächlichen und tiefen Beugesehnen, der Sehnenscheiden und der Ringbänder, aber auch der Gefäße und Nerven.
Die Grundlage der über 50 Jahre führenden 2-Strang-Nahttechnik stammt aus dem Jahr 1917 von Kirchmayr, diese wurde während der vergangenen 5 Jahrzehnte mehrfach modifiziert [6] [7]. Den bedeutendsten Einfluss zum Erfolg der Naht brachte die Einführung der passiv-dynamischen Nachbehandlung durch Kleinert Ende der 1960iger Jahre [8]. Schließlich wurde durch eine stete Verbesserung der chirurgischen Techniken, Nahtmaterialien und anatomischen Kenntnisse die Beugesehnennaht einem breiteren Feld handchirurgisch tätiger Kollegen zugänglich. Lange Jahre galt in Deutschland die Kirchmayr-Kessler oder wahlweise die Kirchmayr-Zechner Modifikation mit Adaptationsnaht – durchgeführt mit nicht-resorbierbarem Nahtmaterial – als Goldstandard der Beugesehnennahttechnik ([Abb. 1]).
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Zuletzt wurden zunehmend mehrsträngige Kernnähte aufgrund ihrer in unzähligen wissenschaftlichen Studien nachgewiesenen erhöhten Primärstabilität empfohlen [9] [10] . Besonders reizvoll erschient hier die Möglichkeit, auch aktive Nachbehandlungsschemata durchführen zu können, was möglicherweise das Ergebnis nach Beugesehnennaht weiter verbessern könnte [8].
Die stetige Verbesserung der Nahttechniken und Materialien führte in den letzten Jahren zu einem ausgesprochen lebhaften wissenschaftlichen Diskurs [11] [12] [13]. Hier wurde deutlich, dass eine nicht unerhebliche, im Ausmaß aber unbekannte Anzahl an handchirurgisch tätigen Kollegen ihre Nahttechnik unlängst angepasst haben. Neben einer 4-Strang-Modifikation der Kirchmayr-Technik wurden vor allem andere Mehrstrang-Techniken mit und ohne „Loop“ sowie die Techniken von Jin Bo Tang diskutiert. Seine zuletzt vorgestellte 6-Strang-Technik (M-Tang) sei der modifizierten 4-Strang-Nahttechnik nach Kirchmayr überlegen [14]. Aber auch die Tsuge-Naht, die Lim-Tsai-Naht und die Bunnell-Naht werden offensichtlich häufig eingesetzt.
Vor dem Hintergrund dieser sehr lebhaften und fruchtbaren Diskussion über alte und neue Naht- und Therapiekonzepte, welche auch am nationalen Kongress im Jahr 2021 wieder auflebte, führten wir eine internetbasierte Umfrage unter den Mitgliedern der Deutschen Gesellschaft für Handchirurgie durch, um die aktuelle Versorgungsrealität der Behandlungstechnik von Beugesehnenverletzungen in Zone 2 zu erhalten. Ziel der vorliegenden Studie war es einerseits, aktuelle Versorgungskonzepte in Deutschland zu erfragen und andererseits neue Trends in der Behandlung von Beugesehnenverletzungen aufzuzeigen.
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Material und Methoden
Eine internetbasierte Umfrage mittels eines Online Fragebogens erfolgte von Mitte Januar 2022 bis Ende März 2022. Die Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Handchirurgie (DGH) wurden mithilfe des E-Mail-Verteilers der DGH angeschrieben und eingeladen an der Umfrage teilzunehmen. Die E-Mail beinhaltete einen Link zu einer Plattform für online-Umfragen (www.Q-Set.de). Dieser Link war vom 10. Januar bis 28. März 2022 frei geschaltet. Die Umfrage erfolgte auf deutsch und anonymisiert. Der Online Fragebogen (supplemental file) wurde in 3 Themenbereiche unterteilt und umfasste insgesamt 7 zumeist standardisierte, geschlossene Fragen mit zum Teil vorgegebenen Antwortmöglichkeiten. Bei einigen Fragen konnte bei Abweichungen von den aufgeführten Antwortmöglichkeiten ein Freitext eingegeben werden. Des Weiteren waren bei den Fragen 1, 4 und 6 Mehrfachnennungen möglich. Die Themengebiete beinhalteten zum einen Fragen zur Versorgungsrealität von Beugesehnenverletzungen in Zone 2 basierend auf grundlegenden Publikationen über die operative Versorgung und anschließende Therapie. Zum anderen bezogen Sie sich auf die Wirkungsstätte und persönliche Qualifikation des Teilnehmers. Die Fragen des ersten Themenbereiches befassten sich mit der Nahttechnik und Anzahl der verwendeten Stränge (Frage 1), dem Nahtmaterial für die Kernnaht (Frage 2) und dem verwendeten Nahtmaterial für die Feinadaptionsnaht (Frage 3). Antwortmöglichkeiten waren bei Frage 1 die Techniken nach Kirchmayr-Kessler (oder Modifikation), nach Tang, nach Bunnell oder andere [6], die Stranganzahl (2, 4, 6 oder 8) und die Resorbierbarkeit und Struktur (monofil/geflochten/resorbierbar/nichtresorbierbar) des verwendeten Nahtmaterials (Frage 2 und 3). Des Weiteren wurde das Nachbehandlungsschema (Frage 4) abgefragt und ob innerhalb der letzten Jahre eine Änderung der Nahttechnik erfolgt war (Fragen 5). Als Antwortmöglichkeiten für die Frage 4 wurden die gängigsten Protokolle aufgeführt. Alternativ konnte ein Freitext eingeben werden. Frage 5 konnte lediglich mit „ja“ oder „nein“ beantwortet werden. Zum Abschluss wurden die Teilnehmer befragt, in welcher Fachrichtung und Institution sie tätig seien (Frage 6) und welche medizinische Qualifikation (Facharzt, Assistenzarzt oder Zusatzbezeichnung) sie haben (Frage 7). Hier konnte eine Mehrfachauswahl bezüglich Art der Klinik oder Praxis, der Abteilung und ob eine FESSH Zertifizierung als Hand Trauma Zentrum vorliegt, angegeben werden. Die Auswertung der Fragen erfolgte online. Dabei konnte jeder Fragebogen für sich betrachtet werden, um Kombinationen zum Beispiel von Nahttechnik und Strangzahlen aufzuführen. Für die statistische Auswertung und Erstellung der Grafiken wurden die Daten aus dem Online Fragebogen exportiert und mit Hilfe der Programme Excel, SPSS und Word weiterverarbeitet.
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Ergebnisse
Die Mitgliederanzahl der DGH belief sich Anfang 2022 auf 1054 zahlende Personen und 190 Studenten. Der Email Verteiler enthält demnach insgesamt 1244 Personen mit einer aktuell gültigen Emailadresse. Insgesamt haben 298 Personen den Onlinefragebogen aufgerufen. Der Aufruf des Fragebogens erfolgte 143mal ohne jegliche Beantwortung. 155 Bögen wurden vollständig beantwortet, welche sämtlich in die Auswertung eingeschlossen wurden.
Über 50% aller Teilnehmer führen eine 4-Strang-Naht durch
Die erste Frage bezog sich auf die Anzahl der Stränge der Kernnähte und die verwendete Nahttechnik. 21% (n=32) der 155 Teilnehmer (TN) gaben an, eine 2-Strang-Naht, 53% (n=82) eine 4-Strang-Naht und 10% eine 6-Strang-Naht zu verwenden. 81 TN verwenden die Technik nach Kirchmayr-Kessler (K-K) oder eine Modifikation davon, 9 TN die Technik nach Jin Bo Tang (M-Tang-Technik), und 15 TN gaben eine „andere Technik“ an. Hierbei kam es 3-mal zur Nennung der Lim-Tsai Technik (4-Strang), 6-mal Tsuge-Naht (6-Strang), 2-mal Sandow-McMahan Technik (4-Strang) und jeweils eine Nennung der modifizierten Christen (8-Strang) Technik, Massachusetts General Hospital (4-Strang)-Technik und der Savage-Nahttechnik (6-Strang; [Abb. 2] [3])
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Der favorisierte Faden für die Kernnaht ist monofil und resorbierbar
Die zweite Frage bezog sich auf das verwendete Nahtmaterial. Hier benutzte die Mehrheit mit 41% (n=64) einen resorbierbaren monofilen Faden (genannt wurde meist PDS von Ethicon), 23% (n=36) der TN benutzen den 4.0 FiberWire (Arthrex Inc, Naples, FL, USA) welcher aus einem mehrsträngigen, langkettigen Kern aus ultrahochmolekulargewichtigem Polyethylen (UHMWPE) und einer geflochtenen Hülle aus Polyester und UHMWPE besteht. 17% der Chirurgen nutzten einen nicht resorbierbaren, geflochtenen Faden (meist Ethibond von Ethicon), 16% der Chirurgen einen nicht resorbierbaren, monofilen Faden (meist Prolene von Ethicon) und nur zwei Teilnehmer einen resorbierbaren, geflochtenen Faden (genannt wurde hier von Ethicon). Die Fadenstärke war nicht Teil der Umfrage. ([Abb.4])
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Fast alle Chirurgen führen eine Feinadaptationsnaht durch
[Abb. 5] zeigt die Ergebnisse der Frage 3 bezüglich der Wahl der Feinadaptationsnaht. Hier zeigte sich ein deutlicher Trend mit 68% (n=106) hin zu einem resorbierbaren, monofilen Faden (meistgenannt wurde PDS). Knapp ein Viertel (23%, n=36) nutzen einen nicht resorbierbaren monofilen Faden (z. B. Prolene). Lediglich 3 Teilnehmer verzichten gänzlich auf eine Adaptationsnaht. Eine Minderheit von 7 Teilnehmern nutzen einen resorbierbaren geflochtenen Faden und 3 einen nicht resorbierbaren geflochtenen Faden.
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Lediglich ein Drittel wenden aktuell die neuere aktiv kontrollierte Nachbehandlung an
In Frage 4 wurde das Nachbehandlungsschema abgefragt. Mit einer deutlichen Mehrheit von 67 Prozent (N=104) wird unter den deutschen Chirurgen die kontrolliert passive Nachbehandlung nach Kleinert angewandt. Das zweithäufigst durchgeführte Protokoll ist die aktive kontrollierte Nachbehandlung (controlled active mobilisation, CAM). Mit noch 15% (n=24) ist die Kombination aus kontrolliert aktiver und passiver Nachbehandlung (Chow-Washington-Regime) angegeben worden. 11 Chirurgen favorisieren die passive Nachbehandlung nach Duran und Houser. Weitere 10 Teilnehmer gaben eine andere Methode an, darunter 3 das Manchester Protokoll. ([Abb. 6])
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60% der Befragten haben ihre Nahttechnik in den letzten 7 Jahren nicht geändert
In Frage 5 wurde nachgefragt, ob sich die Nahttechnik aufgrund aktueller Literatur und Einführung neuer Techniken in der jeweiligen Institution innerhalb der letzten 7 Jahre geändert hat. Hier zeigte sich mit 59,4% ein Trend zum Beibehalten der Technik, wobei 40% ihre Nahttechnik innerhalb des angegebenen Zeitraums veränderten.
Die letzten beiden Fragen (Frage 6 und 7) bezogen sich auf das Teilnehmerfeld.
Es wurde nach Institution (Frage 6), Ausbildungsstand und Facharztbezeichnung (Frage 7) gefragt. 30% (n=47) der Teilnehmer sind in einem FESSH zertifizierten Hand Trauma Zentrum angestellt. 19% arbeiten in einem Universitätsklinikum, 25% in einem städtischen Klinikum und ebenfalls 25% in einem privaten Träger. Ein Viertel der TN sind ausschließlich in der Handchirurgie tätig, 24% arbeiten in einer Abteilung für Plastische Chirurgie und 17% in einer Unfallchirurgischen Abteilung. Die Zusatzbezeichnung für Handchirurgie konnten 59% nachweisen, und 13% haben das europäische EBHS Exam erfolgreich absolviert (Frage 7). ([Abb. 7])
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Diskussion
Das Dauerthema „Technik der Beugesehnennaht“ wird immer wieder auf wissenschaftlichen Tagungen diskutiert. So auch 2008, 2014 und 2021 im Rahmen der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Handchirurgie. Beugesehnenverletzungen stellten den Chirurgen lange Zeit vor eine komplexe Aufgabe. Bis in die 60iger Jahre wurde propagiert, eine Verletzung in der Zone 2 („no man’s land“) nicht zu rekonstruieren. Nach ersten Publikationen von Kleinert et al., Kessler und Nissim und Verdan wurde das Konzept der Behandlung hinsichtlich einer primären Rekonstruktion empfohlen [8] [15] [16]. Seither gibt es zahlreiche Modifikationen und Variationen der Nahttechnik. Lange galt die 2-Strang-Naht nach Kirchmayr mit verschiedenen Modifikationen und zusätzlicher zirkulärer Adaptationsnaht als Goldstandard in Deutschland. Bisher konnte allerdings eine tatsächliche Überlegenheit in biomechanischen Studien hinsichtlich einer Nahttechnik nicht gezeigt werden [17] [18] [19]. Bis dato gibt es auch kein einheitliches Behandlungsschema im Sinne einer Leitlinie, sondern ausschließlich Empfehlungen [20] [21]. Die Wahl der Technik und des Materials hängt vielmehr von der Schule und der Vorliebe des Operateurs ab. Daher war der Anlass dieser Studie, die aktuelle Versorgungsrealität hinsichtlich Beugesehnenverletzungen der Zone 2 zu analysieren und zu evaluieren, ob im nationalen Kreis der deutschen Handchirurgen eine Trendwende zugunsten der 6-Strang-Technik stattgefunden hat.
Unsere Umfrage zeigte, dass im Jahr 2022 die Mehrheit der befragten deutschen Handchirurgen (63%; n=82) eine 4-Strang Technik anwenden. Die eher neuere Technik, z. B. nach Jin Bo Tang, mittels 6-Strang-Technik, setzen bisher nur 12% der Befragten ein. Sowohl nationale als auch internationale Spezialisten argumentieren heute, dass 2-Strang-Nähte aufgrund der mangelnden Stabilität im Vergleich zu 4- und 6-Strang-Nähten nicht mehr empfohlen werden [13] [22] [23] [24]. Somit hat sich die 4-Strang-Technik zum Favoriten entwickelt, obgleich noch nicht klar ist, ob sie sich noch von der 6-Strang-Naht überflügeln wird lassen [25] [26] [27] [28]. Einer der wenigen Kritikpunkte an Mehrstrangtechniken, ist die potenzielle Kompromittierung der Durchblutung [29], jedoch konnte dieser Aspekt in aktuellen Publikationen nicht mehr bestätigt werden [30] [31] [32]. Allerdings führt mehr Nahtmaterial auch zu einer Verdickung der Sehne und aufgrund der räumlichen Enge kann nicht unbegrenzt Nahtmaterial eingebracht werden. Und natürlich führt jede zusätzliche Kernnaht zu einer Verlängerung der Op-Zeit.
Ein weiterer, eminent wichtiger Teil der Behandlung von Beugesehnenverletzungen ist die Nachbehandlung. Auch hier zeigten sich binnen der letzten 50 Jahre erhebliche Änderungen. Die vor 50 Jahren publizierte Nachbehandlung nach Kleinert konnte die Ergebnisse der Behandlung deutlich verbessern [8]. 1994 wurde dann aber von Elliott et al. nachgewiesen, dass mit einer aktiv kontrollierten Nachbehandlung das Outcome nach Naht sogar noch verbessert werden konnte [33]. Laut Literatur haben sich die Rupturraten nach Mehrstrangnaht und aktive kontrollierten (CAM) Nachbehandlung maßgeblich verringert [34]. Studien haben gezeigt, dass die frühe aktive Bewegung die Sehnenheilung durch Aktivierung des intrinsischen Reparatursystems stimuliert und Adhäsionen verringert [35] [36]. Interessanterweise favorisieren die von uns befragten Chirurgen mit deutlicher Mehrheit noch immer die von Kleinert eingeführte passive Nachbehandlung. Immerhin ein Drittel der Chirurgen haben das Protokoll zugunsten der neueren aktiv kontrollierten Methode (CAM) geändert. Dies kann man zum einen aufgrund einer eher konservativen Einstellung vieler Chirurgen zurückführen und begründet mit den zufriedenstellenden Ergebnissen und zum anderen ist anzunehmen, dass häufig zu peripheren und somit dem Chirurgen unbekannten Therapeuten verwiesen wird und daher das altbekannte Protokoll bevorzugt wird. Je enger die Zusammenarbeit mit den Therapeuten ist, desto erfolgreicher ist meistens auch das finale Behandlungsergebnis.
Die aktiven Techniken bedürfen allerdings einer hohen Zugfestigkeit. Mit einer Strangzahl von mindesten 4 sei diese frühzeitige aktive Nachbehandlung gewährleistet [37]. Die Anzahl der Kernnähte ist proportional zur Stärke der Naht [38]. Daher ist das Ziel, eine relativ hohe Anzahl an Strängen zu produzieren [31]. Ein weiteres relevantes Detail zur Unterstützung der Reißfestigkeit ist die Verblockungstechnik der Kernnaht [39] [40]. Als relativ unumstritten galt lange, dass zusätzlich zur Kernnaht eine epitendinöse Adaptationsnaht erfolgen sollte, um Lücken im Bereich der Sehnenenden zu verschließen und Spaltbildungen (gapping) zu minimieren, was die Stabilität der Kernnaht um bis zu 30% steigert [24] [41]. Auch in der Publikation von Tang et al. wird die Durchführung einer epitendinöse Adaptationsnaht ab einem Sehnendurchmesser von minimal 2 mm empfohlen [21].
Bezüglich der Nahtmaterialien gab es ebenso ganz erhebliche Entwicklungen. So wurden monofile, resorbierbare Nähte mit ausreichender Stabilität entwickelt, die von vielen Chirurgen bevorzugt werden [42] [43]. Aber auch polyfile, nichtresorbierbare Fäden, zum Teil als sogenannte „Loops“ fanden aufgrund ihrer erstaunlichen Reißfestigkeit Einzug in das Behandlungsregime vieler Chirurgen [44] [45] [46]. Eigenschaften des idealen Nahtmaterials sind eine hohe Zugfestigkeit, hohe Resistenz gegenüber Spaltbildungen, geringe Bindegewebsreaktion und ein einfaches Knoten [47]. Obwohl unsere Ergebnisse zeigen, dass die Mehrheit (42%; n=64) einen monofilen Polydioxanon (PDS) Faden anwendet, findet sich hinsichtlich des zu verwendenden Nahtmaterials in der Literatur noch kein Konsens. In den Vergleichsumfragen war sowohl 2008 als auch 2014 der Anteil von PDS, Prolene und Ethibond ähnlich groß [48] [49]. Generell wird einem geflochtenen Faden eine bessere Knoteneigenschaft zugesprochen. Nicht-resorbierbares Nahtmaterial hat prinzipiell den Vorteil keine Fremdkörperreaktion, im Sinne einer lokalen Entzündungsreaktion, auszulösen. Dass resorbierbares Nahtmaterial nicht genügend Sicherheit in Bezug auf eine Ruptur bietet, konnte durch Studien widerlegt werden. Hier zeigte sich eine gute Reißfestigkeit nach Abbau und abgeschlossenerer Narbenbildung der Sehne [50] [51] [52]. Es ist also ein Trend in Richtung einer PDS-Naht zu erkennen, welche auch Langer et al. bereits 2015 empfohlen wurde [24]. Weitere nationale Empfehlungen hinsichtlich Stranganzahl, Fadenverlauf, und Feinadaptationsnaht publizierten außerdem Pillukat und Schonhooven 2017 [22]. Die aktuellsten Empfehlungen aus 2022 stammen aus dem internationalen Manuskript von Jin Bo Tang et al.[21] Die Autoren publizierten neben dem individuellen Standard an ihrer Klinik eine generelle Empfehlung beginnend von der Inzision, über die Nahttechnik bis hin zur Nachbehandlung.
Ein klarer Konsens innerhalb unserer Umfrage (98,1%) besteht in Hinblick auf die Anwendung einer epitendinösen Adaptationsnaht. Sie wird zur zusätzlichen Kraftsteigerung, als auch zur Verringerung der Spaltbildung und somit schnelleren Heilung seit Jahren empfohlen [53] [54]. Interessanterweise änderte sich das Verhalten bei dieser Thematik nicht, denn sowohl 2014 als auch 2022 gaben 68% an, einen resorbierbaren monofilen Faden für die zirkuläre Naht zu verwenden [49].
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Zusammenfassung
In Übereinstimmung mit der Literatur kann man zusammenfassen, dass der aktuelle Trend der Beugesehnenversorgung innerhalb Deutschlands sich in den letzten 14 Jahre in Richtung Mehrstrang Technik entwickelt hat und somit das international empfohlene Procedere repräsentiert. Wichtig ist jedoch nochmal zu betonen, dass die Qualität der Versorgung letztendlich ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren ist: einer mechanisch stabilen Kernnaht- und Adaptationsnaht, einer guten Durchblutung, die die Heilung unterstützt, der Garantie der Gleitfähigkeit innerhalb der Ringbänder und zu guter Letzt einer frühen aktiven Nachbehandlung (early active motion protocol). Unsere Ergebnisse zeigen, dass 75% aller befragten Handchirurgen eine 4-Strang-Naht nutzen und dass auch innerhalb Deutschlands ein Trend zu einer 6-Strang-Technik besteht. Interessanterweise vertraut die überwiegende Mehrheit noch immer auf die altwährte passiv kontrollierte Nachbehandlung nach Kleinert, und das obwohl dank 4-Strang-Naht kein erhöhtes Risiko für Ruptur besteht und zudem das funktionelle Outcome mit einer aktiven Nachbehandlung besser sei.
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Schlussfolgerung
Die Mehrheit der teilnehmenden deutschen Handchirurgen führen mittlerweile eine 4-Strang-Naht durch, immerhin 12% haben die 6-Strang-Technik als Standard im klinischen Alltag eingeführt. Unsere Daten zeigen, dass im Bereich der Beugesehnenchirurgie bezüglich der Nahttechnik in den letzten Jahren ein Paradigmenwechsel – von der klassischen 2-Strang-Naht zur 4- und 6-Strang-Naht stattgefunden hat. Eventuell motiviert die dargestellte Arbeit außerdem die Handchirurgen zukünftig die Zusammenarbeit mit den Physiotherapeuten zu intensivieren um so auch zur aktiven Nachbehandlung überzugehen.
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Autorinnen/Autoren
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geb. 1986 in Hannover; 2006–2011 Studium der Humanmedizin an der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität in Salzburg; Juli 2011 Promotion und Approbation als Arzt. 2012–2018 Assistenzärztin, Nov. 2018 Fachärztin für Plast. und Ästhetische Chirurgie, seit November 2020 Zusatzbezeichnung für Handchirurgie, aktuell seit Oktober 2020 als Oberärztin in der Abteilung für Handchirurgie, Plastischen Chirurgie und Ästhetischen Chirurgie am Klinikum der Universität München (LMU) tätig, Leiter: Univ-Prof. Dr. med. Riccardo Giunta.
Interessenkonflikt
Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Danksagung
Wir danken allen Umfrageteilnehmern sowie dem Präsidium und der Geschäftsstelle der DGH.
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Literatur
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Korrespondenzadresse
Publication History
Received: 18 July 2022
Accepted: 15 March 2023
Article published online:
27 July 2023
© 2023. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany
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geb. 1986 in Hannover; 2006–2011 Studium der Humanmedizin an der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität in Salzburg; Juli 2011 Promotion und Approbation als Arzt. 2012–2018 Assistenzärztin, Nov. 2018 Fachärztin für Plast. und Ästhetische Chirurgie, seit November 2020 Zusatzbezeichnung für Handchirurgie, aktuell seit Oktober 2020 als Oberärztin in der Abteilung für Handchirurgie, Plastischen Chirurgie und Ästhetischen Chirurgie am Klinikum der Universität München (LMU) tätig, Leiter: Univ-Prof. Dr. med. Riccardo Giunta.
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