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DOI: 10.1055/a-2071-8900
Tabakentwöhnung bei hospitalisierten Patienten:innen – Stationär einleiten, ambulant fortführen
Ein Positionspapier der Task Force Tabakentwöhnung der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP)Smoking cessation in hospitalised patients – Initiate among inpatients, continue when outpatientsA Position Paper by the German Respiratory Society (DGP) Taskforce for Smoking Cessation- Zusammenfassung
- Abstract
- Einleitung
- Situation in Deutschland
- Evidenz zur stationär eingeleiteten Tabakentwöhnung bei hospitalisierten Patienten:innen
- Implementierungsstrategien und Best practice-Beispiele
- Ambulante Weiterführung nach stationärem Beginn einer Tabakentwöhnung
- Tabakentwöhnung in der Rehabilitation
- Kosten-Nutzen-Betrachtung, unterschiedliche Möglichkeiten der Vergütung
- Möglichkeiten der Kostenerstattung im deutschen Gesundheitssystem
- Literatur
Zusammenfassung
Tabakrauchen ist das größte vermeidbare Gesundheitsrisiko. Die Auswirkungen sind individuell und gesellschaftlich gravierend. Dennoch ist die Prävalenz aktuell Tabakrauchender in Deutschland mit ca. 35 % weiterhin hoch. Sorge bereitet zudem ein zuletzt starker Anstieg aktiv rauchender Jugendlicher (14- bis 17-Jährige, aktuelle Prävalenz ca. 16 %) und junger Erwachsener (18- bis 24-Jährige, aktuelle Prävalenz ca. 41 %). Etwa ein Drittel der stationär behandelten Patienten:innen rauchen. Die Hospitalisierung von aktiven Rauchern:innen in Akut- und Rehakliniken ist als „teachable moment“ ein günstiger Zeitpunkt, eine Tabakentwöhnung einzuleiten. Eine Intervention, die im Krankenhaus beginnt und nach der Entlassung mindestens einen Monat lang fortgesetzt wird, führt zu etwa 40 % zusätzlich entwöhnter Patienten:innen. Sie ist wissenschaftlich gut untersucht, effektiv und kosteneffizient. Die poststationäre Anbindung kann an ein Tabakentwöhnungsprogramm, eine Rehabilitationseinrichtung, ein Internet- oder Telefonangebot erfolgen. Es bestehen in Deutschland strukturierte und qualitätsgesicherte Angebote zur Umsetzung sowohl für den stationären als auch für den ambulanten Bereich. Größtes Hindernis für eine breite Etablierung solcher Angebote ist die fehlende Kostenerstattung. Zwei umsetzbare Wege, dies zu ändern, wären die Einführung eines Zusatzentgelts für den bestehenden OPS 9-501 „Multimodale stationäre Behandlung zur Tabakentwöhnung“ sowie die Etablierung von Qualitätsverträgen nach § 110a SGB V. Ein Ausbau der Tabakentwöhnung in Gesundheitseinrichtungen würde die Rauchprävalenz und die damit einhergehenden Erkrankungen sowie die konsekutiven Kosten nachhaltig reduzieren.
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Abstract
Tobacco smoking is the greatest preventable health risk. The effects are serious, both individually and societal. Nevertheless, the current prevalence of tobacco smokers in Germany is still high at around 35 %. A recent strong increase in actively smoking adolescents (14- to 17-year-olds, current prevalence approx. 16 %) and young adults (18- to 24-year-olds, current prevalence approx. 41 %) is also a cause for concern. About a third of all inpatients continue smoking while being treated. The hospitalization of active smokers in acute and rehabilitation hospitals serves as a “teachable moment” for initiation of cessation offers. An intervention that begins in hospital and continues for at least a month after discharge results in about 40 % additional smokefree patients. It is scientifically well-researched, effective and cost-efficient. After initiation in hospital these measures can be continued via ambulatory cessation programs, rehabilitation facilities, an Internet or telephone service. In Germany, there are structured and quality-assured cessation offers, both for the inpatient and for the outpatient area. The biggest obstacle to broad establishment of such offers is the lack of reimbursement. Two feasible ways to change this would be the remuneration of the existing OPS 9-501 “Multimodal inpatient treatment for smoking cessation” and the establishment of quality contracts according to § 110a SGB V. An expansion of tobacco cessation measures in healthcare facilities would reduce smoking prevalence, associated burden of disease and consecutive costs.
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Schlüsselwörter
Raucherprävalenz - Raucherentwöhnung - stationäre Einleitung - ambulante Fortsetzung - Möglichkeiten der KostenerstattungKeywords
Prevalence of tobacco use - smoking cessation - initiation in hospital - continuation in outpatients - models of reimbursement-
Tabakrauchen ist das größte vermeidbare Gesundheitsrisiko mit einer hohen Prävalenz auch unter stationären Patienten:innen von etwa einem Drittel.
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Die Hospitalisierung in Akut- und Rehakliniken ist ein günstiger Zeitpunkt, eine Tabakentwöhnung bei aktiv rauchenden Patienten:innen einzuleiten.
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Die ambulante Fortführung einer stationär eingeleiteten Tabakentwöhnung zeigt hohe Erfolgsquoten und sichert den Therapieerfolg.
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Größtes Hindernis für eine breite Etablierung von Entwöhungsangeboten ist die fehlende Kostenerstattung. Ein Zusatzentgelt für den bestehenden OPS „Multimodale stationäre Behandlung zur Tabakentwöhnung“ oder die Etablierung von Qualitätsverträgen nach § 110a SGB V könnten das effektiv ändern.
Einleitung
Tabakrauchen ist das größte vermeidbare Gesundheitsrisiko. In der EU wird seit Jahrzehnten eine stringente Tabakkontrollpolitik gefordert. So wird z. B. im aktuellen „Europeʼs Beating Cancer Plan“ die Tabakprävention prioritär gesetzt [1]. Durch den starken Einfluss der Tabakindustrie ist die Tabakprävention im deutschen Gesundheitssystem allerdings kaum etabliert [2]. Auf der Tobacco Control Scale liegt Deutschland im europäischen Vergleich von 37 Ländern auf dem viertletzten Platz [3]. Zur Behandlung rauchbedingter Erkrankungen werden zwar eine Vielzahl von teuren stationären Therapien, Interventionen und Operationen mit z. T. umstrittenem Nutzen vergütet. Die wissenschaftlich abgesicherte, kosteneffektive und gut wirksame Tabakentwöhnung während eines stationären Aufenthaltes mit anschließender ambulanter Weiterführung wird jedoch nicht finanziert. Da die meisten Rauchenden den Wunsch haben, den Tabakkonsum zu beenden, werden sie so an der Inanspruchnahme einer der effektivsten medizinischen Maßnahmen gehindert. Die medizinischen Fachgesellschaften setzen sich seit Jahrzehnten für eine wirksame Tabakprävention und eine effektive Tabakentwöhnung, insbesondere bei bereits erkrankten Patienten:innen ein. In dieser Arbeit werden nun die Evidenz zur Einleitung der Tabakentwöhnung im Rahmen eines allgemeinen, stationären Krankenhausaufenthaltes mit Fortführung im ambulanten Setting ausgewertet und Möglichkeiten der Umsetzung für Deutschland beschrieben.
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Situation in Deutschland
Die neuesten Daten der „Deutschen Befragung zum Rauchverhalten“ (DEBRA) [4] zeigen einen drastischen Anstieg der Rauchendenquote seit 2020 auf aktuell 35,5 % (Stand Dezember 2022) – möglicherweise verstärkt durch die Pandemie und die damit einhergehenden Unsicherheiten sowie dem Wegfall von Therapie- und Hilfsangeboten während des Lockdown. Besonders alarmierend ist der Anstieg bei den 14– bis 17-Jährigen. Unter ihnen hat sich die Zahl der Rauchenden im letzten Jahr von 8,7 % auf 15,9 % fast verdoppelt [5].
Rauchen erhöht das Risiko für das Auftreten von Krebs- und Lungenerkrankungen sowie kardiovaskulären Erkrankungen. Bspw. ist das Risiko für einen Myokardinfarkt oder Schlaganfall im Altersbereich von 30–55 Jahren bei Rauchenden doppelt so hoch im Vergleich zu Menschen, die nie geraucht haben [6].
Insgesamt liegt bei bereits Erkrankten bzw. sich in Behandlung befindlichen Patienten:innen eine hohe Rauchprävalenz vor. So zeigen Screenings in deutschen Gesundheitseinrichtungen, dass 25,9 % aller ambulanten und 28,4 % aller stationären Patienten:innen täglich rauchen. Zählt man nicht täglich Rauchende mit dazu, sind es 35,3 % bzw. 35,9 % [7].
Amerikanischen Daten zufolge haben 70 % aller Rauchenden den Wunsch aufzuhören, brauchen ohne Hilfe aber im Durchschnitt sechs Versuche, um langfristig vom Rauchen wegzukommen [8]. Laut DEBRA haben 2022 in Deutschland nur 8 % aller Rauchenden mindestens einen Rauchstoppversuch unternommen [4]. Ein Ausbau von Unterstützungsangeboten zur Rauchentwöhnung in Gesundheitseinrichtungen ist demzufolge dringend erforderlich, um die Rauchprävalenz und das damit einhergehende Gesundheitsrisiko sowie die konsekutiven Kosten einzudämmen.
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Evidenz zur stationär eingeleiteten Tabakentwöhnung bei hospitalisierten Patienten:innen
Die letzte Cochrane-Übersicht zur Effektivität einer im stationären Setting begonnenen Tabakentwöhnung wurde im Jahr 2012 publiziert [9]. Insgesamt wurden 50 Studien eingeschlossen. Ein signifikanter Effekt auf die Abstinenz sechs Monate nach dem Krankenhausaufenthalt wurde nur für Interventionen nachgewiesen, die im Krankenhaus begannen und nach der Entlassung mindestens einen Monat lang fortgesetzt wurden (RR 1,37; 95 %-KI 1,27–1,48; 25 Studien). Dies galt auch für Patienten:innen mit kardiovaskulären Erkrankungen und war unabhängig davon, ob die Maßnahmen in Akutkrankenhäusern oder Rehabilitationseinrichtungen initiiert wurden. Eine Nikotinersatztherapie steigerte die Effektivität zusätzlich (RR 1,54; 95 %-KI 1,34–1,79; 6 Studien). Zum damaligen Zeitpunkt ließ sich aus den Daten für dieses Setting noch keine Effektivität von Vareniclin (2 Studien) oder Bupropion (3 Studien) ableiten. Zum Einsatz von Vareniclin wurden in den vergangenen 10 Jahren randomisierte Studien durchgeführt; in einigen fand sich ein signifikanter Effekt [10] [11], in anderen nicht [12] [13]. Bupropion wurde in weiteren Studien vor allem für die stationäre Entwöhnung von Patienten:innen mit akuten kardiovaskulären Erkrankungen eingesetzt [14]. Aus einer Metaanalyse der Daten aus drei Studien ergab sich jedoch keine signifikante Steigerung der Abstinenzquoten durch Bupropion in dieser Patienten:innengruppe [15]. In die Cochrane-Übersicht aus dem Jahr 2012 gingen keine Studien zur stationären Entwöhnung von psychiatrisch Erkrankten ein. Ergebnisse neuerer Untersuchungen lassen darauf schließen, dass intensive Unterstützungsangebote in dieser Patienten:innengruppe wirksam [16] [17] und kosteneffektiv [18] sind, wenngleich die Datenlage nicht ganz homogen ist [19] und zuweilen nur mittelfristige Effekte detektiert werden konnten [20].
Seit 2012 sind zahlreiche Arbeiten erschienen, in denen die Effektivität spezifischer Einzelmaßnahmen oder ihrer Kombination untersucht wurde. Shoesmith et al. identifizierten 2021 in einer Übersichtsarbeit [21], in die 37 Studien eingingen (davon 23 RCTs, 3 nicht-randomisierte Studien und 11 Kohortenstudien), neun Verhaltensinterventionen, die im Rahmen von Gesamtkonzepten zur stationären Entwöhnung mit Follow-up sowohl machbar als auch effektiv erschienen. Zu diesen gehörten u. a. die Verordnung von Entwöhnungsmedikamenten und soziale Unterstützung für die Patienten:innen. Auch eine andere Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2020 [22] kam zu dem Schluss, dass eine Pharmakotherapie die Abstinenzquoten erhöht. Außerdem hatten sich in einigen der 14 eingeschlossenen Studien „telekommunikative Angebote“ als effektiv erwiesen. In diesem Zusammenhang sind in erster Linie sog. „Quitlines“ zu nennen. In einer Studie wurde der erste Anruf bei einer solchen Beratungs-Hotline während einer Visite getätigt und das Telefon direkt in die Patienten:innenhand übergeben („warm handoff“) [23]. Dies führte zwar zu einer intensiveren Nutzung des Beratungsangebots, nicht aber zu höheren Entwöhnungsquoten [24]. In einer anderen Studie aus New York war eine Beratung durch Krankenhausmitarbeiter:innen der Nutzung einer staatlichen Quitline überlegen [25]. Durch eine hohe Frequenz von Telefonkontakten kann die Effektivität weiter gesteigert werden [26]; allerdings stellt sich hier die Frage nach der Machbarkeit. Daher wurden in anderen Studien automatisierte Systeme („interactive voice recognition calls“) eingesetzt. Hinsichtlich der Effektivität dieses Ansatzes ist die Datenlage jedoch gemischt [27] [28]. Die Kombination aus automatisierten Anrufen und Nikotinersatztherapie führte in einer randomisierten Studie an 397 hospitalisierten Rauchern im Vergleich zur einfachen Entwöhnungsempfehlung zu signifikant höheren biochemisch validierten 7-Tages-Abstinenzquoten (26 % vs. 15 %; p = 0,009) [29]. Dieses Ergebnis konnte in einer zweiten Studie der gleichen Forschergruppe jedoch nicht repliziert werden [30].
In aktuellen Arbeiten wurde nicht nur die Effektivität von Einzelmaßnahmen untersucht; vielmehr wird der Frage nachgegangen, wie eine stationär begonnene Entwöhnung implementiert werden muss, um erfolgreich zu sein. Obieche et al. identifizierten in einer Übersichtsarbeit im Jahr 2021 vier sozioökologische Dimensionen, die bei der Konzeption entsprechender Umsetzungsstrategien beachtet werden müssen [31]. Eine Übersichtsarbeit aus Australien aus dem Jahr 2022 kommt zu dem Schluss, dass ausschließlich multimodale Interventionen mit entsprechender Ressourcen-Unterfütterung wirksam sind und dass keine wissenschaftlichen Daten vorliegen, die für die Effektivität von „Minimallösungen“ sprechen [32]. Passend hierzu wurde von Ellerbeck et al. beschrieben, dass ein koordiniertes Vorgehen, das viele Akteure einbindet, die Nutzung von Entwöhnungsmedikamenten fördert [33]. Ein anderes Beispiel für eine komplexe Umsetzungsstrategie ist die „Tobacco Tactics Intervention“, für die spezifische Materialien sowohl für Patienten:innen als auch für Pflegekräfte entwickelt wurden [34]. Auch wurden für spezifische Erkrankungen, wie z. B. Karzinome, effektive Strategien der Umsetzung beschrieben [35].
Es erscheint sinnvoll, behandelnde Personen durch automatisierte Erinnerungen in elektronischen Patienten:innenakten oder Decision Tools dazu anzuhalten, hospitalisierte Rauchende zu beraten [36]. Bisherige randomisierte Studien konnten aber keinen Nachweis der Effektivität dieses Ansatzes erbringen, wenn dieser ohne weitere Unterstützung durchgeführt wurde [37] [38]. Eine proaktive Anbindung an ein Entwöhnungsprogramm durch Pflegepersonal ist nach einer aktuellen Metaanalyse wirksam [39].
Vor dem Hintergrund der fortbestehenden eklatanten Unterversorgung insbesondere kardiologischer [40] und pneumologischer Patienten:innen [41] bedarf es einer wirksamen gesundheitspolitischen Unterstützung. In diesem Zusammenhang ist auch eine Auseinandersetzung mit häufig vorgebrachten Argumenten gegen stationäre Entwöhnungsmaßnahmen wichtig [42].
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Implementierungsstrategien und Best practice-Beispiele
Damit tabakkonsumierende Patient:innen im stationären Aufenthalt evidenzbasierte Interventionen erhalten, müssen ebenso evidenzbasierte Implementierungsprozesse eingesetzt werden. Beispielhaft war die Koppelung des Angebots der Tabakentwöhnung an die Leistungsvergütung von Kliniken in einer Region in Kanada. Innerhalb von drei Jahren verdoppelte sich dort die Anzahl der am Tabakentwöhnungsprogramm teilnehmenden Patienten:innen (33,7 % in 2011 vs. 62,8 % in 2013) sowie die Anzahl der Kliniken, die sich am Programm beteiligten (76 % in 2009 auf 96 % in 2013) [43]. Damit ein Program erfolgreich ist, sind folgende multidisziplinäre Prozessschritte wesentlich: 1. Eine Ist-Analyse, 2. Entwicklung eines Behandlungsprotokolls/SOP, 3. Anpassung von klinischen Prozessen und Verfügbarkeit von Instrumenten, 4. Schulung von Personal, 5. systematische Umsetzung sowie 6. laufende Qualitätsverbesserungen und Weiterbildung [43] [44]. Ähnliche Prozessschritte können hierzulande mit dem Konzept „rauchfrei plus“ mit einer standardisierten Selbsteinschätzung und schrittweisen Verbesserung zur Erlangung von Qualitätszertifikaten initiiert und gesteuert werden. Studien aus Deutschland [45] und Spanien bestätigen [46] die positiven Effekte dieses Vorgehens. Irland, das nach Einschätzung der WHO eines der führenden Länder in der Tabakentwöhnung ist, nutzt die Orientierung an diesen Standards in der Strategie „Tobacco Free Ireland“ [47] [48].
Schon seit über 25 Jahren wird am Klinikum Nürnberg in der Abteilung für Pneumologie die stationäre Tabakentwöhnung in dieser leitliniengerechten und evidenzbasierten Form am Krankenbett (www.raucherberatung.org) angeboten. Der Rauchstatus wird bei jedem:er Patienten:in im Aufnahmegespräch digital erfasst. Bei Visiten wird jedem Patienten:in mit dem Status „Raucher:in“ ein Beratungsangebot unterbreitet. Für aufhörwillige Rauchende wird ein Tabakentwöhnungskonsil im Klinikinformationssystem angefordert. Die professionelle Beratung umfasst u. a. eine standardisierte Rauchendenanamnese, den Fagerström-Test und die Kohlenmonoxidmessung sowie bei Bedarf medikamentöse Unterstützung, die kostenfrei während des Klinikaufenthaltes ausgegeben und poststationär weiterempfohlen wird. Bei Entlassung wird der Patient an die proaktive, kostenlose Telefonberatung (https://rauchfrei-ticket.de/) angebunden, damit der „teachable moment“ auch nach der Entlassung im alltäglichen Umfeld weiter aktiv genutzt wird. Nach Erfassung der Behandlung mit der entsprechenden OPS-Ziffer 901-5 werden im Arztbrief die Diagnose Tabakabhängigkeit (inkl. pack-years), das Konsil einschließlich der durchgeführten Maßnahmen (in der Epikrise) und in der Medikationsliste die Entwöhnungsmedikamente aufgeführt. Falls gewünscht, kann sich der entwöhnungswillige Rauchende auch zu den Gruppenkursen „rauchfrei-jetzt“ anmelden. Lungenkrebszentren haben oft ein Tabakentwöhnungsprogramm, da dieses bei der Zertifizierung zum Lungenkrebszentrum vorgehalten werden sollte [49].
Entsprechend gibt es im Vivantes Klinikum Neukölln in Berlin (https://www.vivantes.de/tabakentwoehnung), der Universitätsklinik in Dresden und wenigen weiteren engagierten Kliniken entsprechende Programme. Alle diese Programme werden ohne jede Zuschüsse aus dem DRG System oder anderen Quellen von den jeweiligen Trägern finanziert. Die Weiterführung ist bei dem steigendem Kostendruck unklar. Die Kosten des Aufbaues eines Programmes ist den Kliniken ohne gesicherte Finanzierung keinesfalls zuzumuten. Die von über 50 Organisationen und Verbänden unterstützte „Strategie für ein tabakfreies Deutschland 2040“ bietet eine gute Grundlage, um diese Aufgabe zu bewältigen [50].
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Ambulante Weiterführung nach stationärem Beginn einer Tabakentwöhnung
Für den langfristigen Erfolg eines stationär erzielten Rauchstopps ist die zeitnahe, im Idealfall unmittelbare ambulante Nachbetreuung der neuen Ex-Rauchenden nach der Entlassung aus dem stationären Bereich entscheidend. Sie sollte mindestens über einen Monat nach der Entlassung fortgesetzt werden [9]. Aufgaben der Nachbetreuung können dabei u. a. sein:
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die Fortsetzung der motivierenden Betreuung, z. B. durch wiederholte telefonische oder persönliche Kontakte, durch Selbsthilfeunterlagen, Selbsthilfeliteratur oder Feedbackbriefe,
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die Fortsetzung verhaltenstherapeutischer Interventionen, einschließlich der Rückfallprophylaxe, entweder in Einzeltherapie oder in Gruppentherapie,
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der Beginn oder die Weiterführung der medikamentösen Therapie,
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die frühe Therapie bei möglichen Ausrutschern oder Rückfällen,
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die Etablierung oder Steigerung der sozialen Unterstützung,
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der Beginn einer digital unterstützten, evidenzbasierten Therapie in Form von Internet-oder Smartphone-Entwöhnungsprogrammen sowie
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Beratung und/oder Therapie bei überdurchschnittlicher Gewichtszunahme.
Es ist davon auszugehen, dass die bestehende Evidenz für primäre Maßnahmen zur Tabakentwöhnung (z. B. Verhaltenstherapie [51], medikamentöse Unterstützung [52], die Kombination aus Verhaltenstherapie und medikamentöser Unterstützung [53], die Wirksamkeit von Telefonberatung [54] oder von digitalen Angeboten [55]) ebenso für die Nachbetreuung nach einer evidenzbasierten stationären Maßnahme gilt, auch wenn es nur wenige Studien gibt, die genau diese Kombination untersuchten. Aus diesem Grund werden die Maßnahmen, die bei der primären Entwöhnung eingesetzt werden, auch für die post-stationäre Nachbetreuung empfohlen. Die Nachbetreuung kann dabei durch verschiedene Personen oder Institutionen erfolgen, z. B.:
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Mitarbeiter:innen des Akut-Krankenhauses oder der Rehaklinik [56],
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Telefon-Quitlines z. B. der BZgA [54],
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Hausärzte, evtl. Fachärzte und/oder deren medizinische Fachangestellte (MFA) [56],
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Suchtberatungsstellen,
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Psycholog:innen,
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auf Tabakentwöhnung spezialisierte Praxen oder Entwöhnungszentren und
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evidenzbasierte digitale Unterstützungsangebote wie Internetplattformen oder digitale Gesundheitsanwendungen (DIGA) [55].
Zu beachten ist, dass in Deutschland bislang finanziell keine derartige strukturierte Nachbetreuung etabliert ist und untersucht wurde. Eine Qualifikation oder ein Training der Mitarbeitenden im Gesundheitswesen zur Tabakentwöhnung ist i. d. R. erforderlich und erhöht die tatsächliche Anwendung der entsprechenden Maßnahmen [57]. Eine finanzielle Erstattung des Nachbetreuungsaufwandes z. B. durch EBM-Abrechnungsziffern ist bislang nicht vorhanden. Durch die fehlende finanzielle Erstattung droht eine Nachbetreuung jedoch zu scheitern. Gegenfinanziert werden könnte diese durch Kosteneinsparungen im stationären Bereich, da erfolgreiche Aufhörer bei verschiedenen Erkrankungen weniger Krankheitsprogression, -rekurrenz und weniger Rehospitalisierungen aufweisen [58] [59] [60]. Für Rauchende sollte sowohl die stationäre Intervention als auch die ambulante Nachbetreuung und eine eventuell erforderliche medikamentöse Unterstützung ohne Kosten bleiben, da nachgewiesen ist, dass komplette Finanzierung der Tabakentwöhnung die Erfolgsrate um 77 % verbessert [61].
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Tabakentwöhnung in der Rehabilitation
Die Rehabilitation hat die Aufgabe, die durch eine Erkrankung oder deren Therapie entstandenen funktionellen Defizite zu beheben oder zumindest zu lindern und damit die Arbeits- und Leistungsfähigkeit zu erhalten, bzw. eine Pflegebedürftigkeit zu verhindern. Daneben sollte die Rehabilitation auch immer auf eine Lebensstiländerung zugunsten einer gesünderen Lebensweise hinwirken. Dies ist nicht zuletzt auch aufgrund der zur Verfügung stehenden Zeit besonders gut in einer Rehabilitationsklinik umzusetzen [62].
Daher muss es auch zu den Aufgaben einer Rehabilitation gehören, aktiv Rauchende zum Rauchstopp zu motivieren und eine dauerhafte Tabak- und Nikotinkarenz zu etablieren, zumal 33 % der Patienten in pneumologischen Reha-Kliniken aktiv Rauchende sind [63]. Aus diesem Grund sollte jede Rehabilitationsklinik ein strukturiertes Tabakentwöhnungsprogramm vorhalten. Die Deutsche Rentenversicherung Bund hat daher ein Curriculum Tabakentwöhnung [64] erarbeitet, das den Kliniken als Grundlage ihrer Arbeit dienen kann. Dabei wird an den Anfang die Klärung der Motivation und die Information über verschiedene Optionen einer medikamentösen Unterstützung gestellt. Nach der individuellen Entscheidungsfindung wird der Patient:in auf den Rauchstopp vorbereitet. Es folgen eine Verhaltens- und Bedingungsanalyse, die Empfehlung zur medikamentösen Begleitung und die Erarbeitung von Strategien der Verhaltensänderung und der Rückfallprophylaxe. Zudem sollen auch institutionelle Rahmbedingungen (z. B. rauchfreie Klinik) geschaffen werden. So verfolgen über 90 % der deutschen pneumologischen Rehabilitationskliniken eine Rauchfrei-Strategie [63]. Studien zeigen bei strukturierten Tabakentwöhnungsprogrammen im Rahmen der Rehabilitation eine signifikant höhere Rauchstoppquote als in Vergleichsgruppen ohne Intervention [65] [66] [67].
In der Klinik müssen die Verantwortlichen für die Durchführung des Programmes schriftlich benannt und entsprechend geschult werden. Selbstverständlich können die Kliniken auch auf andere Curricula zurückgreifen oder ein solches selbständig entwickeln und einsetzen, das dann jedoch zertifiziert werden sollte. Die Umsetzung dieses Programmes und die Ergebnisse sollten in jeder Reha-Klinik regelmäßig evaluiert werden. Eine externe Qualitätssicherung hinsichtlich Struktur und Ergebnissen der Tabakentwöhungsprogramme existiert bisher nicht [63]. Zum Ende einer Rehabilitation sollte der Erfolg schriftlich festgehalten werden und gemeinsam mit dem Patienten:in entsprechende Aufgaben für die Weiterführung im häuslichen Bereich erstellt und Ziele erarbeitet werden. Die durchgeführten Maßnahmen, erreichten Ergebnisse sowie die weiteren Ziele sollten den weiterbehandelnden Ärzten schriftlich mitgeteilt werden. Derzeit führen nur ca. 10 % der Rehabilitationskliniken eine Nachsorge nach Tabakentwöhnung durch [63]. Diese Lücke könnte durch die ambulante Fortführung der stationär eingeleiteten Tabakentwöhnung im Sinne einer strukturierten Nachsorge geschlossen werden, um den Therapieerfolg langfristig zu sichern und Rezidive zu vermeiden.
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Kosten-Nutzen-Betrachtung, unterschiedliche Möglichkeiten der Vergütung
Die Tabakentwöhnung ist eine der kosteneffektivsten medizinischen Maßnahmen, um qualitätsvolle Lebensjahre zu gewinnen [68] [69] [70] [71]. Obwohl der medizinische Nutzen der Tabakentwöhnung unter stationären Bedingungen gut nachgewiesen ist, gibt es zum Thema Kosten-Nutzen-Betrachtungen weniger Publikationen. Auch sind die Angebote zur stationär eingeleiteten Tabakentwöhnung heterogen [72]. In den meisten Fällen wird im Rahmen eines stationären Aufenthaltes ein Entwöhnungsangebot unterbreitet, welches dann später ambulant weitergeführt wird. Die Kürze der stationären Aufenthalte in normalen Akutkliniken bedingt ein zeitlich komprimiertes Vorgehen. Ein weiterer Punkt ist die schwierige Erfassung der Gesamtkosten, die gerade auch im Krankenhaus verschiedenste Bereiche umfasst. In einem systematischen Review wird der aktuelle Stand hierzu zusammengefasst [72]. Von den 17 Studien, die in die Analyse eingingen, befassten sich mehr mit der Kostenidentifizierung als mit einer klaren Gegenüberstellung von Kosten und Nutzen. In dem Cochrane Review „Interventions for smoking cessation in hospitalised patients“ aus dem Jahr 2012 finden sich keine Angaben zur Kostenanalytik, dies wird jedoch als wichtiges Thema empfohlen [9]. In einer aktuellen spanischen Analyse zu den Effekten einer Vergütung der medikamentösen Tabakentwöhnung vor einem chirurgischen Eingriff wurde eine Benefit pro erfolgreich entwöhntem Raucher:in von 503 € errechnet [73]. Auf Spanien hochgerechnet ergab sich ein „Netto ökonomischer Benefit“ von 4,8 Milionen € pro Jahr. Die Kosteneinsparung wurde nicht nur perioperativ sondern auch im weiteren Verlauf über das Jahr realisiert. In einer weiteren Arbeit mit tumorerkrankten Patienten:innen wurde ein Entwöhnungsangebot gemacht, das auch im ambulanten Bereich fortgesetzt wurde. Es fanden sich Kosten von ca. 5.000 € für einen zusätzlich entwöhnten Patienten. Bei approximativen zusätzlichen Kosten pro rauchendem Patient:in von über 10.000 € besteht eine gute Kosteneffizienz [74]. In einer Modellierungsarbeit wurde ein Rauchentwöhnungsprogramm bei stationären Patienten:innen (einer hypothetischen Kohorte) mit Myokardinfarkt untersucht [75]. Die Berechnung ergab für ein solches Angebot ebenfalls ein positives Kosten-Nutzen-Verhältnis.
Auch wenn Kosten-Nutzen-Rechnungen für das stationäre Setting wie oben beschrieben nicht einfach zu erheben sind, lässt sich aufgrund der bekannten positiven Effekte der Tabakentwöhnung in anderen Settings folgern [68] [69] [70] [71] [72], dass die Tabakentwöhnung auch im stationären Setting eine kosteneffektive medizinische Maßnahmen ist. Entsprechend wird das Gesundheitssystem finanziell relevant entlastet.
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Möglichkeiten der Kostenerstattung im deutschen Gesundheitssystem
Die flächendeckende Implementierung und systematische Umsetzung von leitliniengerechten Angeboten der Tabakentwöhnung steht in Deutschland aus [53]. Damit die in nationalen, methodisch anspruchsvollen S3-Leitlinien [68] [76] [77] umfassend konsentierten Interventionen zur Förderung des Rauchstopps implementiert und mittels Qualitätsindikatoren überprüft werden können, muss eine Finanzierung gewährleistet sein. Eine Kostendeckung der Tabakentwöhnung im stationären Bereich wäre im deutschen Vergütungssystem einfach über zwei Wege umsetzbar.
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Es wurde bereits der OPS 9-501 „Multimodale stationäre Behandlung zur Tabakentwöhnung“ implementiert, jedoch nicht vergütet [78]. Das Bundesministerium für Gesundheit könnte das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) auffordern, ein Zusatzentgelt festzulegen. Beispiel hierfür ist das Zusatzentgelt 2021-152 „Mehrdimensionale pädiatrische Diagnostik“, getriggert über den OPS 1-945 „Diagnostik bei Verdacht auf Gefährdung von Kindeswohl und Kindergesundheit“.
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Eine weitere Möglichkeit der Finanzierung wären Qualitätsverträge nach § 110a SGB V. Ein entsprechender Antrag der Deutschen Krankenhausgesellschaft ist am 21.7.2022 vom G-BA positiv beurteilt worden. Augenblicklich plant das Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) die Umsetzung.
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Interessenkonflikt
Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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Literatur
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25 April 2023
© 2023. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany
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