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DOI: 10.1055/a-2072-5306
Eindrücke vom Deutschen Diabetes Kongress
Der Deutsche Diabetes Kongress ist zu Ende. Als erstes wollen wir Herrn Prof. Andreas Fritsche aus Tübingen gratulieren, dem neuen Präsident der Deutschen Gesellschaft für Diabetes (DDG). Wir wünschen ihm alles Gute und eine gute steuernde Hand durch die stürmische See der Diabetologie.
Der Kongress war spannend und gleichzeitig ein Kongress, der zum Nachdenken angeregt hat. Es wurden viele neue innovative Ideen in der Diabetologie diskutiert, aber auch berufspolitische Themen und Herausforderungen, vor denen die Diabetologie steht.
Ein Thema ist, dass die Sichtbarkeit der Diabetologie – wenn wir ehrlich sind – immer schwächer wird. Es gibt immer weniger Lehrstühle für Diabetologie in Deutschland, aber auch die Bedeutung der Diabetesbehandlung geht im hausärztlichen Bereich stetig zurück. Ebenso sinkt die Relevanz der Diabetologen und ihren Möglichkeiten, Diabetespatienten umfassend zu betreuen. Das ist eine Entwicklung, der wir etwas entgegensetzen müssen. Nur was? Ist es der richtige Weg, jetzt politisch dagegen zu kämpfen – ich denke, das sollten wir unbedingt tun. Wichtiger aber noch ist, dasss wir die Diabetesbehandlung renovieren. Die Bedürfnisse des Patienten in den Mittelpunkt zu stellen, kann ein solcher Schritt sein, eine patientenzentrierte und auch „attraktive“ Diabetologie umzusetzen.
Medikamentenmangel war ein weiteres Thema. Wenn Deutschland es nicht einmal schaffen kann, die Medikamente, die auf der WHO-Liste stehen, zur Verfügung zu stellen, ist das schon beschämend. Hier sollten alle Gesellschaften konzertiert zusammenarbeiten, um eine Lösung zu finden. Das geht sicherlich nicht über Nacht, nur wird auch das Problem nicht über Nacht verschwinden.
Ein weiteres Thema war die Berufspolitik. Wie kann die Position des Diabetologen und der diabetesbehandelnden Hausärzte gestärkt werden? Nach der Pandemie haben wir mit fast 25 % zusätzlichen Diabetespatienten zu kämpfen, gleichzeitig nimmt die Anzahl der Diabetesbehandler kontinuierlich ab. Wir müssen darüber nachdenken, auch andere Behandlungsmethoden und -prioritäten zuzulassen. Es ist durchaus denkbar, dass gut eingestellte Patienten nicht jedes Quartal gesehen werden, aber dazu müssen Krankenkassen mitspielen. Es ist auch denkbar, dass bestimmte digitale Anwendungen den Patienten zusätzlich unterstützen. Auch hier sind Politik und Krankenkassen gefragt. Zudem könnten andere Berufsgruppen Aufgaben in der Diabetesbehandlung übernehmen, beispielsweise Community Health Nurses, Community Nurses oder Diabetesberater. Solche Vorschläge erzeugen mit Sicherheit Widerspruch, aber um die Diabetologie in eine neue „Zeitenwende“ zu führen, sollte es keine Tabus geben, offen diskutiert werden und es sollte keine Denkverbote geben.
Des Weiteren wurden auch Innovationen wie Digitale Anwendungen sehr intensiv diskutiert. Künstliche Intelligenz (KI) wird Einzug halten in die Diabetologie und unsere Arbeit verändern. KI kann dabei helfen, dass Patienten Situationen frühzeitig erkennen und selbstständig handeln können. Auch Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGAs) können dabei unterstützen. Erste Studien, die auf dem Kongress präsentiert wurden, zeigen, wie DiGAs in der Lage sind, das Körpergewicht von Patienten über 12 Monate hinweg kontinuierlich zu reduieren, aber auch, den HbA1c in einem Quartal um etwa 1 % abzusenken. Damit kommen DiGAs in den Bereich der Therapie mit einem oralen Antidiabetikum. Es bleibt sehr spannend, wir denken, dass im nächsten Jahr bestimmt 10 weitere Diabetes-DiGAs zu finden sein werden. Es bleibt aber auch zu schauen, wie gut die Studien sind und wie nachhaltig die Versorgung der Patienten mit DiGAs realisiert werden kann.
Sie sehen schon, auf dem Kongress wurde kontrovers diskutiert. Es gab nicht immer eine gemeinsame Conclusio, aber die Diskussion verlief sehr konstruktiv, auch wenn sie konfrontativ war. Wir leben im Moment in einem Paradigmenwechsel des Umfelds der Diabetologie. Wir sollten nicht den Kopf in den Sand stecken und alles abwarten, sondern mit einer Zeitenwende antworten.
Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Lesen, frische Energie und guten Enthusiasmus für eine gute Behandlung unserer Diabetespatienten.
Ihre Antje Bergmann und Peter Schwarz
Publication History
Article published online:
26 June 2023
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