Endo-Praxis 2023; 39(02): 64-66
DOI: 10.1055/a-2075-8770
Aktuelles

Endoskopie in Nepal – der mühsame Weg zu einer Fachgesellschaft

 

Das Dhulikhel Hospital wurde 1996 gegründet. Dhulikhel im Bezirk Kavre liegt ca. 30 km östlich der Hauptstadt Nepals Kathmandu. Es ist ein kommunales Krankenhaus, seit 2000 Lehrkrankenhaus der privaten Kathmandu University in Dhulikhel, das den Patienten ein breites medizinisches Spektrum in nahezu allen medizinischen Fachrichtungen anbietet. Mit dem Ziel gute medizinische Versorgung für die ärmsten Bevölkerungsgruppen anzubieten, versorgt es ca. 2,5 Millionen Menschen des Kavre-Bezirkes.


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Eine der vielen Abteilungen ist die gastroenterologische interventionelle Endoskopie, die sich mit Hilfe von erfahrenen Ärzten und der Bereitstellung von moderner Technologie und Equipment (durch die Gastroenterology Foundation, München) erheblich weiterentwickeln konnte. Diese Abteilung versorgt Patienten mit interventionellen endoskopischen Eingriffe aus 50 der 77 Regierungsbezirke Nepals.

Ich begann 2002 im Dhulikhel Hospital meine Arbeit als Krankenschwester, zunächst in der Gynäkologie. Nach einem Jahr erhielt ich die Möglichkeit in der Gastroenterologie weiterzuarbeiten. Ich bin glücklich, dass ich das nun seit fast 20 Jahren fortführen konnte.

Am Beginn meiner Arbeit war das Angebot an die Patienten sehr begrenzt. Ebenso die Infrastruktur: Wir hatten nur einen kleinen Raum für die Untersuchungen und die Aufbereitung. Außerdem besaßen wir nur ein Gastroskop und ein Koloskop, mit denen alle Untersuchungen bewältigt werden mussten. Ich erinnere mich gut an die Aufbereitung, die ich nach bestem Wissen durchführte, die jedoch weit entfernt war von unserem heutigen systematischen und wissenschaftlich basierten Arbeiten.

Zu dieser Zeit bestand das Team aus einem Arzt und einer Assistentin, Dr. Ram B. Gurung, einem der inzwischen erfahrensten Endoskopiker Nepals und mir ([Abb. 1]). Am Anfang bedeutete es eine erhebliche Arbeitsbelastung, die einzige Assistentin zu sein. Täglich arbeitete ich deutlich länger als die vorgesehene Arbeitszeit (in Nepal ist auch heute noch eine 6-Tage-Woche normal) und ich erinnere mich lebhaft, dass ich quasi täglich einen 24-Stunden Bereitschaftsdienst zu gewährleisten hatte. Einen regulären Jahresurlaub gibt es in Nepal nicht, die freien Tage beschränken sich auf die religiösen Festtage. Ich habe mich über diese harte Arbeit nie beschwert und bereue auch nicht die Hingabe an diesen Beruf. Ich habe dadurch doch eine erhebliche Erfahrung und Geschicklichkeit, Wissen und Vertrauen in meine beruflichen und persönlichen Fähigkeiten bekommen.

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Abb. 1 Durchführung einer Endoskopie am oberen Gastrointestinaltrakt mit Samirabhupal Byanju als sedierende Person und Dr. Ram B. Gurung als Endoskopiker.

Im Jahr 2009 bekamen wir Hilfe aus Deutschland: Prof. Dr. Josef Philip führte mit Dr. Gurung und mir die erste erfolgreiche ERCP in Nepal durch. Es war eine Notfall-Endoskopie bei einer schwangeren Patientin im 2. Trimester mit Cholangiosepsis bei Choledocholithiasis. Zu dieser Zeit – um ehrlich zu sein – wusste ich nichts über den Ablauf und das endoskopische Zubehör einer ERCP. Unter Anleitung war die Maßnahme aber erfolgreich und wir retteten Mutter und Kind das Leben. Die zweite ERCP führten wir mit Hilfe von Dr. Matthias Breidert durch, der uns auch das notwendige Zubehör aus Deutschland mitbrachte und die Röntgenanlage einrichtete. In dieser Zeit befand sich die Durchleuchtung in einem anderen Gebäude und wir mussten den Endoskopieturm jedes Mal mit viel Mühe über das steile Krankenhausgelände bewegen. Immerhin waren wir inzwischen 2 Assistenten im Team.

Der dritte Arzt aus Deutschland, der uns half, war Dr. Dirk Hagena. Neben der Hilfe und Unterstützung in vielen Bereichen führte er 2008 die Propofol-Sedierung ein, die wir zunächst selbstständig durchführten (NAPS), später dann mit Hilfe der Anästhesie, vor allem für längere Interventionen.

Zusammen mit Dr. Gurung bekam ich die Gelegenheit einer ERCP-Ausbildung in Hyderabad, Indien. Danach erweiterte unsere Abteilung schrittweise die Kapazität und das Angebot an Untersuchungen. Dazu war ein deutlich größeres Equipment nötig.

Die ärztlichen Kollegen aus Deutschland, die sich inzwischen als Nepalgruppe der Gastroenterology Foundation e.V. München (GFNG) organisiert hatten, spielten damals und ohne Unterbrechung bis heute eine entscheidende Rolle. Über diese Gruppe bekam unsere Abteilung Ausbildung, Unterstützung für die Organisation und Entwicklung von Standards, das nötige Equipment einschließlich aller Endoskope und dem nötigen Zubehör, Mobiliar und Strahlenschutz sowie viel Hilfe bei den von uns für nepalesische Kollegen regelmäßig durchgeführten Workshops und Kongressen. Des Weiteren wurden fast jährlich Ärzte und Assistent*innen für mehrere Wochen nach Deutschland eingeladen, um in jeweils mehreren Krankenhäusern in der Endoskopie zu hospitieren. Auch ich bekam 2018 eine Einladung über die Gastroenterology Foundation nach Deutschland zu reisen, was mir eine gute Gelegenheit gab, mein Wissen und meine Fähigkeiten in Bezug auf neue Untersuchungen und Techniken sowie die Aufbereitung deutlich zu erweitern. Für diese Möglichkeit und die große Gastfreundschaft bin ich den Mitgliedern dieser Gruppe herzlich dankbar!

2014 konnten wir im Neubau der Klinik unsere neuen Räumlichkeiten beziehen, in denen wir bis heute arbeiten. Nun haben wir 8 Räume, davon 3 Untersuchungsräume für Gastroskopie, Koloskopie, Bronchoskopie, ERCP und Endosonographie. 2 Räume haben nun einen Strahlenschutz. Außerdem gibt es einen Aufwachraum, einen Aufbereitungsraum, einen Raum mit den Geräteschränken, einen Besprechungsraum, ein Lager und einen Raum mit Ultraschall für die ambulanten Patienten.

Durch die unablässige Unterstützung der GFNG haben wir genügend Endoskope für die hohen Untersuchungszahlen (zeitweise bis zu 18 ERCPs an einem Tag!), einschließlich seit kurzem der Möglichkeit zur Cholangioskopie mit SpyGlass.

Die Aufbereitung ist in den aktuellen Räumen auch ohne maschinelle Aufbereitung auf einem sehr hohen Niveau und sicher die sorgfältigste in Nepal. Alle Endoskope und Zubehör werden manuell aufbereitet.

Unser Team besteht aus 4 ausgebildeten Ärzten und 8 Assistentinnen. Die Abteilung ist als Referenzzentrum in Nepal anerkannt und führt zweimal jährlich Hands-on-Workshops mit Beteiligung der GFNG durch. Hiermit und durch viele Hospitationen dient die Abteilung als Trainingszentrum für nepalesische und auch internationale Ärzte*innen und Assistenten*innen. Die Untersuchungszahlen der Abteilung steigen kontinuierlich bei sehr niedriger Komplikationsrate.

Im März 2023 konnten wir nun nach langen Mühen eine Fachgesellschaft für endoskopisches Assistenzpersonal („Nepalese Endoscopy Technician Society“) gründen. Auch hierbei erhalten wir erhebliche Unterstützung aus Deutschland, ohne die es kaum möglich wäre. Bisher gibt es zwar Gesellschaften für ärztliche Fachgruppen, jedoch noch keine einzige für Assistenzpersonal. Somit ist unsere Gruppe die erste nichtärztliche medizinische Fachgesellschaft in Nepal, etwas völlig Neues. Deshalb war es für mich sehr schwierig, die vielen Widerstände und Bedenken in den verantwortlichen Stellen zu überwinden. Auch die verwaltungstechnischen und rechtlichen Hürden waren eine große Herausforderung. Letztlich ist es uns gelungen die Gruppe zu gründen ([Abb. 2]), auch mit Hilfe des ärztlichen Direktors unserer Klinik, Dr. Ram Shrestha. Sicher benötigen wir auch in Zukunft noch Unterstützung und Hilfe, um die Ziele dieser Gesellschaft zu verwirklichen.

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Abb. 2 Samirabhupal Byanju auf einem Workshop im April 2023 beim Festakt zur Gründung der Nepalesischen Fachgesellschaft.

Ich möchte meinen wertvollen Kolleginnen der Abteilung danken für Ihre Hingabe, harte Arbeit und den Teamgeist, der bei der Entwicklung der Abteilung für Endoskopie zu ihrem jetzigen Stand eine Schlüsselrolle gespielt hat. Es sind: Sangita Adhikari, Indu Kawan, Sami Shrestha, Anjana Paudel, Kusum Kunwor, Sumitra K.C., Sakrina Sainju, Sushma Sapkota, Ashmita Bhattrai, Deepsikha Niroula, Anjila Lama, Puja Dhoju, Alisha Bhochhibhoya, Kabita Lama und Soniya Koju.

Autorinnen/Autoren

Samirabhupal Byanju (Der Artikel wurde von Dr. Volker Stagge übersetzt, der in engem Austausch mit der Endoskopie-Abteilung des Dhulikhel Hospital steht.)


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Institute

Dhulikhel Hospital, Lehrkrankenhaus der privaten Kathmandu-University in Dhulikhel, Nepal


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Publication History

Article published online:
05 June 2023

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Abb. 1 Durchführung einer Endoskopie am oberen Gastrointestinaltrakt mit Samirabhupal Byanju als sedierende Person und Dr. Ram B. Gurung als Endoskopiker.
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Abb. 2 Samirabhupal Byanju auf einem Workshop im April 2023 beim Festakt zur Gründung der Nepalesischen Fachgesellschaft.