Schlüsselwörter
Staphylococcus hyicus
- exsudative Epidermitis - exfoliative Toxine - Ferkelverluste - Antibiotikareduzierung - bestandsspezifische Impfung
Key words
Staphylococcus hyicus
- exudative epidermitis - exfoliative toxins - piglet losses - antibiotic reduction - autogenous vaccination
Einleitung
Exsudative Epidermitis (EE), auch bekannt als Ferkelruß, Pechräude,
nässendes Ekzem oder seborrhoisches Ekzem [1 ]
[2 ], stellt eine häufige
Erkrankung bei jungen Ferkeln dar. Staphylococcus (St.) hyicus aus der
Familie der grampositiven Staphylococcaceae gilt dabei als wesentlicher
Verursacher, wobei auch weitere für das Schwein relevante
Staphylokokken-Arten (u. a. St. aureus , St. chromogenes ,
St. epidermidis und St. sciuri ) als Mono- oder Mischinfektion ein
ähnliches klinisches Bild verursachen können [3 ]
[4 ]
[5 ]. Staphylokokken zählen einerseits als
apathogene Kolonialisten zu der kommensalen Keimflora von Schweinen und sind
insbesondere auf der Haut und der Vaginalschleimhaut von Sauen zu finden [1 ]
[6 ]
[7 ]. Andererseits können pathogene
Stämme für eine Vielzahl an Krankheitsbildern verantwortlich sein
[8 ].
Für St. hyicus -Stämme erfolgt die Charakterisierung virulenter
Stämme insbesondere aber nicht ausschließlich über den
Nachweis exfoliativer Toxine, welche die Fähigkeit besitzen,
zelluläre Adhäsionsmoleküle im Stratum spinosum spalten und
zu einer Separation von Stratum granulosum und Stratum spinosum führen zu
können [6 ]
[9 ]. Bereits 1979 gelang Amtsberg [10 ]
der Nachweis Exfoliation-auslösender Substanzen aus St. hyicus
Kulturen, die nachfolgend mit dem Überbegriff „exfoliative toxin
produced by St. hyicus “ (SHET) gekennzeichnet wurden [10 ]
[11 ]. Die
Beschreibung und Differenzierung der exfoliativen Toxine ExhA, B, C und D folgte
einige Jahre später durch Andresen und Kollegen [12 ]
[13 ]. Bei Untersuchungen in
Dänemark gelang keine Differenzierung virulenter und nicht-virulenter
Stämme basierend auf ihrer genomischen und phylogenetischen Analyse,
dafür konnte jedoch ein Zusammenhang von clusternden Stämmen
entsprechend ihrer geographischen Lokalisation postuliert werden [8 ]. Darüber hinaus wurden 2 weitere
Regionen im Genom entdeckt, die hauptsächlich mit virulenten Stämmen
in Verbindung gebracht werden und möglicherweise zusätzlich der
Identifizierung virulenter Stämme dienen könnten [8 ].
Das klinische Bild der EE ist charakterisiert durch unterschiedlich stark
ausgeprägte Hautveränderungen, die sich in Talgabsonderungen und
Hautablösungen unter Bildung von Krusten äußern.
Während zu Beginn nur der Kopf und die nicht-behaarten Körperstellen
betroffen sind, kann sich die Erkrankung innerhalb von 24–48 h
über den gesamten Körper der Ferkel ausbreiten [7 ]. Die mit der Infektion einhergehende
Allgemeinerkrankung betrifft in der Regel Saugferkel ab dem 3. Lebenstag, wobei
neben Hautveränderungen auch Nieren, Leber, Gelenke und das
Zentralnervensystem am Entzündungsprozess beteiligt sein können
[2 ]
[7 ].
Exfoliative Toxine können zu Schäden an Epithelzellen der
Nierentubuli führen; das Absterben dieser Zellen kann mit einer Obstruktion
des Tubulussystems einhergehen [7 ]. Infolge einer
Bakteriämie können Erreger außerdem in die
Gefäße der Niere gelangen, wo sie eine embolisch-eitrige Nephritis
verursachen können [14 ]. Die
generalisierte Form der Erkrankung führt, bedingt durch
Flüssigkeitsverlust und Sekundärerkrankungen, zu kümmernden
Saug- und Absetzferkeln sowie erhöhter Mortalität [7 ]. Schwerwiegende EE-Ausbrüche werden in
der Literatur mit prädisponierenden Faktoren wie unzureichendes
Hygienemanagement, immunologisch naive Herden oder Koinfektionen in Verbindung
gebracht [3 ]
[15 ]
[15 ]
[17 ]. Neben der Pathogenität bei Saug- und Absetzferkeln besitzt
St. hyicus unter gewissen Umständen auch zoonotisches Potenzial,
vor allem bei immunsupprimierten Menschen, und bedarf daher besonderer
Aufmerksamkeit [18 ].
Beta-Laktamase-bildende Staphylokokken-Stämme sind weit verbreitet und
führen zu Resistenzen gegen Penicilline und Aminopenicilline [19 ], aber auch Resistenzen gegen Ceftiofur sind
hinlänglich beschrieben [20 ]. Zugelassene
Impfstoffe gegen St. hyicus stehen nicht zur Verfügung. Der Einsatz
von autogenen (bestandsspezifischen) Vakzinen bei Sauen gegen Ende der
Trächtigkeit verspricht laut Literatur eine Verbesserung der klinischen
Symptomatik und eine Reduktion des Antibiotikaeinsatzes [21 ], sofern ein passender Stamm für die Herstellung identifiziert
und ausgewählt werden kann.
Der vorliegende Fallbericht beschreibt den Umgang mit einem
unverhältnismäßig massiven Ausbruch der EE in einem
Ferkelerzeugerbetrieb sowie die diagnostische Aufarbeitung und darauffolgende
therapeutische und prophylaktische Maßnahmen.
Fallbeschreibung
Anamnese
Der vorgestellte Fallbericht handelt von einem westdeutschen
Ferkelerzeugerbetrieb mit 350 produktiven Sauen dänischer Genetik. Der
Betrieb arbeitet in einem zweiwöchigen Rhythmus, Jungsauen werden
ausschließlich über Eigenremontierung generiert und in einem
separaten Gebäude, getrennt von der Sauenherde, aufgezogen. Bei 5
% der Sauen treten in der Abferkelung Symptome des postpartalen
Dysgalaktie-Syndroms (PDS) auf. Nach dreiwöchiger Säugezeit
werden die Ferkel abgesetzt und ins betriebseigene Flatdeck umgestallt. Dort
haben die Ferkel pro Tier ein Platzangebot von 0,35 m² bei
24–40 Tieren pro Bucht und werden ad libitum über
Breifutterautomaten gefüttert. Das Wasser wird in Schalen- sowie
Nippeltränken angeboten, zudem dienen Holzklötze und
Baumwollseile als Beschäftigungsmaterial. Etwa die Hälfte der
Ferkel wird nach der Ferkelaufzucht an umliegende Mäster verkauft und
der Rest im betriebseigenen Maststall gemästet. Der Betrieb liegt in
einer schweinedichten Region und ist PRRS-positiv (letzte Untersuchung vier
Monate vor dem klinischen Geschehen; Feldvirusnachweise in der Aufzucht mittels
RT-PCR; 94,0 % Nukleotididentität im ORF7- Genabschnitt zu
AUT15-33 [22 ] als beste
Übereinstimmung im BLAST [23 ]). Das
Impfschema des Betriebs ist [Tab. 1 ] zu
entnehmen.
Tab. 1 Übersicht über die
durchgeführten Impfungen.
Table 1 Summary of
vaccination protocols.
Tiere
Zeitpunkt
Impfantigen
Präparat
Altsauen
6. Tag nach Geburt und 60. TTa
PRRSV-1b
Suvaxyn® PRRS MLV, Zoetis Belgium SA,
Ottignies-Louvain-la-Neuve, Belgien
60. TT
PPV1c und Erysipelothrix rhusiopathiae
Parvoruvac® , Ceva Santé Animale,
Libourne, Frankreich
Alle 4 Monate
Influenza A
Respiporc FLU3® , Ceva Santé
Animale
Halbjährlich
PCV2d
Ingelvac CircoFLEX® , Boehringer Ingelheim
Vetmedica GmbH, Ingelheim am Rhein, Deutschland
Jungsauen
Grundimmunisierung vor der ersten Belegung
PRRSV-1; PPV1 und Erysipelothrix rhusiopathiae ;
Influenza A; PCV2
Suvaxyn® PRRS MLV;
Parvoruvac® ; Respiporc
FLU3® ; Ingelvac
CircoFLEX®
Ferkel
1. LWe
PRRSV-1
Suvaxyn® PRRS MLV
3. LW
PCV2
Porcilis® PCV, Intervet International BV,
Boxmeer, Niederlande
3. LW
Mycoplasma hyopneumoniae
Hyogen® , Ceva Santé Animale
a Trächtigkeitstag; b Porzines Reproduktives
und Respiratorisches Syndrom Virus 1; c Porzines Parvovirus 1;
d Porzines Circovirus Typ 2; e Lebenswoche.
Zu Beginn des Jahres 2021 waren sowohl im Abferkel- als auch im Aufzuchtbereich
einzelne Ferkel mit schwärzlich-schuppigen Hautläsionen
auffällig. Auch mehrere Sauen wiesen entsprechend veränderte
Hautareale im Nackenbereich auf, wobei Jungsauen und Altsauen
gleichermaßen betroffen waren. Basierend auf dem klinischen
Erscheinungsbild wurde zu diesem Zeitpunkt die Verdachtsdiagnose der EE
gestellt. In der darauffolgenden Absetzgruppe erkrankten bereits mehr als
50% der Tiere, trotz frühzeitig eingeleiteter Diagnostik und
entsprechender oraler antibiotischer Therapie. Eine Erhöhung des Anteils
der an PDS erkrankten Sauen konnte nicht festgestellt werden.
Diagnostische Untersuchungen
Bei einer Stichprobe von fünf Saug- und Aufzuchtferkeln, die einer
klinischen Allgemeinuntersuchung nach Baumgartner und Wittek [24] unterzogen
wurden, waren ein schmierig bräunliches Exsudat im Kopfbereich sowie
charakteristisch graubraune bis schwarze squamös-krustöse
Veränderungen an der gesamten Hautoberfläche auffällig
([Abb. 1 ]). Zur Absicherung der
klinischen Verdachtsdiagnose wurden vom bestandsbetreuenden Tierarzt
fünf Tupferproben (UNI-TER sterile swab in polypropylene test tube with
modified Amies medium; Meus s.r.l., Piove di Sacco, Italien) von typisch
veränderten Hautbereichen für weiterführende
bakteriologische und molekularbiologische Untersuchungen gewonnen. Die Proben
für die bakteriologische Untersuchung wurden sowohl im praxiseigenen
Labor bearbeitet als auch an akkreditierte Fachlabore (IVD GmbH, Seelze; AniCon
Labor GmbH, Höltinghausen) weitergeleitet. Die Tupferproben wurden auf
verschiedenen Agarplatten (u. a. Schafblutagar mit und ohne
antibiotische Zusätze und Chocolate-Agar) ausgestrichen, bei
37°C inkubiert und nach 24, 48 und 72 Stunden abgelesen. Eine
Differenzierung gewonnener Bakterien-Kolonien erfolgte mittels MALDI-TOF MS und
16 S rRNA-Typisierung. Isolierte St. hyicus -Isolate wurden
mittels PCR auf die chromosomale DNA der Toxingene für ExhA, ExhB, ExhC,
ExhD und SHETA untersucht. Weiterhin wurden Proben mittels real-time PCR auf
potenziell zusätzlich beteiligte Erreger ausgewertet. Dies umfasste die
RT-qPCR Untersuchung von Hodensaftsammelflüssigkeit (processing fluids)
der letzten Abferkelgruppe und Speichelsammelproben (oral fluids) 4 Wochen alter
Ferkel auf das Porzine Reproduktive und Respiratorische Syndrom Virus (PRRSV)
und die Untersuchung von oral fluids auf das Influenza A Virus (IAV).
Abb. 1 Saugferkel mit charakteristischen Läsionen. Quelle:
J. Harlizius.
Fig. 1 Sucking piglet with characteristic skin lesions. Source: J.
Harlizius.
Unter Hinzuziehung des Schweinegesundheitsdienstes der Landwirtschaftskammer
Nordrhein-Westfalen wurden zu diesem Zeitpunkt außerdem 3 Ferkel an das
Chemische und Veterinäruntersuchungsamt Rhein-Ruhr-Wupper (CVUA-RRW) in
Krefeld weitergeleitet. Dort erfolgten eine pathologische Untersuchung der
Ferkel, histologische Übersichtsuntersuchungen verschiedener Organe
sowie bakteriologisch-kulturelle, virologische und parasitologisch-koprologische
Untersuchungen. So wurden im Rahmen der breit angelegten Diagnostik Proben von
Haut, Lunge, Lymphknoten, Leber, Milz und Nierenbecken in einem vergleichbaren
Verfahren bakteriologisch-kulturell untersucht und die Inguinallymphknoten
sezierter Ferkel mittels real-time PCR auf das Vorliegen von Porzinem Circovirus
Typ 2 (PCV2)-Genmaterial getestet. Von den sezierten Tieren wurden
darüber hinaus Organpools entnommen, um molekularbiologisch eine
Beteiligung des klassischen und afrikanischen Schweinepestvirus (KSP/ASP) und
des Suiden Herpesvirus 1 (Aujeszkysche Krankheit) sowie kulturell eine Infektion
mit Salmonella spp. auszuschließen.
Begleitend zu eingeleiteten Diagnostik- und Therapiemaßnahmen wurde ein
objektivierbares, risikobasiertes, gewichtetes Scoring-System
(Bio-check.UGentTM ; www.biocheck.ugent.be/en) angewendet, um die
externe und interne Biosicherheit zu evaluieren [25 ]
[26 ]. Dort werden Ergebnisse des
eigenen Betriebes im Verhältnis sowohl zum Landesdurchschnitt als auch
zum globalen Durchschnitt dargestellt. Global stehen laut des Internetauftrittes
bereits Daten von 11607 schweinehaltenden Betrieben mit komplett
ausgefülltem Fragebogen zum Vergleich bereit (Stand: 26.09.2022) [26 ].
Ergebnisse
Die Sektion im CVUA-RRW ergab das übereinstimmende makroskopische Bild einer
nahezu den gesamten Tierkörper betreffenden, generalisierten exsudativen
Dermatitis mit hochgradigen schwarzen, teils hochgradig verkrusteten und trockenen
oberflächlichen Hautveränderungen und abschnittsweise deutlichen
Verdickungen der Haut ([Abb. 1 ]). Bei der
histologischen Untersuchung fanden sich in zahlreichen Lokalisationen eine subakute,
teils deutlich chronische, überwiegend mononukleäre nicht-eitrige
Dermatitis und Epidermitis, welche abschnittsweise deutlich ulzerative Merkmale
aufwies. Auch konnte eine multifokale hochgradige Follikulitis mit
intraläsionalen Bakterienrasen (Kokkenbakterien) nachgewiesen werden.
Vereinzelt fanden sich chronische abgegrenzte, tief in der Unterhaut liegende
Mikroabszesse. Oberflächlich waren unterschiedlich ausgeprägte,
eingetrocknete Exsudatmassen auf der teils deutlich nekrotischen
oberflächlichen Keratinschicht aufgelagert. Auch hier konnten zahlreiche
Kokkenbakterien identifiziert werden ([Abb.
2 ]).
Abb. 2 Histologisches Schnittbild mit einer 10-fachen
Objektivvergrößerung,
Hämatoxylin-Eosin-Färbung. Von links nach rechts ist eine
oberflächlich nekrotische Keratinschicht mit massenhaft auf- und
eingelagertem Bakterienrasen (Kokkenbakterien) zu sehen. Darunter befindet
sich eine hochgradige hyperplastische Epidermis. In der Tiefe ist ein
Haarfollikel mit ausgeprägter chronischer nekrotisierender
Follikulitis und eine hochgradige Ansammlung von intraläsionalen
Kokkenbakterien sichtbar. Quelle: A. Kuczka.
Fig. 2 Representative histologic sectional image with 10 ×
objective magnification and hematoxylin-eosin staining. From left to right,
a keratin layer with necrotic cells and a high number of bacteria (cocci)
are visible. A highly hyperplastic epidermis can be seen underneath. In the
depth a hair follicle with chronic necrotizing folliculitis and high-grade
accumulation of cocci bacteria within the lesion are apparent. Image source:
A. Kuczka.
Die bakteriologischen Untersuchungen verschiedener Hauttupfer sowie von Proben aus
systemischen Lokalisationen erbrachte den wiederholten Nachweis von St.
hyicus sowie in 2 Fällen den Nachweis von St. chromogenes
(Hauttupfer). Die St. hyicus- Isolate wiesen im Mikrodilutionsverfahren unter
anderem Resistenzen gegenüber den Wirkstoffen Ampicillin, Enrofloxacin,
Gentamicin und Tetracyclin auf; Amoxicillin in Kombination mit
Clavulansäure, Ceftiofur, Trimethoprim-Sulfadiazin und Tiamulin konnten
in vitro als wirksam eingestuft werden. Mittels molekularbiologischer
Virulenztypisierung konnten 3 untersuchte St. hyicus -Isolate den Toxingenen
exhA sowie shetA zugordnet werden (Isolat Nr. 1–3; [Tab. 2 ]).
Tab. 2 Übersicht der nachgewiesenen
Staphylococcus hyicus -Isolate und dessen
Toxingene.
Table 2 Overview of the detected
Staphylococcus hyicus isolates and its toxin
genes.
Isolat-Nr.
Zeitpunkt der Isolierung
Erreger
Altersgruppe
Toxingene
1
Initiale Diagnostik
Staphylococcus hyicus
Saugferkel
exhA und shetA
2
Initiale Diagnostik
Staphylococcus hyicus
Aufzuchtferkel, 4. LWa
exhA und shetA
3
Initiale Diagnostik
Staphylococcus hyicus
Aufzuchtferkel, 4. LW
exhA und shetA
4
4 Monate nach BSIb
Staphylococcus hyicus
Jungsau
keine nachweisbar
5
4 Monate nach BSI
Staphylococcus hyicus
Aufzuchtferkel, 4. LW
exhA und shetA
6
4 Monate nach BSI
Staphylococcus hyicus
Aufzuchtferkel, 6. LW
shetA
a LW: Lebenswoche; b Einsatz des
bestandsspezifischen Impfstoffes
Abb. 3 Dendrogramm der gewonnenen Staphylococcus hyicus
Isolate. Entstanden durch Clusteranalyse mittels MALDI TOF MS und
anschließender Visualisierung mittels GraphPad Prism 9.0.0 (GraphPad
Software, San Diego, CA, USA). Die Distanzwerte (x-Achse) wurden anhand der
Unterschiede in den Proteinmassen und der Intensität der
Proteinpeaks untersuchter Proteinreferenzspektren (MSP, Main Spectral
Projection) errechnet. Auf der y-Achse sind verschiedene Staphylococcus
hyicus Isolate aufgeführt ([Tab. 2 ]). Die beiden Cluster sind mit verschiedenen Farben
dargestellt (rot und schwarz). Quelle: AniCon Labor GmbH.
Fig. 3 Dendrogram of the obtained Staphylococcus hyicus
isolates. Generated by cluster analysis using MALDI TOF MS and then modified
for graphical display via GraphPad Prism 9.0.0 (GraphPad Software, San
Diego, CA, USA). Distance levels (x-axis) were calculated based on
differences in protein masses and intensity of protein peaks of the examined
protein reference spectra (MSP, Main Spectral Projection). Different
Staphylococcus hyicus isolates are displayed on the y-axis ([Tab. 2 ]). The two clusters are shown with
different colors (red and black). Source: AniCon Labor GmbH.
Die Untersuchungen von Organproben sezierter Ferkel erwiesen sich als negativ
für PCV2, ASP, KSP, Suides Herpesvirus 1, und Salmonella spp.,
während die untersuchten Speichelsammelproben ein PRRSV-1-positives (CT 29)
und IAV-positives (CT 35) Ergebnis lieferten. Eine Typisierung der IAV-positiven
Probe war aufgrund des hohen CT-Wertes nicht möglich; der detektierte
PRRSV-Stamm hingegen konnte in der Sequenzierung des ORF5- Genabschnittes mit einer
99%igen Übereinstimmung der Nukleotidsequenz des verabreichten
Lebendimpfstammes (Stamm 96V198; Suvaxyn® PRRS MLV) zugeordnet werden. Die
histologische Untersuchung von Lungenproben sezierter Ferkel ergab keinen
eindeutigen Hinweis auf eine zugrundeliegende virale Infektion. Zudem konnten bei
keinem der untersuchten Tiere parasitäre Gebilde im Kot nachgewiesen
werden.
Überdurchschnittlich gut waren in der Bio-check.UGentTM Bewertung
der äußeren Biosicherheit die Kategorien „Kauf von
Zuchttieren, Ferkeln und Sperma“, „Versorgung mit Futter, Wasser und
Ausrüstung“ und „Umgang mit Besuchern“. Positiv
hervorzuheben in der Kategorie „innere Biosicherheit“ waren die
Unterpunkte „Krankheitsmanagement“ und „Management im
Flatdeck“. Unterdurchschnittlich waren in der Bewertung der
äußeren Biosicherheit die Kategorien „Schadnager- und
Vogelbekämpfung“ und „Wirtschaftsstandort“,
bezüglich der inneren Biosicherheit gab es Differenzen in den Kategorien
„Abferkel- und Säugeperiode“ sowie
„Maßnahmen zwischen den Abteilungen, den Arbeitsabläufen und
der Geräteverwendung“.
Therapie und Verlauf
Nach dem Auftreten der ersten Symptome bei einzelnen Saug- sowie Aufzuchtferkeln
erfolgte die Therapie der Einzeltiere nach durchgeführtem Resistenztest mit
einem Cefquinom-haltigen Präparat (Cobactan® 2,5%, Intervet
Deutschland GmbH, Unterschleißheim, Deutschland), wobei die Behandlung nur
einen mäßigen Therapieerfolg brachte. Aufgrund der wiederkehrenden
Symptome bei den Saugferkeln der nächsten Abferkelgruppe wurde entschieden,
die komplette Altersgruppe zum Absetzzeitpunkt mit einem
Trimethoprim-Sulfadiazin-haltigen Präparat (Antastmon®, bela-pharm
GmbH & Co. KG, Vechta, Deutschland) zu behandeln. Zudem wurden Ferkel mit
starker Symptomatik in Einzeltierbehandlung mit Glukokortikoiden und einem
Penicillin- und Neomycin-haltigen Präparat (Neopen®
200/150 mg/ml, Intervet Deutschland GmbH) per Injektion
behandelt. Trotz der eingeleiteten Maßnahmen kam es in dieser Absetzgruppe
zu deutlich ausgeprägter Klinik mit Mortalitätsraten bis zu
10%.
Als Begleitmaßnahmen zur antibiotischen Therapie und der natürlichen
Immunitätsausbildung innerhalb der Sauenherde wurden die Ferkel mit einer
jodhaltigen Pflegeemulsion (Vet-Sept Lösung 10%, aniMedica GmbH,
Senden-Bösensell, Deutschland) gewaschen, was als Unterstützung der
natürlichen Hautflora dienen sollte. Aufgrund der ausgeprägten
Klinik und zur Reduktion des Antibiotikaeinsatzes wurde nach dem massiven Einbruch
der EE bei 50% der Ferkel die zielgerichtete Immunprophylaxe mittels
Mutterschutzvakzine implementiert. Da auf dem deutschen Markt kein kommerzieller
Impfstoff gegen St. hyicus erhältlich ist, wurde sich für die
Herstellung eines bestandsspezifischen Impfstoffes (BSI) entschieden. Generell ist
die Verwendung eines BSI für alle betroffenen Erreger und Indikationen
möglich, die nicht durch zugelassene, verschreibungspflichtige Impfstoffe
abgedeckt sind (Verordnung (EU) 2019/6, Art. 106 (5)). Es können
mehrere Untersuchungen notwendig sein, da die verantwortlichen Erreger nur durch
Reproduktion der Ergebnisse zuverlässig identifiziert werden können.
Die Selektion geeigneter Isolate aus dem betroffenen Betrieb ist dabei von
höchster Priorität. In diesem Fall wurden die frisch gewonnenen
Staphylokokken-Isolate für die Herstellung an die AniCon Labor GmbH
weitergeleitet. Um eine vollständige Abdeckung aller beteiligten
Staphylokokken-Isolate zu gewährleisten, wurden sowohl 2 St.
hyicus -Isolate mit exhA und shetA Toxingenen als auch eines der
St. chromogenes- Isolate integriert. Alle Sauen des Betriebes wurden mit
einer zweimaligen Impfung im Abstand von 3 Wochen grundimmunisiert und
anschließend jeweils 3 Wochen vor der Abferkelung erneut geboostert. Als
zusätzliche Maßnahme wurden Managementfaktoren wie Nadel- und
Skalpellwechsel zwischen den Würfen konsequenter umgesetzt. Die
Prävalenz der Erkrankung sowie die EE-bedingten Ferkelverluste sanken in den
folgenden Wochen auf unter 1%, auf antibiotische gruppentherapeutische
Maßnahmen wurde daraufhin verzichtet.
Vier Monate nach erstmalig erfolgter Impfung wurden erneut vermehrt Ferkel mit St.
hyicus- assoziierten Hautläsionen auffällig. Für die
neue Charge des bestandsspezifischen Impfstoffes wurden abermals Proben gewonnen,
kultiviert, und die neu gewonnenen St. hyicus -Isolate mit den vorherigen
Isolaten auf Toxingenebene verglichen, um eine bestmögliche Abdeckung aller
beteiligten Stämme zu gewährleisten. Der Vergleich der im
bestandsspezifischen Impfstoff inkludierten Isolate auf Proteinebene mittels
Dendrogramm ergab 2 Hauptcluster, denen diese zugeordnet werden konnten ([Abb. 3 ]). Nach Anpassung der bestandsspezifischen
Vakzine (Isolat 5; [Tab. 2 ]) verbesserte sich die
klinische Situation auf das zuvor erreichte Level und ist bis dato stabil (Stand:
ein Jahr nach Anpassung).
Diskussion
Der vorgestellte Fallbericht beschäftigt sich mit einem hartnäckigen
und recht plötzlich aufgetretenen Fall der EE. Das Krankheitsbild der EE
wurde 1842 erstmalig beschrieben [27 ] und stellt
seitdem die bestandsbetreuende Tierärztin/den bestandsbetreuenden
Tierarzt sowohl diagnostisch als auch therapeutisch vor besondere Herausforderungen.
Eine dieser diagnostischen Herausforderungen stellt die Anzahl zu entnehmender
Proben dar, um ein Pathogen sicher nachzuweisen. Dieses ist unter anderem
abhängig von der tatsächlichen Prävalenz des Erregers im
Bestand sowie der diagnostischen Sensitivität und Spezifität der
verwendeten Nachweismethode. Eine praktikable Hilfestellung gibt eine Abwandlung der
„rule of three“, welche besagt, dass mit einem 95%igem
Konfidenzintervall die benötigte Mindestprobenmenge mit der Formel
3/P errechnet werden kann, wobei P die anzunehmende Prävalenz des
Erregers in Dezimalzahlen darstellt [28 ]. Bei
einer anzunehmenden Prävalenz von 50% wären das
3/0,5=6 zu beprobende Tiere. Es gilt im vorliegenden Fall zu
beachten, dass die zu beprobenden Tiere nicht zufällig, sondern
zielgerichtet anhand vorhandener klinischer Symptome ausgewählt worden sind,
was die Anzahl der mindestens zu beprobenden Tiere grundsätzlich verringern
kann. Auf der anderen Seite sollte auch ein Rückschluss auf die vorhandenen
Toxingene bei verschiedenen Tieren erfolgen.
Da klinische Zeichen sowohl bei Aufzuchtferkeln als auch im geringeren Ausmaß
bei Sauen und Saugferkeln auftraten, könnte es zu einem Neueintrag eines
virulenten Stammes gekommen sein. Herauszustellen ist, dass Jungsauen auf diesem
Betrieb eigenremontiert werden. Dadurch entfällt das Risiko der
Einschleppung von Krankheitserregern durch Zukauf von Tieren, da nur Sperma von
einer zertifizierten Besamungsstation zugekauft wird [29 ]. Die Evaluierung mittels Bio-check.UGentTM offenbarte eine
unterdurchschnittliche Schädlings- und Vogelbekämpfung, sodass
mechanische Vektoren in der passiven Einschleppung neuer Stämme nicht
ausgeschlossen werden können, zumal der Betrieb in einer schweinedichten
Region liegt. Grundsätzlich sprechen speziesspezifische Unterschiede bei
St. hyicus gegen eine aktive biologische Übertragung über
Zwischenwirte [7 ]. Wie in der Literatur
beschrieben, ist eine Verletzung des Stratum corneum und der Zugang des Bakteriums
zu den tieferen Hautschichten ein prädisponierender Faktor für EE,
vor allem bei naiven Tieren [3 ]. Daher
erhöhen Rangkämpfe der Ferkel aufgrund absolutem und relativem
Milchmangel der Sau sowie damit einhergehend die mangelhafte Versorgung der Ferkel
mit maternalen Antikörpern das Risiko einer klinisch manifesten Infektion
[6 ]. Ein erhöhtes Vorkommen von
Rangkämpfen konnte nicht beobachtet werden, auch gab es keine
erhöhte Zahl lebensschwach geborener Ferkel, welche generell weniger
Kolostrum aufnehmen [30 ]. Eine
Überprüfung der Kolostrumaufnahme und Kolostrumqualität
wurde daher nicht durchgeführt. Diese könnte beispielsweise mit
einfachen Methoden wie der Wiegung der Ferkel vor und nach Kolostrumaufnahme oder
labordiagnostisch mittels Bestimmung des Totalproteingehaltes im Kolostrum der Sau
in Kombination mit der IgG-Bestimmung im Plasma der Saugferkel durchgeführt
werden [31 ]. Eine Aufnahme von mindestens
200 g Kolostrum pro Ferkel innerhalb der ersten 24 Lebensstunden korrelierte
in einer Feldstudie dabei negativ mit der Saugferkelsterblichkeit [32 ].
Die deutsche Schweinehaltungshygieneverordnung (SchHaltHygV) sieht in §8 vor,
dass bei einem gehäuften Auftreten von verendeten Schweinen in einem Stall
die Ursache festzustellen und die klassische sowie die afrikanische Schweinepest
auszuschließen sind. Laut Anlage 6 SchHaltHygV ist dieses in der Aufzucht
gegeben, wenn innerhalb von 7 Tagen in einem Stall 3% der Aufzuchtferkel
verenden. Unter Hinzuziehung des Schweinegesundheitsdienstes der
Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen wurden entsprechende Maßnahmen
eingeleitet. Über das Vorliegen infektiöser
prädisponierender Faktoren für diesen unerwarteten massiven
klinischen Ausbruch der EE kann nur spekuliert werden. Die Untersuchung der oral
fluids ergab einen schwach positiven Nachweis von Influenza. Jedoch gaben weder die
durchgeführten histologischen Untersuchungen noch die klinische Untersuchung
der Ferkel auf dem Betrieb Hinweise auf eine klinisch relevante IAV-Infektion, daher
wurde dies im vorliegenden Fallbericht nicht weiterverfolgt. Grundsätzlich
ist bekannt, dass sich aufgrund veränderter Bestandsgrößen
auch die IAV-Infektionsdynamik innerhalb einer Herde verändert hat, weg von
akuten epizootischen klinisch manifesten Ausbrüchen hin zu einem sich selbst
erhaltenden endemisch infizierten Status der betroffenen Herde [33 ]. In diesen endemisch infizierten Herden mit
unspezifischen klinischen Symptomen wurde kürzlich ein Beprobungsschema
propagiert, welches verschiedene Altersgruppen abdeckt. Die Zielsetzung dessen war,
die bei unbekanntem Infektionszeitpunkt nur wenige Tage andauernde Virusausscheidung
zu detektieren. Jeweils 10 Nasentupfer von Saugferkeln (1. bis 4. Lebenswoche [LW]),
frisch abgesetzten Ferkeln (4. bis 6. LW) und Aufzuchtferkeln (7. bis 8. LW) sollen
in Fünferpools mittels RT-PCR untersucht und anschließend, wenn
möglich, typisiert werden [34 ]. Um die
Bedeutung von Influenza A als immunsupprimierende Koinfektion bei künftigen
Leistungs- und Krankheitseinbrüchen abzuklären, sollte dieses oder
ein vergleichbares Beprobungsschema neben der in diesem Fall durchgeführten
oral fluids-Methode angewendet werden.
Einem Fallbericht in einer schwedischen spezifisch-pathogenfreien Herde nach
korrelierte dort der Ausbruch der EE mit der PCV2-Serokonversion der betroffenen
Tiere [15 ]. Die durchgeführten
molekularbiologischen Untersuchungen bei betroffenen Tieren lieferten auf dem hier
beschriebenen Betrieb keinen Hinweis auf das Vorliegen einer (sub)klinischen
Infektion mit PCV2, keines der untersuchten Tiere zeigte eine detektierbare
Viruslast im Lymphknoten. Nach aktualisierter PCV2-Falldefinition von
Segalés et al. [35 ] ist für eine
subklinische Infektion eine geringe Viruslast, für die systemische
PCV2-Infektion eine moderate bis hohe Viruslast in lymphoiden Geweben notwendig.
Bezüglich PRRSV ist bekannt, dass eine intrauterine Infektion
während des letzten Trächtigkeitstrimesters das Immunsystem der
Feten nachhaltig negativ beeinträchtigt und die Anfälligkeit der
neugeborenen Ferkel gegenüber bakteriellen Infektionen erhöht [36 ]. In den untersuchten processing fluids konnte
keine PRRSV-RNA nachgewiesen werden. Processing fluids sind ein nützliches
Instrument zur Bewertung der Virusausscheidung in einer Zuchtherde.
Gemäß der aktuellen Empfehlung der American Association of Swine
Veterinarians nach Holtkamp et al. [37 ]
können diese auch in PRRSV positiven, stabilen Herden mit implementierten
Vakzinationsprotokollen alternierend mit Serumproben von Absetzferkeln eingesetzt
werden. Der Nachweis des Lebendimpfstammes in den Kaustrickproben der 4 Wochen alten
Ferkel hingegen stellt keine Überraschung dar, lässt sich doch der
Lebendimpfstamm in geimpften Tieren regelmäßig nachweisen [38 ]. Aus experimentellen PRRSV-Infektionen von
frisch abgesetzten Ferkeln ist bekannt, dass bei klinisch manifester Infektion vor
allem histologisch deutliche PRRSV-assoziierte Lungenläsionen vorhanden sind
[39 ], welche in den zur Sektion eingeschickten
Tieren in dem Ausmaß nicht nachgewiesen werden konnten.
Publizierte Studien über den Einsatz einer autogenen Vakzine gegen St.
hyicus sind rar. Eine Fallstudie aus Portugal von Ceia et al. [40 ] in einem kombinierten Betrieb mit 400 Sauen und
angeschlossener Mast beschreibt nach Auftreten von generalisierter EE ein zu diesem
Fall vergleichbares Vorgehen. In der Studie wurden die betroffenen Absetzferkel mit
einem Gentamicin-haltigen Präparat behandelt und mit einem
Chlorhexidin-haltigen Präparat gewaschen; anders als in dem aktuellen
Fallbericht war die Mortalitätsrate allerdings mit im Peak 6.6%
deutlich geringer, auch wurde eine Virulenztypisierung der beteiligten St.
hyicus -Stämme nicht beschrieben. Neben der Umstellung von
Managementmaßnahmen wie nicht näher definierte Änderungen
bei der Hygiene von Routinemaßnahmen, Reinigung- und Desinfektion und dem
metaphylaktischen Einsatz eines Cefquinom-haltigen Präparates wurde ein
nicht näher beschriebener bestandsspezifischer Impfstoff in der 11. und 13.
Trächtigkeitswoche eingesetzt. Die Kombination dieser Maßnahmen
führte in den folgenden 6 Monaten zu einer Reduktion der
Mortalitätsrate auf 1,7% [40 ]. In
einer klinischen Studie von Arsenakis et al. [21 ]
in einem belgischen ferkelerzeugenden Betrieb mit 1000 Zuchtsauen und
wiederkehrender EE-Problematik führte die bestandsspezifische Impfung mit
einem ExhB-produzierenden St. hyicus -Isolat zu einer signifikanten
Verringerung der Mortaliätsraten (2,6% vs. 5,0%) und der
eingesetzten Antibiotikamenge bei Ferkeln geimpfter vs. Ferkeln nicht geimpfter
Sauen [21 ]. Auch im hier diskutierten Fall
führte die – nach anfänglicher Antibiotika-Therapie, lokaler
Behandlung mit einem jodhaltigen Präparat und natürlicher
Immunitätsausbildung innerhalb der Sauenherde – etablierte
bestandsspezifische Impfung als passiver Immunschutz der Ferkel zu einer Reduktion
der Mortalität von 10% auf unter 1% und einem Verzicht auf
die antibiotischen gruppentherapeutischen Maßnahmen. Unterschiede zwischen
diesem Fall und dem aktuellen Fall sind unter anderem das Auftreten der klinischen
Symptome (wiederkehrend vs. plötzlich auftretend), die betroffenen
Altersgruppen (Aufzuchtferkel vs. Saugferkel, Aufzuchtferkel und Sauen), die
Mortalitätsrate und die Haltungsbedingungen. So werden die Aufzuchtferkel in
dem von Arsenakis et al. [21 ] beschriebenen
Betrieb in Großgruppen mit 40 bzw. 120 Ferkeln bei einer Belegdichte von
0,25 m² gehalten, während im aktuellen Fall Ferkel in
kleineren Gruppen mit höherem Platzangebot (0,35 m² pro
Ferkel) gehalten werden.
Im hier vorliegenden Fallbericht wurden in den ersten Proben neben St hyicus
auch St. chromogenes nachgewiesen. Das Potenzial von St. chromogenes,
exfoliative Toxine auszubilden und das klinische Bild der EE zu erzeugen, konnte
durch Infektionsversuche belegt werden. Sechs 3 Wochen alte Ferkel wurden subkutan
mit dem ExhB-bildenden St. chromogenes- Isolat VA654 inokuliert, mit der Folge
der Ausbildung einer EE bei allen Tieren [4 ]. Die
Tatsache, dass VA654 von einem klinisch gesunden Tier isoliert worden ist [41 ], trotzdem aber klinische Symptome
ausgelöst hat, spricht für ein Vorliegen prädisponierender
Faktoren wie ein junges Alter der inokulierten Tiere, eine hohe Infektionsdosis
(109 und 1010 koloniebildende Einheiten) und die
transdermale Infektionsroute [4 ]. Die Bedeutung
der St. chromogenes -Isolate in diesem Fall ist nicht abschließend zu
klären. Allerdings spricht die terminale Sepsis mit Nachweis von St.
hyicus sowohl in mehreren Organen der verendeten Tiere als auch in
Hauttupfern für eine entscheidende Bedeutung dieses Pathogens im Zuge der
Ausprägung klinischer Zeichen.
Die Evaluierung mittels Bio-check.UGentTM in dem aktuellen Fallbericht
offenbarte, dass die interne Biosicherheit in der Säugeperiode ebenfalls
Verbesserungspotenzial bietet. So wurden Saugferkel mehrfach versetzt, auch nach dem
4. Lebenstag, und der Nadel- und Skalpellwechsel zwischen den Würfen wurde
nur unregelmäßig durchgeführt. Das Bewusstsein des
Betriebspersonals für Biosicherheitsmaßnahmen im Betrieb ist hier
von außerordentlicher Wichtigkeit, um diese auch nachhaltig etablieren zu
können [ ].
Es ist aus wissenschaftlicher Sicht notwendig, Ausbrüche der EE sowie
eingeleitete diagnostische und therapeutische Maßnahmen zu
dokumentieren, um Erfahrungen bündeln und Empfehlungen aussprechen zu
können. Im vorliegenden Fallbericht hat die Kombination von
gruppenweiser antibiotischer Therapie, zusätzlicher Einzeltierbehandlung
und die autogene Immunisierung der Sauen über einen längeren
Zeitraum zu einer deutlichen Beruhigung des klinischen Geschehens
geführt. Wissenschaftliche, risikobasierte Bewertungssysteme wie
Bio-check.UGentTM können eingesetzt werden, um
Stärken und Schwächen der internen und externen Biosicherheit zu
ermitteln. Das Wiederauftreten der klinischen Symptomatik nach mehreren Monaten
unterstreicht eindrücklich die Notwendigkeit eines kontinuierlichen
Monitorings sowie, bei einem Einsatz von bestandsspezifischen Impfstoffen, die
fortlaufende Evaluierung der Bestandssituation und der damit einhergehenden
Aktualisierung des Impfstoffes.