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DOI: 10.1055/a-2100-0643
Endokrine Therapielandschaft bei Patient*innen mit HR+ HER2− frühem Mammakarzinom in Deutschland vor Einführung der CDK4/6-Inhibitor-Behandlung – eine Real-World-Analyse
Article in several languages: English | deutsch- Zusammenfassung
- Einleitung
- Methoden
- Ergebnisse
- Diskussion
- Schlussfolgerung
- Finanzielle Förderung
- References/Literatur
Zusammenfassung
Einleitung
Während prämenopausale Patientinnen mit einem HR+ HER2− frühen Mammakarzinom mit Tamoxifen +/− ovarielle Suppression mit einem GnRH-Analogon oder einem Aromataseinhibitor (AI) + GnRH behandelt werden, erhalten postmenopausale Frauen vorwiegend einen AI aufgrund der besseren Wirksamkeit verglichen mit Tamoxifen. Da es durch den Einzug der CDK4/6-Inhibitoren in die Behandlung des frühen Mammakarzinoms mit höherem Rückfallrisiko vermutlich zu einer Verschiebung der endokrinen Therapielandschaft kommt, ist von Interesse, wie in Deutschland potenzielle CDK4/6-Inhibitor-Kandidat*innen vor deren Markteinführung behandelt wurden.
Patienten und Methoden
Im Rahmen einer retrospektiven, multizentrischen Analyse wurden anonymisierte Daten von Patient*innen mit einem HR+ HER2− frühen Mammakarzinom und einer im Zeitraum zwischen 10/2021–03/2022 begonnenen Antihormontherapie erhoben. Potenzielle CDK4/6-Inhibitor-Kandidat*innen wurden anhand der Einschlusskriterien der NATALEE- und monarchE-Studien in entsprechende Risikokollektive unterteilt.
Ergebnisse
Insgesamt wurden Daten von 238 Patient*innen aus 29 Zentren analysiert. Während den monarchE-Kriterien 20,6% der Patient*innen zugeordnet werden konnten, enthielt das NATALEE-ähnliche Kollektiv 46,2% der Patient*innen. 53,8% der Patient*innen erfüllten weder die Einschlusskriterien der NATALEE- noch die der monarchE-Studie. Über die Hälfte der Patient*innen erhielt keine Chemotherapie. Im Gesamtkollektiv waren 28,6% der Patientinnen prämenopausal. 67,6% der prämenopausalen Frauen wurden mit einer neo-/adjuvanten Chemotherapie behandelt. 61,8% der prämenopausalen Patientinnen erhielten als adjuvante Antihormontherapie Tamoxifen, 19,1% AI + GnRH und 10,3% Tamoxifen + GnRH.
Schlussfolgerung
Trotz des hohen Anteils prämenopausaler Patientinnen, die mit einer aggressiven Therapie im Sinne einer Chemotherapie behandelt wurden, wurde bei nur einem Drittel der prämenopausalen Patientinnen GnRH zur Antihormontherapie hinzugenommen. Untersuchungen zu einem späteren Zeitpunkt sowie Registerstudien sind nötig, um zu sehen, wie sich durch den Einzug der CDK4/6-Inhibitoren die endokrine Therapielandschaft in Deutschland verändert.
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Schlüsselwörter
Brustkrebs - Mammakarzinom - Antihormontherapie - GnRH - Tamoxifen - AromataseinhibitorEinleitung
Patient*innen mit einem hormonrezeptorpositiven, HER2neu-negativen (HR+ HER2−) frühen Mammakarzinom erhalten in der Regel zur Senkung des Rezidivrisikos eine adjuvante Antihormontherapie (AHT). Während prämenopausale Patientinnen mit Tamoxifen +/− ovarielle Suppression mit einem GnRH-Analogon oder einem Aromataseinhibitor (AI) + GnRH behandelt werden, erhalten postmenopausale Frauen vorwiegend einen AI aufgrund der besseren Wirksamkeit verglichen mit Tamoxifen [1] [2]. Jedoch haben neuere Daten gezeigt, dass die Therapielandschaft bezüglich einer antihormonellen Behandlung insbesondere bei prämenopausalen Patientinnen von Land zu Land variiert. Beispielsweise erhalten prämenopausale Frauen, die in China endokrin behandelt werden, in den meisten Fällen einen AI (+ GnRH), wohingegen sich die Verteilung in Japan umkehrt und der Großteil dieser Patientinnen mit Tamoxifen therapiert wird. Auch in Deutschland scheint der Anteil der prämenopausalen Patientinnen, die Tamoxifen erhalten, deutlich zu überwiegen [3].
Mit der Zulassungserweiterung des CDK4/6-Inhibitors Abemaciclib im April 2022 zur Behandlung des frühen Mammakarzinoms mit hohem Rückfallrisiko ist naheliegend, dass es insbesondere bei prämenopausalen Frauen in den kommenden Jahren zu einer Verschiebung der verwendeten Antihormontherapie kommen wird. Abemaciclib ist in dieser Indikation zwar sowohl in Kombination mit einem AI als auch mit Tamoxifen zugelassen, jedoch raten manche Experten von der Kombination mit Tamoxifen aufgrund des höheren Thrombembolierisikos im Vergleich zur Kombination mit einem AI ab oder empfehlen sogar eine zusätzliche Antikoagulation, falls eine Kombination aus Abemaciclib und Tamoxifen als unumgänglich erachtet wird [4]. Basierend auf positiven Ergebnissen der NATALEE-Studie erhält voraussichtlich auch Ribociclib eine Zulassungserweiterung zur Therapie des HR+ HER2− frühen Mammakarzinoms mit mittlerem und hohem Rückfallrisiko [5]. Aufgrund bereits aus dem metastasierten Setting bekannter kardiotoxischer Nebenwirkungen der Kombination mit Tamoxifen wird dieser CDK4/6-Inhibitor jedoch ausschließlich mit einem AI (+/− GnRH) zusammen verabreicht [6].
Insbesondere wegen dieser vermutlich bevorstehenden Verschiebung in der AHT – vom bevorzugten Einsatz von Tamoxifen mehr zur Verwendung eines AI – ist von Interesse, wie die endokrine Therapielandschaft vor der Zulassung der CDK4/6-Inhibitoren in Deutschland aussah. Die vorliegende Analyse beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Therapie-, Patient*innen- und Tumorcharakteristika solcher Patient*innen, die im Real-World-Setting die Einschlusskriterien der NATALEE- (NCT03701334) und/oder monarchE- (NCT03155997) Studien erfüllen und entsprechend potenzielle Kandidat*innen für eine Behandlung mit einem CDK4/6-Inhibitor wären.
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Methoden
Design und Patient*innen
Die Untersuchung wurde von Juni bis Dezember 2022 als retrospektive, multizentrische, nicht interventionelle Analyse an Zentren, an welchen die behandelnden Gynäkoonkologen Mitglied im Berufsverband Niedergelassener und ambulant tätiger Gynäkologischer Onkologen (BNGO) sind, durchgeführt. Hierbei wurden von Brustkrebspatient*innen, die eine adjuvante AHT erhalten haben, anonymisierte Daten zu Patient*innen- und Tumorcharakteristika sowie der entsprechenden Therapie erhoben. Einschlusskriterien für die Dokumentation im Rahmen des Projektes waren die erstmalige Diagnose eines HR+ HER2− frühen Mammakarzinoms sowie der Beginn einer AHT mit Tamoxifen oder einem AI +/− GnRH im Zeitraum zwischen Oktober 2021 bis März 2022 – 6 Monate vor der Zulassungserweiterung des 1. CDK4/6-Inhibitors zur Behandlung des frühen Mammakarzinoms. Die Patient*innen durften kein Rezidiv eines früheren Mammakarzinoms oder eine fortgeschrittene/metastasierte Erkrankung aufweisen, oder eine anderweitige AHT, z. B. aufgrund einer Studienteilnahme oder Off-Label-Behandlung, erhalten. Die Dokumentation männlicher Patienten war erlaubt. Weitere Ein- und Ausschlusskriterien wurden nicht definiert. Aufgrund des retrospektiven und anonymisierten Designs wurden keine Einverständniserklärungen eingeholt, und es erfolgte keine Einreichung bei den Behörden.
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Zentren und Datenerfassung
Der BNGO besteht insgesamt aus 130 teilnehmenden Zentren, die angefragt wurden, im Rahmen des Projektes entsprechend vorhandene Patientendaten im eigens dafür erstellten eCRF (Electronic Case Report Form) zu dokumentieren. Die erhobenen Tumorcharakteristika bestanden aus Tumorstadium und histologischen Kriterien. Patienteninformationen beinhalteten epidemiologische Charakteristiken und bisherige Therapien. Um eine mögliche Verzerrung der Ergebnisse zu reduzieren, durfte jedes Zentrum max. 10 Patient*innen dokumentieren, wobei eine Anzahl von max. 300 Patient*innen vorgegeben war und nach dem First-come-first-served-Prinzip vorgegangen wurde. Im Zuge eines Amendments wurde im späteren Verlauf des Projektes auch Zentren, die nicht Mitglied des BNGO sind, die Teilnahme an der Dokumentation erlaubt, um die Datenerhebung zu beschleunigen.
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Ein- und Ausschlusskriterien der vorliegenden Auswertung
Die oben genannten Ein- und Ausschlusskriterien dienten der Erfassung eines Gesamtkollektivs von Patient*innen im Real-World-Setting, die an einem HR+ HER2− Mammakarzinom im Frühstadium erkrankt sind und im entsprechenden Zeitraum eine AHT begonnen haben. Um untersuchen zu können, welche dieser Patient*innen potenziell für eine Behandlung mit einem CDK4/6-Inhibitor in Frage kämen und wie diese vor Zulassung von CDK4/6-Inhibitoren behandelt wurden, wurden zusätzlich die Einschlusskriterien der Phase-III-NATALEE- und -monarchE-Studien angewandt. Während in die monarchE-Studie Patient*innen mit einem hohen Rückfallrisiko definiert als eine nodal-positive Brustkrebserkrankung mit mind. 4 befallenen axillären Lymphknoten oder 1–3 Lymphknoten und weiteren Risikofaktoren (mind. T3, G3 oder Ki-67 ≥ 20%) eingeschlossen wurden, enthielt das NATALEE-Studienkollektiv Patient*innen mit hohem und intermediärem Rückfallrisiko definiert als nodal-positive und nodal-negative Erkrankung analog den Stadien II und III nach AJCC (American Joint Committee on Cancer) ([Tab. 1]). In der vorliegenden Analyse wurden die Patient*innen anhand dieser Kriterien der NATALEE- oder monarchE-ähnlichen Gruppe zugeordnet. Patient*innen, bei welchen keine neoadjuvante Chemotherapie durchgeführt wurde, wurden anhand der postoperativen Stadieneinteilung eingeschlossen. Patient*innen, welche eine neoadjuvante Chemotherapie erhalten hatten, konnten in bestimmten Fällen sowohl anhand der postoperativen als auch der präoperativen Stadieneinteilung in die Analyse eingeschlossen werden, sofern in mindestens einem der Settings die Studien-Einschlusskriterien erfüllt waren. Bezüglich der Tumorstadien, des Tumorgradings wie auch des Ki-67 wurden sowohl präoperative als auch postoperative Daten – sofern vorhanden – erhoben, wobei in der Gesamtauswertung der jeweils höhere Wert gezählt wurde. In Fällen von bilateraler Erkrankung floss die erkrankte Seite in die Auswertung ein, die durch ein höheres Stadium zum Einschluss in eine Studie geführt hätte.
Einteilung nach AJCC-Stadien |
Einteilung nach TNM |
NATALEE |
monarchE |
AJCC = American Joint Committee on Cancer; TNM = Tumorgröße, Nodalbefall, Metastasenstatus 1 Gemäß Protokoll der monarchE-Studie war eine Teilnahme bei N1 nur möglich, wenn zusätzliche Kriterien wie ein Tumor von ≥ 5 cm Größe, G3 oder Ki-67 ≥ 20% vorlagen, sodass ein reines T4-Stadium ohne diese Kriterien für eine Studienteilnahme nicht ausreichend war. Da in der vorliegenden Analyse die genaue Tumorgröße in cm nicht erhoben wurde, sondern nur das Tumorstadium, kann nicht unterschieden werden zwischen Patient*innen, die im Sinne eines T4-Stadiums einen Haut-/Thoraxwandbefall haben und gleichzeitig einen Tumor von ≥ 5 cm Größe, und solchen, deren Tumor < 5 cm ist. Aus diesem Grund wurden Patientinnen mit einem T4N1-Tumor in der vorliegenden Analyse nur dann dem monarchE-ähnlichen Kollektiv zugeordnet, wenn sie mit G3 und/oder Ki-67 ≥ 20% einen weiteren erforderlichen Risikofaktor aufwiesen. |
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0 |
Tis N0 |
Ausschluss |
Ausschluss |
IA |
T1 N0 |
Ausschluss |
Ausschluss |
IB |
T0 N1mi |
Ausschluss |
Ausschluss |
T1 N1mi |
Ausschluss |
Ausschluss |
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IIA |
T0 N1 |
Ausschluss |
Ausschluss |
T1 N1 |
Einschluss |
Einschluss möglich, wenn zusätzlich G3 oder Ki-67 ≥ 20% |
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T2 N0 |
Einschluss möglich, wenn zusätzlich G3, oder G2 mit Ki-67 ≥ 20%, oder G2 mit hohem Risiko im OncotypeDX/Prosigna/MammaPrint/EndoPredict |
Ausschluss |
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IIB |
T2 N1 |
Einschluss |
Einschluss möglich, wenn zusätzlich G3 oder Ki-67 ≥ 20% |
T3 N0 |
Einschluss |
Ausschluss |
|
IIIA |
T0 N2 |
Einschluss |
Einschluss |
T1 N2 |
Einschluss |
Einschluss |
|
T2 N2 |
Einschluss |
Einschluss |
|
T3 N1 |
Einschluss |
Einschluss |
|
T3 N2 |
Einschluss |
Einschluss |
|
IIIB |
T4 N0 |
Einschluss |
Ausschluss |
T4 N1 |
Einschluss |
Einschluss möglich, wenn zusätzlich Tumorgröße ≥ 5 cm, G3 oder Ki-67 ≥ 20% 1 |
|
T4 N2 |
Einschluss |
Einschluss |
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IIIC |
jedes T N3 |
Einschluss |
Einschluss |
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Statistische Methoden
Die Beschreibung der Daten erfolgte mittels adäquater deskriptiver Statistik. Qualitative Angaben wurden mittels Anzahlen und Prozentwerten abgebildet, quantitative Daten anhand von Mittelwert und Standardabweichung (SD).
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Ergebnisse
Verteilung der Kollektive
Insgesamt wurden Daten von 249 Patient*innen erhoben, wobei diese von 28 BNGO- und einem Nicht-BNGO-Zentrum entstammen. Elf Patient*innen mussten aufgrund eines unvollständigen Datensatzes aus der Analyse wieder ausgeschlossen werden. Während den monarchE-Kriterien 49 (20,6%) Patient*innen zugeordnet werden konnten, enthielt das NATALEE-ähnliche Kollektiv 110 (46,2%) Patient*innen. 53,8% der Patient*innen erfüllten weder die Einschlusskriterien der NATALEE- noch die der monarchE-Studie ([Abb. 1]). Patient*innen, welche die Kriterien der monarchE-Studie erfüllten, erfüllten gleichzeitig die Kriterien der NATALEE-Studie, sodass das NATALEE-ähnliche Kollektiv das monarchE-ähnliche vollumfänglich beinhaltet. Umgekehrt umfasst das NATALEE-ähnliche Kollektiv Patient*innen, die im monarchE-ähnlichen Kollektiv nicht enthalten sind ([Abb. 2]).
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Patient*innen- und Tumorcharakteristika
[Tab. 2] stellt die Patient*innen- und Tumorcharakteristika dar. Das mittlere Alter im Gesamtkollektiv betrug 60,8 Jahre (SD 12,58), wobei die jüngste Patientin 33 Jahre alt war und die älteste 93. Im Gesamtkollektiv wurden außerdem 4 männliche Patienten dokumentiert (1,7%), von denen 2 der NATALEE-ähnlichen Gruppe zugeordnet werden konnten. Während 28,6% der Gesamtpopulation aus prämenopausalen Frauen bestanden, war dieser Anteil im NATALEE-ähnlichen Kollektiv mit 39,1% und im monarchE-ähnlichen Kollektiv mit 38,8% deutlich erhöht. Bei 47,5% der Patient*innen im Gesamtkollektiv lag das Ki-67 ≥ 20%. In der NATALEE- und monarchE-ähnlichen Gruppe waren es 64,5% bzw. 63,3%. Auch beim Tumorgrading waren Unterschiede zwischen den Kollektiven sichtbar. Während 25,6% der Patient*innen des Gesamtkollektivs einen G3-Tumor hatten, waren es 33,6% im NATALEE-ähnlichen und 34,7% im monarchE-ähnlichen Kollektiv. Bezüglich der Erkrankungsstadien wiesen 39,5% der Patient*innen ein Stadium I auf. Die für die NATALEE und monarchE relevanten Stadien II und III kamen im Gesamtkollektiv in 58,8% der Fälle vor. Eine Multigensignatur wurde bei 26,5% aller Patient*innen, 24,5% der NATALEE-ähnlichen und 18,4% der monarchE-ähnlichen Patient*innen durchgeführt.
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Behandlung mit einer Chemotherapie
Während 50,4% aller Patient*innen keine Chemotherapie erhielten, wurden 19,3% mit einer neoadjuvanten, 29,4% mit einer adjuvanten und 0,8% mit einer neoadjuvanten gefolgt von einer adjuvanten Chemotherapie behandelt ([Tab. 3]). Im NATALEE- und monarchE-ähnlichen Kollektiv lag jeweils die Anzahl der Patient*innen, die eine Chemotherapie (neoadjuvant oder adjuvant) erhielten, bei über 70%. Aufgeteilt nach Menopausenstatus sieht man, dass 67,6% aller prämenopausalen Frauen mit einer neo-/adjuvanten Chemotherapie behandelt wurden ([Tab. 4]). Bei den postmenopausalen Patientinnen waren es 42,2%. Sowohl im NATALEE- (83,8% der Prämenopausalen und 75,4% der Postmenopausalen) als auch im monarchE-ähnlichen Kollektiv (73,7% der Prämenopausalen und 73,3% der Postmenopausalen) waren die jeweiligen Anteile der mit einer Chemotherapie behandelten Patientinnen höher.
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Endokrine Therapielandschaft
[Tab. 5] und [Tab. 6] zeigen die Verteilung der empfohlenen AHT nach Kollektiven ([Tab. 5]) sowie nach Kollektiven und Menopausenstatus ([Tab. 6]). 47,1% des Gesamtkollektivs wurden mit einem AI und 44,5% mit Tamoxifen behandelt. GnRH wurde in 8,4% aller Fälle in Kombination mit Tamoxifen oder einem AI verabreicht, wobei 12,7% der NATALEE- und 12,2% der monarchE-ähnlichen Patientinnen diese Kombinationstherapie erhielten. 61,8% aller prämenopausalen Frauen wurden mit Tamoxifen behandelt, 19,1% mit einem AI + GnRH und 10,3% mit Tamoxifen + GnRH. Während im NATALEE-ähnlichen Kollektiv sich die Anteile mit 55,8%, 20,9% und 11,6% ähnlich verhielten wie im Gesamtkollektiv, betrugen diese im monarchE-ähnlichen Kollektiv 47,4%, 15,8% und 15,8%. Bei den postmenopausalen Frauen überwog gegenüber Tamoxifen die Therapie mit einem AI in allen drei Kollektiven, wobei diesen im Gesamtkollektiv 63,9% der Patientinnen erhielten, im NATALEE-ähnlichen Kollektiv 78,5% und im monarchE-ähnlichen Kollektiv 86,7%.
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Diskussion
Die vorliegende Auswertung zeigt anhand von 238 Patient*innen, die an insgesamt 29 Zentren eine AHT begonnen haben, wie die Verteilung der einzelnen Therapieoptionen 6 Monate vor Zulassungserweiterung des 1. CDK4/6-Inhibitors zur Behandlung des Mammakarzinoms im Frühstadium in Deutschland aussah. Betrachtet man Patient*innen, die anhand der Einschlusskriterien einer Studie zugeordnet werden konnten und somit potenzielle Kandidat*innen für eine Therapie mit einem CDK4/6-Inhibitor wären, so bestehen – verglichen mit solchen, die keinem studienähnlichen Kollektiv zugeteilt wurden – nicht nur Unterschiede in den Behandlungen, sondern auch in Bezug auf die Patient*innen- und Tumorcharakteristika.
Die NATALEE- und monarchE-ähnlichen Kollektive weisen mit einem Anteil von 39,1% bzw. 38,8% im Vergleich zu 19,5% bei Patientinnen, die anhand der Studien-Einschlusskriterien keiner Studie zugeordnet werden konnten, einen deutlich höheren Anteil prämenopausaler Patientinnen auf. Dabei liegt dieser Anteil im Gesamtkollektiv mit 28,6% in einem Bereich, der in globalen Statistiken mit 31,5% ähnlich berichtet wird [8]. Daran ist bereits zu erkennen, dass die Studienkollektive tendenziell mehr Patientinnen mit einer aggressiveren Erkrankung umfassen, die üblicherweise eher im prämenopausalen Alter erkranken. In der monarchE-Studie betrug der Anteil prämenopausaler Frauen 43,5% und kommt somit den hier berichteten Werten der studienähnlichen Kollektive nahe [9].
Während das Ki-67 im Gesamtkollektiv in 47,5% der Fälle bei ≥ 20% lag, war dies im NATALEE- und monarchE-ähnlichen Kollektiv bei 64,5% bzw. 63,3% der Fall. Diese Zahlen sind vermutlich den Einschlusskriterien geschuldet, da Patient*innen sowohl in die NATALEE- als auch die monarchE-Studie in bestimmten Konstellationen nur mit einem Ki-67 ≥ 20% hätten eingeschlossen werden können, was entsprechende Anteile in den jeweiligen Kollektiven erhöht. Interessant ist bezüglich des Ki-67 außerdem, dass dieses in 99,2% der Fälle vorlag. Dabei wird die Untersuchung des Ki-67 in Deutschland nicht als obligat angesehen.
Auch die Verteilung der jeweiligen Stadien ist von Interesse. Die Stadien IA und IIA machen mit 39,1% und 31,5% die größten Anteile im Gesamtkollektiv aus. Auch diesbezüglich gibt es aufgrund der Einschlusskriterien eine Verzerrung in den jeweiligen Studiengruppen. Stadium IA ist in keiner der beiden Studien zulässig. Im NATALEE-ähnlichen Kollektiv ist das Stadium IIA mit 44,5% am stärksten vertreten, während im monarchE-ähnlichen Kollektiv nur 22,4% diesem Stadium zugeordnet werden konnten. Hieran ist zu erkennen, dass mehr Patient*innen mit niedrigerem Stadium potenzielle Kandidat*innen für eine Behandlung analog der NATALEE-Studie wären. Im monarchE-ähnlichen Kollektiv umfasste Stadium IIIA mit 38,8% die größte Gruppe, so wie auch in der monarchE-Studie mit 36,6% [9].
Hinsichtlich der Therapien ist anzumerken, dass fast die Hälfte aller HR+ HER2− Patient*innen mit einer Chemotherapie behandelt wird. Obwohl sowohl die S3-Leitlinie als auch die AGO-Empfehlungen die Bevorzugung einer neoadjuvanten Chemotherapie gegenüber einer adjuvanten empfehlen, erhielten in der vorliegenden Auswertung 29,4% eine adjuvante und nur 19,3% der Patient*innen eine neoadjuvante Behandlung [1] [10]. Betrachtet man die studienähnlichen Kollektive, so fallen die Anteile chemotherapierter Patient*innen mit über 70% deutlich höher aus. Dies weist darauf hin, dass Patient*innen, die potenzielle Kandidat*innen für einen CDK4/6-Inhibitor wären, bereits im Vorfeld mit einer aggressiveren Therapie behandelt werden. Es liegt daher nahe zu vermuten, dass ihr Rückfallrisiko als entsprechend hoch eingestuft wird, was die Indikation für eine Chemotherapie rechtfertigt. Insbesondere bei prämenopausalen studienähnlichen Patientinnen, die deutlich häufiger als postmenopausale Frauen mit einer Chemotherapie behandelt wurden, ist zu erkennen, dass hier womöglich aufgrund eines hohen Rückfallrisikos eine zytostatische Behandlung verabreicht wurde. Bezüglich der Antihormontherapien fällt im Gesamtkollektiv auf, dass AIs und Tamoxifen zu ähnlichen Anteilen eingesetzt werden. In den studienähnlichen Kollektiven verschiebt sich dieses Verhältnis zugunsten des AIs. Schaut man sich jedoch die Gruppe der prämenopausalen Patientinnen genauer an, so haben sowohl im NATALEE- als auch im monarchE-ähnlichen Kollektiv die meisten Patientinnen Tamoxifen mono erhalten. Eine Hinzunahme von GnRH zu Tamoxifen oder einem AI erfolgte in den studienähnlichen Kollektiven in jeweils nur einem Drittel der Fälle.
Insbesondere die Gruppe der prämenopausalen Patientinnen sticht in der vorliegenden Auswertung durch den häufigen Einsatz einer Chemotherapie, aber gleichzeitig überwiegenden Verwendung von Tamoxifen mono hervor. Bereits vor einigen Jahren haben die SOFT/TEXT-Studien gezeigt, dass prämenopausale Patientinnen mit höherem Rückfallrisiko hinsichtlich des rückfallfreien Überlebens deutlich von einer Hinzunahme von GnRH zu Tamoxifen oder einem AI profitieren. Die Mortalität wurde jedoch nicht positiv beeinflusst [11] [12]. In einer kürzlich veröffentlichten Metaanalyse der Early Breast Cancer Trialists’ Collaborative Group (EBCTCG) wurde ebenfalls untersucht, unter welcher AHT die bessere Wirksamkeit bei prämenopausalen Frauen erzielt wird. Insgesamt wurden Daten von 7030 Patientinnen aus 4 Studien, darunter auch den SOFT- und TEXT-Studien, analysiert. Es hat sich herausgestellt, dass Patientinnen, die GnRH erhalten, in Kombination mit einem AI signifikant seltener einen Rückfall erleiden als in Kombination mit Tamoxifen [13]. Nach 12 Jahren Follow-up konnte im Rahmen von SOFT/TEXT nun erneut bestätigt werden, dass das rückfallfreie Überleben unter AI + GnRH signifikant besser war als unter Tamoxifen + GnRH. Patientinnen mit einem hohen Rückfallrisiko, insbesondere solche jünger als 35 Jahre oder mit einem Tumor > 2 cm oder einem G3-Befund, profitierten sogar hinsichtlich des Gesamtüberlebens deutlich von einer Therapie mit AI + GnRH verglichen mit Tamoxifen + GnRH [14]. Diese Entwicklung erinnert an die bessere Wirksamkeit von AI vs. Tamoxifen bei postmenopausalen Frauen, die sich ebenfalls vor Jahren in diversen Studien gezeigt hatte [15] [16] [17]. Jedoch scheint trotz der guten Datenlage zur ovariellen Suppression der prämenopausalen Patientin in Deutschland eine AHT mit Tamoxifen mono bislang zu überwiegen [3]. Hier ist bedingt durch den Einzug der CDK4/6-Inhibitoren eine baldige Verschiebung der Therapielandschaft hin zum vermehrten Einsatz von GnRH in Kombination mit AIs zu erwarten.
Die vorliegende Auswertung weist einige Schwächen auf. Zum Einen ist die Fallzahl mit 238 Patient*innen verhältnismäßig klein, sodass die einzelnen studienähnlichen Gruppen ebenfalls klein ausfallen. Zum Anderen ist durch die Selektion der Zentren bzw. die fast ausschließliche Teilnahme von BNGO-Zentren, ein gewisser Bias vorhanden. Hier bleibt offen, ob eine Patient*in anders behandelt worden wäre, wenn sie nicht an einem BNGO-Zentrum gewesen wäre. Genauso muss natürlich bedacht werden, dass pro Zentrum bis zu 10 Patient*innen dokumentiert werden konnten. Auch das kann einen relevanten Einfluss auf die einzelnen prozentualen Verteilungen nehmen und zu einem Selection Bias führen. Außerdem ist dem retrospektiven und anonymisierten Design geschuldet, dass im Anschluss an die Datenerhebung keine Queries gestellt werden konnten, um potenziell kontroverse Daten auf Plausibilität zu prüfen. An dieser Stelle sei jedoch erwähnt, dass das eCRF eingangs so programmiert wurde, dass möglichst viele Angaben bereits bei der Eingabe automatisch überprüft wurden, um eine gute Datenqualität zu gewährleisten. Da zum Zeitpunkt der Fertigstellung des Manuskripts lediglich die Pressemitteilung zur NATALEE-Studie vorlag [5], muss zu guter Letzt abgewartet werden, ob die Indikationserweiterung von Ribociclib den Einschlusskriterien der NATALEE, die für die vorliegende Analyse herangezogen wurden, in vollem Umfang ähneln oder sich von diesen unterscheiden wird. In letzterem Fall würden sich folglich auch vergleichende Analysen von den in diesem Manuskript präsentierten Daten unterscheiden.
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Schlussfolgerung
Vor Einführung der CDK4/6-Inhibitoren wurde in Deutschland bei prämenopausalen Patientinnen vorwiegend eine Tamoxifen-Monotherapie eingesetzt. Trotz des hohen Anteils prämenopausaler Patientinnen, die mit einer aggressiven Therapie im Sinne einer Chemotherapie behandelt wurden, wurde bei nur einem geringen Teil der Patientinnen GnRH zur endokrinen Therapie hinzugenommen. Dabei spricht die Datenlage für den Einsatz von GnRH, was sich entsprechend in den nationalen Empfehlungen widerspiegelt. Untersuchungen zu einem späteren Zeitpunkt sowie Registerstudien sind nötig, um zu sehen, wie sich durch den Einzug der CDK4/6-Inhibitoren die endokrine Therapielandschaft in Deutschland verändert.
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Finanzielle Förderung
Die vorliegende Arbeit entstand als Auftragsforschung der Novartis Pharma GmbH.
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References/Literatur
- 1 Ditsch N, Wocke A, Untch M. et al. AGO Recommendations for the Diagnosis and Treatment of Patients with Early Breast Cancer: Update 2022. Breast Care (Basel) 2022; 17: 403-420
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Correspondence
Publication History
Received: 28 April 2023
Accepted after revision: 24 May 2023
Article published online:
18 July 2023
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