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DOI: 10.1055/a-2103-1702
Mehr Diversity in der DRG: Fokusgruppe zum Thema Migration gegründet
Das Netzwerk Diversity@DRG der Deutschen Röntgengesellschaft hat sich um verschiedene Fokusgruppen erweitert, etwa zum Thema Migration. Wir haben die Initiatorin und die Initiatoren dieser Fokusgruppe zu ihren Zielen und Themen befragt: Dr. Elif Can von der Klinik für Radiologie an der Charité – Universitätsmedizin Berlin, PD. Dr. Saif Afat vom Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Universitätsklinikum Tübingen und PD Dr. Daniel Pinto dos Santos von den Instituten für Diagnostische und Interventionelle Radiologie an der Uniklinik Köln und am Universitätsklinikum Frankfurt am Main.
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Könnten Sie uns Ihren Weg in die Medizin und die Radiologie beschreiben? Welche Rolle hat dabei vielleicht auch Ihr Migrationshintergrund gespielt?
Dr. Can: Lange war mir selbst nicht bewusst, dass meine Migrationsgeschichte eine Rolle spielt, Diskriminierung und Rassismus waren mir als strukturelles Problem bekannt, aber als weiß gelesene Person nicht meine bewusste Lebensrealität – bis mir als Promotionsthemen nach meinem Magister in Geschichte und Philosophie thematisch nur Migrations- und Genderfragen angeboten wurden. Sobald Menschen meinen Namen hören, werde ich ab diesem Zeitpunkt grundsätzlich als Migrantin gelesen, gleichwohl ich hier geboren wurde, Abitur machte und zwei Studienabschlüsse erworben habe. Es wird die Differenz gesucht, entweder als Makel oder als Besonderheit in Form von Leistungsstärke. Retrospektiv war das schon immer so und das Bewusstsein darüber erleichtert mir so manche Situation. Aber unabhängig davon fand ich als Kind einer Ärztefamilie meinen Weg in das großartige Fach Medizin und es war schnell klar: Radiologie, als Schnittstellenbereich, ist genau das Richtige für mich. Ich denke schon, dass besondere Erwartungen an mich gestellt werden, gleichwohl dies sicher nicht immer im Bewusstsein aller Personen ist, die in der traditionellen deutschen Medizin tätig sind.
PD Dr. Afat: Meine Geschichte ist ziemlich straight forward. Ich komme aus dem Irak und wusste immer, dass ich im Ausland studieren werde. Ich habe mich für Deutschland entschieden und bin nach Bonn gereist, wo ich Deutsch gelernt habe, dort habe ich auch mein Medizinstudium absolviert. In Tübingen bei Professor Konstantin Nikolaou habe ich meinen Facharzt und meine Habilitation abgeschlossen und bin nun dort Oberarzt im zentralen Bereich. Persönlich sind mir entweder keine negativen Erlebnisse aufgrund meiner Herkunft begegnet oder ich habe sie erfolgreich weggelacht.
PD Dr. Pinto dos Santos: Ich würde sagen, dass bei meinem Weg meine Migrationsgeschichte keine Rolle gespielt hat, zumindest keine, die mir bewusst geworden wäre. Der Weg war recht unspektakulär – Schule, Abi, Studium, PJ, dann die erste Stelle. Ich wusste schon, dass ich in die Medizin wollte, zur Radiologie kam ich dann aber erst recht zufällig durch das PJ.
Dr. Can, wie nehmen Sie die Repräsentation von Menschen mit Migrationshintergrund in der Radiologie und in der Medizin generell wahr?
Dr. Can: Menschen mit Migrationsgeschichte bekommen erst neuerdings eine sichtbare Plattform. Dies hängt m. E. mit einem Generationswechsel zusammen und dem neuen Bewusstsein darüber, dass Medizin und auch die Radiologie inklusiv gedacht werden muss. Wir therapieren schließlich nicht nur den 170 cm großen 70 kg schweren mitteleuropäischen Mann. Daher sollte Medizin Menschen sichtbarer machen, die nicht diesem Bild entsprechen, was auch den ärztlichen Bereich selbst umfasst.
PD Dr. Afat, es gibt in der DRG nun eine Fokusgruppe zum Thema Migration. Sie sind einer der Initiatoren. Was war Ihr Motiv für die Initiative?
PD Dr. Afat: Während der Zeit in der Radiologie hatte ich viele Begegnungen mit Personen, die mir von ihren Erlebnissen mit Diskriminierung aufgrund ihrer Herkunft oder Alltagsproblemen erzählt haben. Seitdem ich im Diversity-Netzwerk der DRG aktiv bin, war für mich klar, dass die Interessen dieser Radiologinnen und Radiologen vertreten werden sollten und wir eine Anlaufstelle für sie schaffen müssen. Wir brauchen die Fokusgruppe zu Migration, um als Fachgesellschaft inklusiver zu werden, die Vernetzung unter den Kolleginnen und Kollegen zu stärken und das Potential motivierter und brillanter Persönlichkeiten bei der Entfaltung zu unterstützen.
PD Dr. Pinto dos Santos, welche Themen wird die Fokusgruppe bearbeiten?
PD Dr. Pinto dos Santos: Wir werden zwei Hauptschwerpunkte setzen: Zum einen wollen wir Angebote machen für solche Kolleginnen und Kollegen, die durch ihre Migrationsgeschichte vor ganz praktischen Herausforderungen stehen – etwa sprachlich bei der Befunderstellung oder auch im Alltag, sollte es zu Problemen im zwischenmenschlichen Zusammenleben kommen. Zum anderen wollen wir aber auch zeigen, dass es viele Kolleginnen und Kollegen mit Migrationsgeschichte gibt, die erfolgreich die DRG und die Radiologie insgesamt mitgestalten und hoffentlich andere mit Migrationsgeschichte motivieren können, sich ebenfalls einzubringen.
Wie, glauben Sie, Dr. Can, wird sich die Deutsche Röntgengesellschaft als medizinische Fachgesellschaft durch die Fokusgruppe verändern?
Dr. Can: Sichtbarkeit ist ein großer Faktor, um Inklusion zu fördern. Dafür ist diese Fokusgruppe wichtig. Selbstermächtigung von Menschen mit Migrationsgeschichte zu fördern ist Ziel dieser Gruppe und soll perspektivisch dazu führen, dass wir womöglich neue Aspekte in Forschung und im klinischen Alltag vorfinden werden, die innovativ und progressiv sind.
PD Dr. Afat, wie könnten Ihrer Ansicht nach Radiologinnen und Radiologen mit Migrationshintergrund dazu motiviert werden, sich in der Fokusgruppe und in der DRG generell zu engagieren?
PD Dr. Afat: Wir können die Kolleginnen und Kollegen durch die genannten Angebote, aber auch durch die Mitgestaltungsmöglichkeit, die Vernetzung und das Aufbauen eines Gemeinschaftsgefühls motivieren. Ich bin sicher, dass wir mit der Gruppe vielleicht nicht alle, aber viele abholen können, die sich in der DRG engagieren möchten.
Sollten mehr junge Menschen mit Migrationshintergrund motiviert werden, ein Medizinstudium zu beginnen und wenn ja, wie könnte das gelingen?
PD Dr. Pinto dos Santos: Natürlich sollten Menschen mit Migrationsgeschichte genauso wie solche ohne motiviert werden, in die Medizin zu gehen. Das Fach ist für mich auch nach einigen Jahren immer noch spannend. Allerdings glaube ich, dass unsere Fokusgruppe darauf vielleicht nicht so viel Einfluss wird haben können. Aber vielleicht können wir jene mit Migrationsgeschichte, die bereits Ihren Weg in die Medizin gefunden haben, besonders motivieren, dann auch in die Radiologie zu gehen, indem wir Unterstützung anbieten und Erfolgsgeschichten präsentieren.
Dr. Can: Ich finde es wichtig, proaktiv zu fördern, dass mehr junge Leute mit Migrationsgeschichte ein Medizinstudium beginnen. Unsere Fokusgruppe konstituiert sich zwar gerade erst, aber Projekte, die jungen Menschen Medizin und speziell Radiologie näherbringen können, sind sicher ein Teil künftiger Projekte. Zudem freuen wir uns über alle, die uns unterstützen wollen.
PD Dr. Afat: Ich hatte vielleicht Glück, da ich aus einer Medizinerfamilie komme. Aber die junge Generation, die nichts mit Medizin zu tun hatte, sollte zumindest die Möglichkeit bekommen, Einblicke in das Fach zu gewinnen. Die Medizin kann davon nur profitieren, wenn das Personal genau die kulturellen Hintergründe und Zusammenhänge der Patientinnen und Patienten versteht, oder wenn Muttersprachen in der Klinik beispielsweise bei Aufklärungen gesprochen werden.
Mehr Infos zur Fokusgruppen Migration finden Sie auf diversity.drg.de > Fokusgruppen. Und: Wir freuen uns im Netzwerk Diversity@DRG immer über neue Mitstreiterinnen und Mitstreiter! Die Mitarbeit im Diversity-Netzwerk und seinen Fokusgruppen ist für Radiologinnen und Radiologen, aber auch für andere Berufsgruppen kostenlos möglich. Sie möchten über Treffen, Projekte und Neuigkeiten des Netzwerks benachrichtigt werden? Dann melden Sie sich hier an: diversity.drg.de > Mitmachen
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Publication History
Article published online:
25 July 2023
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