CC BY-NC-ND 4.0 · Z Geburtshilfe Neonatol 2023; 227(05): 329-335
DOI: 10.1055/a-2125-1076
Übersicht

Versorgungsstrukturen und Betreibermodelle: Chancen und Herausforderungen des Frauenmilchbankwesens in Deutschland

Operating models and organizational structures: opportunities and challenges for human milk banking in Germany
1   Sektion Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin, Zentrum für Kinder und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Freiburg, Freiburg, Germany
,
2   Klinik für Neonatologie, Charité Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Germany
,
Christoph Fusch
3   Neonatologie, Klinikum Nürnberg, Nürnberg, Germany
,
Rolf Lambert Schlößer
4   Schwerpunkt Neonatologie, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Frankfurt, Frankfurt/Main, Germany
,
Markus Pöschinger
5   Apotheke, Krankenhaus Barmherzige Brüder Regensburg, Regensburg, Germany
,
Sven Wellmann
6   Abteilung für Neonatologie, KUNO Kinderklinik St. Hedwig, Krankenhaus Barmherzige Brüder, Regensburg, Germany
,
7   Abteilung für Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsmedizin Greifswald, Greifswald, Germany
,
8   Abteilung für Neonatologie, Universitätsklinikum Leipzig Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin, Leipzig, Germany
,
Barbara Naust
9   Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin, Klinikum Itzehoe, Klinik für Kinder und Jugendliche, Itzehoe, Germany
,
Janaina Rauch
10   Kinderklinik, Rems-Murr-Kliniken gGmbH, Winnenden, Germany
,
Judith Karger-Seider
11   Sektion Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin, Zentrum für Geburtshilfe, Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Eppendorf (UKE), Hamburg, Germany
,
Corinna Gebauer
8   Abteilung für Neonatologie, Universitätsklinikum Leipzig Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin, Leipzig, Germany
,
für die Frauenmilchbank-Initiative e. V. › Author Affiliations
 

Zusammenfassung

Hintergrund Gespendete Muttermilch (Frauenmilch) aus Frauenmilchbanken ist die empfohlene enterale Ersatznahrung für Frühgeborene, falls Milch der eigenen Mutter nicht zur Verfügung steht. Frauenmilchbanken sind Einrichtungen, in denen gespendete Milch unter definierten Mindestanforderungen angenommen, untersucht, gelagert und an bestimmte Frühgeborene und kranke Neugeborene, denen keine Muttermilch zur Verfügung steht, ausgegeben wird.

Ziel der Arbeit In diesem Betrag werden Strukturen und Betreibermodelle im deutschen Frauenmilchbankwesen dargestellt sowie aktuelle und zukünftige Herausforderungen beschrieben. Diese Übersicht soll die bedarfsorientierte Planung einer flächendeckenden Versorgung von Frühgeborenen mit humaner Milch unterstützen.

Material und Methoden Zusammenfassung einer Podiumsdiskussion mit dem Titel „Betreibermodelle und Strukturversorgung: Chancen und Risiken des Frauenmilchbankwesens in Deutschland“ während des 3. Symposiums der Frauenmilchbank-Initiative e.V. vom 25.11. – 26.11.2022 in Nürnberg.

Ergebnisse und Diskussion Unterschiedliche Betreibermodelle können durch die Berücksichtigung individueller Infrastrukturen und spezifischer lokaler und regionaler Bedürfnisse einen wichtigen Beitrag zur Bereitstellung von Frauenmilch leisten. Neben dem Aufbau von Frauenmilchbanken an einzelnen Standorten sollte Frauenmilch durch regionale Netzwerke flächendeckend für alle neonatologischen Abteilungen bundesweit vorgehalten werden. Grundlage der Versorgung von Neugeborenen mit humaner Milch bleibt eine bedarfsgerechte Still- und Laktationsförderung.


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Abstract

Background Donor human milk is the recommended alternative for feeding preterm infants if mother’s own milk is unavailable. Human milk banks collect, screen, store and distribute donated human milk according to pre-specified standard operating procedures to premature infants without mothers own milk.

Aim  Herein we characterize current operating models and the structural organisation of German milk bank institutions. The analysis of current and future opportunities and challenges may support the development of a comprehensive donor milk service within Germany.

Material and methods Summary of the panel discussion entitled “Operating models and organizational structures: opportunities and risks for donor human milk bank in Germany” during the 3rd Scientific Symposium of the German Human Milk Bank Initiative (FMBI), November 25th to 26th 2022, in Nuremberg, Germany.

Results and discussion Differing operator models may facilitate the use of donor human milk by incorporating unique site-specific factors, pre-existing infrastructure, and individual needs. In addition to the establishment of milk banks serving single neonatal units, high-capacity milk banks should be enabled to provide donor human milk using several hub-and-spoke systems. This may create a nationwide network for a sustainable human milk supply for preterm infants that is based on qualified breastfeeding and lactation support.


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Einleitung

Gespendete Muttermilch (Frauenmilch) aus Frauenmilchbanken (FMB) ist die empfohlene enterale Ersatzernährung für Frühgeborene, falls Milch der eigenen Mutter (Muttermilch) nicht oder nicht ausreichend zur Verfügung steht [1]. Frauenmilchbanken sind Einrichtungen, in denen gespendete Milch unter definierten Mindestanforderungen angenommen, untersucht, gelagert und an bestimmte Frühgeborene und kranke Neugeborene, denen keine Muttermilch zur Verfügung steht, ausgegeben wird [2].

Die Begriffe Spendemilch, Spenderinnenmilch und Donormilch bzw. Humanmilchbank werden im deutschen Sprachraum ebenfalls verwendet und sind in diesem Kontext als jeweils synonym anzusehen. Die Zweckbestimmung der Milch für ein anderes als das eigene Kind grenzt die historisch gewachsene Bezeichnung Frauenmilch vom Begriff Muttermilch (Milch für das eigene Kind) ab. Im Gegensatz dazu ist der übergeordnete Begriff Humanmilch weniger gebräuchlich. Die Begriffe Frauenmilch und Frauenmilchbank leiten sich von denjenigen Einrichtungen ab, welche in Deutschland erstmals ab 1919 gespendete Milch für Neugeborene sammelten (Frauenmilchsammelstellen). Für eine ausführliche Darstellung der Historie des Frauenmilchbankwesens wird auf die weiterführende Literatur verwiesen [3].

Nach der Schließung aller westdeutschen FMB bis Ende 1980 erlebte das Frauenmilchbankwesen im vergangenen Jahrzehnt eine gesamtdeutsche Renaissance, da die Versorgung Frühgeborener mit Muttermilch in neonatologischen Abteilungen insgesamt weiterhin mangelhaft ist [4]. Neben der Etablierung neuer Frauenmilchbanken an einzelnen Perinatalzentren steht das Frauenmilchbankwesen vor der Frage, in welcher Form eine flächendeckende und nachhaltige Versorgung mit Frauenmilch gewährleistet werden kann.

Die in diesem Beitrag zusammengefassten Ergebnisse einer offenen Podiumsdiskussion im Rahmen des 3. Symposiums der Frauenmilchbank-Initiative e.V. vom 25.11.–26.11.2022 in Nürnberg sollen aktuelle Strukturen und Betreibermodelle im deutschen Frauenmilchbankwesen sowie ihre Adaptationsfähigkeit auf aktuelle und zukünftige Anforderungen darstellen. Diese Übersicht soll die bedarfsorientierte Planung einer flächendeckenden Versorgung von Frühgeborenen mit humaner Milch unterstützen.


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Aktuelle Betreibermodelle von Frauenmilchbanken

Die Frauenmilchbank als Einrichtung einer neonatologischen Abteilung ist das vorherrschende Betreibermodell von Frauenmilchbanken in Deutschland und den europäischen Nachbarländern. Eine Umfrage unter 26 europäischen Ländern ergab, dass in 23 Ländern Frauenmilchbanken als Einrichtungen neonatologischer Abteilung, durch Blut- und Gewebebanken (n=3) oder durch Klinikapotheken (n=1) betrieben werden (Mehrfachnennungen waren möglich). Das Modell einer nicht profitorientierten, unabhängig von institutionellen Gesundheitseinrichtungen betriebenen Frauenmilchbank stellt in Europa eine Ausnahme dar [5].

Jede dieser oben erwähnten Betreibermodelle weisen klassische prozessorientierte Stärken auf, die teilweise mittlerweile in allen drei Modellen anzutreffen sind ([Tab. 1]). Eine Verankerung der Frauenmilchbereitstellung in ein institutionelles Leistungsangebot kann mit entsprechend hinterlegtem Personalschlüssel eine kontinuierliche und nachhaltige Verfügbarkeit von Frauenmilch gewährleisten.

Tab. 1 Klassische Expertisen unterschiedlicher Frauenmilchbankbetreiber.

Neonatologie

Blut-/Gewebebank

Kliniksapotheke

Laktationsberatung

GMP

GMP

Lebensmittelverarbeitung

AMG

AMG

Pasteurisierung

Digitalisierung

Digitalisierung

Spendemanagement

Spendemanagement

Reinraumherstellung

Qualitätsmanagement

Qualitätsmanagement

Qualitätsmanagement

AMG, Arzneimittelgesetz; GMP, Good Manufacturing Practice

Auch wenn das klassische Model der Frauenmilchbank an einer Kinderklinik eine lange Tradition in Deutschland aufweist, ist im Rahmen von Neueinrichtungen die geeignete Wahl der Betriebsform in erster Linie abhängig von standortspezifischen baulichen und personellen Ressourcen. Zu beachten ist dabei, dass der Betrieb von Frauenmilchbanken den Betrieb einer lebensmittelverarbeitenden Einrichtung darstellt. Ebenfalls handelt es sich bei der zu verarbeitenden Muttermilch um eine Substanz mit einer physiologischen bakteriellen Besiedelung. Diese Umstände sind bei der Verortung einer Frauenmilchbank in noch anderweitig genutzten Produktionsräumen wie beispielsweise Reinräumen zur Medikamentenherstellung zu berücksichtigen. Spezifische Zertifizierungen für den Betrieb von Frauenmilchbanken liegen bisher nicht vor.


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Versorgungsstrukturen des Frauenmilchbankwesens

Frauenmilchbanken werden an 41 Standorten bundesweit vorgehalten (Stand März 2023) und mittels oben beschriebener Modelle betrieben ([Tab.2]).

Tab. 2 Operierende Frauenmilchbanken in Deutschland (Stand 01.03.2023).

Gründungsjahra

Anzahl

Standorte

vor 2012

15

Magdeburg, Greifswald, Neubrandenburg, Leipzig, Dresden, Erfurt, Cottbus, Chemnitz, Halle, Görlitz, Berlin, Frankfurt (Oder), Jena, Potsdam, Schwerin

2012

16

München

2015

17

Dortmund

2017

21

Freiburg, Passau, Hamburg, Saarbrücken

2018

23

Vechta, Augsburg

2019

27

Frankfurt (Main), Hannover, Wolfsburg, Ulm

2020

29

Winnenden, Essen

2021

34

Bremen, Braunschweig, Kiel, Lübeck, Detmold

2022

41

Homburg (Saar), Bielefeld, Münster, Regensburg, Itzehoe, Lörrach, Stuttgart

FMB, Frauenmilchbanken. aJahr der offiziellen Eröffnung. Träger der jeweiligen FMB: siehe unter www.frauenmilchbank.de/frauenmilchbanken-in-deutschland

Die überwiegende Mehrzahl dieser Frauenmilchbanken dienen ausschließlich der Versorgung der jeweils eigenen neonatologischen Abteilungen (single-unit-Prinzip). Nach einer Umfrage versorgten im Jahr 2018 lediglich sieben FMB, zumindest zeitweise, insgesamt 11 weitere neonatologische Abteilungen mit Frauenmilch (multi-unit-Prinzip) [6].

Frauenmilch wird hierbei von Müttern, deren Kinder sich in stationärer Behandlung derselben Abteilung befanden (interne Spenderinnen) und teilweise auch von Frauen ohne vorherigen Bezug zur Abteilung (externe Spenderinnen) gespendet.

Zukünftig ist die Etablierung von regionalen Netzwerken zu erwägen, in denen leistungsstarke Frauenmilchbanken (hubs) Muttermilch nicht nur von internen und/oder externen Spenderinnen, sondern ebenfalls aus externen Depots beziehen könnten ([Abb. 1]). Diese Depots befänden sich in kooperierenden Fachabteilungen, welche ihrerseits wiederum interne und ggf. auch externe Spenderinnen akquirieren könnten. Die gesammelte Milch würde dann nach einer Zwischenlagerung zur Verarbeitung an die zentrale FMB weitergeleitet. Von dort würde die Milch nach Aufbereitung wieder an die kooperierende, die eigene und an weitere Abteilungen abgegeben ([Abb. 1]). Bei dieser zentralen Aufarbeitung würden durch die gemeinsame Nutzung einer technischen und digitalen Infrastruktur Ressourcen effizienter ausgelastet. Gleichzeitig ist die beziehende Abteilung nicht einseitig auf die externe Gewährleistung der Verfügbarkeit von Frauenmilch angewiesen, sondern könnte bedarfsgerecht eigene Spenderinnen akquirieren. Anfallende Überschüsse könnten über den jeweiligen Hub weiteren Kliniken zugutekommen. Die anfallenden laufenden Kosten der zentralen Einrichtung könnten beispielsweise durch eine nicht profitorientierte finanzielle Beteiligung der kooperierenden Abteilungen refinanziert werden.

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Abb. 1 Versorgungsstrukturen von Frauenmilchbanken (FMB). a Klassisches Single Unit- Prinzip: interne (und ggf. externe) Spenderinnen (blau) versorgen ausschließlich Neugeborene der eigenen Abteilung (Beispiele: FMB Itzehohe, Regensburg). b Multi-unit-Prinzip: FMB versorgt weitere Abteilungen regional oder überregional (Beispiele: FMB Berlin, Leipzig, Freiburg). c Zukünftige Versorgungsnetzwerke: Zentrale FMB („Hub“) bezieht Frauenmilch über Spenderinnen vor Ort und externe Kliniken (diese teilweise mit eigenen Spenderinnen, teilweise mit Selbstversorgung als eigenständige Frauenmilchbank), bereitet Milch auf, versorgt multiple Abteilungen und steht mit weiteren Hubs in Verbindung.

Belastbare Daten zur Versorgungskontinuität und zur Anzahl der insgesamt in Deutschland mit Frauenmilch versorgten Neugeborenen liegen bisher nicht vor. Nach einer nichtrepräsentativen Erhebung von 2020 setzen lediglich 14 von 118 Abteilungen (12%) standardmäßig Frauenmilch für ein definiertes Kollektiv in ihren Abteilungen ein [7]. Eine Erhebung repräsentativer und aussagekräftigen Daten über die unterschiedlichen Ernährungsformen Frühgeborener in Deutschland erscheint als Grundlage einer strukturierten Bedarfsplanung von Frauenmilch für Frühgeborene notwendig und sollte in geeigneter Form in etablierte Neonatalerhebungen integriert werden.

Grundsätzlich würde die überwiegende Mehrheit der deutschen Neonatolog*innen Frauenmilch gegenüber Formulanahrung bevorzugen [6]. Regionale Versorgungsnetzwerke könnten unabhängig von den jeweiligen Betreibermodellen zur flächendeckenden Bereitstellung von Frauenmilch beitragen.


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Finanzierung der Frauenmilchbereitstellung

Im Rahmen der dualen Krankhausfinanzierung muss die Einrichtung einer Frauenmilchbank mit weiteren klinischen Infrastrukturmaßnahmen konkurrieren. Landesförderprogramme jedoch führten bspw. in Niedersachsen und dem Saarland über gezielte Anschubfinanzierungen zur erstmaligen Einrichtung von mehreren Frauenmilchbanken in diesen Bundesländern [8].

Die Abbildung der laufenden Kosten einer Frauenmilchbereitstellung ist im DRG-Entgeltsystem bisher nicht möglich. Diese Aufwendungen sind laut dem Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) bereits durch die bestehenden DRG-Fallpauschalen zur Säuglingsernährung abgegolten [9]. Diese Einschätzung berücksichtigt jedoch nicht die im Vergleich zur Formulanahrung höheren Kosten der Bereitstellung von Frauenmilch [10]. Wiederholte Anträge zur Einstufung von Frauenmilch für Frühgeborene als neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode (NUB) mit dem Ziel der Refinanzierung der Betriebskosten von Frauenmilchbanken wurden vom InEK abgelehnt [11]. Ebenso wurden zwei Anträge auf die Aufnahme eines spezifischen Kodes für die Ernährung Neugeborener mit Frauenmilch in den OPS-Katalog abgewiesen.

Die fehlende Kostenerstattung der Bereitstellung von Frauenmilch spiegelt sich in europäischen Nachbarländern wider [12]. Nach einer aktuellen Erhebung erfolgt eine anteilige Kostenerstattung nur in drei europäischen Ländern, entweder abhängig von der Zahl der versorgten Neugeborenen oder von der generierten Menge Frauenmilch [5]. Zusammenfassend ist die Finanzierung der Frauenmilchbereitstellung trotz zahlreicher Aktivitäten unterschiedlicher Akteure weiterhin nicht zufriedenstellend gewährleistet.


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Personal in Frauenmilchbanken

Das Personal in Frauenmilchbanken setzt sich aus verschiedenen Berufsgruppen des Gesundheitswesens zusammen, besteht jedoch zumeist aus Kinderkrankenpflegekräften [6]. Die Mindestanforderungen an das Personal entsprechen dabei denjenigen, die an Beschäftigte in Gesundheitseinrichtungen und nahrungsmittelverarbeitenden Betrieben gestellt werden, und beschränken sich im Wesentlichen auf die gesundheitliche Eignung und hygienische Aspekte [13]. Während das Berufsbild des „human milk technician“ in einzelnen Einrichtungen im anglosächsischen Raum punktuell etabliert ist, besteht in Deutschland keine einheitliche Mindestqualifizierung für das Personal von Frauenmilchbanken [14]. Ein strukturiertes und standardisiertes Fortbildungscurriculum zur Tätigkeit in Frauenmilchbanken könnte zur Qualitätssicherung und einer außenwirksamen Aufwertung der Tätigkeitsprofils der Mitarbeitenden beitragen.

In rund der Hälfte der muttermilchverarbeitenden Einrichtungen steht Personal exklusiv zur Verarbeitung von Säuglingsnahrung zur Verfügung, in allen übrigen Abteilungen muss diese zeitintensive Tätigkeit zeitgleich zur Pflege am Bett ausgeübt werden [6]. In diesem Sinne sind Betreibermodelle vorteilhaft, welche eine klare Trennung zwischen den direkt patientenbezogenen Tätigkeiten und der Bereitstellung von Säuglingsnahrung, inklusive einem entsprechenden personellen Ausfallkonzept, vorsehen.


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Regulation und Klassifikation von Frauenmilch

Nach Einschätzung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) handelt es sich bei der Abgabe von Frauenmilch an andere als das eigene Kind um ein Inverkehrbringen von Milch im Sinne des Lebensmittelrechts (Kommunikation des BMEL an die für Lebensmittelüberwachung zuständigen obersten Landesbehörden, 25.02.2016, BMEL). Dieser Einschätzung haben sich im Rahmen der Neueinrichtung von Frauenmilchbanken zahlreiche Bundesländer angeschlossen. Aus der länderspezifischen Klassifikation als Lebensmittel leiten sich die regulatorischen Auflagen im Umgang mit Frauenmilch ab, bspw. die Anforderung an die Lebensmittelsicherheit (Richtlinie 178/2002/EG) oder die Hygienebestimmungen (RL 852/2004/EG).

Innerhalb der Europäischen Union (EU) unterliegt Frauenmilch unterschiedlichen Klassifikationen und inhomogenen Regulierungen (Lebensmittel, Medizinprodukt, u.a.), jedoch fehlen in der überwiegenden Mehrheit der EU-Mitgliedsstaaten jegliche staatlichen Kontrollmechanismen [5]. Zum Schutz von Spenderinnen und Empfängern sowie zur allgemeinen Qualitätssicherung plant die EU-Kommission daher die Regulierung von humaner Milch im Rahmen der Novellierung und Zusammenlegung der EU-Verordnungen betreffend von Blut und Blutbestandteilen (RL 2002/98/RG) und Geweben und Zellen menschlichen Ursprungs (RL 2004/23/EG) [15] [16]. In einer ersten öffentlichen Konsultation zur Folgenabschätzung in 2020 hatten jeweils die FMBI und die European Foundation for the Care of Newborn Infants (EFCNI) eine grundsätzliche Regulierung begrüßt, jedoch auch auf potentiell nachteilige und zu vermeidende Auswirkungen hingewiesen [17] [18].

Der erste seit 2022 vorliegende Entwurf der geplanten Gesetzgebung fasst die Regulierung humaner Milch (d.h. Muttermilch und Frauenmilch) im selben Rahmen wie die Regulierung von Blut, Gewebe und Zellen als Substance of Human Origin (SoHO) zusammen [19]. Die Einbindung von humaner Milch in jeglichen Rechtsrahmen birgt Chancen und Herausforderungen, welche sich letztendlich aus der daraus folgenden Ausgestaltung und Umsetzung einer konkreten nationalen Regulation ergibt. Der vorliegende Entwurf wurde dementsprechend auf Aufforderung des Bundesministeriums für Gesundheit in einem gemeinsamen Statement pädiatrischer Fachgesellschaften und Interessensverbänden kommentiert [20]. Der nationale Umsetzungsprozess nach Annahme einer endgültigen EU-Verordnung muss kritisch und konstruktiv begleitet werden. Aus dem laufenden Verfahren sind momentan jedoch keine konkreten Handlungsempfehlungen ableitbar.

Zur Frage, ob humane Milch grundsätzlich reguliert und einer der bestehenden Klassifikationen von Substanzen menschlichen oder tierischen Ursprungs zugeordnet werden sollte oder ob es sich nicht eher um eine Substanz sui generis handelt, sei auf die ausführliche Diskussion von Cohen verwiesen [21].


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Förderung des Frauenmilchbankwesens in Deutschland

Neben dem individuellen Aufbau von Frauenmilchbanken an einzelnen Kliniken und der Arbeit der Frauenmilchbank-Initiative e.V. (siehe Infokasten) existieren weitere Initiativen zur Förderung des Frauenmilchbankwesens in Deutschland. Die EFCNI publizierte 2018 Empfehlungen zur Förderung von Frauenmilchbanken im deutschsprachigen Raum, erstellte ein Handbuch und organisiert Workshops zum Aufbau von Frauenmilchbanken [22] [23].

Im Rahmen des durch den Innovationsfond des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) geförderten Projekts NEO-MILK wird unter anderem die Etablierung von Frauenmilchbanken wissenschaftlich begleitet, hierbei soll eine Datengrundlage für eine generelle Bewertung des Konzeptes geschaffen werden [24].

Weitere Faktoren, die für eine flächendeckende Versorgung von Früh- und kranken Neugeborenen mit Frauenmilch förderlich wären, sind nachfolgend zusammengefasst (siehe Liste). Eine S2k-AWMF-Leitlinie unter Federführung der Gesellschaft für Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin (GNPI) befindet sich zum Zeitpunkt der Drucklegung dieses Beitrags in der abschließenden Abstimmung [25].

LISTE

Maßnahmen zur Förderung des Frauenmilchbankwesens in Deutschland

  • Kostenerstattung der Bereitstellung von Frauenmilch

  • Einheitliche regulatorische Rahmenbedingungen auf Länderebene

  • Nationale Leitlinie zum Einsatz von Frauenmilch

  • Strukturierte Fortbildungen zur Einführung eines institutionellen Frauenmilchprogramms


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Still- und Laktationsförderung

Grundsätzlich bildet eine gute Still- und Laktationsförderung die Basis für die Verfügbarkeit von Frauenmilch. Das Frauenmilchbankwesen ist jedoch kein Selbstzweck an sich, wünschenswert wäre vielmehr eine suffiziente still- und laktationsmedizinische Unterstützung von Eltern, die den Einsatz von Frauenmilch nur in Ausnahmefällen notwendig macht. Neben der Aufnahme einer verbindlichen präpartalen Beratung zum Stillen in die Mutterschafts-Richtlinien des G-BA sowie der Abbildung laktationsmedizinischer Aspekte in pädiatrischen Weiterbildungsordnungen, wäre ebenfalls die Verankerung einer qualifizierten und bedarfsgerechten Stillberatung in der Qualitätssicherungs-Richtlinie Früh- und Reifgeborene (QFR-RL) des G-BA grundlegende und unterschiedliche Zielgruppen adressierende Maßnahmen der Still- und Laktationsförderung.


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Zusammenfassung

Die Versorgungslage mit Frauenmilch in Deutschland ist für die leitliniengerechte enterale Ernährung von Frühgeborenen als unzureichend anzusehen, valide Daten für eine Bedarfsplanung sind jedoch ausstehend.

Unterschiedliche Betreibermodelle können durch die Berücksichtigung individueller Infrastrukturen und spezifischer regionaler Bedürfnisse einen wichtigen Beitrag zur Bereitstellung von Frauenmilch leisten.

Neben der Einrichtung von Frauenmilchbanken an Einrichtungen mit hohen Fallzahlen sollte Frauenmilch durch leistungsstarke Milchbanknetzwerke flächendeckend für alle neonatologischen Abteilungen bundesweit vorgehalten werden. Hierzu sind Kooperationskonzepte zu entwickeln und das benötigte Personal mittels geeigneter Curricula zu schulen. Ziel ist die Sicherstellung einer steten Verfügbarkeit von Frauenmilch für Frühgeborene und kranke Neugeborene.

Eine optimale Still- und Laktationsförderung ist dabei sowohl für die Versorgung eigener Kinder mit Muttermilch als auch für die Gewinnung von Frauenmilch essentiell.


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Infokasten

Die in 2018 gegründete Frauenmilchbank-Initiative e.V. (FMBI) mit Sitz in Hamburg ist ein gemeinnütziger und interprofessioneller Verein zur Förderung des Frauenmilchbankwesens und vertritt die Interessen der in ihr organisierten deutschen Frauenmilchbanken. Die FMBI informiert die Öffentlichkeit und Fachkreise über die Vorteile der Ernährung mit humaner Milch und fördert den praktischen Erfahrungsaustausch und wissenschaftlichen Diskurs. Die FMBI berät Gesundheitseinrichtungen, Behörden und politische Entscheidungsträger zum Aufbau von Frauenmilchbanken. Die FMBI kooperiert dabei eng mit medizinischen Fachverbänden, Fachkundigen und weiteren Interessensvertretungen aus dem im In- und Ausland (www.fmbi.de).


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Interessenkonflikt

Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonfliktbesteht.


Korrespondenzadresse

PD Dr. Daniel Klotz, MHBA
Sektion Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin,Zentrum für Kinder und Jugendmedizin, UniversitätsklinikumFreiburg, Hugstetterstr. 55
79106 Freiburg
Germany   

Publication History

Received: 15 March 2023

Accepted after revision: 24 May 2023

Article published online:
03 August 2023

© 2023. The Author(s). This is an open access article published by Thieme under the terms of the Creative Commons Attribution-NonDerivative-NonCommercial-License, permitting copying and reproduction so long as the original work is given appropriate credit. Contents may not be used for commercial purposes, or adapted, remixed, transformed or built upon. (https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/).

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Abb. 1 Versorgungsstrukturen von Frauenmilchbanken (FMB). a Klassisches Single Unit- Prinzip: interne (und ggf. externe) Spenderinnen (blau) versorgen ausschließlich Neugeborene der eigenen Abteilung (Beispiele: FMB Itzehohe, Regensburg). b Multi-unit-Prinzip: FMB versorgt weitere Abteilungen regional oder überregional (Beispiele: FMB Berlin, Leipzig, Freiburg). c Zukünftige Versorgungsnetzwerke: Zentrale FMB („Hub“) bezieht Frauenmilch über Spenderinnen vor Ort und externe Kliniken (diese teilweise mit eigenen Spenderinnen, teilweise mit Selbstversorgung als eigenständige Frauenmilchbank), bereitet Milch auf, versorgt multiple Abteilungen und steht mit weiteren Hubs in Verbindung.