Weltweit schreitet die Urbanisierung voran, d. h. immer mehr Menschen
wählen die Stadt als ihren Lebensraum oder sind aus ökologischen
(z. B. nach Naturkatastrophen wie Erdbeben) oder sozio-ökonomischen
Gründen (z. B. unzureichende Einkommensmöglichkeiten)
gezwungen, vom Land in die Stadt zu ziehen [1]
[2]. In der Europäischen
Union leben heute bereits ca. 75% der Bevölkerung in
Städten, mit einer Prognose von ca. 84% für das Jahr 2050
[3]. Sehr hohe Einwohnerzahlen bzw.
Bevölkerungsdichten in den Städten, die damit erhöhten
Versorgungsleistungen und der stark zunehmende Ressourcenverbrauch stellen die
Stadtentwicklung vor ganz besondere Herausforderungen. Als Lebensraum für
die Stadtbewohner müssen die Städte nicht nur Arbeitsplätze,
Infrastruktur und Kultur bieten, sondern auch eine gesunde Umwelt [4]
[5].
Die 17 Sustainable Development Goals (SDG) setzen die Stadt mit dem Ziel 11
„Sustainable Cities and Communities“ explizit auf die Agenda der
globalen Nachhaltigkeitspolitik [6]. Hierbei
ist auch hervorzuheben, dass Städte und ländlicher Raum
ökonomisch, ökologisch und kulturell eng miteinander verwoben, aber
auch als wichtige Handlungsfelder bzw. -räume für Raumordnung und
Raumplanung zu verstehen sind.
Gesundheit und Wohlbefinden der Stadtbevölkerung sind nicht alleine ein
Forschungs- und Handlungsfeld von Medizin, Gesundheitswissenschaften und den
entsprechenden Institutionen, die Theorie in die Praxis umsetzen (z. B.
Gesundheitsämter, Umweltämter, Krankenhäuser), sondern
müssen inter- und transdisziplinär verstanden werden [7]
[8].
Beispielsweise nehmen Ökologie und Umweltwissenschaften, Ökonomie,
Planung und Architektur, neben anderen natur-, kultur- und sozialwissenschaftlichen
Disziplinen, zusätzlich eine Schlüsselstellung bei der Entwicklung
gesunder und lebenswerter Städte ein. Trotz dieser Notwendigkeit von inter-
und transdisziplinären Ansätzen und Konzepten für gesunde
Städte bleiben Wissenschaft und Praxis immer noch in ihren Disziplinen bzw.
sektoralen Planungen verhaftet. Deshalb besteht hier umfangreicher Forschungs- und
Entwicklungsbedarf (vgl. [9]
[10]
[11]
[12]
[13]
[14]).
Ein konstruktiver Austausch an den interdisziplinären Schnittstellen wird
sich hierbei positiv auf die urbane Transformation zur Nachhaltigkeit auswirken.
Weltweit stehen Städte und Megastädte aber auch viele
ländliche Räume, vor der Herausforderung, die gesundheitsbezogene
Vorsorge und Versorgung vor Ort neu organisieren zu müssen, insbesondere
auch unter Berücksichtigung sich verändernder
Lebensumstände. Dazu zählen beispielsweise eine älter
werdende Bevölkerung, Migration, soziale Ungleichheiten, aber auch
notwendige Veränderungsprozesse (z. B. Klimaschutz und
Klimaanpassung) aufgrund des fortschreitenden Klimawandels. Auch die Digitalisierung
und entsprechende umfassende Transformationsprozesse in allen Lebensbereichen, wie
z. B. Gesundheitsversorgung [15] und
Mobilität [16], spielen eine
zunehmende Rolle.
Vor diesem Hintergrund hat die Fritz und Hildegard Berg-Stiftung im Deutschen
Stiftungszentrum einen Schwerpunkt auf die Förderung von inter- und
transdisziplinärer Forschung für gesunde Städte gelegt.
Dieses Ziel verfolgt die Stiftung seit 2010 mit einem entsprechenden
Förderprogramm für Juniorforschungsgruppen und alljährlich
stattfindenden Konferenzen, die Wissenschaft und Praxis in einem
Nachhaltigkeitsdiskurs zusammenbringen. Zudem sind Impulse für neue
Initiativen gesetzt worden, die das Thema einer gesunden und lebenswerten Stadt
prioritär auf die Agenden der Stadtplanung und -entwicklung setzen. Im
Folgenden wird die Geschichte des Förderprogramms umrissen und insbesondere
hervorgehoben, welche Impulse für eine nachhaltige und gesunde
Stadtentwicklung in Wissenschaft und Praxis durch dieses Programm gesetzt
wurden.
Zur Geschichte der Berg-Stiftung im Stiftungszentrum
Public Health ist laut WHO „the science and art of promoting
health, preventing disease, and prolonging life through the organized efforts of
society“. In Deutschland haben die Gesundheitswissenschaften ihre
Wurzeln im 18. Jahrhundert. Zu den Pionieren gehören Johann Peter Frank,
Rudolf Virchow und Max von Pettenkofer als die Begründer der
Öffentlichen Gesundheit, der Sozialen Medizin und der Hygiene. Die
Auswüchse des Nationalsozialismus unterbrechen diese Tradition. Nach dem
Zweiten Weltkrieg gelingt dem Fachgebiet nur schwer, den internationalen
Rückstand aufzuholen.
1986 skizziert die WHO im Rahmen der Ottawa-Charta „die enge Bindung zwischen
Mensch und Umwelt“ als Grundlage „für einen
sozial-ökologischen Weg zur Gesundheit“ [17]. Die Ottawa-Charta fußt damit auf
einem Umweltverständnis, das auf eine nachhaltige Lebensweise abzielt und
als sozial-ökologischer Nukleus für eine
gesundheitsförderliche Strategieentwicklung angesehen werden kann. In
Deutschland kommt es in den 1980er Jahren auf Initiative des Bundesministeriums
für Forschung und Technologie (BMFT) zu einer Wiederbelebung der
Gesundheitswissenschaften in Deutschland.
Diesen Weg zur Institutionalisierung des für Deutschland weitgehend neuen
Fachgebietes unterstützt die im Jahr 1988 gegründete Fritz und
Hildegard-Berg-Stiftung im Stifterverband durch die Einrichtung einer
Koordinierungsstelle „Gesundheitswissenschaften/Public
Health“. Nach internationaler Ausschreibung nimmt 1992 die
Koordinierungsstelle an der Universität Freiburg unter der Leitung von
Jürgen von Troschke ihre Arbeit auf. Über einen Zeitraum von acht
Jahren begleitet das Freiburger Team, gemeinsam mit einem wissenschaftlichen Beirat,
den Prozess der Selbstorganisation des neuen Fachgebietes im Interesse einer
eigenständigen disziplinären Entwicklung und akademischen
Institutionalisierung (z. B. [18]
[19]
[20]).
Unter anderem entsteht in dieser Zeit die Schriftenreihe
„Gesundheitswissenschaften/Public Health“ sowie die
Zeitschrift „Public Health Forum“, die seit 1993 bis heute
vierteljährlich über aktuelle Themenfelder aus dem
Public-Health-Geschehen in Deutschland und Europa berichtet und sowohl Forschung,
Lehre als auch Versorgungspraxis adressiert.
Im Jahre 2010 wird ein neues Förderprogramm aufgelegt, welches die inter- und
transdisziplinäre Forschung für eine gesunde Stadtentwicklung in den
Fokus rückt. Dabei wird, koordiniert durch den Stifterverband, auch ein
interdisziplinärer wissenschaftlicher Beirat etabliert. In dieser
Initialphase wird das Förderprogramm durch den wissenschaftlichen Beirat mit
den Professoren Rainer Fehr (Gesundheitswissenschaften, Bielefeld), Jörg
Knieling (Stadtplanung und Regionalentwicklung, Hamburg), Uwe Schneidewind
(Ökonomie, Wuppertal) und Stefan Zerbe (Landschaftsökologie, Bozen)
begleitet.
Forschungsförderung und weitere Fördertätigkeiten seit
2011
Im Folgenden werden insbesondere die Forschungsförderung mit der Etablierung
interdisziplinärer Forschungsgruppen bzw. -konsortien und weitere
Förderaktivitäten erläutert sowie eine Konferenzreihe und
der Aufbau von Netzwerken umrissen ([Abb.
1]).
Abb. 1 Forschungsförderung und weitere
Fördertätigkeiten der Fritz und Hildegard Berg-Stiftung im
Deutschen Stiftungszentrum seit 2011. (Eigene Darstellung)
Forschungsgruppen und Forschungskonsortien
Ziel der Förderung ist eine „Verknüpfung der beiden
Leitkonzepte der nachhaltigen Gesundheitsförderung und der nachhaltigen
Entwicklung am Beispiel urbaner Räume und Regionen“ über
den Weg der „Anregung des interdisziplinären Dialogs“.
Es werden insbesondere Vorhaben gefördert, „die an den
relevanten disziplinären Schnittstellen forschen und die
Einflüsse von Umweltressourcen auf die physische, psychische und soziale
Gesundheit untersuchen“. Forschungsfelder sind beispielsweise
„Gesundheit und Biodiversität“, „Gesundheit und
Stadtnatur“ und „Gesundheit und Klimawandel“
(Ausschreibung 2018).
Seit 2011 sind vier Juniorforschungsgruppen mit unterschiedlichen
Forschungsschwerpunkten gefördert worden ([Tab. 1]). Die Juniorforschungsgruppen sind
ein vom Stifterverband etabliertes Förderformat, welches 2-5
Doktoranden/innen und eine/n Koordinator/in als Postdoc
fördert. Das Themenspektrum der von der Berg-Stiftung
geförderten Forschungskonsortien reicht von der Bedeutung von
Stadtgrün und -blau für die Gesundheit und das Wohlbefinden der
Stadtbewohner, altersgerechter Mobilität über soziale
Ungleichheit der Gesundheitsversorgung und der Begrünung des
unmittelbaren Wohnumfelds in Städten. Die Themenbreite wird auch durch
die Vielfalt der an den Forschungsprojekten beteiligten Disziplinen reflektiert.
So waren neben den Gesundheitswissenschaften und der Medizin beispielsweise
Arbeitsgruppen aus den Bereichen Stadt- und Raumplanung,
Landschaftsökologie, Architektur und Geoinformation an den inter- und
transdisziplinären Juniorforschungsgruppen beteiligt.
Tab. 1 Von der Fritz und Hildegard Berg-Stiftung seit 2011
geförderte vier (Junior-)Forschungsgruppen sowie Institution
InUPH.
Leitende Institution
|
Themenschwerpunkt
|
Förderzeitraum
|
Beteiligte Institutionen
|
Praxispartner
|
Universität Bielefeld, Fakultät
Gesundheitswissenschaften
|
StadtLandschaft & Gesundheit
|
2011–2015
|
RWTH Aachen, Lehrstuhl für Landschaftsarchitektur;
Universität Bonn, Institut für Hygiene und
Öffentliche Gesundheit
|
Stadt Bielefeld; Stadt Gelsenkirchen
|
Technische Universität Dortmund, Fakultät
für Raumplanung, Fachgebiet Stadt- und
Regionalplanung
|
Stadt als gesunder Lebensort unabhängig von sozialer
Ungleichheit (Salus)
|
2012–2015
|
Hochschule Fulda, Public Health Zentrum Fulda;
Universität Bremen, Institut für Public
Health und Pflegeforschung; University of Twente, Faculty of
Geo-Information Science and Earth Observation
|
Umweltbundesamt; Ministerium für Umwelt,
Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz NRW; AOK
NordWest; Regionalverband Ruhr; Weltgesundheitsorganisation,
Regionalbüro für Europa
|
Universität Stuttgart, Institut für Sport-
und Bewegungswissenschaft, Lehrstuhl Sport- und
Gesundheitswissenschaften I
|
Die altersfreundliche Stadt – Autonomie und
nachhaltige Mobilität im Zeichen des Klimawandels
(AutonomMobil)
|
2014–2018
|
Universität Stuttgart, Institut für
Landschaftsplanung und Ökologie;
Robert-Bosch-Krankenhaus, Klinik für Geriatrische
Rehabilitation; Goethe-Universität Frankfurt am
Main, Fachbereich Erziehungswissenschaften,
Interdisziplinäre Alternswissenschaft; Institut
für Landes- und Stadtentwicklungsforschung gGmbH
(ILS)
|
Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und
Organisation (IAO) Mobilitäts- und Stadtsystem-
Gestaltung; Transsolar KlimaEngineering; Verband Region
Stuttgart; Stadt Stuttgart, Amt für Umweltschutz;
Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg
|
Humboldt Universität zu Berlin, Integrative Research
Institute on Transformations of Human-Environment Systems
(IRI THESys)
|
Strategie & Planungsinstrument für eine
nachhaltige Entwicklung gesundheitsfördernden
Wohnumfeldgrüns in der Stadt der Zukunft
(HealthyLiving)
|
2016–2020
|
TU Berlin; University of Turin, Department of Agricultural,
Forest and Food Sciences
|
Berlin, Kieze Sprengelkiez, Ideal-Passage, General Barby
Siedlung, Paul-Hertz-Siedlung, Haselhorst,
Alte-Jakobstrasse, Marzahn und Gropiusstadt; Turin:
verschiedene Stadtviertel; Birmingham: verschiedene
Stadtviertel
|
Universität Duisburg-Essen,
Universitätsklinikum Essen, Institut für
Urban Public Health (InUPH)
|
Urban Public Health
|
2020–2025
|
Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie
|
Emscher-Genossenschaft
|
Ein wesentliches Ziel der Forschungsförderung durch das Programm der
Berg-Stiftung war die intensive Zusammenarbeit mit Akteur:innen, Stakeholdern
und Institutionen aus der Praxis. Statt der rein akademischen Ausrichtung
üblicher Nachwuchsgruppen geht es bei den geförderten
Juniorforschergruppen also darum, eine gleichberechtigte Zusammenarbeit von
Praxis und Wissenschaft von Beginn an zu gewährleisten. Beispielsweise
sind - neben den Forschungseinrichtungen – Ministerien unterschiedlicher
Ressorts, das Umweltbundesamt (UBA), kommunale Gesundheits-, Sozial- und
Umweltämter, Stadtverwaltungen, aber auch Regionalverbände und
Krankenkassen sowie Ingenieurbüros beteiligt. So ist ein Austausch
zwischen Wissenschaft und Praxis sowie ein unmittelbarer Wissenstransfer
gewährleistet.
Konferenzen zur „Stadt der Zukunft“
Ein weiteres Ziel des Förderprogramms war es, die Forschungsgruppen durch
jährlich stattfindende Tagungen zu begleiten. Die Tagungen sollten
insbesondere Wissenschaft und Praxis zusammenbringen. Seit dem Start des
Förderprogramms 2011 fanden bereits insgesamt 9 Tagungen in 7
Städten statt ([Tab. 2]). Im Jahr
2023 ist die Tagung an der Universität Bonn geplant, organisiert vom
Institut für Hygiene und Öffentliche Gesundheit.
Tab. 2 Tagungen zum Förderprogramm „Stadt der
Zukunft“, die alljährlich von den geförderten
Forschungsgruppen bzw. von den Mitgliedern des Wissenschaftlichen
Beirats begleitend organisiert wurden.
Tagungsort
|
Jahr
|
Organisierende Institution
|
Konferenzthema
|
Hamburg
|
2011
|
HafenCity Universität Hamburg, Fachgebiet Stadtplanung
und Regionalentwicklung
|
Stadt der Zukunft: Green and Healthy? Nachhaltige und
gesundheitsfördernde Entwicklung urbaner Räume
im 21. Jahrhundert
|
Bozen
|
2012
|
Freie Universität Bozen (Italien), Fakultät
für Naturwissenschaften und Technik
|
Stadt der Zukunft: grün, gesund, lebenswert
|
Wuppertal
|
2013
|
Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbH
|
Stadtwandel als Chance – für Klima, Umwelt,
Gesundheit und Lebensqualität
|
Bielefeld
|
2014
|
Universität Bielefeld, Fakultät für
Gesundheitswissenschaften
|
Gesundheitsförderliche StadtLandschaften der Zukunft
|
Dortmund
|
2016
|
TU Dortmund, Fachgebiet Stadt- und Regionalplanung
|
Stadt der Zukunft: Nachhaltigkeit und Gesundheit gemeinsam
fördern – Neue methodische Ansätze
|
Stuttgart
|
2017
|
Universität Stuttgart, Institut für Sport- und
Bewegungswissenschaft / Lehrstuhl Sport- und
Gesundheitswissenschaften
|
Die Stadt der Zukunft gestalten: Lebenslang mobil bei jedem
Wetter
|
Bielefeld und Hamburg/online
|
2020
|
Universität Bielefeld, Fakultät für
Gesundheitswissenschaften, zusammen mit HafenCity
Universität und Universitätsklinikum
Hamburg-Eppendorf (UKE) Hamburg
|
Nachhaltige StadtGesundheit
|
Bielefeld und Hamburg/online
|
2021
|
Universität Bielefeld, Fakultät für
Gesundheitswissenschaften, zusammen mit HafenCity
Universität und Universitätsklinikum
Hamburg-Eppendorf (UKE) Hamburg u.v. a. als Teil einer
Tandem-Konferenz
|
Gesundheit und nachhaltige Stadtentwicklung im Spannungsfeld:
Analysen, Initiativen & Planungspraxis[*] (2. Tag der
Tandem-Konferenz „Nachhaltige
StadtGesundheit“)
|
Essen
|
2022
|
Institut für Urban Public Health,
Universitätsmedizin Essen, Universität
Duisburg-Essen sowie Institut für Städtebau und
europäische Urbanistik, RWTH Aachen
|
Urbane Gesundheitslandschaften der Zukunft: Gesundheit,
Architektur, Umwelt
|
Das Department of Community Health an der Hochschule für Gesundheit in
Bochum veranstaltete im Februar 2023 ein transdisziplinäres Forum
„Urban Health“. Hier fanden ausgewählte internationale sowie
regionale Akteure des Ruhrgebiets aus Praxis, Wissenschaft und Gesellschaft
zusammen, die sich mit der Thematik StadtGesundheit befassen.
Institut für Urban Public Health (InUPH)
Das damalige Zentrum für Urbane Epidemiologie (CUE) des
Universitätsklinikums Essen wurde 2019 gefördert zur Einrichtung
eines neuen Instituts „Urban Public Health“ an der Medizinischen
Fakultät der Universität Duisburg-Essen[1]. Zum 01.05.2020 erfolgte der
Übergang in das Institut für Urban Public Health (InUPH),
welches sich thematisch mit inter- und transdisziplinären Aufgaben des
innovativen Themenfelds Urban Public Health befasst. Der Arbeitsschwerpunkt
betrifft die Frage, welchen Einfluss das städtische Umfeld auf die
Gesundheit der Menschen hat und wie dieses Umfeld optimal gestaltet werden
kann.
Projekt „Brückenbau für Nachhaltige
StadtGesundheit“
Im Jahre 2013 wurde an der Bielefelder Fakultät für
Gesundheitswissenschaften das Projekt „Stadtentwicklung und Gesundheit
– Disziplinärer und sektoraler Brückenbau“[2] etabliert, um zu klären, in
welcher Weise sich die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Sektoren und
Disziplinen im Themenfeld „Stadtentwicklung und Gesundheit“
fördern lässt, wobei insbesondere auch Konzepte, Methoden und
Erkenntnisse der Transdisziplinaritätsforschung herangezogen werden.
Die Hauptziele des Vorhabens „Brückenbau für Nachhaltige
StadtGesundheit“ liegen darin, das Förderprogramm „Stadt
der Zukunft – Gesunde, nachhaltige Metropolen“ der Fritz und
Hildegard Berg-Stiftung im Stifterverband zu unterstützen. So werden die
verschiedenen Ansätze und Aktivitäten des
Förderprogramms gebündelt und weiterentwickelt, um damit den
Auf- und Ausbau von nachhaltiger Gesundheit in Städten und
Metropolregionen voranzubringen.
Das Projekt kooperiert mit dem Programmbeirat, den Forschungsgruppen und den
Einzelprojekten des Förderprogramms „Stadt der Zukunft“
und setzt verschiedene Erhebungs-, Analyse- und Bewertungsverfahren ein. Hierzu
gehören die intensive Nutzung bereits vorliegender Ergebnisse
(einschließlich Dokumentensicherung), die Fortsetzung der Analysen und
integrierenden Darstellungen sowie strukturierte Reviews nationaler und
internationaler Literatur zu den Themenfeldern StadtGesundheit und Gesundheit im
regionalen Kontext. Damit lassen sich auch die notwendigen Verbindungen zu
internationalen Entwicklungen herstellen. Zudem sollen Beiträge zur
Bewältigung aktueller gesellschaftlicher Problemlagen geleistet werden,
etwa im Zusammenhang mit nachhaltigen urbanen Entwicklungen oder auch der
COVID-19-Pandemie. Um zeitnah zu reagieren, nahm das Projekt
„Brückenbau“ eine vorläufige Einordnung der
aktuellen Pandemie in den Kontext von nachhaltiger StadtGesundheit vor. Die
COVID-19-Pandemie belegt im Verständnis von „Health in all
Policies“ aufs Neue, wie weitreichend die bekannten Auswirkungen eines
Gesundheitsgeschehens für die verschiedensten Stadtsektoren sein
können [21],
einschließlich Arbeitswelt, Bildung und Erziehung, Freizeit, Justiz,
Kommunikation, Ökonomie, Soziales, Sport, Verbraucherschutz und Verkehr.
Die Pandemie zeigt auch, dass neben bestehenden
Gesundheitseinschränkungen bereits das Potenzial des Entstehens einer
Infektionskette (als Ansteckungsgefahr) gravierende Folgewirkungen zeigen
kann.
Edition „Nachhaltige Gesundheit in Stadt und Region“
Aus den Tagungen, den Tätigkeiten des wissenschaftlichen Beirats und aus
vielfältigen Interaktionen zwischen Wissenschaft und Praxis,
einschließlich der Ergebnisse aus dem Förderprogramm und aus
inhaltlich verwandten Projekten, hat sich die Publikationsreihe
„Nachhaltige Gesundheit in Stadt und Region“ entwickelt ([Tab. 3]).
Tab. 3 Bisher erschienene Bände der Edition
„Nachhaltige Gesundheit in Stadt und
Region“.
Band
|
Herausgeber/innen bzw. Autor/innen
|
Erscheinungs-jahr
|
Titel
|
ISBN
|
1
|
Fehr & Hornberg [21]
|
2018
|
Stadt der Zukunft – Gesund und nachhaltig.
Brückenbau zwischen Disziplinen und Sektoren
|
978-3-96238-074-8
|
2
|
Fehr & Trojan [22]
|
2018
|
Nachhaltige StadtGesundheit Hamburg. Bestandsaufnahme und
Perspektiven
|
978-3-96238-059-5
|
3
|
Westenhöfer et al. [23]
|
2021
|
Gesunde Quartiere. Gesundheitsförderung und
Prävention im städtischen Kontext
|
978-3-96238-306-0
|
4
|
Baumgart & Rüdiger [24]
|
2022
|
Gesundheit in der Stadtplanung. Instrumente, Verfahren,
Methoden
|
978-3-96238-301-5
|
5
|
Fehr & Augustin [25]
|
2022
|
Nachhaltige StadtGesundheit Hamburg II: Neue Ziele, Wege,
Initiativen
|
978-3-96238-390-9
|
Diese im Oekom-Verlag (München) verlegte Edition umfasst
einschlägige Fachbücher, in der Regel als intensiv kuratierte
Gemeinschaftswerke (nicht Sammelwerke), mit einem weitgehend einheitlichen
Layout. Die bisherigen Bände sind in deutscher Sprache verfasst, aber
auch englischsprachige Bände können aufgenommen werden. Drei der
bisherigen Bände sind unter Open Access-Bedingungen publiziert
(Bände 1, 2 und 5).
Inhaltlich behandelt Band 1 die konzeptionellen Grundlagen von StadtGesundheit
sowie Zwischenergebnisse der o.g. Forschungsgruppen. Band 2 behandelt
exemplarisch die Situation im Stadtstaat Hamburg, wobei das Themenspektrum von
der lokalen Historie und Stadtepidemiologie über Governance, Versorgung
und Rehabilitation bis hin zu Prävention und
Gesundheitsförderung im Gesundheitswesen sowie zu Stadtpolitik und
Gesundheit reicht; an diesem Band waren 100 Autor:innen beteiligt. Editionsband
3 berichtet über Ergebnisse eines Projektes „Gesunde
Quartiere“, welches in Kooperation von drei Hamburger Hochschulen,
namentlich der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW), der
HafenCity Universität (HCU) und dem Universitätsklinikum
Eppendorf an der Universität Hamburg (UHH-UKE) in Kooperation mit der
Universität Magdeburg durchgeführt wurde. Editionsband 4 ist ein
innovatives Lehrbuch zur Verwendung in der Ausbildung von
Planungswissenschaftler:innen. Editionsband 5 knüpft an den Band 2 an
und vervollständigt die Analyse der Hamburger Situation.
Die fünf bisherigen Bände umfassen insgesamt 2.213 Seiten. Sie
enthalten ca. 140 Einzelbeiträge mit über 300 Abbildungen, ca.
145 Tabellen und ca. 65 Textboxen. Drei der Bände sind mit Sach- und
Ortsregistern versehen. Dass mehrere Editionsbände den Fokus auf die
Stadt Hamburg legen, lässt das dort besonders ausgeprägte
Interesse am Thema Gesundheit in der Stadt erkennen.
Deutsch- und englischsprachiger Webauftritt
Das Projekt „Stadt-/Landentwicklung und Gesundheit –
disziplinärer und sektoraler Brückenbau“ betreut den
Webauftritt des Forschungsförderprogramms. Zum einen dient die
Doppelwebsite „http://stadt-und-gesundheit.de“
bzw. http://urban-health.de“ dazu, Praxis und
Wissenschaft über das Themenfeld Nachhaltige StadtGesundheit zu
informieren, beispielsweise durch eine inhaltliche Einführung sowie
durch Informationen zu beteiligten Sektoren und Disziplinen sowie relevanten
deutschen Institutionen. Zum anderen berichtet die Website über die
Arbeit und Ergebnisse innerhalb des Förderprogramms. Dazu gehört
es, die Ergebnisse der Juniorforschungsgruppen und Projekte vorzustellen, die
Durchführung der Konferenzserie „Stadt der Zukunft“ zu
dokumentieren sowie den Aufbau und die Konsolidierung der Edition
„Nachhaltige Gesundheit in Stadt und Region“ zu begleiten.
Entsprechend dieser Zielsetzung ist die Website strukturiert (s. [Tab. 4]).
Tab. 4 Menüpunkte der Hauptnavigation und
zugehörige Unterpunkte der Website
http://stadt-und-gesundheit.de.
Menüpunkte (1. Ebene)
|
Menüpunkte (2. Ebene)
|
Unterpunkte
|
StadtGesundheit
|
Grundlagen & Schlüsselthemen
|
Grundlagen & zentrale Themen
|
Disziplinen & Sektoren
|
|
Institutionen
|
Akteur:innen, inkl. Universitäten /
Hochschulen, Öffentliche Einrichtungen, Institute,
Fachgesellschaften / Verbände,
Vereinigungen, Netzwerke
|
Transdisziplinäre Arbeit
|
Beispielprojekte für Transdisziplinäre
Arbeit: KommAKlima; Initiative Bielefeld 2000plus
|
digiSpace
|
2023: Trans-Diszi-Forum „Urban Health“
|
Kurzbeschreibung und Verlinkung der digitalen Lernplattform
Urban Health digiSpace
|
Förderprogramm
|
Aktuelles zum Förderprogramm
|
|
Zielsetzung, Förderung, Programmbeirat &
Ergebnisse
|
Zielsetzung, inkl.: Forschungsfelder; Förderung,
inkl. Stiftungskontakt; Programmbeirat; Ausgewählte
Ergebnisse, inkl. Dissertationen (samt
Übersichts-Dokument), Publikationen
|
Konferenzserie „Stadt der Zukunft“
|
Archiv (2011-2017); Online-Veranstaltung 2020;
Online-Konferenz 2021; 2022: 8. Konferenz „Stadt der
Zukunft“
|
Forschungsgruppen & Projekte
|
Junior-Forschungsgruppen: „StadtLandschaft &
Gesundheit:“, „Salus“,
„AutonomMobil“ sowie Projekt:
„HealthyLiving:“
|
Das InUPH
|
Das Institut für Urban Public Health (InUPH)
|
Das Projekt „StadtGesundheit“
|
Projekt Stadt-/Landentwicklung und Gesundheit
– Disziplinärer und sektoraler
Brückenbau, inkl. Veröffentlichungen
|
Edition
|
Hintergrund, Herausgabe & Unterstützung
|
Hintergrund, Reihenherausgabe &
Unterstützung; Editionsbände 1–5
|
Kontakt
|
|
|
Die Website wird unter anderem genutzt, um auf aktuelle Veranstaltungen,
Publikationen und Ereignisse innerhalb des Förderprogramms
(z. B. Gründung des InUPH) und innerhalb des Themenfeldes
StadtGesundheit (z. B. Call for Poster: Transdisziplinäres Forum
„Urban Health“) hinzuweisen.
Als Doppel-Website werden Inhalte auf Deutsch und (in leicht reduziertem Umfang)
auf Englisch angeboten. Dadurch sollen Sprachbarrieren abgebaut und der
internationale Austausch im Themenfeld StadtGesundheit/Urban Health
gefördert werden.
Spin-off Initiativen der Forschungsförderung
Wesentliches Ziel der Forschungsförderung durch die Berg-Stiftung ist die
Grundsteinlegung für weitere, durch andere Institutionen
geförderte Projekte bzw. Initiativen sowie die Qualifikation von
Nachwuchswissenschaftler:innen, die direkt oder indirekt in der
Gesundheitsforschung tätig sind oder in der Praxis Schnittstellen
zwischen den Verwaltungseinheiten für Gesundheit und anderen sektoralen
Planungs- und Umsetzungsinstitutionen bilden.
So wurde beispielsweise das Transdisziplinäre Forschungsnetzwerk Umwelt
und Gesundheit (TER) in Südtirol gegründet, welches von der
Arbeitsgruppe Interdisziplinäre Landschaftsökologie und
Ökosystemrenaturierung[3] an
der Freien Universität Bozen koordiniert und von der Provinz
Bozen-Südtirol finanziell unterstützt wurde. Eines der
Hauptziele war die Vernetzung der Institutionen in Südtirol, die an der
Schnittstelle von Umwelt und Gesundheit forschen. Im Rahmen dieser Initiative
wurden Forschungskooperationen in und außerhalb Südtirols
etabliert, die beteiligten Institutionen kontinuierlich über
Forschungsprogramme und Ausschreibungen informiert und mehrere
interdisziplinäre Forschungsprojekte durchgeführt (z. B.
[26]
[27]
[28]). Mittlerweile wurde
die Koordination von der Operativen Einheit für klinische
Führung der Landesverwaltung der Provinz Bozen-Südtirol
übernommen.
Ein weiteres Beispiel ist der von der Hochschule für Gesundheit in
Bochum[4] initiierte digitale Raum
Urban Health digiSpace[5] mit einem
vielfältigen Lernangebot zum Thema Urban Health. Zu den
Grundsätzen gehören Transdisziplinarität,
Chancengleichheit und Diversity. Der Urban Health digiSpace dient als ein Format
transdisziplinärer Wissensgenerierung und -kommunikation dazu,
Wissensbestände aus Praxis, Gesellschaft und Wissenschaft in gemeinsamen
Formaten zu integrieren und zu vermitteln. Themenbereiche umfassen
beispielsweise eine altersgerechte Stadtplanung, partizipative Methoden wie
Photovoice und den StadtRaumMonitor und „Walkability“.
Erwähnt sei auch der im Stadtstaat Hamburg entstandene
Diskussionsprozess. Auf der Grundlage des o.g. Editionsbandes 2 bildete sich bei
einer lokal aktiven, zivilgesellschaftlichen Organisation ein aus Expert:innen
und anderen Interessierten zusammengesetzter Arbeitskreis “Nachhaltige
StadtGesundheit”[6]
,
[7], der seit
2019 monatlich zusammenkommt. Ziel ist es, durch geeignete Impulse dazu
beizutragen, dass Hamburger StadtGesundheit sich positiv entwickelt und die
Gesundheit der Menschen in Hamburg gefördert wird. Zum Programm
gehören inhaltlicher Austausch mit Akteuren in den Themenfelder
Gesundheit und Nachhaltigkeit, Exkursionen, (Mitwirkung an) Tagungen und
Publikationen.
Als weitere Struktur existiert in Hamburg eine aus dem
Universitätskrankenhaus Eppendorf heraus koordinierte Arbeitsgruppe
Stadtepidemiologie. Diese Gruppe hat sich die Aufgabe gestellt, die in der
Hansestadt epidemiologisch aktiven Einrichtungen, Personen und Projekte enger zu
vernetzen.
Ausblick
Mit der Neugründung der Medizinischen Fakultät Ostwestfalen-Lippe
erfolgte in der neuen Projektphase ab 2023 eine Überführung des
Vorhabens „Brückenbau für Nachhaltige
StadtGesundheit“ an die neue Arbeitsgruppe 1 Sustainable Environmental
Health Sciences. Neben der Gesundheitsförderung sollen der Bereich
der regionalen Gesundheitsversorgung sowie die nachhaltige Stadt-Land-Entwicklung in
den Fokus des Projektes gerückt werden. Der Themenbereich Auf- und Ausbau
von nachhaltiger Gesundheit in Städten wird durch die Betrachtung
ländlicher Regionen am Beispiel von Ostwestfalen-Lippe als eine der
stärksten deutschen Wirtschaftsregionen mit mehr als zwei Millionen Menschen
ergänzt (vgl. Fehr und Hornberg [29]). Exemplarisch soll für OWL
erkundet werden, welche Initiativen, Projekte, Netzwerke sowie deren entsprechende
Akteur:innen an regionaler Entwicklung und Gesundheit beteiligt sind. Von Interesse
sind dabei die Ausgestaltung der Zusammenarbeit der Akteur:innen sowie ihre Sicht
auf gesundheitlich relevante Probleme und potenzielle Lösungsansätze
für die Region OWL. Ziel des Forschungsförderprogramms,
einschließlich des Teilprojektes „Brückenbau“, ist
es weiterhin, Impulse für eine nachhaltige und zukunftsweisende
Stadt-Land-Gesundheit zu geben, den Austausch über das Thema zu
unterstützen, Forschungsergebnisse zusammenzuführen und deren
Verbreitung zu fördern. Es gilt auch, die in den früheren
Projektphasen gewonnenen Arbeitsergebnisse aus den Juniorforschungsgruppen bzw.
-projekten und aus den Konsortien sowie aus den allgemeinen Forschungs- und
Entwicklungsprozessen zur StadtGesundheit und Nachhaltigkeit
zusammenzuführen und zu integrieren. Wichtige Instrumente sind dabei der
zweisprachige Webauftritt und die Edition. Die internationalen Entwicklungen zu
Sustainable Urban Health bleiben ein wichtiger Hintergrund für
die weitere Arbeit im Forschungsförderprogramm. Die Kontakte zu diesem
Arbeitsfeld im internationalen Raum sollten weiter gepflegt und ausgebaut werden,
weil hierdurch weiterhin wichtige Impulse zu erwarten sind.
Wie die Beiträge des vorliegenden Supplementbandes detailliert für
mehrere Themenfelder aufzeigen, führt der in diesem
Forschungsförderprogramm verfolgte Ansatz von Gesundheit als Thema
für Stadt und Region zu einem breiten Spektrum von Folgerungen und
Empfehlungen. Diese richten sich zum einen an einschlägige
Praxiseinrichtungen, andererseits an Forschung und Lehre in der Wissenschaft, wobei
dem erfolgreichen Zusammenspiel dieser „Welten“ ganz besondere
Bedeutung zukommt.