Schlüsselwörter Risiko Score - Arzneimittel-bezogene Probleme - Krankenhaus - Apotheker:innen - Aufnahmemanagement
Einleitung
Arzneimittel gehören zu den wirksamsten und häufigsten medizinischen Interventionen im Krankenhaus. Die Arzneimitteltherapie soll wirksam und sicher sein und wird oft als sogenannter „Hochrisikoprozess“ bezeichnet und bedarf besonderer Aufmerksamkeit [1 ]. In Deutschland werden bis zu 12% der Vorstellungen in Krankenhausnotaufnahmen durch unerwünschte Arzneimittelwirkungen verursacht und führen häufiger zu einer stationären Aufnahme [2 ]. Ein großer Anteil dieser unerwünschten Wirkungen wird als Medikationsfehler und damit als vermeidbar eingestuft [3 ]. Schätzungen zufolge verursachen Medikationsfehler in Deutschland jährlich Kosten zwischen 0,8 – 1,3 Mrd. € und beeinträchtigen Patient:innen und deren Angehörige [4 ]
[5 ]. Unter Arzneimittel-bezogenen Problemen (AbP) werden unerwünschte Arzneimittel-Ereignisse, unerwünschte Arzneimittel-Wirkungen sowie Medikationsfehler zusammengefasst, die potenziell oder tatsächlich das Erreichen angestrebter Therapieziele verhindern können [6 ].
Ein besonderer Fokus der Arzneimitteltherapiesicherheit liegt hierbei auf den Schnittstellen zwischen den Sektoren in Deutschland. Studien berichten, dass 27–54% der Patient:innen mindestens eine Diskrepanz in der Aufnahmemedikation aufweisen [7 ]
[8 ]
[9 ]
[10 ], wovon zwischen 19–75% unbeabsichtigt waren und zwischen 24–88% während des Krankenhausaufenthaltes fortbestehen können [7 ]
[11 ]. Eine Übersichtsarbeit schätzt 11–59% der Diskrepanzen als klinisch-relevant ein [10 ]. Dabei zählt das Auslassen der Medikation zu den am häufigsten identifizierten Medikationsfehlern (13%–57% [1 ]
[4 ]
[12 ]). Bei Krankenhausaufnahme haben 13% eine relevante Arzneimittelinteraktion und bis zu 28% bzw. 21% der Patienten erhalten mindestens ein nicht korrekt dosiertes bzw. kontraindiziertes Medikament [13 ]. Die Durchführung einer bestmöglichen Medikationsanamnese ermöglicht die umfassende und strukturierte Erfassung und Evaluation der Medikation zum Zeitpunkt der Aufnahme im Krankenhaus [14 ]. Die Einbeziehung von Stationsapotheker:innen in die Anamnese und Prüfung der Medikation ist wirksam bei der Erkennung und Behebung von AbP insbesondere bei Hochrisikopatient:innen [15 ]
[16 ]. Viele Krankenhausapotheker:innen übernehmen bereits diese wichtige Aufgabe im Klinikalltag. Dies spiegelt sich auch im steigenden Anteil der täglich erbachten pharmazeutischen Leistungen in deutschen Krankenhäusern wider [17 ]. Im niedersächsischen Krankenhausgesetz sind bereits Stationsapotheker:innen für Krankenhäuser mit dem Ziel verankert, eine sichere, wirksame und kostengünstige Arzneimitteltherapie sicherzustellen. Pharmazeutische Dienstleistungen wie z.B. eine Medikationsanalyse und Medication Reconciliation bei der Patientenaufnahme, während des stationären Aufhaltens sowie bei der Entlassung sind geeignete Maßnahmen zur Verbesserung der Patienten- und Arzneimitteltherapiesicherheit im stationären Sektor.
Scoring-Tools zur Detektion von AbP und anderen Risikofaktoren werden als hilfreiche Tools für die Priorisierung der Stationsapothekerarbeit im Krankenhaus diskutiert [18 ]
[19 ]. Eine aktuelle Übersichtsarbeit identifizierte 14 Studien, die 844 Risikofaktoren für die Aufnahme in prädiktive stationäre Scoring-Tools bewertet haben [19 ]. Die verschiedenen stationären Risikoscores unterscheiden sich u.a. in der untersuchten Population, Stichprobengröße, Anzahl von Risikofaktoren, statistischer Methode und Validität. Saedder und Kollegen entwickelten den sogenannten Meris-Score als allgemeingültigen Risikoscore für AbP im Krankenhaus basierend auf einer dänischen Population (n=302), der als alltagstauglich beschrieben wird und durch zwei Studien extern validiert wurde [20 ]
[21 ]
[22 ]. Insgesamt werden drei Risikofaktoren (Nierenfunktion, Anzahl der Arzneimittel sowie Bewertung der Arzneimittel mit Risiko-bzw. Interaktionspotenzial) berücksichtigt, mit einer Punktzahl bewertet und anschließend die Summe der Punktwerte als Meris-Score berechnet. Ab einem Cut-off-Wert Meris-Score >10 steigt die Wahrscheinlichkeit, potenziell schwerwiegende AbP zu erfahren und der Cut-off wurde als zuverlässig beschrieben [21 ]. In den Validierungsstudien werden Cut-off-Werte zwischen >13 bis >15 [20 ]
[21 ]
[22 ] angewandt.
Ziel dieser Arbeit soll es sein, den Anteil der Patient:innen mit einem erhöhten Risiko für AbP bei Aufnahme in sächsische Krankenhäuser zu dokumentieren und die Praktikabilität des Meris-Score im Arbeitsalltag durch Apotheker:innen zu eruieren. Darüber hinaus wird ein erster Überblick der pharmazeutischen Dienstleistungen in sächsischen Krankenhausapotheken gegeben.
Methode
Design und Setting
In der multizentrischen Punkt-Prävalenz-Analyse (PPA) wurde die gesamte Medikation der Patient:innen in den teilnehmenden Krankenhäusern am Aufnahmetag (ein freigewählter Tag in einer Woche im Juli 2022) unter Nutzung des Meris-Scores evaluiert. Für alle an diesem Tag stationär aufgenommenen Patient:innen des Krankenhauses wurde der Fachbereich, das Alter (Jahre), die Nierenfunktion (in mL/min) oder Serum-Kreatinin (in µmol/L) (entsprechend der klinischen Dokumentation maximal 14 Tage vor Aufnahmetag bzw. maximal 48h nach Aufnahme) sowie die Anzahl und Wirkstoffbezeichnung der bei der Aufnahme verordneten Arzneimittel erfasst. Für die teilnehmenden Zentren wurden sowohl Strukturdaten (Bettenanzahl, Versorgungsstufe, Case-Mix-Index [Jahr 2021], Anzahl der durch die Krankenhausapotheke versorgten Standorte, Anzahl der Vollzeitstellen für Apotheker:innen) als auch prozessorientierte Daten (Angebot pharmazeutischer Dienstleistungen in den Zentren) abgefragt. Den Zentren wurde ein Excel-basierte Vorlage zur Übermittlung der anonymisierten Daten der eingeschlossenen Patient:innen zur Verfügung gestellt. Die Klinik-Leitung wurde mit einem Schreiben über die Inhalte, Ziele und Durchführung der PPA informiert.
Für die Ermittlung des Risikos wurden die Angaben zur Nierenfunktion und die Anzahl der Arzneistoffe sowie eine risiko-orientierte Bewertung der Arzneistoffe berücksichtigt. Diese risiko-orientierte Bewertung wurde durch ein Expertengremium erstellt und folgt einem dreistufigen Schema, welches das Schadens- und Interaktionspotenzial bewertet [23 ]. Betrachtet wird die Summe des durch die Bewertung erzielten Punktwertes. In der Literatur sind Cut-off-Werte von 10 bis 26 beschrieben. Die Sensitivität und Spezifität variiert je nach Cut-off-Wert zwischen 0,03 (Cut-off-Wert 26) –0,93 (Cut-off-Wert 8) bzw. zwischen 0,17 (Cut-off-Wert 8) und 1 (Cut-off-Wert 26) [21 ]. In einer monozentrischen in Deutschland durchgeführten Studie wurde ein Cut-off-Wert >12 evaluiert und erfolgreich in den Klinik-Alltag implementiert. In dieser Studie wurden durchschnittlich 1,72 AbP in der Gruppe mit einem Meris-Score >12 dokumentiert und der Score als zuverlässig und robust eingeschätzt [24 ]. Für unsere multizentrisch durchgeführte PPA übernehmen wir diesen Cut-off-Wert mit nachgewiesener Relevanz und Praktikabilität.
Nach einer deskriptiven Auswertung (EXCEL Microsoft) wurden die Daten zusammengeführt und der Meris-Score ermittelt [22 ]. Wir haben deskriptive Analysen mittels der Angabe von absoluten und relativen Häufigkeiten sowie der Beschreibung von Mittelwerten und Standardabweichungen vorgenommen.
Einschluss- und Ausschluss-Kriterien
Eingeschlossen wurden alle Patient:innen, die am Tag der PPA mindestens 18 Jahre alt waren und für die eine aktuelle Nierenfunktionsbestimmung (d.h. maximal 14 Tage vor Aufnahmetag bzw. 48h nach Aufnahme erhoben) vorlag.
Ausgeschlossen wurden Patient:innen, für die keine gültigen Arzneimittelverordnungen bei Aufnahme und Nierenfunktionsbestimmung vorlag, die jünger als 18 Jahre waren und deren Aufnahme auf eine Intensivstation oder eine pädiatrische Station erfolgte. Vom Studienteam wurden alle übermittelten Patienten auf Einschlusskriterien geprüft und sofern diese nicht eingehalten worden (z.B. fehlende GFR oder unvollständige Daten), wurden die Patienten von der Analyse ausgeschlossen.
Ethik-Approval
Das Projekt wurde (stellvertretend) für alle teilnehmenden Zentren der Ethikkommission der Technischen Universität Dresden vorgelegt und genehmigt (SR-EK-364082022). Die datenschutzrechtliche Prüfung wurde durchgeführt.
Die Sekundärdatenanalyse wurde gemäß ‚Guter epidemiologischer Praxis und Guter Praxis Sekundärdatenanalyse‘ durchgeführt [25 ]. Zur Erhebung der Daten war kein Patientenkontakt nötig.
Ergebnisse
Demografie
Insgesamt haben sich 11 (58%; 11/19) Krankenhausapotheken in Sachsen an der PPA beteiligt, wobei drei mit mehr als einem Zentrum teilgenommen haben (2x 2 Standorte, 1x 3 Standorte, 8x 1 Standort). Insgesamt neun Zentren sind der Regelversorgung, vier der Maximalversorgung und zwei der Schwerpunktversorgung zugeordnet. Der Case Mix-Index der Zentren (2021) betrug 0,90 (Median, IQR 0,8–1,0) und der Versorgungsumfang pro Zentrum umfasst 1025 Betten (Median, IQR 715,5–2300). Die Zahl der angestellten Apotheker:innen (Vollzeitkräfte) pro Krankenhausapotheke wurde im Median mit 7 (IQR 3,9–12) angegeben. Von allen Zentren wird eine Arzneimittelberatung auf Nachfrage angeboten. Risikobasiert bzw. an einzelnen Standorten waren das pharmazeutische Aufnahmemanagement (72%; 8/11), Stationsapotheker:innen (54%; 6/11) und das Medikationsmanagement (54%; 6/11) etabliert ([Abb. 1 ]). Der Zeitaufwand für Apotheker:innen im Aufnahmemanagement wurde vor allem auf >20h pro Woche (4/11), gefolgt von <5h/Woche (2/11), 5–10h/Woche (1/11) und 11–20h/Woche (1/11) geschätzt.
Abb. 1 Angebot pharmazeutische Dienstleistungen in den teilnehmenden Zentren (n = 11 Krankenhausapotheken).
Insgesamt wurden 70% (1614/2309) aller möglichen Patient:innen an einem Tag gescreent. Hier wurde davon ausgegangen, dass in Sachsen 2021 842903 Patient:innen stationär aufgenommen wurden, entsprechend 2309 pro Tag [26 ]. Davon erfüllten 1339 die Einschluss-Kriterien (83%; 1339/1614). Nach Begutachtung durch die jeweiligen Zentren wurden 1082 Patient:innen (67%; 1082/1614) dem Studien-Team übermittelt, welches 875 (875/1614; 54%) Patient:innen in die Auswertung einbezog ([Abb. 2 ]). Die Anzahl der ausgeschlossenen Patienten und die Gründe für den Ausschluss werden detailliert in [Abb. 2 ] beschrieben.
Abb. 2 Patienteneinschluss.
Meris-Score
Die demografischen Daten der eingeschlossenen Patient:innen sind in [Tab. 1 ] dargestellt. Bei 279 (279/875; 32%) wurde ein Meris-Score >12 und bei 596 Patient:innen (596/875; 68%) ein Meris-Score ≤12 ermittelt ([Abb. 3 ], Supplement 1). Das Alter der Patient:innen in der Meris-Score >12-Gruppe betrug im Mittel 75,9 ± 11 Jahre und in der Meris-Score ≤12-Gruppe im Mittel 60,6 ± 17,9 Jahre. Die Nierenfunktion der Patient:innen in der Meris-Score >12-Gruppe betrug im Mittel 45,9 ± 24,4 mL/min, sowie in der Meris-Score ≤12-Gruppe im Mittel 81,4 ± 18,2 mL/min. Die Anzahl der Arzneistoffe pro Patient:in betrug 6,6 (Mittelwert; Standardabweichung 4,1; n=875) in der gesamten Studienpopulation, in der Meris-Score >12-Gruppe waren es 10,6 (Mittelwert; Standardabweichung 3,5; n=279) in der Meris-Score ≤12-Gruppe nur 4,6 (Mittelwert; Standardabweichung 2,8; n=596).
Tab. 1 Demografie Patient:innen.
Meris-Score ≤12 (n / Prozent)
Meris-Score >12 (n / Prozent)
eingeschlossene Population (n / Prozent)
Erklärung Abkürzung: 1 Augenklinik, Gynäkologie, Dermatologie; Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Mundkiefer-Gesichtschirurgie, Palliativmedizin, Intermediate Care; Die Prozentangaben auf die Patient:innen der jeweiligen Vergleichsgruppe bezogen.
596
279
875
Geschlecht
männlich
339 (56,9%)
159 (57,0%)
498 (56,9%)
weiblich
257 (43,1%)
120 (43,0%)
377 (43,1%)
Alter (nach Gruppen)
18–44 Jahre
80 (13,4%)
2 (0,7%)
82 (9,4%)
45–64 Jahre
196 (32,9%)
36 (12,9%)
232 (26,5%)
65–80 Jahre
218 (36,6%)
124 (44,4%)
342 (39,1%)
>80 Jahre
102 (17,1%)
117 (41,9%)
219 (25,0%)
GFR (nach Gruppen)
<=30 mL/min
1 (0,2%)
72 (25,8%)
73 (8,3%)
>30–<60 mL/min
66 (11,1%)
145 (52,0%)
211 (24,1%)
>=60 mL/min
529 (88,8%)
62 (22,2%)
591 (67,5%)
Medikamente nach Anzahl
1–5
384 (64,4%)
8 (2,9%)
392 (44,8%)
6–11
212 (35,6%)
152 (54,5%)
364 (41,6%)
>=12
–
119 (42,7%)
119 (13,6%)
Versorgungsstufe
Schwerpunktversorgung
128 (21,5%)
48 (17,2%)
176 (20,1%)
Regelversorgung
160 (26,8%)
104 (37,3%)
264 (30,2%)
Maximalversorgung
308 (51,7%)
127 (45,5%)
435 (49,7%)
Fachbereiche
Allgemeine Chirurgie
77 (12,9%)
24 (8,6%)
101 (11,5%)
Innere Medizin
176 (29,5%)
143 (51,3%)
319 (36,5%)
Neurologie /Neurochirurgie
48 (8,1%)
11 (3,9%)
59 (6,7%)
Notaufnahme
13 (2,2%)
16 (5,7%)
29 (3,3%)
Orthopädie / Unfallchirurgie
54 (9,1%)
18 (6,5%)
72 (8,2%)
Psychiatrie
14 (2,3%)
6 (2,2%)
20 (2,3%)
Sonstige1
114 (19,1%)
30 (10,8%)
144 (16,5%)
Urologie
77 (12,9%)
22 (7,9%)
99 (11,3%)
Viszeral-, Transplantations-, Thoraxchirurgie
23 (3,9%)
9 (3,2%)
32 (3,7%)
Abb. 3 Meris-Score Verteilung gesamte Studienpopulation.
Diskussion
Ein knappes Drittel der untersuchten Patient:innen hat entsprechend des Meris-Scores ein erhöhtes Risiko für AbP mit den daraus möglicherweise resultierenden Beeinträchtigungen oder Schädigungen. Der ermittelte Wert liegt am unteren Ende der Ergebnisse aus den Validierungsstudien (34–52%), in denen mit abweichenden Cut-off-Werten gearbeitet wurde [20 ]
[21 ]; verglichen mit der in Deutschland durchgeführten Studie mit dem gleichen Cut-off-Wert liegt der Wert jedoch deutlich höher (18,6%) [24 ]. In einem nächsten Schritt bedarf es einer Evaluation der AbP in der Meris-Score >12-Gruppe durch eine qualifizierte und strukturierte pharmazeutische Betreuung (z.B. Medikationsanalyse oder Best possible Medication History [BPMH]), um die klinische Relevanz zu prüfen.
Unsere Studie zeigt, dass pharmazeutische Dienstleistungen noch nicht als Bestandteil der Routineversorgung etabliert sind und häufig nur an einzelnen Standorten und risikobasiert angeboten werden, wenngleich in Deutschland zunehmend Berichte über Stationsapotheker:innen publiziert werden [17 ]
[18 ]
[27 ]
[28 ]. So stieg der Anteil der täglich erbrachten pharmazeutischen Betreuung von 60% im Jahr 2017 auf 83% im Jahr 2019 [21 ]. Dem wachsenden Bedarf an Expert:innen für Arzneimitteltherapiesicherheit (klinische Pharmakolog:innen, Pharmazeut:innen) steht ein Mangel an entsprechenden personellen und finanziellen Ressourcen gegenüber [17 ]
[18 ]
[27 ]
[28 ]. Vor diesem Hintergrund erscheint ein risikobasiertes Vorgehen sinnvoll. Der Meris-Score identifiziert Risikopatient:innen, die dann vorrangig einer pharmazeutischen Betreuung zugeführt werden sollten, um eventuelle AbP frühzeitig zu identifizieren und gemeinsam im multiprofessionellen Team Lösungen zu finden [22 ]
[24 ].
Für eine (bestmögliche) Medikamentenanamnese werden zwischen 14–40 Minuten berichtet [16 ]
[24 ]
[29 ]. Für ein mittleres Krankenhaus mit 20 Aufnahmen pro Tag entspricht dies 1,5 bis 4 h Arbeitszeit für die Durchführung einer Medikationsanamnese (BPMH) durch geschultes pharmazeutisches Personal. Eine kürzlich veröffentlichte Untersuchung bestätigt, dass 78% der Krankenhäuser einen „ziemlich großen“ bzw. „sehr großen“ Nutzen im Einsatz von Apotheker:innen bei der Aufnahme ins Krankenhaus sehen [27 ]. In unserer PPA betrug die Anzahl der Medikamente sechs in der gesamten Studienpopulation und 10 in der Meris-Score >12-Gruppe. Für die Gesamtpopulation fällt diese Zahl etwas niedriger als erwartet aus [20 ]
[21 ], liegt aber im Bereich der derzeitigen Bemessungsgrenze für die im ambulanten Sektor durchgeführten, refinanzierten Medikationsanalysen für Patient:innen mit Polymedikation (mehr als fünf Medikamente in der Dauermedikation).
Limitationen
Limitation unserer Studie ist die Teilnehmerzahl mit nur etwas mehr als die Hälfte der Krankenhausapotheken in Sachsen. Eine Limitation könnte auch die Beschränkung der Untersuchung auf das Bundesland Sachsen sein, wobei sich die Bevölkerungsstruktur Sachsens wie auch die Krankenhausapothekendichte nicht wesentlich von anderen Bundesländern unterscheidet, sodass die Ergebnisse als grundsätzlich auf Deutschland übertragbar angesehen werden. Die Durchführung der PPA im Monat Juli vernachlässigt saisonale Effekte wie zum Beispiel die Influenzawelle im Winter und kann die Situation in Sachsen nur punktuell abbilden. Schwankungen von Patient:innen-Zahlen sowie der Anteil elektiver im Vergleich zu notfallmäßigen Einweisungen wurden damit nicht berücksichtigt. Der von uns angenommene Cut-off für den Meris-Score >12 für ein erhöhtes Risiko für AbP liegt am unteren Ende vergleichbarer Studien (größer 12 bis größer 14 [20 ]
[21 ]
[22 ]). Diese Aktionsgrenze erlaubt es, möglichst viele Patient:innen mit einem erhöhten Risiko für AbP zu identifizieren und erscheint für Deutschland, wo die sektorenübergreifende kontinuierliche pharmazeutische Betreuung aktuell nicht flächendeckend etabliert ist, gerechtfertigt [24 ]
[30 ]
[31 ].
Zusammenfassung und Ausblick
Zusammenfassend ist zu sagen, dass der Meris-Risikoscore ein praktikables Tool zur Identifikation von Risikopatient:innen im Klinikalltag darstellt. Unserer Kenntnis nach wurde erstmals die Praktikabilität und Anwendbarkeit des Meris-Score-Tools multizentrisch bei der Aufnahme von Patient:innen ins Krankenhaus in Deutschland untersucht. Das Tool ist schnell einsetzbar, praktikabel und kann auch digital ins Krankenhausinformationssystem implementiert bzw. ohne vorherige Schulung durch nicht-pharmazeutisches Personal angewendet werden. Die so identifizierten Patient:innen können einer gezielten individuellen pharmazeutischen Betreuung zugeführt werden und den Apotheker:innen steht damit ein wichtiges Tool zur Risiko-Stratifizierung zur Verfügung. So kann ein Beitrag zu einer sicheren, wirksamen und kostengünstigen Arzneimitteltherapie sowie zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit für unsere Patient:innen in sächsischen Krankenhäusern geleistet werden.
Eine Aussage zur klinischen Relevanz der AbP in der Meris-Score >12-Gruppe ist nicht möglich und war nicht Gegenstand unserer Studie. Eine wichtige weiterführende Fragestellung wäre, die identifizierten Patient:innen mit einem erhöhten Risiko für AbP auf deren Auftreten und klinische Relevanz zu prüfen. Der Meris-Score erscheint uns als praktikables und hilfreiches Tool zur Identifizierung von Patient:innen mit einem erhöhten Risiko für AbP und nützlich zur Priorisierung der Stationsapothekerarbeit ([Abb. 4 ]).
Abb. 4
Pharmazeutische Dienstleistungen sind in sächsischen Krankenhausapotheken noch nicht regelhaft etabliert.
Prädiktive Risiko-Scoring-Tools zur Identifizierung von Hochrisikopatient:innen können zur Priorisierung der pharmazeutischen Arbeit auf Station eingesetzt werden.
Bei 32% der untersuchten Patient:innen wurde ein erhöhtes Risiko für Arzneimittel-bezogene Probleme mittels Risiko-Scoring-Tool ermittelt.
Finanzielle Unterstützung
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Die Veröffentlichung der Publikation wurde vom Bundesverband Deutscher Krankenhausapotheker e.V. (ADKA) Hauptsitz in Berlin durch Übernahme der Gebühren für Open-Access-Publikationen unterstützt.