Keywords occupational diseases - degenerative spine conditions - structured image diagnosis - intervertebral disc degeneration - systematic medical image analysis
Einleitung
Seitens der Sozialgesetzgebung (SGB/Sozialgesetzbuch IV und VII) werden berufsbedingte Einschränkungen der Erwerbstätigkeit (s. Liste der Berufskrankheiten (BK): „BK-Liste“; [1 ]) präventiv begleitet und bei Anerkennung ggf. entschädigt.
Die Begutachtung für die Anerkennung oder Ablehnung einer Berufskrankheit (BK) ist ein juristisches Feststellungsverfahren [2 ]
[3 ], welches auf einer medizinischen Beurteilung des Versicherten beruht [4 ]
[5 ]. In diese Zusammenhangsprüfung fließen klinische und bildgebende Beurteilungskriterien als Beweismittel ein [6 ]. Aufgabe dieser Prüfung ist zum einen der Nachweis einer Beziehung zwischen der versicherten Tätigkeit und den schädigenden Einflüssen („Einwirkungskausalität“/Sozialgesetzbuch VII, § 9) und zum anderen zwischen dieser Schadenseinwirkung und der Berufskrankheit („haftungsbegründende Kausalität“/BGB; § 823 Abs. 1 [7 ]).
Als wesentliche Grundlage zur Beurteilung der haftungsbegründenden Kausalität dient u. a. die bildgebende Diagnostik als „Beweismittel nach Augenschein“ [8 ] und ist somit Bestandteil der Beurteilung der BK 2108/2110 (s. SGB VII § 7/Abs. 1 [9 ] und § 9/Abs. 2 [10 ]: Berufskrankheiten-Liste: BK 2108: „LWS – Tragen“, „Heben“, „Rumpfbeugung“/BK 2110: LWS – „vertikale Ganzkörperschwingungen“).
Es liegt ein zweiteiliges Konsenspapier [4 ] zur „Beurteilung bandscheibenbedingter Berufskrankheiten der Lendenwirbelsäule“ aus dem Jahr 2005 vor, das die „medizinischen Beurteilungskriterien“ zusammenfasst (Klinischer Befund, Berufsanamnese, bildgebende Befunde) und damit einen Leitfaden [11 ] für den interdisziplinären Begutachtungsprozess zur Verfügung stellt.
Ziel
Es werden klinische und verfahrenstechnische Hinweise (Teil 1) für den interdisziplinären Begutachtungsprozess angeboten und zur Nutzung im Rahmen der Qualitätssicherung empfohlen.
Das Bild-Referenzmaterial (Teil 2) soll die Bildauswertung im Rahmen der medizinischen Begutachtung zur BK 2108/2110 durch vergleichende Bildanalyse unterstützen und die im Konsenspapier angegebenen Bildkriterien und Befundklassifikationen reproduzierbar belegen.
Bildgebung
Grundlagen
Basis der medizinischen Begutachtung im Rahmen des „Feststellungsverfahrens“ zu den Berufskrankheiten 2108 und 2110 ist die ärztlicherseits reproduzierbare, fallbezogene Feststellung einer „Befund-Konstellation“ (z. B. „Konsens-Konstellationen“ „A“, „B“ oder „C“; [4 ]).
Die bildgebende Diagnostik dient dem Nachweis oder Ausschluss eines „belastungskonformen Schadensbildes“ der Lendenwirbelsäule (BK 2108/2110).
Sich etwaig ergebende Schadenersatzansprüche im Sinne der „Minderung der Erwerbsfähigkeit“ („MdE“ = „haftungsausfüllende Kausalität“; BGB § 823 Abs. 1 [7 ]) werden hingegen in einer getrennten, klinisch-gutachterlichen Entscheidung bewertet und sind nicht Zielstellung der bildgebenden Diagnostik.
Im Geltungsbereich des SGB VII (zuständig sind die Gesetzlichen Unfallversicherungsträger: DGUV) zielen grundsätzlich Ersatz- bzw. Entschädigungsansprüche auf den etwaig verlorenen Anteil am Arbeitsmarkt ab. Es geht, im Gegensatz zur Privaten Unfallversicherung, nicht um den gegenüber der Norm „vorliegenden Funktionsverlust [12 ] durch die nachgewiesene Organschädigung“ (z. B. Bandscheibenschaden).
Konkrete Aufgabe der bildgebenden Diagnostik im Feststellungsverfahren zu den BK 2108 und 2110 ist die reproduzier- und belegbare Erfassung (Röntgen, MR) bildmorphologischer Kriterien der Chondrose, Sklerose, Spondylose, Spondylarthrose [13 ], sowie typischer Bandscheibenveränderungen [14 ]
[15 ].
„Vergleichs-Bilder für die systematische Bildanalyse“
Die entscheidend-qualitative Anforderung an den Nachweis und die Graduierung von Befundkriterien im Rahmen der Bewertung von Berufskrankheiten ist deren Reproduzierbarkeit
[16 ]
[17 ].
Aus Sicht der bildgebenden Diagnostik sind hierfür sowohl
standardisierte Untersuchungsbedingungen ([17 ]; MR-Protokolle der AG MSK-Bildgebung der Deutschen Röntgengesellschaft – Homepage) als auch
gutachterlich verwertbare, d. h. beweisbare Bildbeurteilungen erforderlich. Hierfür stehen die „systematische Bildanalyse “ [17 ] und die „strukturierte Befundung “ (DIN 6827-5; [18 ]) zur Verfügung.
Untersuchungstechnik und -protokolle
Untersuchungstechnik und -protokolle
Die Auswahl der bildgebenden Methoden bzw. deren Kombination erfolgt anhand der klinischen bzw. gutachterlichen Fragestellung [3 ]
[8 ] und der darzustellenden Zielorgane.
Hieraus kann die „rechtfertigende Indikation“ (§ 83, Abs. 3 StrlSchGesetz [19 ] und § 119 StrlSchV [20 ]) begründet werden, die im Rahmen der Begutachtung keiner klinischen (§ 83, Absatz 1.1 [19 ]), sondern einer „sozialen“ (§ 83, Absätze 1.2 und 2 [19 ]) Indikation entspricht – d. h. die Untersuchung liegt im wirtschaftlichen Interesse des Versicherten.
Im Rahmen der Bewertung berufsbedingter Schäden an der Wirbelsäule stehen die arbeitstechnisch exponierten Wirbelkörper- und -gelenke, sowie die Bandscheiben (s. Mainz-Dortmunder Dosismodell: „MDD“) im Vordergrund.
Es geht um die Erfassung von Schadensbildern, deren Nachweis, Schweregrad und Kombination einem belastungskonformen Ausprägungsgrad [4 ]
[21 ] zuzuordnen sind.
Seitens der bildgebenden Diagnostik kommen hierfür Wirbelsäulenaufnahmen in 2 Ebenen (Projektionsradiographie) zum Einsatz [17 ]. Die relevanten ossären Strukturen und die sekundären Kriterien einer Bandscheibenschädigung (Chondrose, Sklerose) sind erfassbar. Alternativ kann die überlagerungsfreie Computertomographie (CT) mit uniplanaren Sekundärrekonstruktionen genutzt werden, ist jedoch regelhaft nicht die Eingangsdiagnostik.
Die Magnetresonanztomographie (MR) der Wirbelsäule, insbesondere der LWS, dient der Erfassung direkter Kriterien der Bandscheibenschädigung [14 ]
[15 ] und ist daher zur Sicherung der „Befund-Konstellation“ [4 ]; „E-Konstellationen“ als Methode der Wahl zu empfehlen.
Projektionsradiographie
Der hohe Strukturkontrast des Knochens ermöglicht eine umfassende Kontur- und Strukturdarstellung.
Es sind Aufnahmen in zwei Ebenen erforderlich, um die Zielorgane (HWS, BWS, LWS) hinsichtlich der Wirbelkörperabstände ([Abb. 1a, b ]), der Grund- und Deckplatten, etwaiger osteophytärer Zacken („Spondylose“) und der Wirbelkörpergelenke ([Abb. 1a, b ]) projektionstechnisch dreidimensional zu erfassen.
Abb. 1 Exemplarische Abbildung einer Röntgenaufnahme der LWS in 2 Ebenen mit degenerativen Veränderungen im Sinn der Spondylose sowie degenerativen Veränderungen der Wirbelkörpergelenke bei einem 55-jährigen Patienten.
Die im Konsenspapier zur BK 2108/2110 [4 ] angegebenen Befundkriterien (Chondrose, Sklerose, Spondylose und Spondylarthrose) können mittels Röntgenaufnahmen in 2 Ebenen in die dort definierten Schweregrade eingeordnet werden. Die Befunde sind zudem in „alterstypisch“ bzw. „altersuntypisch“ [4 ] zu unterteilen.
Um dies qualitativ sicherzustellen, sind exakte seitliche und a. p.-Aufnahmen erforderlich, bei denen der divergierende Zentralstrahl lediglich das unvermeidbare Minimum (jeweils bei LWK 1 und LWK 5) projektionsbedingt-geometrischer Verzeichnungen der sich latero-lateral jeweils überlagernden Wirbelkörperkanten aufweisen sollte.
Die seit Jahren geführte Diskussion zu Steh- bzw. Liegeaufnahmen ist für die Befundbewertung unnötig. Bislang wird orthopädischerseits [21 ] die Stehaufnahme als physiologischere Darstellung der Zwischenwirbelräume (z. B. Chondrose) favorisiert.
Da jedoch im Stehen Patientenbewegungen während der Einstellung bzw. der Aufnahme häufig sind, ist ein evtl. „quantitativer Befund“ bildanalytisch hiervon beweislich nicht zu trennen. Im Übrigen (s. u.) erfolgen die Abstandsmessungen mitt-corporal (z. B. Hurxthal I bzw. II – [22 ]
[23 ]) und werden semiquantitativ und intraindividuell ausschließlich relativ in der Befundbewertung berücksichtigt.
Differente Befundanteile, die ausschließlich durch die Stehposition erfasst und nicht morphologisch fixiert sind, können folglich keinen eigenständigen, belastungskonformen Schadensanteil begründen. Daher sind Röntgenaufnahmen der Wirbelsäulenabschnitte im Liegen zu empfehlen.
Einstelltechnik [17 ] und Bildbeschriftung [24 ] sind aus strahlenhygienischen und messtechnischen Gründen wichtig. Die Begutachtung sollte zudem durch erfahrene, fachkundige Personen erfolgen.
Abbildungstechnisch sollten ausschließlich digitale Dokumentationstechniken (Flachdetektortechnik) eingesetzt und insbesondere auf eine exakte Einblendtechnik [25 ] geachtet werden ([Abb. 1 ]).
Magnetresonanztomographie (MR)
Wesentliche Zielstruktur der MR-tomographischen Bildgebung im Rahmen der BK-2108/2110-Begutachtung sind Bandscheibenbefunde und die konsekutiven Veränderungen der Wirbelkörper.
Einerseits sollen Graduierungen degenerativer Bandscheibenschäden [14 ] objektiviert, andererseits evtl. vorhandene Bandscheiben-Herniationen („Extrusionen“; [15 ]) differenziert werden (Protrusion vs. Prolabierung). Zielsetzung der MR-Untersuchungen auf der Grundlage des Konsenspapiers sind der direkte Nachweis der Bandscheibenschädigung (Chondrose, Protrusion, Prolaps) und sekundär-ossärer Wirbelkörperreaktionen (Sklerose, Spondylophyten, Spondylarthrose).
Untersuchungstechnisch sollte die HWS von der Schädelbasis bis zum 3. BWK und die LWS vom 12. BWK bis zum Os sacrum (ISG-Fugen) mit sag. T1-TSE, sag. T2-TSE mit Fettsättigung, ax. T2-TSE und cor. PD-Sequenz untersucht werden. Alternativ kann sag. eine T2-TSE-3D-Sequenz eingesetzt werden (Protokollempfehlungen der AG MSK-Bildgebung der DRG).
Befundung
Bildgebung
Projektionsradiographie
Für jede Röntgenbilddokumentation ist eine schriftliche Befundung (§ 85, Absatz 4 StrlSchGesetz [26 ]) durch fachkundige bzw. teilfachkundige Ärzte/-innen (§ 30 StrlSchV [27 ]; Fachkunderichtlinie 3.1. und Anlage F) erforderlich. Diese ist Bestandteil der Untersuchungsdokumentation.
Gemäß gutachterlicher Fragestellung (s. o.) sollte die Erfassung der Wirbelkörperabstände (Chondrose), der Deck- und Grundplattendicke (Sklerose), der Randzackenbildungen (Spondylose) inklusive der digitalen Messung etwaiger Spondylophyten und der Veränderungen der Wirbelgelenke (Spondylarthrose) bereits im Rahmen der Erstbefundung vorgenommen und im Befund-/Beurteilungstext dokumentiert werden.
Die Erfassung der ossären Befundkriterien erfolgt durch systematische Bildanalyse . Diese definiert sich als Kontur- und Strukturerfassung der mittels der bildgebenden Methoden (Röntgen, MR) jeweilig untersuchten Zielorgane – im Fall der BK 2108 und 2110 hinsichtlich der Wirbelkörper- und Gelenke , sowie beim MR der Bandscheiben.
Methodisch werden die Bildkriterien hinsichtlich ihres Nachweises („vorhanden“) oder Ausschlusses („nicht-vorhanden“) geprüft und dokumentiert. Diese Ja/Nein-Erfassung ist ein „binärer Entscheidungsprozess “.
Wir schlagen vor, Bildkriterien, die einem binären Entscheidungsalgorithmus unterworfen werden können („vorhanden“/„nicht-vorhanden“) und damit der Qualitätssicherung, insbesondere im Rahmen der Begutachtung der Reproduzierbarkeit dienen, „binäre Kriterien “ zu nennen und für die systematische Bildanalyse bevorzugt einzusetzen.
Quantitativ werden die Befunde, gemäß den Vorgaben des Konsenspapiers [4 ], ausschließlich semiquantitativ (z. B. kleiner „<“; gleich „ = “; grösser „>“) in die Befundkonstellationen einbezogen.
Auf eine millimeterbasierte Messung kann für die Chondrose (Intervertebralabstand), die Sklerose (Deck- und Grundplattenverdickung) und die Spondylarthrose (Sklerose und Hyperostosen der kleinen Wirbelgelenke) verzichtet werden, da eine Messung den prinzipiellen Nachweis/Ausschluss dieser Bildkriterien und damit die Konstellationsvarianten nicht beeinflusst. Messungen können die semiquantitative Befundeinordnung unterstützen und sollten „mittcorporal“ (in der ventro-dorsalen Mitte der Grund- und Deckplatte) nach Hurxthal [28 ] erfolgen (s. [Abb. 2a–c ]).
Abb. 2 a Messungen der Bandscheibenhöhe am Röntgenbild als indirektes Kriterium der Chondrose; b Exemplarische Ausschnittsvergrösserung aus a mit orthogonal getroffenen Wirbeln. Die Messung soll hier „mittcorporal“, daher in der Mitte der Grund- und Deckplatte, erfolgen. c Exemplarische Abbildung von nicht-orthogonal getroffenen Wirbeln, hier entspricht die Bandscheibenhöhe dem Abstand der Mittellinien der ellipsenförmigen Flächen.
Bei nicht orthogonal getroffenen Wirbeln ist die Messmethode nach Hurxthal II [28 ] zu empfehlen. Falls Deck- und Bodenplatten eines Wirbels sich als ovale Flächen abbilden, entspricht die Bandscheibenhöhe dem Abstand der Mittellinien dieser ellipsenförmigen Flächen ([Abb. 2c ]).
Im MR ist zudem ein intraindividueller Vergleich zu den nicht-pathologisch veränderten Segmenten möglich. Das individuelle Ausmaß des „belastungskonformen Schadensbildes“ kann erfasst und hinreichend quantifiziert
[4 ] werden.
Beispiel einer Excel-basierten Eingabe von Messergebnissen und deren Interpretation (siehe [Tab. 1 ]).
Tab. 1
„Excel-Tabelle“ für die Messung der Bandscheibenhöhe. Unter Berücksichtigung der relativen Höhenunterschiede der Bandscheiben verwendet das Programm einen Korrekturfaktor [22 ].
Segment
L1/2
L2/3
L3/4
L4/5
L5 / S1
Bandscheibenhöhe in mm
12,6
12,0
13,8
10,5
11,8
Korrekturfaktor
1,26
1,13
1,05
1
1,16
Korrigierte Bandscheibenhöhe
15,876
13,56
14,49
10,5
13,688
Größte korrigierte Bandscheibenhöhe
15,876
15,876
15,876
15,876
15,876
Normierte relative Bandscheibenhöhe (gerundet)
100 %
85 %
91 %
66 %
86 %
Ausgehend von gemessener Bandscheibenhöhe minus 0,5 mm*
96 %
82 %
88 %
63 %
83 %
Ausgehend von gemessener Bandscheibenhöhe plus 0,5 mm*
100 %
89 %
95 %
69 %
90 %
Interpretation
keine Chondrose
keine Chondrose
keine Chondrose
Chondrose Grad I
keine Chondrose
CAVE: Erst nach Eingabe aller vorliegenden Bandscheibenhöhen sind die Ergebnisse interpretierbar!
* Anmerkung: Ausgehend von einer Messgenauigkeit der Bandscheibenhöhe von +/– 0,5 mm sollte die angegebene „Schwankungsbreite“ der normierten relativen Bandscheibenhöhe bei der gutachterlichen Beurteilung berücksichtigt werden. Die Interpretation des Chondrosegrads orientiert sich an der folgenden Bewertung der normierten relativen Bandscheibenhöhe:
Keine Chondrose:
> 80 %
Chondrose Grad I:
> 66 bis 80 %
Chondrose Grad II:
> 50 bis 66 %
Chondrose Grad III:
< = 50 %
Magnetresonanztomographie (MR)
Die Befundung MR-tomographischer Untersuchungen im Feststellungsverfahren eines „belastungskonformen Schadensbildes“ zu den Berufskrankheiten 2108/2110 sollte folgenden schematischen Vorgaben folgen:
Es erfolgt die systematische Bildanalyse aller Wirbelsäulenstrukturen hinsichtlich etwaiger entzündlicher, degenerativer (z. B. Spinalkanalstenose) und tumoröser Befunde bzw. pathologischer Frakturen. Damit können konkurrierende Faktoren ausgeschlossen bzw. in die kausaldiagnostischen Überlegungen einbezogen werden.
Finden sich interkorporale Bandscheibenschäden, sind diese gemäß dem Konsenspapier zu klassifizieren.
Hinweis: Im Hinblick auf das Mainz-Dortmunder-Dosismodell [6 ] ist, in Ergänzung zur projektionsradiographischen Chondrose-Differenzierung der Grade I und II, die MR als Schwellenindikator unterhalb bzw. oberhalb Pfirrmann-Grad III für die gutachterliche Bewertung der Chondrose von wesentlicher Bedeutung. Der Röntgenbefund wird durch das MR spezifiziert.
Die in der Literatur oft unterschiedliche Zuordnung des Begriffes „black disc“ zu Pfirrmann-Stadien IV und/oder V ist für die „Befund-Konstellationen“ gemäß Konsenspapier nicht erforderlich und sollte unterbleiben.
Bandscheibenherniationsbefunde, auch als Extrusionen bezeichnet, sollten im Rahmen der Begutachtung mit den Begriffen Protrusion und Prolaps unterschieden werden – s. u. [15 ]
[29 ].
Klinische Kriterien
Es müssen chronische oder chronisch-rezidivierende Beschwerden und Funktionseinschränkungen vorliegen. Aus der Regelungsbegründung der Bundesregierung (BT-Drucksache 19/17586, S. 134 [30 ]) geht hervor, dass Rückenbeschwerden in ihrer allgemeinen Form keine Berufskrankheit darstellen.
Praktisches Vorgehen bei der Kausalitätsprüfung mittels der Bildgebung:
1. Schritt: Bestimmung der Segmenthöhe des Bandscheibenschadens (LWK4 / LWK5 und/oder LWK5 / SWK1 oder cranial davon)
2. Schritt: Festlegen der Konstellation nach Konsenspapier [4 ] (positive Arbeitsplatzanalyse vorausgesetzt) LWK4 / LWK5 und/oder LWK5 / SWK1 = „B-Konstellation“, oberhalb LWK4 / LWK5 = „C-Konstellation“
3. Schritt: Ausprägungsgrad des Bandscheibenschadens im am stärksten betroffenen Segment (altersuntypisch versus altersentsprechend)
Weitere Folgeschritte berücksichtigen u. a. ggf. vorliegende konkurrierende Faktoren und sind vorrangig Aufgabe der klinischen Begutachtung.
Arbeitstechnische Ermittlungen, klinische Kriterien, Kausalitätsprüfung mittels Bildgebung
Arbeitstechnische Ermittlungen
Voraussetzung einer BK-Anerkennung 2108/2110 ist eine in der Regel mindestens 10-jährige Tätigkeit, verbunden mit dem regelmäßigen Heben und Tragen schwerer Lasten oder Arbeiten in Räumen unter 100 cm bzw. einer erzwungenen Rumpfbeugehaltung von 90° und mehr.
So wird z. B. eine Druckkraft auf die Bandscheibe LWK 5/SWK 1 von 3,2 kN beim beidhändigen Heben einer Last von 20 kg erreicht.
Bei extremer Rumpfbeugehaltung werden Drücke von 1,7 kN erreicht.
Während bis 2007 nur Tagesdosiswerte ab 5,5 kNh berücksichtigt wurden, ist dieser Schwellenwert mit Urteil des Bundessozialgerichts vom 30.10.2007 (B 2 U 4/06 R)[31 ] weggefallen. Darüber hinaus wird als Voraussetzung einer gefährdenden Gesamt-Belastung nicht die sogenannte Verdoppelungsdosis von 25 × 106 Nh, sondern das „untere Abschneidekriterium“ von 12,5 × 106 Nh als ausreichend angesehen.
Zusammenfassung
Um eine bandscheibenbedingte Erkrankung im Sinne des Verordnungstextes nach BK 2108/2110 feststellen zu können, bedarf es eines pathologischen („nicht-altersentsprechenden“) Bild-Befundes der Bandscheibe (direkte und/oder indirekte Bildkriterien – Teil 1) und eines entsprechend klinischen Krankheitsbildes.
Gemäß den Konsensempfehlungen ist der bildgebende Nachweis eines Bandscheibenschadens unabdingbare, aber nicht hinreichende Voraussetzung für den Nachweis einer bandscheibenbedingten Erkrankung. Hinzukommen muss eine korrelierende klinische Symptomatik, da pathologische Bandscheibenveränderungen auch asymptomatisch bleiben können. Gleichermaßen ist die ungeprüfte Verknüpfung von subjektiv empfundenen diffusen Rückenbeschwerden mit einem positiven bildtechnischen Befund nicht zulässig.
Erforderlich ist der (zumindest) hochwahrscheinliche Zusammenhangsnachweis der festgestellten Funktionsstörung bzw. des Beschwerdebildes mit den betroffenen Segmenten. Es ist daher notwendig, den bildanalytisch nachweisbaren Segmentbefund den Spinalsegmenten und damit dem neurologischen Befundmuster korrekt zuzuordnen (z. B. Bandscheibenschaden LWK4/5 und Schmerzsymptomatik im Dermatom L4).
Für das Anerkennungsverfahren ist eine strukturierte und reproduzierbare fachradiologische Bild-Beurteilung erforderlich. Es empfiehlt sich die systematische Bildanalyse mittels binären Befundkriterien und deren Graduierung. Dies ist die Grundlage der in den Konsensempfehlungen definierten alphanumerischen Befundkonstellationen. Die Kausalitätsprüfung im Rahmen des Anerkennungsverfahrens beruht summarisch auf Bildbefunden, klinischen Befunden sowie der Arbeitsplatzanalyse.
Die im Teil 2 vorgelegten Vergleichsbilder und Arbeitshinweise zum Konsenspapier zur BK 2108/2110 sollen der Qualitätssicherung im Begutachtungsverfahren dienen.