Übersicht/Review
Methoden
Eine systemische Literaturrecherche wurde am 16.09.2022 via PubMed durchgeführt. Es wurden nur Publikationen nach 2010 eingeschlossen, die in englischer und deutscher Sprache verfügbar
waren. Inkludiert wurden Veröffentlichungen, in denen das Patientinnenkollektiv als Primärtumor ein Mammakarzinom sowie die Diagnose der Meningeosis carcinomatosa besaß. Ausschlusskriterium
waren fehlende intrathekale Applikationsform der Medikamente oder andere Medikamente als die zuvor festgelegten.
Die systematische Literaturrecherche der Datenbank PubMed wurde in englischer Sprache mittels folgender Begriffe durchgeführt: „meningeal metastases“, „meningeal carcinomatosis“,
„leptomeningeal metastasis“, „leptomeningeal carcinomatosis“, „leptomeningeal disease“, „breast cancer“, „MTX“, „Methotrexate“, „DepoCyte“, „liposomal cytarabine“, „Trastuzumab“ und
„Anti-HER2“. Die detaillierte Suchstrategie ist [Abb. 1] zu entnehmen.
Abb. 1
Suchstrategie.
Die systematische Literaturrecherche der Datenbank mittels der in [Abb. 1] aufgeführten Suchstrategie ergab 75 potenziell relevante Suchergebnisse. Den zuvor festgelegten Ausschlusskriterien entsprechend wurden nach einem Screening des
Titels sowie Abstracts 56 Studien ausgeschlossen bzw. aufgrund von Duplikaten entfernt. Die verbliebenen 19 Studien wurden mittels des Volltextes geprüft. Elf Studien, die insgesamt 763
Patientinnen inkludieren, wurden dabei abschließend in die Übersichtsarbeit eingeschlossen ([Abb. 2]). Das Studiendesign, die Größe des Patientinnenkollektivs sowie die untersuchten Parameter variierten dabei stark ([Tab. 1]).
Abb. 2
Flussdiagramm des Auswahlprozesses, Anzahl = n.
Tab. 1
Charakteristika der Studien.
Autor (Jahr)
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Studiendesign
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n
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intrathekale Medikamente
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untersuchte Parameter
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Ergebnisse
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CTCAE = Common Terminology Criteria of Adverse Events; IT = intrathekal; MTX = Methotrexat; OS = Gesamtüberleben; PFS-ZNS = progressionsfreies Überleben-zentrales Nervensystem;
WBRT = Whole Brain Radio Therapy
* statistische Signifikanz
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Zagouri et al. (2020) [15]
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Metaanalyse
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24 Studien,
58 Patientinnen
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Trastuzumab allein (n = 20),
in Kombi mit systemischer Therapie (n = 37)
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klinische Entwicklung,
OS
PFS-ZNS
Liquor,
MRT
Auswertung erfolgte für die gesamte Kohorte
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klinische Symptome: in 55% signifikante Verbesserung
OS: 13,2 Monate
PFS-ZNS: 5,2 Monate
Liquor: Ansprechen 55,6%
MRT: Verbesserung/stabil 70,8%
Eine Auswertung der Gruppe mit Trastuzumab-mono-Therapie bzw. Kombination mit anderen systemischen Therapien wurde nicht durchgeführt.
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Pappa et al. (2019) [16]
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Fallbericht
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1 Patientin
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Trastuzumab
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Nebenwirkungen
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mögliche medikamenteninduzierte aseptische Meningitis
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Oberkampf et al. (2022) [17]
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Phase-II-Studie
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19 Patientinnen
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Trastuzumab
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PFS-ZNS
OS
Toxizität, Lebensqualität
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PFS: 5,9 Monate
OS: 7,9 Monate
CTCAE-Toxizität: < 3
Lebensqualität: stabil
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Niwińska et al. (2015) [18]
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Beobachtungsstudie
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149 Patientinnen
(96 mit intrathekaler Therapie)
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MTX (n = 81) vs.
liposomales Cytarabin (n = 15);
systemische Therapie (n = 77) vs.
keine systemische Therapie (n = 72);
WBRT vs. keine WBRT
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OS
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OS:
MTX: 4,2 Monate
liposomales Cytarabin: 4,6 Monate
systemische Therapie: 6 Monate
keine systemische Therapie: 2 Monate
WBRT: 4,6 Monate
keine WBRT: 3,2 Monate
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Meissner und Addeo (2016) [19]
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Fallbericht
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2 Patientinnen
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MTX + Radiotherapie
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OS
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OS:
Fall 1: 17 Jahre
Fall 2: 8 Jahre
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Le Rhun et al. (2020) [13]
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randomisierte kontrollierte Studie
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73 Patientinnen(37 in Kontrollgruppe; 36 in Interventionsgruppe)
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syst. Therapie (Kontrollgruppe) vs.
liposomales Cytarabin + syst. Therapie (Interventionsgruppe)
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OS
Lebensqualität
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OS:
Kontrolle: 4 Monate*
Intervention: 7,3 Monate*
HR = 0,55, 95%-KI: 0,31–0,96, p = 0,04
kein Unterschied in der Lebensqualität
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Laakmann et al. (2017) [12]
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Fallbericht
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2 Patientinnen
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liposomales Cytarabin
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PFS
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PFS-ZNS
Fall 1: 73 Tage
Fall 2 18 + Monate
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Gauthier et al. (2010) [20]
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klinische Studie
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91 Patientinnen
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MTX + Hydrocortison-acetat + Folinsäure (oral)
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OS
prognostische Faktoren
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medianes Überleben:
4,5 Monate ungünstige prognostische Faktoren bei der Diagnose: Leistungsstatus, mehr als 3 Chemotherapien vor der MC-Diagnose, negativer Hormonrezeptorstatus, hoher Cyfra 21–1
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Freyer et al. (2014) [21]
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Fallbericht
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1 Patientin
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Trastuzumab
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Nebenwirkungen
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mögliche medikamenteninduzierte aseptische Meningitis
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Figura et al. (2019) [22]
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Vergleichsstudie
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56 Patientinnen
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Trastuzumab (n = 18) Methotrexat (n = 14)
Thiotepa (n = 1)
alleiniger WBRT (n = 23)
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PFS-ZNS
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signifikanter Unterschied in PFS_ZNS 6-Monats-Raten von 44%, 18% bzw. 26% zwischen IT Trastuzumab, IT Chemotherapie (MTX oder Thiotepa) und WBRT
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Carausu et al. (2021) [23]
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retrospektive Analyse
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312 Patientinnen
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MTX/Thiotepa/Cytarabin
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OS
prognostische Faktoren
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OS:
MTX: 5,2 Monate;* Thiotepa/Cytarabin: 3,5 Monate*
HR 1,68, 95%-KI 1,28–2,22; p < 0,001
prognostische Faktoren:
triple-negative Tumorbiologie
≥ 3 Behandlungslinien vor IT Therapie
≥ 3 Metastasen
IT Thiotepa/Cytarabin anstatt MTX
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Applikationsformen
Alle eingeschlossenen Studien verwendeten eine intrathekale Therapie, wobei sich die Studien teilweise in der Applikationsform unterschieden. Bei 202 Patientinnen wurde die intrathekale
Therapie mittels rezidivierender Lumbalpunktionen appliziert [13]
[17]
[18]
[20]. 54 Patientinnen erhielten die Medikamente durch ein Ventrikelreservoir, wobei Oberkampf et al., Freyer et al. und Figura et al. angaben, explizit ein Ommaya-Reservoir
zu verwenden [13]
[17]
[21]
[22]. Vier Studien machten keine weitere Angabe zu dem verwendeten Applikationsverfahren [12]
[15]
[19]
[23].
Insgesamt werden applikationsbedingte Nebenwirkungen kaum in den Studien untersucht. Le Rhun et al. berichten, dass keine reservoirbedingte Meningitis beobachtet wurde und keine Revision
des Reservoirs erforderlich war [13]. Figura et al. schilderten bei 2 Patientinnen eine Infektion des Ommaya-Reservoir, die zu Shunt-Entfernung, Verabreichung intravenöser Antibiotika und einem
Shunt-Ersatz mit Fortsetzung der intrathekalen Therapie nach Beseitigung der Infektion führte [22]. Grundsätzlich sollte laut Literatur allerdings das Ommaya-Reservoir eine homogenere Diffusion im Liquor gewährleisten als eine Lumbalpunktion [24]
[25].
Methotrexat
Mit intrathekalem (IT) Methotrexat als Therapieoption befassten sich Gauthier et al. sowie der Case Report von Meissner und Addeo [19]
[20]. Zudem verglichen 2 Studien Methotrexat mit anderen Behandlungsmethoden [18]
[22]. Diese werden unter der Überschrift „Vergleich intrathekaler Wirkstoffe“ genauer erläutert. In der klinischen Studie von Gauthier et al. lag das Durchschnittsalter bei
53 Jahren (Range: 30–78). Eine überwiegende Anzahl der Patientinnen hatten eine hormonrezeptorpositive HER2-negative Tumorbiologie (70% ER positiv; 44% PR positiv; 10% HER2-positiv). 78% der
Patientinnen erhielten zusätzlich eine systemische Therapie, die sich nach der zuvor erhaltenden Behandlung richtete. 29% erhielten zusätzlich eine zerebrale, spinale oder kombinierte
Strahlentherapie [20]. Diese Kombination aus zerebrospinaler Strahlentherapie mit intrathekaler Applikation wurden ebenso in den beiden Fällen von Meissner und Addeo verwendet [19]. Die Dosierung von Methotrexat lag in dem Case Report von Meissner und Addeo allerdings bei 12,5 mg 1-mal wöchentlich für 6 bzw. 8 Wochen [19]. Gauthier verwendete hingegen 15 mg/Tag Methotrexat (Tage 1–5), Hydrocortisonacetat (Tag 1, um eine Arachnoiditis zu verhindern) und orale Folinsäure (Tage 1–5), was
alle 2 Wochen wiederholt wurde. Die Verabreichung von Methotrexat wurde so lange fortgesetzt, bis es zu einer neurologischen Progression oder einem Rezidiv kam oder wie der allgemeine
Gesundheitszustand der Patientinnen mit der Behandlung vereinbar war [20].
Die beiden Patientinnen von Meissner und Addeo überlebten zum Zeitpunkt der Verfassung der Studie bereits 8 bzw. 17 Jahre nach der Behandlung und befanden sich zum Zeitpunkt der
Veröffentlichung in vollständiger klinischer und radiologischer Remission [19]. Gauthier et al. berichteten von einem medianen Überleben von 4,5 Monaten (Range 0–53 Monate) [20]. Im Case Report von Meissner und Addeo wird allgemein von einer guten Verträglichkeit des IT Methotrexat gesprochen, ohne Auftreten von schwerwiegenden Nebenwirkungen
[19]. In der retrospektiven Vergleichsstudie von Figura et al. wurde von einer möglichen chemisch induzierten Meningitis als Folge der IT-Methotrexat-Therapie berichtet, die
mit Steroiden behandelt wurde [22].
Liposomales Cytarabin
Von einer intrathekalen Anwendung des liposomalen Cytarabin berichteten Le Rhun et al. sowie Laakmann et al. [12]
[13]. Die überwiegende Anzahl der Patientinnen hatten eine hormonrezeptorpositive, HER2-negative Tumorbiologie des Mammakarzinoms. Le Rhun et al. untersuchten in einer
randomisierten kontrollierten Studie die alleinige systemische Therapie im Vergleich zur systemischen Therapie in Kombination mit IT liposomalen Cytarabin. Die systemische Behandlung wurde
vor der Randomisierung entsprechend den molekularen Tumoreigenschaften, den vorangegangenen Behandlungslinien und dem Allgemeinzustand ausgewählt. Das Durchschnittsalter des
Patientinnenkollektivs betrug bei Studieneinschluss 50,2 (Range: 29,7–84,1) Jahre, und der Primärtumor war meist ein invasives Karzinom des nicht speziellen Typs (NST) [13]. Sowohl in der randomisierten kontrollierten Studie als auch in dem Case Report von Laakmann et al. wurde eine Dosierung von 50 mg IT liposomalen Cytarabin alle 14 Tage
verwendet [12]
[13]. Die 2 vorgestellten Fälle von Laakmann et al. erhielten zudem eine systemische Therapie sowie eine Strahlentherapie [12].
Die Auswertung der randomisierten kontrollierten Studie ergab, dass die Zugabe von IT liposomalen Cytarabin zur systemischen Behandlung das progressionsfreie Intervall im zentralen
Nervensystem (PFS-ZNS) verbesserte (Kontrollgruppe: medianes PFS-ZNS 2,2 Monate; Interventionsgruppe: medianes PFS-ZNS 3,8 Monate). Die mediane Gesamtüberlebenszeit betrug 4,0 Monate
(95%-KI: 2,2–6,3 Monate) in der Kontrollgruppe gegenüber 7,3 Monaten (95%-KI: 3,9–9,6 Monate) in der Interventionsgruppe [13]. Der Case Report von Laakmann et al. berichtete von einem Gesamtüberleben von 79 Tagen in Fall 1 bzw. in Fall 2 von einem progressionsfreien Überleben von mehr als 18
Monaten. Beide Fälle von Laakmann et al. zeigten ein schnelles neurologisches Ansprechen auf die Therapie. Dies könnte laut den Autor*innen mit dem schnellen Beginn der multimodalen
Behandlung nach der Diagnose erklärt werden [12].
Infektionen des Common Terminology Criteria of Adverse Events-(CTCAE-)Grad 3 oder mehr wurden bei 11% der Patientinnen von Le Rhun et al. festgestellt. Zu den häufigsten CTCAE-Toxizitäten
Grad 3 gehörten hämatologische Nebenwirkungen (72%); insbesondere eine Abnahme der Lymphozytenzahl und eine Neutropenie traten hierbei auf [13]. Laakmann et al. berichteten zudem von Kopfschmerzen, Übelkeit, Schwindel und Doppelbildern, die während der Behandlung bei Fall 2 auftraten. Die Therapie sei jedoch
insgesamt gut verträglich [12].
Trastuzumab
Vier Studien beschäftigen sich mit der Verwendung von IT Trastuzumab bei HER2-positiven Mammakarzinomen als Primärtumor [15]
[16]
[17]
[21]. Trotz des stark variierenden Studiendesigns wiesen die Metaanalyse von Zagouri et al. und die Phase-II-Studie von Oberkampf et al. Ähnlichkeiten in Bezug auf das
Patientinnenkollektiv auf. Das Durchschnittsalter der Patientinnen zu Beginn der Therapie betrug 50,7 Jahre (Range: 24–80 Jahre) [15] bzw. 51,2 (Range: 34,8–70,7) Jahre [17]. Alle inkludierten Patientinnen in beiden Studien hatten als Primärtumor ein HER2-positives Mammakarzinom. 32% der Patientinnen von Oberkampf et al. wurden vor der
Verwendung von IT Trastuzumab mittels IT Methotrexat, IT liposomalen Cytarabin bzw. IT Thiotepa behandelt [17]. Bei Zagouri et al. bekamen 21,7% der Fälle zuvor Methotrexat entweder intravenös oder intrathekal appliziert [15]. Lediglich 34,5% der Patientinnen in der Studie von Zagouri et al. sowie 32% in der Phase-II-Studie erhielten während der IT-Trastuzumab-Therapie keine weitere
Behandlung, die sich gegen die Meningeosis carcinomatosa richtete [15]
[17]. Bei Zagouri et al. und bei Oberkampf et al. erhielt ein Großteil der Fälle zusätzlich zum IT Trastuzumab eine nicht einheitliche systemische Therapie, die auf einer
Chemo-, einer endokrinen oder einer anti-HER2-gerichteten Therapie basierte, sowie eine Strahlentherapie des Gehirns. Oberkampf et al. applizierten wöchentlich 150 mg Trastuzumab intrathekal
über 8 Wochen. Die verabreichte Dosis von 150 mg wurde in der Phase-I-Studie von Bonneau et al. ermittelt [26]. In der Studie wurde die angestrebte Liquorkonzentration bei der Höchstdosis (150 mg) erreicht, ohne dass bei den Patientinnen eine dosislimitierende Toxizität auftrat
[26]. Durch die Vielzahl an eingeschlossenen Studien in der Metaanalyse und der dementsprechenden unterschiedlichen Dosierung über stark variierende Zeiteinheiten gaben
Zagouri et al. die mittlere Gesamtdosis des intrathekal verabreichten Trastuzumab von 711,9 mg (SD 634,9, Median 450) an. Zum Vergleich liegt die errechnete Gesamtdosis von Oberkampf et al.
bei 1200 mg (8 × 150 mg).
Insgesamt ergab die Auswertung der Metaanalyse von Zagouri et al., dass die Behandlung in 55% zu einer signifikanten klinischen Verbesserung führte. MR-grafisch zeigte sich in 70,8% eine
partielle Remission oder stabile Situation. Ein Ansprechen des Liquors war bei 55,6% der Fälle gegeben. Das mediane Gesamtüberleben lag bei 13,2 Monaten und das PFS-ZNS bei 5,2 Monaten [15]. Oberkampf et al. kamen nach 8 Wochen Intervention zu dem Ergebnis, dass 74% der Patientinnen (n = 14) frei von einer klinischen neurologischen Progression waren. Das
mediane PFS-ZNS lag bei 5,9 Monaten und das mediane Gesamtüberleben bei 7,9 Monaten [17].
Oberkampf et al. sowie Zagouri et al. berichteten über ein allgemein tolerierbares Sicherheitsprofil von IT Trastuzumab [15]
[17]. In der Metaanalyse wurden in 87,9% der Fälle keine schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse verzeichnet. Es ist keine Toxizität über Grad 3 der CTCAE aufgetreten [15]. Zu den Nebenwirkungen, die möglicherweise mit der Behandlung zusammenhängen, gehörten: Kopfschmerzen, Krampfanfälle und allergische Reaktionen. Diese sind jeweils in
5% der Fälle aufgetreten [17]. Die Case Reports von Freyer et al. und Pappa et al. berichteten unabhängig voneinander von – vermutlich durch Trastuzumab ausgelösten – medikamenteninduzierten,
aseptischen Meningitiden [16]
[21]. Bei Freyer et al. wurde die Behandlung mit intrathekalem Trastuzumab der 43-jährigen Patientin nach der Diagnose der arzneimittelinduzierten, aseptischen Meningitis
abgebrochen. Sie erhielt erstmalig 30 mg IT Trastuzumab über ein Ommaya-Reservoir und entwickelte innerhalb von 2 Stunden die ersten Symptome [21]. Im Gegensatz dazu zeigte der Fallbericht von Pappa et al., dass trotz auftretender Nebenwirkungen bei einer IT-Trastuzumab-Behandlung eine Therapie fortgesetzt werden
konnte. Die 36-jährige Patientin aus dem Fallbericht erhielt für 8 Wochen 150 mg IT Trastuzumab wöchentlich. Nach der 5. Injektion wurde die Diagnose einer arzneimittelinduzierten Meningitis
gestellt. Aufgrund der erfolgreichen Therapie wurde die Behandlung mit IT Trastuzumab ohne weitere unerwünschte Ereignisse im Verlauf fortgesetzt [16].
Vergleich intrathekaler Wirkstoffe
Figura et al. stellten einen signifikanten Unterschied beim PFS-ZNS mit 6-Monats-Raten von 44%, 18% bzw. 26% (p = 0,04) zwischen IT Trastuzumab, IT Chemotherapie (Methotrexat oder Thiotepa)
und Ganzhirnbestrahlung fest. Die 6- und 12-monatigen Gesamt-Überlebensraten betrugen 67%, 39% und 31% bzw. 54%, 10% und 19% zwischen der IT-Trastuzumab-, der IT-Chemotherapie- und der
alleinigen Ganzhirnbestrahlungs-Gruppe. Die 3 unterschiedlichen Interventionsgruppen wiesen dabei keine signifikanten Unterschiede in Bezug auf das Alter der Patientinnen, den
Karnofsky-Performance-Status, das Vorhandensein von parenchymatösen Hirnmetastasen oder die Anwendung einer systemischen Therapie zum Zeitpunkt der Meningeosis-carcinomatosa-Behandlung auf.
Die IT-Trastuzumab-Interventionsgruppe hatte überwiegend ein hormonrezeptorpositives und HER2-positives Mammakarzinom als Primärtumor. Die anderen beiden Gruppen hatten meist einen
hormonrezeptorpositiven und HER2-negativen Primärtumor. IT Methotrexat wurde in einer Dosierung von 12 mg wöchentlich verabreicht. Eine Patientin erhielt 2-mal wöchentlich Thiotepa in einer
Dosis von 10 mg. Die meisten Patientinnen (n = 20; 87%), die eine Ganzhirnbestrahlung erhielten, wurden mit Dosen von 30 Gy in 10 Fraktionen oder 37,5 Gy in 15 Fraktionen behandelt. IT
Trastuzumab wurde in Anfangsdosen zwischen 20 und 50 mg verabreicht. Die Patientinnen erhielten 4 Wochen lang 2-mal wöchentlich IT Trastuzumab, dann 4 Wochen lang wöchentlich und
anschließend 4 Wochen lang alle 2 Wochen den Arzneistoff. Nach der anfänglichen Behandlungsphase wurden in der Regel weiterhin 80 mg alle 2 Wochen oder monatlich appliziert [22]. Dies stellte, von allen in dieser Übersichtsarbeit eingeschlossenen Studien, die geringste verwendete maximale Dosis dar. In der Phase-II-Studie von Oberkampf et al.
wurden 150 mg pro Woche bei einem ähnlichen Wirkungs- bzw. Nebenwirkungsprofil verwendet [17].
Niwińska et al. untersuchten in ihrer prospektiven Beobachtungsstudie die Wirksamkeit unterschiedlicher Behandlungsstrategien von 149 Patient*innen mit Meningeosis carcinomatosa [18]. Dabei wurde grundsätzlich differenziert zwischen den Patientinnen, die liposomales Cytarabin (n = 15) oder Methotrexat (n = 81) erhielten. Insgesamt wurde eine
multimodale Behandlungsstrategie gewählt, sodass die Patientinnen zusätzlich zur intrathekalen Therapie größtenteils noch eine systemische Therapie (n = 77) bzw. Strahlentherapie (n = 92)
erhielten. Die systemische Therapie wurde dabei individuell auch dem Allgemeinzustand der Patientinnen sowie entsprechend der Tumorbiologie des Mammakarzinoms angepasst. Die überwiegende
Anzahl der Patientinnen hatten ein hormonrezeptorpositives HER2-negatives Mammakarzinom. Methotrexat wurde in einer Dosis von 10 mg inklusive 4 mg Dexamethason in den ersten 2 Wochen 2-mal
wöchentlich verabreicht und dann, nach Erreichen einer klinischen Besserung, 1-mal wöchentlich, bis die Gesamtdosis von 150 mg verabreicht wurde. Liposomales Cytarabin wurde in einer Dosis
von 50 mg alle 2 Wochen für insgesamt 5 Behandlungen verabreicht und danach 1-mal alle 4 Wochen bis zum Fortschreiten der Krankheit. Niwińska et al. kamen zu dem Ergebnis, dass insgesamt von
den Behandlungsmethoden nur die systemische Therapie das Überleben der untersuchten Patientinnenpopulation verlängerte. Das Overall Survival (OS) von Patientinnen, die intrathekal mit
Methotrexat behandelt wurden, und von Patientinnen, die mit liposomalem Cytarabin behandelt wurden, war hierbei vergleichbar (IT Methotrexat = 4,2 Monate; IT liposomales Cytarabin = 4,6
Monate). Das OS der Patientinnen, die eine systemische Behandlung erhielten, war 6 Monate; bei den Patientinnen, die keine systemische Behandlung erhielten, betrug das OS hingegen 2 Monate
[18]. Ebenfalls mit dem Gesamtüberleben bei der Verwendung von liposomalem Cytarabin haben sich der Case Report von Laakmann et al. sowie die prospektive Beobachtungsstudie
von Le Rhun et al. beschäftigt. Die Ergebnisse von Niwińska et al. stehen dabei im Kontrast zu Laakmann et al. sowie Le Rhun et al. Die Autor*innen kamen in ihren Studien zu dem Resultat,
dass die Verwendung von IT lipsomalen Cytarabin zu einer deutlichen Verlängerung des ursprünglich erwarteten medianen Gesamtüberlebens führte [12]
[13].
Zu konträren Ergebnissen kommen auch Carausa et al., deren Studie unter dem Punkt „Prognostische Faktoren“ näher erläutert wird. Die Verwendung von IT Cytarabin bzw. Thiotepa führte in der
Studie von Carausa et al. zu einem Gesamtüberleben von 3,5 Monaten, demgegenüber führte die Applikation von intrathekalem Methotrexat zu einem Gesamtüberleben von 5,1 Monaten. Genaue Angaben
zum Behandlungsschema, in Bezug auf Dosierung und Zeitintervallen wurden nicht gemacht [23].
Prognostische Faktoren
Guthier et al. und Carausu et al. versuchten prognostische Faktoren zu identifizieren, um Subgruppen zu definieren, die sich für bestimmte Therapiekonzepte eignen könnten [20]
[23]. Mitthilfe einer multivariaten Analyse konnten Guthier et al. 4 prognostische Faktoren unabhängig voneinander mit dem Gesamtüberleben in Verbindung bringen: den
Hormonrezeptorstatus, den Leistungsstatus (ECOG-Status), die Anzahl der vorangegangenen Chemotherapielinien und den Cyfra-21–1-Spiegel im Liquor zum Zeitpunkt der Diagnose. Der
Leistungsstatus wurde mittels ECOG Performance Status (ECOG) ermittelt. Ungünstige prognostische Faktoren bei der Diagnose waren nach Gauthier et al. ein ECOG-Status > 2, mehr als 3
Chemotherapien vor der Diagnose einer Meningeosis carcinomatosa, ein negativer Hormonrezeptorstatus und ein hoher Cyfra-21–1-Spiegel. Auf der Grundlage dieser 4 prognostischen Faktoren
bildeten Gauthier et al. den „Curie-Score“, einen Prognosescore, mit dem die Patientinnen in 3 Gruppen mit schlechter, mittlerer und guter Prognose eingeteilt werden konnten. Jeder Faktor
wurde gleich gewichtet, da er einen ähnlichen Einfluss auf das Gesamtüberleben in der Studie hatte. Der Gesamtscore ergab sich aus der Summe des Hormonrezeptorstatus (negativ = 1 und positiv
= 0), ECOG-Status (3, 4 = 1 und 0, 1, 2 = 0), vorangegangene Chemotherapielinien (mehr als 3 vorangegangene Linien = 1; weniger als oder gleich 3 Linien = 0) und anfänglichem
Cyfra-21–1-Spiegel im Liquor (> 4 ng/ml = 1) ([Tab. 2]). Da der Cyfra 21–1, ein Fragment des Cytokeratins 19, nicht routinemäßig bei Patientinnen mit Meningeosis carcinomatosa ermittelt wurde, existiert zudem ein
vereinfachter Score ohne den Cyfra-21–1-Wert. Gauthier et al. bezogen sich bei der Verwendung dieses Wertes auf die Studie von Klee et al., laut der Cyfra 21–1 die Tumorlast im Liquor
widerspiegeln könnte [20]
[27].
Tab. 2
Prognostische Faktoren.
prognostischer Faktor
|
Wertung
|
Anmerkung: Curie-Score: gute Prognose: 0–1; mittlere Prognose: 2; schlechte Prognose: 3–4
|
Currie-Score (Gauthier et al., 2010) [20]
|
Hormonrezeptorstatus
|
negativ = 1; positiv = 0
|
ECOG-Status
|
3,4 = 1; 0,1,2 = 0
|
Anzahl vorangegangener Chemotherapielinien
|
> 3 = 1; < 3 = 0
|
Cyfra 21–1
|
> 4 ng/ml = 1; < 4 ng/ml = 0
|
Carausu et al. (2021) [23]
|
triple-negatives Mammakarzinom
|
negativ
|
Anzahl Behandlungslinien vor der IT Therapie
|
≥ 3 = negativ
|
weitere Metastasen
|
≥ 3 = negativ
|
Verwendung von IT Cytarabin/Thiotepa gegenüber MTX
|
negativ
|
Dieser vereinfachte Curie-Score wurde in der Studie von Carausu et al. validiert. Insgesamt konnte durch die Autor*innen die prognostische Rolle des Scores bestätigt werden, es existierte
allerdings ein niedriger C-Index von 0,57. Bei Anwendung auf die Patientinnenpopulation von Carausu et al. war der Curie-Score signifikant prognostisch für das Gesamtüberleben der
Patientinnen. Aufgrund der geringen Anzahl von Patientinnen mit einem Score von 3 haben Carausu et al. die Patientinnen in nur 3 Risikogruppen mit Scores von 0, 1 bzw. 2–3 eingeteilt. 12,8%
der Patientinnen hatten einen Curie-Score von 0 und ein medianes OS von 13,2 Monaten, 39,4% der Patientinnen hatten einen Score von 1 und ein medianes OS von 5,0 Monaten und 47,8% der
Patientinnen hatten einen Score von 2–3 und ein medianes OS von 3,5 Monaten [23].
Carausu et al. untersuchten zudem selbst mittels multivariater Analyse ihre eigene Patientinnenkohorte. Insgesamt 312 Patientinnen, die überwiegend einen hormonrezeptorpositiven,
HER2-negativen Subtypen hatten, erhielten entweder intrathekales Methotrexat, Thiotepa oder Cytarabin (liposomales oder nicht liposomales). Signifikante prognostische Faktoren, die bei der
multivariaten Analyse mit einem schlechteren Ergebnis assoziiert waren, waren ein triple-negatives Mammakarzinom als Primärtumor, ≥ 3 durchgeführte Behandlungslinien vor der IT Therapie, ≥ 3
weitere Metastasen und die Verwendung von IT Cytarabin oder Thiotepa gegenüber Methotrexat, während die gleichzeitige systemische Therapie mit einem besseren Gesamtüberleben verbunden war
([Tab. 2]) [23].
Gauthier et al. und Carausu et al. wiesen insgesamt auf bereits existente ungünstige prognostische Faktoren in ihren Patientinnenkollektiven hin [20]
[23]. Die Validierung des Curie-Score veranschaulichte allerdings die Schwierigkeit der Erstellung eines universell anwendbaren Prognosescores für eine Erkrankung, zu der
solch eine geringe Datenmenge existiert [23]. Diverse Variablen (Hormonrezeptorstatus, histologischer Subtyp, Vorbehandlung) sind noch nicht allumfassend erfasst, um einen verlässlichen Score zu gewährleisten.
Lebensqualität
Oberkampf et al. sowie Le Rhun et al. kommen in ihren Arbeiten zu der Schlussfolgerung, dass die Lebensqualität der Patientinnen unter der intrathekalen Therapie insgesamt erhalten bleibt
[13]
[17]. Le Rhun et al. konnten feststellen, dass es keinen Unterschied in der Lebensqualität zwischen der Kohorte, die eine IT Therapie erhalten hat, und der Kontrollgruppe
gibt, obwohl die Interventionsgruppe mehr Infektionen des CTCAE-Grades 3 erlitt. Le Rhun et al. führten dies auf die Verlängerung des progressionsfreien Überlebens durch die intrathekale
Therapie zurück [13].
Diskussion
Die intrathekale Therapie zeigt grundsätzlich ein tolerierbares Nebenwirkungsprofil mit besonders vielversprechenden Ergebnissen für den Arzneistoff Trastuzumab bei HER2-positiven
Primärtumoren. Ein elementarer Vorteil des liposomalen Cytarabin im Vergleich zum verwendeten Trastuzumab ist allerdings, dass die Applikation lediglich alle 2 Wochen durchgeführt wurde. Dies
bedeutet für die Patientinnen seltenere Behandlungssitzungen. Bei der Anwendung von liposomalen Cytarabin muss jedoch bedacht werden, dass es wiederholt zu Lieferengpässen kam und die Substanz
aktuell auf dem europäischen Markt nicht erhältlich ist [13]
[28].
Die vorgenommenen Vergleiche der eingeschlossenen Studien müssen vor dem Hintergrund betrachtet werden, dass alle Studien sehr heterogene Charakteristika der Patientinnenpopulationen besitzen
sowie unterschiedliche Dosierungen und Applikationsmethoden verwendeten. Zudem wurde die systematische Literaturrecherche lediglich via PubMed durchgeführt, und ausschließlich auf Deutsch oder
Englisch verfasste Ergebnisse wurden in Betracht gezogen. Dadurch wurden potenziell weitere relevante Studien aus anderen Datenbanken und in anderer Sprache nicht eingeschlossen.
Um langfristig die optimale Applikationsform für die IT Therapie bei der Meningeosis carcinomatosa festzulegen, könnten prospektiv angelegte Studien an den bisher umschriebenen Unterschieden
der Applikationsformen anknüpfen und einen Fokus auf die Vor- sowie Nachteile der verwendeten Applikationsverfahren legen.
Gegenstand aktueller Studien ist zudem die Verwendung von Immuncheckpoint-Inhibitoren. Die ersten Studien haben den Einsatz von Immuncheckpoint-Inhibitoren bei Patientinnen mit Melanomen und
Meningeosis carcinomatosa geprüft. So berichten Glitza Oliva et al. in ihrer Phase-I/Ib-Studie über 25 Melanompatientinnen mit Meningeosis carcinomatosa, die den PD-1-Inhibitor Nivolumab
erhielten. Nivolumab wurde in der Studie zunächst für einen Zyklus intrathekal und für alle weiteren Zyklen zusätzlich intravenös appliziert. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die
Verwendung von Nivolumab intrathekal und intravenös zu einer Verbesserung des Gesamtüberlebens führt. In der Studie konnte ein medianes Überleben von 4,9 Monaten erreicht werden. Zudem traten
bei einer maximalen Dosis von 50 mg Nivolumab intrathekal keine dosislimitierenden Toxizitäten auf [29].
Im Kontrast zu den vielversprechenden Ergebnissen für die intrathekale Therapieoptionen steht die randomisierte Studie von Boogerd et al. Patientinnen mit einer Meningeosis carcinomatosa beim
Mammakarzinom wurden randomisiert der intrathekalen (n = 17) bzw. nicht intrathekalen (n = 18) Therapie zugeordnet. In beiden Gruppen basierte die Behandlung auf einer systemischen Therapie
sowie Radiotherapie. Eine Gruppe erhielt zusätzlich noch eine intrathekale Behandlung mit MTX. Boogerd et al. kamen dabei zu dem Resultat, dass die intrathekale Therapie zu keiner Verbesserung
des Gesamtüberlebens führt (OS intrathekal: 18,3 Wochen; OS nicht intrathekal: 30,3 Wochen) [30].
Für eine evidenzbasierte Einschätzung der intrathekalen Therapieoptionen fehlen zum aktuellen Zeitpunkt randomisierte prospektive Studien an homogenen Patientinnenkohorten, die aktuell
verfügbare Therapieoptionen der Meningeosis carcinomatosa beinhalten und miteinander vergleichen. Da diese aufgrund der geringen Inzidenz der Meningeosis carcinomatosa schwierig durchzuführen
sind, empfiehlt sich, dass die Meningeosis-carcinomatosa-Patientinnen in das Brain Metastases in Breast Cancer BMBC Register eingeschlossen werden [31]. Eine große Anzahl dokumentierter Fälle ermöglicht es in Zukunft, Untergruppen mit vergleichbaren prognostischen Faktoren zu analysieren. So können Rückschlüsse auf die
Wirksamkeit und Nebenwirkungen der intrathekalen und systemischen Chemo- und Strahlentherapie gezogen werden. Das große Interesse an weiteren Studien wird durch die Ergebnisse der Umfrage der
Breast International Group bestätigt. Insgesamt 241 Einrichtungen nahmen an der Umfrage teil, die einen Überblick über den aktuellen Umgang mit Meningeosis-carcinomatosa-Patientinnen schafft.
Über 90% der teilnehmenden Einrichtungen sind interessiert an der Teilnahme an einem Register sowie an weiteren Studien zur Meningeosis carcinomatosa [32]. In zukünftigen Studien sollte zudem ein zusätzlicher Fokus auf die Lebensqualität der Patientinnen unter den unterschiedlichen Therapiestrategien gesetzt werden.