CC BY-NC-ND 4.0 · Geburtshilfe Frauenheilkd 2024; 84(02): 130-143
DOI: 10.1055/a-2201-2680
GebFra Science
Statement/Stellungnahme

Management von rheumatischen Erkrankungen in Schwangerschaft und Stillzeit

Positionspapier der Arbeitsgemeinschaft für Geburtshilfe und Pränatalmedizin in der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e. V. (AGG – Sektion Maternale Erkrankungen in der Schwangerschaft) Article in several languages: English | deutsch
Bettina Kuschel
1   Sektion Geburtshilfe und Perinatologie, Frauenklinik und Poliklinik, Klinikum rechts der Isar, Technische Universität München, München, Germany
,
Ute Margaretha Schäfer-Graf
2   Perinatalzentrum, Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe, Berlin, Germany
,
Markus Schmidt
3   Gynecology & Obstetrics, Sana Kliniken Duisburg GmbH, Duisburg, Germany
,
Maritta Kühnert
4   Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Universitätsklinikum Gießen und Marburg – Standort Marburg, Marburg, Germany
,
Carsten Hagenbeck
5   Department of Gynecology and Obstetrics, University Hospital Düsseldorf, Heinrich Heine Universität Düsseldorf, Düsseldorf, Germany
,
Klaus Thürmel
6   Abteilung für Nephrologie und Rheumatologie, Klinik Augustinum München, München, Germany
,
for the AGG – Section Maternal Diseases in Pregnancy › Author Affiliations
 

Zusammenfassung

Zielsetzung Diese Empfehlungen der AGG (Sektion maternale Erkrankungen in der Schwangerschaft) sollen bei maternalen rheumatischen Erkrankungen eine schnelle Orientierung für Beratung und Management in Schwangerschaft und Stillzeit geben.

Methoden Die gängige Literatur, Konsensus- und Positionspapiere, Leitlinien und Empfehlungen anderer Fachgesellschaften wurden durch eine Arbeitsgruppe der Sektion bewertet und nach gemeinsamer Konsensusfindung in diese Empfehlungen gefasst.

Empfehlungen Das Manuskript gibt einen orientierenden Einblick in Physiologie, Pathophysiologie und Definitionen rheumatischer Erkrankungen, die für den Gynäkologen und Geburtshelfer relevant sein können. Die Empfehlungen beziehen sich auf mütterliche, fetale und neonatologische Diagnostik bei Vorliegen maternaler rheumatischer Grunderkrankungen.


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1  Einleitung

Antizelluläre Autoantikörper (gerichtet gegen humane Zellmembranen, zelluläre und/oder nukleäre Strukturen) können Jahre vor (!) der klinischen Diagnose einer autoimmunen Erkrankung im Körper zirkulieren [1]. Sie können im Rahmen von Krankheitsbildern wie systemischer Lupus erythematodes (SLE), Sjögren-Syndrom, systemische Sklerose, Dermatomyositis und rheumatoide Arthritis auftreten. Sekundär im Rahmen dieser Erkrankungen oder auch primär können Antiphospholipid-Antikörper (aPL) auftreten, die zu einem Antiphospholipid-Antikörper-Syndrom (APS) mit verschiedenen klinischen Ausprägungen, vornehmlich aber thromboembolischen Ereignissen und Schwangerschaftskomplikationen führen können. Schwangere und deren Kinder, die transplazentar bestimmte dieser Autoantikörper erhalten, sind hierbei besonderen Risiken (u. a. von rezidivierenden Aborten, schwersten Plazentainsuffizienzen mit entsprechenden Gefahren für Mutter und Kind bis hin zum kongenitalen Lupus) ausgesetzt. Die immunsuppressive Therapie zum Remissionserhalt der Grunderkrankung ist vor Planung einer Schwangerschaft, insbesondere beim SLE, essenziell. Risiken für Mutter und Kind können damit oft erheblich reduziert werden.

Umgekehrt können physiologische Veränderungen der Schwangerschaft den Verlauf bzw. die klinische Erscheinung einer rheumatischen Erkrankung beeinflussen: So kann die schwangerschaftsinduzierte Hyperkoagulabilität das eventuell ohnehin durch die Grunderkrankung bestehende Thromboserisiko erhöhen. Normale Schwangerschaftsveränderungen (u. a. Chloasma gravidarum, Anämie, diffuse Arthralgien) können fälschlicherweise als Symptome der rheumatischen Grunderkrankung fehlinterpretiert werden. Die Differenzialdiagnosen Präeklampsie und HELLP zu Schüben einer Lupusnephritis, einer Vaskulitis oder einer renalen Krise im Rahmen einer Systemsklerose bedürfen der interdisziplinären Zusammenarbeit.

Zumeist liegen Beobachtungs-, selten randomisiert kontrollierte Studien an oft kleinen Patientenkollektiven vor. Dies führt dazu, dass viele Empfehlungen zum Thema weniger auf Evidenzen, sondern auf Expertenmeinungen beruhen.


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2  Methoden

Für die vorliegende Arbeit wurden im März 2023 Empfehlungen von relevanten Fachgesellschaften, Fachtagungen und Institutionen zu rheumatischen Erkrankungen im reproduktiven Alter, mit den Schwerpunkten Lupus erythematodes und Antiphospholipid-Antikörper durchgesehen und auf ihre Aktualität überprüft. Dazu gehören Empfehlungen und Aussagen folgender Organisationen, Institutionen und Autoren: European League Against Rheumatism (EULAR) [2] [3] [4], American College of Rheumatology Guideline (ACR) [5], 16th International Congress on Antiphospholipid-Antibodies Task Force Report [6], British Society for Rheumatology [7], Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie [8].

Ergänzend wurden Metaanalysen, systematische Übersichtsarbeiten, Leitlinien sowie einschlägige andere Publikationen (von 1993 bis 2022) recherchiert und bewertet. Dabei wurde keine systematische Recherche und Evidenzbewertung durchgeführt. Die nach intensiver Diskussion formulierten Aussagen entsprechen deshalb dem Evidenzniveau einer Expertenempfehlung. Die Formulierungsweise wurde weitgehend an die von Leitlinien angelehnt, wobei „soll“ auf eine starke und „sollte“ auf eine mäßig starke Empfehlung hinweist. Diese Handlungsempfehlungen werden mit Grundlagen für diese Empfehlung sowie mit relevanten Hintergrundinformationen hinterlegt – zum besseren Verständnis der einzelnen Empfehlungen und/oder zu deren praktischer Umsetzung.


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3  Generelle Empfehlung

AGG-Empfehlung (1)

Patientinnen mit rheumatoiden Erkrankungen und Kinderwunsch sollten darüber aufgeklärt werden, dass

  • aktive Inflammation – egal an welchen Manifestationsorten (z. B. Gelenke, Haut, innere Organe wie Niere, Darm) – einen ungünstigen Prädiktor für den Schwangerschaftsverlauf darstellt.

  • gute Kontrolle der Erkrankungsaktivität mit eindeutig besseren Schwangerschaftsverläufen korreliert.

  • die Medikation mit dem Kinderwunsch/der Schwangerschaft abgestimmt werden muss und dass ggf. auch eine (vorübergehende) sichere Kontrazeption sinnvoll ist.

  • Folsäure in erhöhter Dosis (5 mg/d) bei Frauen mit Risikofaktoren wie Diabetes, Adipositas, anamnestischen Risikofaktoren für Neuralrohrdefekte sowie unter Sulfasalazin bereits präkonzeptionell erforderlich ist.

  • bei erkennbaren Thrombembolierisiken eine entsprechende, nach Leitlinienvorgaben indivdualisierte, Thrombembolieprophylaxe während Schwangerschaft- und/oder Stillzeit notwendig ist.

  • ASS 150 mg/d abends ab 11. SSW als Präeklampsieprophylaxe, bei einem Antiphospholipid-AK Syndrom zusätzlich niedermolekulares Heparin empfohlen ist.

Hintergrundinformation

Anhand der Anamnese, klinischer und laborchemischer Untersuchungen können individuelle Risiken identifiziert, eingeschätzt und ein Behandlungsplan aufgestellt werden. Auch der Geburtshelfer sollte die Grundzüge der serologisch-rheumatologischen Untersuchungsergebnisse sowie die rheumatologischen Behandlungsstrategien kennen, um eine Frau mit Autoantikörpern und/oder entsprechender klinischer Diagnose betreuen und in ihren Risiken abschätzen zu können.

AGG-Empfehlung (2)

Geburtshelfer und Rheumatologen sollten (ggf. auch in Zusammenarbeit mit Hämostaseologen, Nephrologen und Kardiologen) bereits vor der Konzeption die Schwere der Erkrankung, deren Aktivität und kompatible Medikamente prüfen sowie die Patientin über ihr individuelles Risikoprofil bezüglich Schwangerschaftskomplikationen aufklären.

AGG-Empfehlung (3)

Frauen mit SLE, Antiphospholipid-Antikörper-Syndrom, Sjögren-Syndrom, systemischer Sklerose und rheumatoider Arthritis sollten mindestens einmal vor oder im 1. Trimenon auf für die Schwangerschaft relevante Autoantikörper (SS-A/SS-B, Lupusantikoagulans, Anti-Cardiolipin, Anti-β2-Glykoprotein I) getestet werden.

AGG-Empfehlung (4)

Bei ungeplanter Schwangerschaft sollte umgehend eine entsprechende Expertise (RheumatologIn, GeburtshelferIn) hergestellt werden, um Medikation und Schwangerschaftsrisiken sowie entsprechende Kontrollintervalle zu bestimmen.


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4  Schwangerschaft bei Lupus erythematodes

4.1  Präkonzeptionelle Beratung

Hintergrundinformation

Große Studienkollektive zeigen eindeutig schlechtere Schwangerschaftsverläufe mit vermehrt frühen Aborten, Frühgeburten und erhöhten Präeklampsieraten bei Schwangerschaften, die während einer aktiven Lupuserkrankung, insbesondere bei aktiven Lupusnephritiden ausgetragen werden. Je länger der SLE in Remission und die Patientin unter adäquater Therapie, desto besser die Prognose [9].

Die Bedeutung der SLE-Aktivität für den Schwangerschaftsverlauf ist seit Langem bekannt. Rheumatologen benutzen verschiedene Indices, um die Erkrankungsaktivität bestehend aus verschieden gewichteten klinischen und laborchemischen Parametern herauszuarbeiten. Hierbei findet häufig Verwendung der sogenannte SLEDAI = Systemic Lupus Erythematodes Disease Index: Ein Score ≥ 4 in den 6 Monaten vor der Konzeption ist mit Erkrankungsschüben und Präeklampsien assoziiert [9]. Zudem ist ein Schub in der Schwangerschaft prädiktiv für Früh- oder Fehlgeburten. Das höchste Risiko für Frühgeburten und Präeklampsie besteht in der Kombination von hoher klinischer und serologischer Aktivität (Hypokomplementämie oder hohe DNS-Antikörper) [10]. In einer US-amerikanischen prospektiven, multiethischen „PROMISSE“-Beobachtungsstudie (= Predictors of Pregnancy Outcome: Biomarkers in Antiphospholipid Antibody Syndrome and Systemic Lupus Erythematodes), wurden Vorhersagefaktoren von Schwangerschaftskomplikationen bei Frauen mit stabilem SLE untersucht [11]. Ein Drittel der Patienten hatte eine zum Zeitpunkt der Schwangerschaft inaktive Nierenbeteiligung ohne funktionelle Einschränkung, 60% nahmen Hydroxychloroquin (HCQ) ein. Mehr als 80% der Schwangerschaften verlief ohne Komplikationen. Verluste von Schwangerschaften bzw. Frühgeburten im Rahmen hypertensiver Komplikationen traten bei 19% der Frauen auf. Prädiktoren für ein schlechtes Outcome waren eine höhere klinische SLE-Aktivität bei Konzeption, ein positives Lupusantikoagulanz, nicht weiße Ethnizität, die Verwendung von Antihypertensiva und eine Thrombozytopenie. Die Vorgeschichte einer Lupusnephritis (LN) und ein niedriges C4-Komplement in der Frühschwangerschaft waren unabhängig voneinander mit einem renalen Schubrisiko assoziiert [8], [12]. Die Erstmanifestation einer Lupusnephritis war mit 2% selten [12].

Eine brasilianische Untersuchung an Frauen mit proliferativer Klasse-III/IV-Lupusnephritis zeigte mehr SLE-Schübe und Aktivitäten während der Schwangerschaft und auch nach der Geburt, was zu signifikant häufigeren Krankenhausaufenthalten und Präeklampsien führte [8], [13].

Zusammengefasst ist das Risiko für einen renalen Schub am höchsten, wenn Frauen in der Frühschwangerschaft eine aktive LN zeigen. Das Risiko ist am geringsten bei Frauen mit längerer Remission.

Günstig ist die Planung einer Schwangerschaft bei inaktiver LN (mindestens 6 Monate unter einer mit der Schwangerschaft kompatiblen Therapie) mit Proteinuriewerten < 0,5 g/24 h, normaler Nierenfunktion und normalem Blutdruck [8].

AGG-Empfehlung (5)

Eine Schwangerschaft sollte – in Abhängigkeit von mütterlichen Faktoren (z. B. Nierenbeteiligung) – bei mindestens 6 Monaten inaktivem bzw. mild-moderat stabilem SLE geplant werden.


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4.2  Präeklampsierisiko

Hintergrundinformation

Das Präeklampsierisiko ist deutlich höher bei Frauen mit SLE. Bei Frauen mit LN und Antiphospholipid-Antikörpern ist es noch höher [14]. Eine systematische Literaturrecherche (10 Studien mit 6389 SLE-Patientinnen) bestätigt ein etwa 3-fach erhöhtes Präeklampsierisiko im Vergleich zu gesunden Kontrollen [15]. Innerhalb eines kalifornischen Geburtenregisters waren beim SLE hypertensive Schwangerschaftskomplikationen mit verantwortlich für etwa 30% der Frühgeburten und „Small for Gestational Age“-Kinder [16]. Daten eines norwegischen Geburtenregisters zeigten zudem, dass die Wahrscheinlichkeit einer PE bei aktivem SLE versus inaktivem SLE deutlich erhöht ist [17]. LN, höhere Glukokortikoiddosen, Antiphospholipid-Antikörper und arterielle Hypertonie stellen somit Risikofaktoren dar [8].

AGG-Empfehlung (6)

Eine Patientin mit SLE, insbesondere bei zusätzlich vorliegenden Antiphospholipid-Antikörpern soll über ein etwa 3-fach erhöhtes Präeklampsierisiko gegenüber gesunden Frauen aufgeklärt werden (damit verbunden FGR, IUGR, IUFT, Plazentainsuffizienz- und Frühgeburtsrisiken).


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4.3  Präpartales Management

4.3.1  Immunsuppression während Schwangerschaft

Die EULAR publiziert regelmäßig evidenzbasierte Empfehlungen zur Therapie in Schwangerschaft und Stillzeit [4]. Idealerweise werden bei einer Patientin mit SLE, eine kompatible Immunsuppression und HCQ in der Schwangerschaft fortgesetzt. Kontrollierte Studien haben gezeigt, dass Frauen, die HCQ in der Schwangerschaft fortsetzen, weniger Schübe aufweisen und weniger Steroide benötigen [18]. In einer retrospektiven klinischen Beobachtung war die Präeklampsierate bei SLE-Patientinnen, die HCQ fortsetzen, niedriger (7,5 vs. 19,7, p = 0,032) und das Gewicht der Neugeborenen höher (2757 vs. 2542 g, p = 0,01) als bei Frauen, die HCQ abgesetzt hatten [19]. Eine Metaanalyse, die 7 prospektiv erhobene Kohorten mit insgesamt 668 Lupuspatientinnen in Schwangerschaften bezüglich HCQ analysierte, zeigte statistisch signifikant positive Effekte auf eine verminderte Lupusaktivität, wenn HCQ in der Schwangerschaft eingenommen wurde, jedoch keinen Effekt auf das Schwangerschafts-Outcome [20]. Weitere Studien weisen auf das Risiko von Frühgeburten und Thrombosen bei SLE-Patientinnen hin [21].

Wenn die Gabe von Prednison in der Schwangerschaft dauerhaft notwendig ist, wird eine möglichst niedrige Dosis (≤ 7,5 mg/d) empfohlen. Höhere Dosen oder die Gabe von Methylprednisolon sowie der Einsatz anderer immunsuppressiver Substanzen wie Azathioprin und Calcineurininhibitoren (wie Ciclosporin A, Tacrolimus) können nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Analyse zur Therapie von Schüben bzw. zur notwendigen Immunsuppression erfolgen [2], [8].

AGG-Empfehlung (7)

Beim SLE soll (falls notwendig eine kompatible Immunsuppression und) bereits präkonzeptionell begonnenes HCQ in der Schwangerschaft fortgesetzt werden.


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4.3.2  Präeklampsieprophylaxe während Schwangerschaft

Die Wahrscheinlichkeit einer PE wird bei Risikopatientinnen für PE durch die prophylaktische Gabe von 150 mg ASS um mehr als 60% reduziert. In der ASPRE-Studie erhielten Frauen mit erhöhtem PE-Risiko doppelt blind entweder ASS (150 mg/d) oder Placebo (ab 11. – 14. bis 36. SSW). Der primäre Endpunkt, eine PE mit Entbindung vor der 37. SSW, trat bei 1,6% (13/798) in der ASS-Gruppe auf, verglichen mit 4,3% (35/822) in der Placebogruppe (OR in der ASS-Gruppe 0,38; 95%-KI 0,2 – 0,74) [22]. Es gibt einen dosisabhängigen Effekt mit hohen Resistenzraten gegenüber der Wirkung von ASS auf die Thrombozytenfunktion bei Dosen von weniger als 100 mg/d [23]. Zudem scheint die Einnahme vor dem Schlafengehen von Vorteil [24].

AGG-Empfehlung (8)

Niedrig dosierte Acetylsalicylsäure (ASS) soll allen Frauen (ab 11. – 14. SSW bis zur vollendeten 36. SSW) mit SLE zur PE-Prophylaxe (150 mg abends eingenommen) empfohlen werden.


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4.3.3  Verlaufskontrollen während Schwangerschaft

Auffälligkeiten im C-reaktiven Protein, der Blutsenkungsgeschwindigkeit, dem Differenzialblutbild, der Urinanalyse inklusive Protein/Kreatinin-Ratio sowie Anti-DNS, Komplementverbrauch mit sinkenden C3- oder C4-Werten, Transaminasen und LDH können einen Lupusschub auch bei der (noch) asymptomatischen Patientin anzeigen. Lupus-Aktivitäts-Indices wurden mittlerweile auch für an Lupus erkrankte Schwangere validiert (u. a. der LAI-P oder BILAG2004-Pregnancy Index [25], [26]. Zur Differenzialdiagnose Präeklampsie kann mit den Angiogenesemarkern sFlt1/PlGF ein Hinweis auf eine plazentare Beteiligung gewonnen werden. In einer prospektiv durchgeführten multizentrischen Beobachtungsstudie (PROMISSE) wurden als prognostisch relevante Vorhersagefaktoren zum Ausgang einer Schwangerschaft neben dem anamnestischen Zustand nach Thrombose, perikonzeptioneller Lupusaktivität, nicht weißer Ethnizität, die Notwendigkeit von Antihypertensiva und Thrombopenie, im 1. Trimenon der sFlt1 sowie im 2. Trimester der sFlt1/PlGF-Quotient als stärkste Prädiktoren für den Schwangerschaftsausgang herausgearbeitet [27].

AGG-Empfehlung (9)

Die SLE-Erkrankungsaktivität sollte mindestens einmal pro Trimester mittels Anamnese, klinischer Untersuchung und Labortests getestet werden, da ein Lupusschub die mütterliche und Gesamtprognose der Schwangerschaft erheblich beeinflussen kann.

Aufgrund des erhöhten Präeklampsie- und damit erhöhten fetalen Wachstumsrestriktionsrisikos (s. o.):

AGG-Empfehlung (10)

Eine Patientin mit SLE soll neben dem Routine-Ultraschallscreenig im 3. Trimenon mindestens alle 4 Wochen eine Biometrie und fetale sowie uterine Doppler-Sonografien erhalten. Ein Erst- und Zweittrimesterscreening inklusive Widerstandsmessung der Aa. uterinae sollte angeboten werden.

AGG-Empfehlung (11)

Mittels sFlt1-Bestimmung im 1. Trimenon bzw. sFlt1/PlGF-Quotient im 2. und 3. Trimenon kann man differenzialdiagnostisch eine plazentare Beteiligung prognostisch umschreiben.


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5  Antiphospholipid-Antikörper/Lupusantikoagulanzien

Antiphospholipid-Antikörper (aPL-Ak) sind Immunglobuline (Ig) vom Isotyp G und M, die in vivo an Phospholipid-Protein-Komplexe auf Membranoberflächen, beispielsweise an das Endothel oder an plazentare Oberflächen binden können. In vitro stören sie durch die Abbindung von Phospholipiden funktionelle Gerinnungstests, was für die Diagnostik verwendet wird und in Zusammenhang mit der Assoziation u. a. zum Systemischen Lupus zum Namen „Lupusantikoagulanzien“ geführt hat. Zusätzlich können sie auch direkt durch immunologische Tests (ELISA) nachgewiesen werden; die im klinischen Alltag wichtigsten Vertreter sind die Cardiolipin- und β2-Glykoprotein-I-Antikörper.

Klinisch wird der asymptomatische Nachweis von Phospholipid-Antikörpern vom Antiphospholipid-Syndrom unterschieden. Das Antiphospholipid-Syndrom (APS) äußert sich entweder durch häufig atypische venöse und arterielle Thromboembolien (insbesondere bei jungen Menschen, ohne zuvor erkennbare Risikofaktoren, größere kardiovaskuläre Ereignisse, immune Thrombozytopenien) oder durch Schwangerschaftskomplikationen („geburtshilfliches APS“). Für die Diagnose müssen bestimmte Kriterien erfüllt sein, u. a. der zweimalig positive Nachweis von Phospholipid-Antikörpern oder/und von Lupusantikoagulanzien im Abstand von 12 Wochen [28].

Das Antiphospholipid-AK Syndrom (APS) kommt selten als primär eigenständiges (idiopathisches) Krankheitsbild vor. Häufiger tritt es sekundär als „Begleitsymptom“ von Kollagenosen (z. B. SLE), rheumatischen Erkrankungen (z. B. rheumatoide Arthritis), Tumoren, Infektionen oder in Folge von Medikamenteneinnahmen auf ([Abb. 1]) [29].

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Abb. 1 Antiphospholipid-Antikörper-Syndrom – Genese.

Beim katastrophal verlaufenden APS kommt es innerhalb einer Woche zu thromboembolischen Manifestationen in mindestens 3 Gefäßprovinzen oder Organen. Die Mortalität liegt bei 50%. Differenzialdiagnostisch sind vor allem eine disseminierte intravasale Koagulation (DIC) und thrombotische Mikroangiopathien (TMA) abzuklären ([Abb. 2]).

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Abb. 2 Antiphospholipid-Antikörper-Syndrome – Definitionen.

Für die Diagnose eines geburtshilflichen APS (GBH APS) werden neben der klinischen Diagnose ([Tab. 1]) der serologische Nachweis eines Lupusantikoagulans und/oder mittelhohe bis hohe Titer von IgG-/IgM-Cardiolipin-Antikörpern (AK) bzw. IgG-/IgM-Antikörper gegen β2-Glykoprotein I gefordert [28].

Tab. 1 Laborchemische Definitionen/Risikoprofile, Daten aus [3].

aCL: Cardiolipinantikörper, aβ2-GP I: β2 Glykoprotein-I-Antikörper, aPL: Antiphospholipid-Antokörper, Ig: Immunglobulin, ISTH: International Society on Thrombosis and Haemostasis, LA: Lupusantikoagulans

laborchemische Definitionen/Risikoprofile von Antiphospholipid-Antikörpern für thrombembolische oder Schwangerschaftskomplikationen

  • aCL vom IgG- und/oder IgM-Isotyp (Titer > 40 U/ml) oder > 99. Perzentile eines standardisierten Labortests (ELISA) und/oder

  • aβ2-GP I vom IgG- und/oder IgM-Isotyp (Titer > 40 U/ml) oder > 99. Perzentile eines standardisierten Labortests (ELISA) und/oder

  • Lupusantikoagulans (gemessen nach ISTH-Richtlinien)

2-maliger Nachweis im Abstand von mindestens 12 Wochen gefordert

Definitionen (EULAR) laborchemische Risikokonstellationen für Thrombembolien oder Schwangerschaftskomplikationen

hohes Risiko

Lupusantikoagulans (gemessen nach ISTH-Richtlinien) oder

aPL-Doppelpositivität (jede Kombination von LA, aCL oder aβ2-GP I) oder

aPL-Dreifachpositivität (Nachweis von LA, aCL und aβ2-GP I) oder

dauerhaft hohe aPL Titer

geringes Risiko

isolierte aCL oder aβ2-GP I in niedriger bis mittlerer Titerhöhe, insbesondere bei nur transientem Nachweis

AGG-Empfehlung (12)

Bei Verdacht auf ein GBH-APS sollten Anti-β2-Glykoprotein IgG/IgM, Anti-Cardiolipin IgG/IgM und Lupusantikoagulans als Antiphospholipid-Antikörper getestet werden.

Hintergrundinformation

Antiphospholipid-AKs sind in verschiedenen Studienkollektiven ausgeprägte Risikofaktoren für erhebliche Schwangerschaftskomplikationen bis hin zum Verlust der Schwangerschaft, insbesondere bei Patienten mit SLE. Das Lupusantikoagulans zeigte in der PROMISSE-Studie [27] bei Frauen mit und ohne SLE das größte Risiko für Schwangerschaftskomplikationen an (RR für „Adverse Pregnancy Outcome“ mit positiven Lupusantikoagulanzien betrug 12,15, 95%-KI 2,92 – 50,54, p = 0,0006). Andere unabhängige Risikofaktoren bei aPL-positiven Frauen sind junges Alter, positive Thrombembolie-Anamnese sowie SLE.

Die European League against Rheumatism (EULAR) hat ein serologisches Hochrisikoprofil für APS ([Tab. 1]) definiert [3].

Die Empfehlungen der EULAR zur Therapie bei Antiphospholipid-Antikörpern/Lupusantikoagulanzien werden in Auszügen [3], [8] übernommen ([Tab. 2]).

Tab. 2 Empfehlungen zur Therapie von Frauen mit Antiphospholipid-Antikörpern vor und in der Schwangerschaft (Daten aus [3], [8]).

APS: Antiphospholipid-Antikörper-Syndrom, aPL: Antiphospholipid-Antikörper, HCQ: Hydroxychloroquin, LMWH: niedermolekulares Heparin, LoE: Evidenzlevel, SSW: Schwangerschaftswoche, SLE: systemischer Lupus erythematodes

Primärprophylaxe bei aPL-positiven Frauen außerhalb der Schwangerschaft

nicht schwanger

Für asymptomatische aPL-Trägerinnen (die keine vaskulären oder geburtshilflichen APS-Kriterien erfüllen) mit einem Hochrisiko-aPL-Profil mit oder ohne traditionelle Risikofaktoren wird eine prophylaktische Therapie mit niedrig dosierter ASS (75 – 100 mg/d) empfohlen.

Frauen mit SLE ohne bisherige Thrombembolien oder Schwangerschaftskomplikationen

  • Bei Hochrisiko-aPL-Profil wird eine prophylaktische Therapie mit niedrig dosierter ASS (75 – 100 mg/d) empfohlen.

  • Bei Niedrigrisiko-aPL-Profil kann eine prophylaktische Therapie mit niedrig dosierter ASS (75 – 100 mg) empfohlen werden.

Bei nicht schwangeren Frauen mit der Vorgeschichte eines rein geburtshilflichen APS (mit oder ohne SLE) wird eine prophylaktische Therapie mit niedrig dosierter ASS nach entsprechender Nutzen-Risiko-Abschätzung (aPL-Profil, weitere kardiovaskuläre Risikofaktoren, Verträglichkeit von ASS) empfohlen.

Therapie von aPL-positiven Frauen in der Schwangerschaft

schwanger

Bei Frauen mit Hochrisiko-aPL-Profil, aber ohne Vorgeschichte von Thrombosen oder Schwangerschaftskomplikationen (mit oder ohne SLE) sollte eine Therapie mit niedrig dosierter ASS während der Schwangerschaft in Betracht gezogen werden.

Frauen mit ausschließlich Schwangerschaftskomplikationen eines APS in der Anamnese (keine thrombotischen Ereignisse), mit oder ohne SLE:

  • Bei Vorgeschichte von > 3 wiederholten spontanen Fehlgeburten < 10. SSW und/oder bei Fehlgeburt nach der 10. SSW (ohne sonstige Ursache) wird eine kombinierte Gabe von niedrig dosierter ASS (150 mg/d) und LMWH prophylaktisch während der Schwangerschaft empfohlen.

  • Bei Vorgeschichte einer Entbindung < 34. SSW aufgrund von Eklampsie, schwerer Präeklampsie oder Plazentainsuffizienz wird eine Behandlung mit niedrig dosierter ASS oder Kombination von ASS (150 mg/d) und LMWH prophylaktisch unter Berücksichtigung des individuellen Risikoprofils empfohlen.

  • Bei für die klinischen Kriterien nicht ausreichender geburtshilflicher Vorgeschichte eines APS, wie z. B. 2 rezidivierende spontane Fehlgeburten < 10. SSW oder Entbindung ≥ 34. SSW aufgrund einer schweren Präeklampsie oder Eklampsie, kann eine Behandlung allein mit niedrig dosierter ASS (150 mg/d) allein oder in Kombination mit LMWH in Betracht gezogen werden, dies basierend auf dem individuellen Risikoprofil.

  • Bei Therapie mit LMWH in prophylaktischer Dosierung während der Schwangerschaft bei geburtshilflichem APS sollte ein Fortsetzen des LMWH in prophylaktischer Dosis für 6 Wochen nach der Geburt in Betracht gezogen werden, um das Risiko einer maternalen Thrombose zu verringern.

Bei Frauen mit Kriterien eines geburtshilflichen APS und wiederholten Schwangerschaftskomplikationen trotz Kombination von LMWH und niedrig dosierter ASS (150 mg/d) kann

  1. eine Erhöhung auf therapeutische LMWH-Dosis oder

  2. die Zugabe von HCQ oder

  3. niedrig dosiert Prednisolon im 1. Trimenon oder

  4. die Gabe intravenöser Immunglobuline in sehr speziellen Fällen in Betracht gezogen werden.

Bei APS-Patientinnen mit Thrombembolien in der Vorgeschichte wird die Kombination von niedrig dosierter ASS und LMWH in therapeutischer Dosis während der Schwangerschaft und im Wochenbett empfohlen.


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6  Neonatales Lupussyndrom (bei mütterlichen Autoantikörpern ohne oder mit Sjögren-Syndrom)

Die maternalen Autoantikörper SS-A (Ro52/Ro 60) bzw. SS-B (La/47kd Protein) sind beim Kind (im Sinne einer passiv erworbenen Autoimmunkrankheit) mit dem Risiko eines neonatalen Lupus (NL) assoziiert. Das Risiko steigt, wenn hohe maternale Antikörpertiter (> 50, vor allem > 100 U/l) vorliegen bzw. beide Autoantikörper nachweisbar sind [30], [31].

Diese Autoantikörper kommen überwiegend bei Frauen mit Sjögren-Syndrom, aber auch bei Patientinnen mit SLE, rheumatoider Arthritis sowie bei klinisch gesunden Schwangeren vor ([Abb. 3]). Das Kind wird während seiner intrauterinen Entwicklung transplazentar passiv ab etwa der 11. SSW von den maternalen Autoantikörpern attackiert. Dies kann nicht nur im Rahmen von vulnerablen kardialen Entwicklungsstadien (zumeist zwischen 16. – 24. SSW) zu Myokarditis, Kardiomyopathie und irreversiblem fibrotischen Umbau des AV-Knotens, sondern auch zu kutanen Krankheitszeichen, Leberschäden und (Pan-)Zytopenien beim Neugeborenen führen [30], [32], [33] ([Abb. 3]).

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Abb. 3 Vorkommen von Autoantikörpern gegen Sjögren-Syndrom-Autoantigene.

Klinik

  • fetaler AV-Block (CHB), Myokarditis, Kardiomyopathie

  • postnatal innerhalb der ersten Lebenswochen auftretende Lupus-typische Hautefflorezenzen (häufig UV-Licht-getriggert)

  • selten: Anämie, Leuko-/Thrombopenie, Leberschäden

AGG-Empfehlung (13)

Frauen mit SS-A und/oder SS-B-Antikörpern sollten über ein CHB-/konnatales Lupus-Risiko von 0,7 – 2% aufgeklärt werden. Wurde bereits ein Kind mit CHB/konnatalem Lupus geboren, sollte über ein deutlich höheres Risiko von 15 – 20% aufgeklärt werden.

6.1  Kongenitaler AV-Block, kardiale Beteiligung

Klinisch am wichtigsten ist die kardiale Form des NL: ein irreversibel fibrotischer Umbau des AV-Knoten-Bereichs mit kongenitalem AV-Block (CHB). Das CHB-Risiko von Kindern SS-A/SS-B-AK-positiver Mütter liegt in der Erstgravidität bei 0,7 – 2%. Das Rezidivrisiko (bereits ein Kind mit NL/CHB geboren) liegt deutlich höher bei 15 – 20% [8], [32]. Die meisten CHB werden intrauterin zwischen der 20. und 24. SSW diagnostiziert. Die Gesamtmortalität liegt bei etwa 20%, davon stirbt ein Viertel intrauterin, knapp die Hälfte der Kinder sterben in den ersten 3 Lebensmonaten. Bei zwei Drittel ist im frühkindlichen Verlauf eine Schrittmacherversorgung erforderlich. Die kumulative 10-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit bei einem Lebendgeborenen mit CHB liegt bei etwa 85%. Die Prognose wird vor allem durch eine begleitende Kardiomyopathie (myofibrotischer Umbau des kardialen Muskelgewebes/Myokarditis) bestimmt [8], [32].

Ein CHB entsteht innerhalb kürzester Zeit (< 24 h) und ist mit bisher getesteten Untersuchungsmethoden (wie der mechanischen PR-Zeitmessung oder seriellem Heimmonitor) weder zuverlässig vorhersagbar [34] noch (im Idealfall reversibel) therapierbar [35]. Die meisten CHB werden zum Zeitpunkt des Zweittrimesterscreenings entdeckt. Die Diagnose eines fetalen CHB zieht nach derzeitigem Kenntnisstand keine direkte klinische Konsequenz im Sinne von medikamentöser Therapieinduktion nach sich [36]. Somit führen serielle Echokardiografien bei Frauen mit „nur“ SS-A/SS-B Positivität ohne ein Kind mit NL oder CHB in der Vorgeschichte zu unnötigem Verbrauch von Ressourcen und maternaler Beunruhigung. Bei Frauen mit hohen Risiken für CHB wird das serielle Screening jedoch empfohlen.

Serielle echokardiografische Kontrollen des Fetus mit CHB sowie die Entscheidung, wann entbunden werden muss, obliegen dem Geburtshelfer zusammen mit dem Neonatologen. Das Setting rund um die Geburt muss bei Kindern mit CHB interdisziplinär gebahnt werden.

AGG-Empfehlung (14)

Bei Frauen mit positiven SS-A und/oder SS-B-Antikörpern sollte ein Zweit- und ein Drittrimesterscreening inklusive fetaler Echokardiografie erfolgen. Zum Zeitpunkt der Routinekontrollen im Rahmen der Mutterschaftsrichtlinien sollte alle 4 Wochen ein Bradykardiescreening erfolgen (z. B. durch Auskultation, CTG oder Ultraschall).

AGG-Empfehlung (15)

Bei Frauen, die bereits ein Kind mit kongenitalem AV-Block (CHB) und/oder neonatalem Lupus geboren haben, sollten ab der 16. bis 24. SSW wöchentliche Kontrollen der fetalen Herzfrequenz sowie ein Zweit- und Drittrimesterscreening inklusive fetaler Echokardiografie erfolgen.

AGG-Empfehlung (16)

Ein Kind mit kongenitalem AV-Block (CHB) soll in einem Perinatalzentrum Level I mit der Möglichkeit einer unmittelbaren kardiologischen Notfallversorgung entbunden werden.

AGG-Empfehlung (17)

Ein kardial in der Schwangerschaft gesund erscheinendes Kind einer Mutter mit SS-A/SS-B-Antikörpern sollte postnatal ein EKG erhalten.


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6.2  Kutaner neonataler Lupus

Das Neugeborene kann innerhalb der ersten Lebenswochen lupustypische Hautefflorezenzen entwickeln, die durch ein (passiv erworbenes) antikörpervermitteltes Autoimmungeschehen mit histopathologischen Befunden wie bei einem kutanen Lupus erythematodes einhergehen. Sehr viel seltener werden Coombs-positive hämolytische Anämien, Thrombo-, Leukopenien oder Organbeteiligungen (durch z. B. Transaminasenerhöhungen) diagnostiziert. Zumeist sind diese Veränderungen selbstlimitierend im Verlauf innerhalb von 6 – 9 Monaten.

In prospektiven Untersuchungen trat ein kutaner NL bei 16 – 40% der Kinder auf [37], [38]. Meist sind die Hauterscheinungen reversibel. In einer retrospektiven Untersuchung fanden sich jedoch Folgeerscheinungen bei 34% von 106 Kindern mit NL (13% hatten Teleangieektasien, 17% Pigmentierungsstörungen, 9% atrophische Narben) [39].

AGG-Empfehlung (18)

Bei Frauen, die bereits ein Kind mit CHB und/oder neonatalem kutanen o. a. Organsysteme betreffenden Lupus geboren haben, sollten ab der 16. bis 24. SSW wöchentliche Kontrollen der fetalen Herzfrequenz sowie ein Zweit- und Drittrimesterscreening inklusive fetaler Echokardiografie erfolgen.


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6.3  Medikamentöse Therapie

Das Antimalariamittel Hydroxychloroquin (HCQ) wird seit Jahrzehnten als gut tolerierte immunmodulierende Substanz in der Therapie des SLE eingesetzt. Es vermindert sowohl die Erkrankungsaktivität als auch die notwendige Glukokortikoiddosis. Bei HCQ vermutet man eine Halbwertszeit von 50 – 60 Tagen (wahrscheinlich durch lange Bindung in Geweben bedingt) und – niedrig dosiert (< 5 mg/kg/d) – eine relativ geringe Toxizität: Das Retinopathie-Risiko wird am häufigsten diskutiert; es scheint kumulativ dosisabhängig nach 10 Jahren Einnahme bei etwa 2% zu liegen. Aus diesem Grund werden vor bzw. zu Beginn der Therapie und später im Therapieverlauf jährliche augenärztliche Untersuchungen empfohlen [40]. Registerdaten zeigten unter mütterlicher HCQ-Therapie ein um mehr als 60% reduziertes Rezidivrisiko eines CHBs [36]. Eine prospektive Phase-II-Studie hat diese Daten kürzlich bestärkt: Eingeschlossen wurden 54 Frauen, die bereits ein Kind mit CHB in der Vorgeschichte entbunden hatten. Ihnen wurde HCQ (400 g/d) vor der 10. SSW verabreicht. Vier von 54 (7,4%) Feten entwickelten einen 2° oder 3 ° CHB. Somit war die Rate an CHB signifikant (p = 0,02) niedriger als in historischen Kohorten [41]. Auch im Wochenbett scheint HCQ einen protektiven Effekt auf die Krankheitsaktivität eines SLE zu haben, sodass für HCQ – zumindest bei zusätzlich bestehendem SLE – die weitere Einnahme diskutiert werden sollte [42].

AGG-Empfehlung (19)

Bei Frauen, die bereits ein Kind mit CHB und/oder neonatalem Lupus geboren haben, soll spätestens ab 10. SSW mit 400 mg/d HCQ bis zum Ende des Wochenbettes behandelt werden.

AGG-Empfehlung (20)

Bei Frauen mit positiven SS-A- und/oder SS-B-Antikörpern sollte die prophylaktische Therapie mit 400 mg/d HCQ diskutiert und großzügig empfohlen werden.


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7  Peripartales Management

AGG-Empfehlung (21)

Die Betreuung einer rheumatisch erkrankten Frau sollte als Risikoschwangerschaft analog einer Präeklampsie-/Plazentainsuffizienz-gefährdeten Frau erfolgen.

AGG-Empfehlung (22)

Es besteht keine Indikation zur Geburtseinleitung oder elektiven Sectio bei asymptomatischer rheumatologischer Erkrankung, eine Geburtseinleitung ab 39 + 0 SSW kann angeboten und empfohlen werden. Bei aktiven, symptomatischen Erkrankungen muss individuell entschieden werden.


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8  Postpartales Management

8.1  Medikation

Es gibt einige Studiendaten, die auf eine erhöhte SLE-Schubrate postpartal hinweisen [43], [44]. Zusätzlich zu beachten ist das vor allem beim Antiphospholipid-Antikörper-Syndrom häufig erhöhte, individuelle Thromboserisiko der Patientin. Hier verweisen wir auf aktuelle Leitlinien und Empfehlungen der Fachgesellschaften [45].

AGG-Empfehlung (23)

Die SLE-spezifische Medikation soll während Schwangerschaft und Wochenbett verabreicht werden. Rheumatologische Kontrolluntersuchungen 12 und 24 Wochen postpartal sollen empfohlen werden.

AGG-Empfehlung (24)

Wenn keine peripartale Infektion anderer Ursache vorliegt, können Biologika (wie z. B. TNF-α oder IL-Inhibitoren) 24 h nach vaginaler Geburt und 48 h nach Sectio cesarea wieder begonnen werden.


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8.2  Stillen

AGG-Empfehlung (25)

Frauen soll das Stillen für mindestens 6 bis 12 Monate empfohlen werden. Die erkrankungsspezifische Medikation soll mit für die Laktation kompatiblen Medikamenten fortgesetzt werden.

Das Raynaud-Phänomen der Brustwarze (extrem schmerzhafte transiente Ischämie mit zunächst weißlicher, dann bläulicher gefolgt von roter Hautverfärbung periareolär und/oder im Bereich der Brustwarze) wird in der Literatur als unter-, oft fehldiagnostizierte Problematik bei Schwangeren und stillenden Müttern erwähnt. Hierzu liegen Fallberichte, aber keine systematischen Untersuchungen vor [46], [47]. Mögliche Triggerfaktoren können digital initiierte Vasospasmen, Kälte und Stress sein. Es ist anzunehmen, dass Frauen mit rheumatischen Erkrankungen, bei denen das Raynaud-Phänomen von Fingern und Zehen oft zur Symptomatik ihrer Grunderkrankung gehört, davon häufiger betroffen sind. Die Sympotomatik ist relativ einfach mit Wärme, ggf. mit vasodilatativen Substanzen wie Nifedipin (10 – 60 mg retard) zu therapieren [48].

AGG-Empfehlung (26)

Das Raynaud-Phänomen der Brustwarze sollte bei rheumatisch erkrankten Schwangeren aktiv erfragt, aufgeklärt und ggf. therapiert werden.

Eine Übersicht zu den Empfehlungen zum perikonzeptionellen, Schwangerschafts- und postpartalen Management wurden von Fischer-Betz und Haase [8] erarbeitet und den Autoren der AGG-Empfehlungen ergänzt ([Tab. 3]).

Tab. 3 Empfehlungen zu Untersuchungen und Maßnahmen vor Konzeption und in und nach der Schwangerschaft bei systemischem Lupus erythematodes (SLE), Daten aus [8], mit geburtshilflich relevanten Empfehlungen ergänzt.

a  SLEDAI = Systemic Lupus Erythematodes Activity Index, ein Score > 4 in den 6 Monaten vor Konzeption ist mit erhöhter Wahrscheinlichkeit von Schüben/Präeklampsien assoziiert [1].

b  Doppler-Sonografie Aa. uterinae zur Abschätzung des individuellen Präeklampsierisikos.

c  Biometrie.

d  sFlt/PlGF-Quotient zur Abschätzung und Differenzialdiagnose einer plazentaren Beteiligung am Krankheitsgeschehen.

vor Konzeption

allgemein

vorangegangene Schwangerschaften/Schwangerschaftskomplikationen?

Komorbiditäten (z. B. Hypertonie, Diabetes, thrombembolische Ereignisse)?

Impfschutz?

Folsäure 4 bis 12 Wochen vor geplanter Konzeption

Vitamin-D-Substitution (ggf. Spiegel bestimmen)

SLE-spezifisch

Schwere der Erkrankung (v. a. renal, pulmonal, kardial – ggf. interdisziplinäre Zusammenarbeit bzw. Kontraindikationen prüfen) – Dokumentation des letzten kardiopulmonalen Checks, ggf. aktualisieren? Aktuelle Nierenwerte?

SLE-Aktivität aktuell bzw. in den letzten 6 bis 12 Monaten (idealerweise mit validiertem Instrument, z. B. SLEDAI; Ziel SLEDAI ≤ 4)a

medikamentöse Therapie: Kontraindikationen? → Umstellung

Hydroxychloroquin fortsetzen oder ggf. neu beginnen

Labor: Blutsenkungsgeschwindigkeit (vor Schwangerschaft)/C-reaktives Protein, Blutbild inklusive Thrombozyten, Kreatinin/Kreatininclearance, LDH, CK, Leberwerte

Urinstatus, ggf. Eiweißausscheidung (Protein/Kreatininratio)

Komplement (C3 und C4 oder CH50), DNS-AK, SS-A/SS-B-AK, Antiphospholipid-AK, Lupusantikoagulans

in der Schwangerschaft

in jedem Trimenon:

Überprüfung der Aktivität (idealerweise mit validiertem Instrument, z. B. SLEDAI)

Überprüfung/Anpassung der Therapie

Low-Dose Aspirin (150 mg/d) zur Präeklampsieprophylaxe, Beginn spätestens zwischen 11. – 16. SSW bis zur vollendeten 36. SSW

bei dauerhafter Glukokortikoideinnahme: 75 g oGTT-Screening-Test

Routineultraschallscreenings, zusätzliche Empfehlung zu

  • Ersttrimesterscreening inklusive Aa.-uterinae-Doppler-Sonografieb

  • Zweittrimesterscreen inklusive Aa.-uterinae-Doppler-Sonografieb

  • Drittes Trimester: monatliche Biometrie und feto-(maternale) Doppler-Sonografieb,c, ggf. Intensivierung bei Wachstumsabflachung/fetaler Wachstumsretardierung, ggf. Zusatzuntersuchung mittels sFlt1/PlGF-Quotientd

SS-A/SS-B-positive Frauen erhalten bei jeder fachärztlichen Untersuchung ein fetales Bradykardiescreening; eine Echokardiografie beim Erst-, Zweit-, Drittrimesterscreening ist empfohlen.

SS-A/SS-B-positive Frauen: Aufklärung über 1 – 2% Wahrscheinlichkeit neonatales Lupussyndrom (AV-Block/Myokarditis, kutaner Lupus)

postpartal

SS-A/SS-B-positive Frauen: Neugeborene sollten ein EKG erhalten.

Nach 12 und 24 Wochen Überprüfung der SLE-Aktivität.


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9  Rheumatoide Arthritis (rA), seronegative Spondylarthritis (SpA), Psoriasisarthritis (PsA)

Ein systematischer Review sowie die damit kombinierte Metaanalyse konnten zeigen, dass sich die Erkrankungsaktivität der rA in 60% während einer Schwangerschaft verbessert, jedoch in knapp 50% post partum wieder verschlechtert [49]. Eine andere Metaanalyse konnte zeigen, dass im Vergleich zur gesunden Population um den Faktor 1,4 bis 2,2-fach erhöhte Risiken für das fetomaternale Outcome (wie erhöhte Spontanabortrate, Gestationshypertonie-, Präeklampsie, SGA-/FGR, Frühgeburtsrisiken) bestehen [50]. Weniger Daten existieren zur PsA, die in etwa ⅓ der Fälle während einer Schwangerschaft stabil verläuft, während ⅓ exazerbiert und ⅓ sich verbessert [51]. Genauso zeigt die Datenlage zur SpA kontroverse, sehr variable (von stabil bis exazerbierende) Verläufe in Schwangerschaften. Allen gemeinsam ist jedoch, dass sich ein erheblicher Anteil der Patientinnen in den postpartalen Monaten wieder verschlechtern kann [52]. Auch hier sind schwangerschafts- und stillzeitkompatible Medikamente zur Kontrolle der Krankheitsaktivität von entscheidender Bedeutung ([Tab. 4]). In den letzten Jahren erfolgt ein Paradigmenwechsel bezüglich der seit über 20 Jahren u. a. zur Therapie der hier besprochenen Arthritiden eingesetzten TNF-α-Inhibitoren: Die meisten dieser Substanzen haben IgG-Strukturen (Infliximab, Adalimumab, Golimumab, Etanercept) und gelangen durch die Plazenta zum Feten, wobei Etanercept aufgrund der besonderen Molekülstruktur einen geringeren Übertritt in den kindlichen Kreislauf aufweist. Den geringsten Übertritt in den kindlichen Kreislauf besitzt der TNF-Blocker Certolizumab pegol, das aus einem gegen TNF gerichteten pegylierten Fab-Fragment besteht. Trotzdem sollte eine gut auf einen anderen TNF-Blocker eingestellte Patientin nicht auf Certolizumab pegol umgestellt werden. Certolizumab pegol kommt aber infrage, wenn in der Schwangerschaft oder bei Kinderwunsch eine TNF-α-Therapie erstmals neu begonnen werden soll [53].

Tab. 4 Antirheumatische Medikamente in Schwangerschaft und Stillzeit. Daten aus: EULAR-Empfehlungen [4], [8].

Medikament

Kommentara

Stillzeita

a  Unter strenger Nutzen-Risiko-Abwägung, u. a. in Abhängigkeit von der Schwere und Aktivität der Erkrankung und nach ausführlicher individueller Information der Patientin.

b  Basierend auf Fallserien ungeplanter Schwangerschaften mit mütterlicher Exposition im 1. Trimenon scheint es kein Muster von angeborenen Anomalien zu geben. Einsatz in der Schwangerschaft, wenn keine andere Therapie existiert, die die Krankheitsaktivität ausreichend kontrolliert.

c  Biologische DMARDs („Disease Modifying Antirheumatic Drugs“), zu denen keine oder nur limitierte Daten zur Stillzeit vorliegen, sollten in der Stillzeit vermieden werden, wenn die Erkrankungsaktivität mit anderen Therapien effektiv kontrolliert werden kann. Basierend auf den pharmakologischen Eigenschaften von biologischen DMARDs sollte vom Stillen von der Verwendung dieser Substanzen nicht abgeraten werden, wenn keine anderen Optionen verfügbar sind.

nicht selektive COX-Inhibitoren (klassische NSAIDs)

Im 1. und 2. Trimenon möglich.

kompatibel

selektive COX-Inhibitoren

Sollten vermieden werden.

Nur Celecoxib ist ausreichend untersucht und kompatibel.

Azathioprin

Fortsetzen, 2 mg/kg/d nicht überschreiten.

kompatibel

Ciclosporin

Fortsetzen, niedrigste effektive Dosis verwenden, 2 – 3,5 mg/kg/d nicht überschreiten.

kompatibel

Cyclophosphamid

Beim Menschen teratogen.

3 Monate vor geplanter Schwangerschaft absetzen (Einsatz bei lebensbedrohlichen Situation ab 2. Trimenon erwägen).

keine Daten, vermeiden

Hydroxychloroquin

Wie außerhalb der Schwangerschaft dosieren.

kompatibel

Chloroquin

Wie außerhalb der Schwangerschaft dosieren.

kompatibel

Leflunomid

Im Tierversuch teratogen, sollte vermieden werden.

Beim Menschen keine ausreichenden Daten, Auswaschen vor geplanter Schwangerschaft.

keine Daten, vermeiden

Methotrexat

Beim Menschen teratogen, 1 – 3 Monate vor geplanter Schwangerschaft absetzen, danach Folsäuresubstitution (1 – 5 mg/d) bis 1. Trimenon.

unzureichende Daten, vermeiden

Mycofenolat-Mofetil

Beim Menschen teratogen, mindestens 1,5 Monate vor geplanter Schwangerschaft absetzen.

keine Daten, vermeiden

Prednison, Prednisolon

Fortsetzen, niedrigste effektive Dosis verwenden.

kompatibel

Methylprednisolon

Im akuten Schub applizierbar.

Im akuten Schub applizierbar.

Sulfasalazin

Fortsetzen, 2 g/d nicht überschreiten + begleitend Folsäuresupplementation.

kompatibel

Tacrolimus

Fortsetzen, niedrigste effektive Dosis verwenden, Dosis ggf. an Plasmaspiegel adaptieren.

kompatibel

Colchicine

Fortsetzen, 1 mg/d nicht überschreiten.

kompatibel

intravenöses Immunglobulin

Fortsetzen.

kompatibel

Tofacitinib

Vermeiden, 2 Monate vor Konzeption absetzen.

keine Daten, vermeiden

Infliximab

Fortsetzen bis 20. SSW, streng indiziert auch in gesamter Schwangerschaft möglich.

kompatibel

Adalimumab

Fortsetzen bis 20. SSW, streng indiziert auch in gesamter Schwangerschaft möglich.

kompatibel

Golimumab

Limitierte Datenlage, bei fehlender Alternative streng indiziert auch in gesamter Schwangerschaft möglich.

kompatibel

Etanercept

Fortsetzen bis 30. – 32 SSW, streng indiziert auch in gesamter Schwangerschaft möglich.

kompatibel

Certolizumab

Fortsetzen.

kompatibel

Rituximab

Begrenzte Datenb.

Bevorzugt zu anderer Therapie wechseln oder Gabe kurz vor Konzeption anstreben. Bei Gaben im 2. und 3. Trimenon kann es zur B-Zell-Depletion beim Kind kommen.

begrenzte Datenc

Anakinra

Kann bei fehlenden Alternativen fortgesetzt werden.

keine Daten, vermeiden

Ustekinumab

Limitierte Evidenz – falls möglich alternative Medikation wählen.

keine Daten, vermeiden

Belimumab

Begrenzte Datenb.

Bevorzugt zu anderer Therapie wechseln, es existiert in Deutschland ein Belimumab-Schwangerschaftsregister.

keine Datenc

TNF-Blocker können noch Monate nach der Geburt noch in geringer Konzentration im Kind nachweisbar sein, weshalb sie – bei stabilen Verläufen – im 3. Trimenon abgesetzt und nach der Geburt wieder angesetzt werden. Langzeitdaten der Kinder über 2 – 5 Lebensjahre hinaus existieren nicht, jedoch gibt es bislang keine Daten, die auf einen negativen, immunkompromittierenden Effekt hinweisen. Sicherheitshalber sollen intrauterin exponierte Kinder in den ersten Lebensmonaten nicht mit Aktivimpfstoffen geimpft werden [54], [55]. Die EULAR empfahl im Jahr 2022 Adalimumab und Infliximab um die 20. SSW, Etanercept zwischen 30 – 32. SSW abzusetzen und mit geringer Evidenz, Certolizumab pegol in indizierten Fällen auch die ganze Schwangerschaft hindurch zu applizieren [53].

Antizelluläre Antikörper wie SS-A und SS-B, die mit o. a. Schwangerschaftskomplikationen und Erkrankungen in Verbindung gebracht werden, sollten auch bei der rA überprüft werden ([Abb. 3]).

AGG-Empfehlung (27)

Frauen mit rA, SpA und PsA sollten zu Beginn ihrer Schwangerschaft darüber informiert werden, dass die Erkrankung mit erhöhten Risiken für ein schlechteres fetomaternales Outcome assoziiert sein kann, weshalb vor und in der Schwangerschaft die regelmäßige rheumatologische Kontrolle und Therapie zur Stabilität der Krankheitsaktivität empfohlen ist.

AGG-Empfehlung (28)

Frauen mit rA und anderen Autoimmunerkrankungen sollten – nach Rücksprache mit behandelnden Rheumatologen – einmalig vor oder früh in der Schwangerschaft auf SS-A- und SS-B-Antikörper getestet werden.

Postpartale Schübe in den Monaten nach der Schwangerschaft kommen bei etwa der Hälfte aller Frauen vor [49].


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10  Mischkollagenosen/undifferenzierte Kollagenosen

Mischkollagenosen sind eine definierte Krankheitsentität mit einer bestimmten Autoantikörperkonstellation (Nachweis von U1-RNP-Antikörpern) und klinischen Zeichen des systemischen Lupus erythematodes, der systemischen Sklerose, der Dermatomyositis und des Sjögren-Syndroms. Es ist davon auszugehen, dass bei Patientinnen mit Mischkollagenosen mit Antiphospholipid-Antikörpern, Lupusantikoagulans und/oder SS-A/SS-B-Antikörpern mit entsprechenden o. a. Risiken zu rechnen ist [56].

AGG-Empfehlung (29)

Frauen mit Misch- und anderen Kollagenosen sollten am besten vor bzw. zu Beginn ihrer Schwangerschaft darüber informiert werden, dass die Erkrankung mit erhöhten Risiken für ein schlechteres fetomaternales Outcome assoziiert sein kann, weshalb vor und in der Schwangerschaft die regelmäßige rheumatologische Kontrolle und Therapie zur Stabilität der Krankheitsaktivität empfohlen ist.

AGG-Empfehlung (30)

Frauen mit Misch- und anderen Kollagenosen sollten einmalig vor oder früh in der Schwangerschaft auf SS-A/SS-B- und Antiphospholipid-Antikörper getestet werden.


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11  Vaskulitiden

Vaskulitiden können kleine (z. B. Granulomatose mit Polyangitis oder mikroskopische Polyangitis), mittelgroße (Polyarteriitis nodosa) und große Gefäße (Takayasu-Arteriitis) betreffen, auch der Morbus Behçet und die IgA Vaskulitis werden zu dieser Gruppe rheumatischer Erkrankungen gezählt. Diese Erkrankungen sind mit erhöhten Präeklampsie-, Plazentainsuffizienz-, SGA-, FGR-, Frühgeburts- und Hypertonierisiken assoziiert [57].

AGG-Empfehlung (31)

Niedrig dosierte Acetylsalicylsäure (ASS) soll allen Frauen (ab 11. – 14. SSW bis zur vollendeten 36. SSW) mit Vaskulitiden zur PE-Prophylaxe (150 mg abends eingenommen) empfohlen werden.

AGG-Empfehlung (32)

Schwangerschaftskontrollen sowie das peri- und postpartale Management sollten analog einer Hypertension-, Präeklampsie- und Plazentainsuffizienz-gefährdeten Frau erfolgen.

Die EULAR hat für gängige antirheumatische medikamentöse Therapien einen systematischen Überblick über die vorhandene Datenlage zu Erfahrungen und Sicherheitsaspekten in Schwangerschaft und Stillzeit inklusive Expertenkonsensus vorgelegt [4]. Die [Tab. 4] fasst hieraus die wichtigsten Aspekte des Expertenkonsensus zusammen.


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Correspondence/Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Bettina Kuschel
Leiterin der Sektion Geburtshilfe und Perinatologie
Frauenklinik
Klinikum rechts der Isar
Ismaningerstr. 22
81675 München
Germany   

Publication History

Received: 10 August 2023

Accepted after revision: 23 October 2023

Article published online:
08 February 2024

© 2024. The Author(s). This is an open access article published by Thieme under the terms of the Creative Commons Attribution-NonDerivative-NonCommercial License, permitting copying and reproduction so long as the original work is given appropriate credit. Contents may not be used for commecial purposes, or adapted, remixed, transformed or built upon. (https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/)

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany


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Fig. 1 Antiphospholipid antibody syndrome – genesis.
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Fig. 2 Antiphospholipid antibody syndrome – definitions.
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Fig. 3 Presence of autoantibodies against Sjögrenʼs syndrome autoantigens.
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Abb. 1 Antiphospholipid-Antikörper-Syndrom – Genese.
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Abb. 2 Antiphospholipid-Antikörper-Syndrome – Definitionen.
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Abb. 3 Vorkommen von Autoantikörpern gegen Sjögren-Syndrom-Autoantigene.